„Es war tief in der Nacht, kurz vor Morgengrauen. Wir waren nach einem langen, ereignisreichen Tag auf dem See unterwegs, in einem unserer Boote. Auf einmal kam ein stürmischer Wind auf. Merkwürdig, denn um diese Zeit schlief eigentlich auch die Natur. Sofort waren wir alle wach und auf dem Posten.
Doch was war das? Eine Bewegung auf dem Wasser, etwas kam auf uns zu! Wie ein wehender Mantel, eine gespenstische Erscheinung! Wir waren alle miteinander entsetzt, so etwas hatten wir noch nie gesehen. Die Furcht war ansteckend, ich glaube, wir schrieen ziemlich durcheinander. Doch da sprach die Erscheinung zu uns: ‚Habt keine Angst. Ich bin es. Es ist alles gut!‘
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Und doch konnte ich es nicht so ganz glauben, deswegen rief ich ‚Herr, bist du es? Wenn du es wirklich bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen!‘ ‚Dann komm!‘ antwortete er. Ohne nachzudenken setzte ich erst den einen, dann den anderen Fuß über die Bordwand. Ich hatte ihn fest im Blick, ich ging auf ihn zu. Aber dann bemerkte ich die hohen Wellen rings umher. Was tat ich hier? Das war doch unmöglich …
Prompt begann ich zu sinken, der brodelnde See würde mich gleich verschlucken. Da griff eine Hand nach meiner und hielt mich fest. Er fragte mich: ‚Warum hast du so wenig Vertrauen zu mir?‘ Diese Frage beschäftigte und beschämte mich noch lange danach. Gemeinsam bestiegen wir das Boot und gleichzeitig legte sich der Sturm. Wir alle knieten nieder und waren voller Ehrfurcht vor Ihm. So vieles hatten wir schon mit ihm erlebt und doch waren wir immer aufs Neue überwältigt. Er konnte nur der ersehnte Messias sein!“
(Nach Matthäus 14, 22-33)
Na, ich schätze, du kennst den Erzähler dieser Begebenheit. Es ist natürlich Petrus. Petrus, der immer treu zu Jesus stehen wollte. Petrus, der gern ein bisschen großspurig daherkam und seinen eigenen Anforderungen nicht so recht genügen konnte. Petrus, der Jesus schließlich verleugnete, als es für ihn selbst brenzlig wurde. Aber eben auch Petrus, dem Jesus so viel zugetraut hatte. Petrus, mit dem Jesus immer liebevoll und geduldig umgegangen war. Petrus, dem Jesus ganz direkt die Gemeinde anvertraut hatte, ehe er zum Himmel auffuhr.
Petrus ist eigentlich ein Mensch, den wir gut verstehen können. Denn in wohl jedem von uns steckt mehr oder weniger von seinem Charakter drin. Wir sind möglicherweise einmal wie Petrus von Jesus angesprochen worden: „Folge mir nach.“ Und wir sind gefolgt. Vielleicht zunächst aus Neugierde, dann mit wachsender Faszination für diesen so anderen Weg, den wir mit Jesus gehen dürfen. Auch wenn wir nicht immer verstanden haben, was Jesus eigentlich von uns und für uns will, wir haben gebrannt für Jesus, wollten ihm immer nahe sein.
Und doch, es gibt auch immer mal wieder Zeiten, da wissen wir nicht, ob es vielleicht doch ein Irrweg ist, ob es sich lohnt, gegen den Strom zu schwimmen. Da kommen Fragen und Zweifel. Und dann?
In den Tagen und Wochen jetzt, mit der Ungewissheit, was mit der Menschheit passiert, wie die Welt nach Corona (oder mit Corona auf Dauer) aussehen wird, da sind wir möglicherweise besonders anfällig, uns zu überlegen, wohin uns der Weg mit Jesus führt.
Zweifel kommen gern dann, wenn wir den Blick von Jesus lösen, wenn wir die Stürme des Lebens um uns herum verstärkt wahrnehmen, wenn wir vor allem bemerken, was alles gerade schief läuft. Dann fehlt uns das Vertrauen. Alle Sicherheiten, die wir uns aufgebaut haben, stehen auf dem Prüfstand und manches hält der Prüfung nicht stand.
In meiner westfälischen Heimat haben die Gemeinden, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen zusammengeschlossen sind, ein allgemeines Glockenläuten jeden Abend um 19:30 Uhr beschlossen. Und ein Gebet verfasst, das zu dieser Zeit alle mitsprechen können. Dabei auch eine Kerze anzünden und ins Fenster stellen, als Zeichen der Hoffnung und Verbundenheit. Und auch als eine Art der Selbstvergewisserung, auf wen wir letztlich unser Vertrauen setzen. Das Vertrauen, das über den Zweifel die Oberhand behält oder erhält.
Mir fehlt für diesen Impuls gerade der zündende Schlusssatz. Ich schätze mal, das liegt daran, dass den Schluss oder die Schlussfolgerung, jede*r einzelne von uns für sich finden muss. Das geht nicht auf dem Verordnungsweg. Es kann auch das Gegenteil von Schluss sein, nämlich ein persönlicher Anfang, der Beginn eines Weges. Eines Weges mit Berg- und Taletappen, mit Stolpersteinen und Bänken zum Ausruhen am Wegesrand. Mit Sturzregen, Sturm, lauen Frühlingslüftchen, heißen und trockenen Tagen und manchmal auch grandiosen Ausblicken.
Habt einen schönen Sonntag und bleibt gesund. Und vor allem zuhause!
PS: Wenn du den Text des Gebetes haben möchtest, schreib mich über das Kontaktformular an.
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