Dieser Rebengang wirkt äußerst verlockend für mich. Ich stelle mir vor, dass er Schatten und Schutz bietet. Schutz vor Sonne, Wind und Regen, vor der Hitze eines Sommertages, vor neugierigen Blicken. Gerne würde ich mich hier einfach mal hinsetzen oder -legen, den Duft der Natur um mich herum einatmen, die Kühle unter dem Blätterdach genießen, auch mal Trauben naschen, wenn sie schon reif sind. Ich glaube, ich wäre dort sehr behütet. Dieser Traubengang ist eine Art sakraler Raum in meiner Vorstellung.
„Ich bin der wahre Weinstock, ihr seid die Reben“ sagte Jesus einst. Das heißt, ich bin ein Teil dieses Bildes. Diese Darstellung ist unter anderem: Kirche!
Denn was ist „Kirche“ eigentlich? Der Ursprung ist das griechische „Ecclesia“ (ursprünglich eine Volksversammlung), im christlichen Sinn gebraucht als „Die Herausgerufenen“, die von Jesus Christus durch das Evangelium herausgerufen wurden aus der Welt.
Kirche ist nicht einfach die Bezeichnung für ein Gebäude, auch nicht für eine Variante der Religionsausübung. Kirche ist auch nicht zuerst katholisch oder evangelisch, baptistisch oder sonstwie. Kirche ist vor allem Gemeinschaft oder Familie.
Wie in jeder Familie gibt es Gemeinsamkeiten und Differenzen. Es gibt Menschen, die man mag und solche, die man am liebsten von hinten sieht. Sogar in der Gemeinde, in der man sich zuhause fühlt. Und das ist gut und richtig so und meiner Meinung nach sogar wichtig für die eigene Entwicklung. So wie sicherlich jeder in der Verwandtschaft jemanden kennt, den man nur ungern besucht, von der man sich abgrenzt, eine Person, die Widerstand hervorruft. Das hilft beim Aufwachsen. Sich zu sagen: Wie diese Person möchte ich nicht werden! Da sträubt sich alles in mir.
Auch in der Gemeinde gibt es solche Menschen. Aber: Ich habe inzwischen festgestellt, dass mir teilweise sogar schmerzliche Auseinandersetzungen mit solchen Menschen letztlich mehr geholfen haben, meine eigene spirituelle Identität zu finden, als solche, mit denen ich einer Meinung war. Denn sie fordern heraus, Positionen zu überdenken statt zufrieden im eigenen Saft liegen zu bleiben. Das kann dazu führen, dass ich in meinem Denken bestärkt werde, aber es kann auch bedeuten, dass ich erkenne, selbst auf dem Holzweg zu sein. In jedem Fall aber muss ich reflektieren, und sei es, um Argumente zu sammeln. Das ist natürlich unbequem. Aber im Nachhinein oft sehr hilfreich.
„Meine “ Gemeinde ist sicher nicht perfekt. Das wäre unmenschlich und überhaupt nicht erstrebenswert. Aber sie ist so wie wir Menschen eben sind!
Und jetzt du…
Bild- und Textkarten: ©Neukirchener Verlag (Bibliographische Angaben siehe Beitrag „Talk-Boxing“)
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