Für die heutige Aufgabe habe ich mir zuerst den Kopf zermartert, bin danach an meinen Regalen vorbeigeschlichen wie die Katze um den Sahnetopf und hatte schon die Befürchtung, ich könnte leer ausgehen. Aber dann sprang mich doch noch ein Buch an, so mental gesehen.
Die Aufgabe lautet: „Ein Buch, auf das du durch den Klappentext neugierig wurdest“.
Ich sah das Buch in einer konfessionellen Buchhandlung, und da ich durch die Jugendarbeit immer mal wieder in die Lage kam, ein gemeinsames Gebet anzuleiten, was eigentlich so gar nicht „meins“ ist, warf ich einen zweiten und dritten Blick. Als Kind war das erste Gebet, mit dem ich in Berührung kam „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm‘.“ Vielleicht könnt ihr euch vorstellen, dass ich mir ganz ordentlich Gedanken machte, was denn „fromm“ bedeuten könnte. Bis heute habe ich mich mit dem Begriff nicht so ganz ausgesöhnt. Im Konfirmationsunterricht in den 1980ern lernte ich eine Definition des Gebets, die ich eher als technische Gebrauchsanleitung empfand. Nach dem Schema: Finde etwas, wofür du danken kannst, erzähl ein bisschen und dann darfst du auch um etwas bitten. Aber am wichtigsten war das Danken. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass es in jeder Gemeinde so war, vielleicht hatte unser Pastor es auch gar nicht so strikt gemeint, jedenfalls kam es bei mir aber so an. Wenn ich also nichts zu danken fand, dann ließ ich es einfach.
Lange Jahre war mein Gebetsleben ziemlich spartanisch, teilweise beschränkte es sich auf Stoßgebete in brenzligen Situationen. Bis ich dann Kindergottesdienstmitarbeiterin wurde. Mir wurde klar, mit Kindern beten kann auch ganz anders ablaufen als mein Papa mir das beigebracht hatte. Zum Glück gab es schon sehr gute Materialien für Kindergottesdienstvorbereitung, daran konnte ich mich entlanghageln.
Als ich also auf das Buch „Beten – Ein Selbstversuch“ von Klaus Douglass (hier der Wikipedia-Eintrag zum Autor) stieß, kam es für mich einer Offenbarung gleich. Beten ist nicht 08-15 oder Schema F, beten ist etwas sehr persönliches, intimes zwischen Gott und mir. Und weil wir Menschen alle so unterschiedlich sind, ebenso wie die Situationen, in denen wir beten, ist auch Gebet sehr verschiedenartig und individuell. Klaus Douglass hat 50 verschiedene Arten des Gebets durchprobiert, sich dabei von der Alten Kirche, der Orthodoxie, aber auch anderen Religionen inspirieren lassen. Er hat statische und bewegte Formen erkundet, gebundene und freie, digitale und analoge Angebote, spirituelle und auch profane Stilmittel erforscht. Er fand heraus, welche Formen für ihn funktionierten und welche er eher absonderlich fand.
Und so ging es mir auch, während ich durch dieses Buch mit ihm auf Entdeckungsreise ging. Für mich selbst kam ich zu dem Schluss, dass es okay ist, wenn ich Gott auch mal nicht danken kann, weil gerade alles überhaupt nicht zum danken ist, dass ich ihm Missstände klagen und sogar ihn selbst anklagen darf. Dass ich nicht jeden Abend vor dem Einschlafen alles mögliche vom Tag zusammensammeln muss (obwohl das natürlich sehr entlastend sein kann) und genauso gut beim Kochen, Autofahren oder bei der Hunderunde mit IHM reden darf. Wenn ich beim Lobpreis zu tanzen beginne, kann das ebenbürtig sein zur stillen Andacht. Wenn mir eigene Worte fehlen, kann ich auf das Vaterunser oder einen Psalm zurückgreifen oder auf andere Gebetsvorlagen. Und genauso muss ich bei einer Gebetsrunde gerade nicht auf vorformuliertes zurückgreifen („Vater, du siehst, wo jeder von uns gerade steht“ kommt mir oft so gestelzt vor, vor allem, wenn ich es sage), sondern kann reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Wenn mir überhaupt nicht nach reden ist, bin ich frei zu schweigen. Selbst ein paar Tage Beziehungspause ziehen es nicht nach sich, dass Gott mich danach nicht mehr mag.
Das ist unheimlich befreiend. Es macht mich nicht klein, aber stellt meinen Glauben auf einen weiteren Raum.
Der Dank geht wieder mal an Ulrike, deren Aufgaben mich heute dazu brachten, selbst einmal wieder über diese Freiheit des Gebetes nachzudenken.
Klingt interessant!
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