Die erste Schule bei uns im Mühlenkreis hat nach zwei Tagen den ersten Corona-Fall und schließt vorsorglich bis einschließlich Montag. Steht heute als großer Artikel auf Seite Eins der Tageszeitung. Wundert es eigentlich irgendjemanden?
Klar wünsche ich mir auch, dass dieses Schuljahr kein verlorenes wird, über den Stellenwert von Bildung müssen wir hier nicht diskutieren. Ich frag mich bloß, warum musste mit der Brechstange ein „Normalalltag“ her, es musste doch jedem klar denkenden Menschen einleuchten, dass wir auf unabsehbare Zeit keinen „Zustand vor Corona“ mehr haben, möglicherweise nie mehr bekommen werden, denn es ist einfach nicht mehr „vor Corona“ . Vielleicht sollte nicht unbedingt versucht werden, einen Alltag wie vorher zu erzielen, sondern einen neuen Alltag zu etablieren.
Es war schon vor den Ferien absehbar, dass die Pandemie uns alle noch lange begleiten wird, es wäre also durchaus möglich gewesen, die Zeit für ein Digitalkonzept (das den Namen dann auch verdient hat) und die benötigten Endgeräte für alle SchülerInnen zu nutzen. Den Ausbau von Breitbandverbindungen zu priorisieren, selbst wenn dafür sechs Wochen denn doch nicht ausreichen. Geld in Jugend (= Zukunft) ebenso wie in die Konzerne zu stecken. Und dann im Wechsel mit Präsenz und Distanz für jeweils halbierte Klassenstärken arbeiten.
Ebenfalls kurz vor „Dicht“ steht die Baubranche in der Gegend. Weniger als die Hälfte der angebotenen Ausbildungsplätze für die unterschiedlichen Gewerke sind bisher vergeben. Auch hier sehe ich zumindest teilweise Versäumnisse der Bildungspolitik in den letzten Jahren. Denn das Erreichen eines möglichst hohen Bildungsabschlusses wurde (möglicherweise als Folge von PISA, obwohl da Äpfel mit Birnen verglichen werden) auf den Thron gehoben. Handwerk und der gesamte Bereich Pflege/Fürsorge fielen logischerweise in der Bewertung der Gesellschaft und damit auch der Jugendlichen hinten runter. Die Folgen: Diese ganzen Branchen, die dafür sorgen, dass wir Dach überm Kopf, Infrastruktur und menschliche Fürsorge haben, suchen händeringend Personal. Meine Mutter sagte schon vor 30 Jahren: Was nutzt es, wenn viele Leute Häuser planen können, aber es ist keiner da, der das Klo einbaut…
Und so ende ich ratlos, denn ich sehe nicht, dass sich an dem kurzfristigen Denken in Politik und Gesellschaft in der nächsten Zeit etwas ändern wird zugunsten einer längerfristigen Vorstellung, wie unser gemeinsames Leben aussehen soll. Und sei es nur, weil immer irgendwo irgendein Wahlkampf ist…
Ich befürchte, solange sich im Schulwesen immer noch die „Kleinstaaterei“ wie in vergangenen Zeiten festbeißt, wird sich daran auch so schnell nichts ändern. Jedes Bundesland pocht auf seine eigenen Regeln. Mir tun nur die Kinder leid.
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Weißt du Werner, jetzt kann man ja vom dem Bildungs-Pluralismus halten was man will. Das die Länder inhaltlich bestimmen, mit dem könnte ich ja noch leben. Aber warum muss das auch für eine Lern-Plattform gelten? Das ist mir schleierhaft. Warum kann es keine Deutsche Lernplattform geben, wo die Länder ihren (Von mir aus aus local unterschiedlichen) Content je nach Klassenstufe und Lehrplan abbilden? Auch wenn es hart klingt, ich muss der Lehrerschaft hier „Protektionismus“ oder „Veränderungsunwilligkeit“ vorwerfen. Wenn content nur in den Taschen der Lehrer existiert, wohlmöglich zu Hause in „Folien“ oder „Papier“, dann sichert der natürlich auch die Position irgendwie. Wenn all der content in die Lern-Cloud geladen würde (wo er auch hingehört), dann könnte ma ja irgendwann fragen, ob man all die Lehrer brauche….
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Naja, das Sitzen auf seinem Wissen und vor allem auf irgendwelchen Pfründen hat lange Tradition. Allerdings kann man es nicht nur den Lehrern ankreiden, die Lehrerausbildung hätte schon vor langer Zeit anders gestaltet werden müssen. Und wenn gute Konzepte da sind, werden Lehrer auch nicht überflüssig, sondern Lernbegleiter.
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Da hast du Recht, ich meine eher das „Bildungssystem“ im Ganzen. Wenn die Lehrer keine vernünftigen Werkzeuge haben wird’s schwer bis unmöglich. Aber auch hier gibt es Solch und Solch. Manche Lehrer Unsere Schule waren schnell „online“, manche waren auf Wochen verschwunden. Also neben Laptops und Technik muss auch „Digitale Haltung“ her und gute Change Begleitung
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Ich verstehe das auch nicht. Während der ersten Wochen gabs keinen Unterricht, zum Ende dann stundenweise und nun sollen 100% der Kids in die Schule. Ich denke auch, dass hätte man schlauer hinkriegen können. Langsam hochfahren, 50% Auslastung, Rest von zu Hause, rollierende Modelle irgend so etwas. Montag in der Schule was lernen, Aufgaben geben, Dienstag zu Hause weiterarbeiten, Mittwoch kontrollieren und so weiter. Das muss doch gehen irgendwie
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Ein neuer Alltag wäre sinnvoll. So wie es jetzt ist ergibt es alles keinen Sinn. Schule ist erlaubt, Singen ist verboten. Auf meiner Arbeitsstelle sitzen wir uns in winzigen Räumlichkeiten praktisch auf dem Schoß. Da hilft auch Lüften nicht. Ich finde es gut dass die Kinder und Jugendlichen wieder zur Schule können, hätte es aber noch besser gefunden, wenn sie das Kohortenprinzip aufrecht erhalten hätten.
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Ein neuer Alltag für eine neue Zeit. Ja. Aber wir sind seit einem dreiviertel Jahrhundert keine allumfassenden Umwälzungen mehr gewohnt, uns fehlt da schlicht und ergreifend Erfahrung und Phantasie…
Und: Schule ja, aber in die Zukunft gedacht, nicht nach hinten.
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