Ich hatte heute früh das komplette Essgeschirr aus dem Esszimmer in die Spülmaschine gepackt, weil am Wochenende Konfirmation ist und das Geschirr vom bloßen Nicht-Benutzen in den letzten Jahren total eingestaubt war. Wer braucht denn auch Suppentassen, die saublöd und sperrig in der Aufbewahrung sind? Beim Ausräumen am Mittag ging mir durch den Kopf, dass ich dieses Jahr mit einer Aufräum-Challenge begonnen hatte. Naja, ihr habt ja seit vielen Wochen nichts mehr darüber gelesen. Ist die Challenge also als gescheitert zu betrachten? Denn es geht nicht nur mir so, dass ich recht lange keine Gedanken mehr daran verschwendet habe, ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich euch sage, dass es meinen Mitstreiterinnen vermutlich ebenso geht. Oder? Trotzdem würde ich das stille Auslaufen der Aktion nicht unbedingt als Scheitern bezeichnen, denn es ist im Leben nun mal oft so, dass sich Prioritäten ändern oder dass uns die Realität eine lange Nase zeigt und einfach was anderes macht, als wir geplant haben.
Das kann so ein blöder Unfall sein, der in einem Sekundenbruchteil dafür sorgt, dass man für die nächsten Wochen relativ unbeweglich ist. Das kann ein Virus sein, der die gesamte Welt in Atem hält. Bei mir kam beides auch noch kurz nacheinander, und seien wir mal ganz ehrlich, wer von uns hätte denn Mitte März gedacht, dass wir auch kurz vor Oktober noch so davon betroffen sein könnten? Mit der Aussicht, dass dieser Zustand den nächsten Jahreswechsel auch noch ganz schön anders aussehen lässt? Als ich wieder soweit sitzen konnte, dass ich mich an die Nähmaschine begab, um für meinen Hausarzt „Behelfsmasken“ zu nähen, mit alten Hemden und Bettwäsche, da hätte ich mir im Traum nicht vorgestellt, dass ich kurze Zeit später auch Statement-Masken aus Motivstoffen nähen würde, und dass ich einige Monate später mit Herbst- und Weihnachtsmotiven immer noch weitermache.
Inzwischen hat sich mit Corona ein Alltag etabliert, der eine ganz andere Art Challenge darstellt: Müll! Freuten sich zu Beginn des Lockdowns die Leute noch über ruhige Straßen, bessere Luft, manche sogar über eine gewisse Art der Entschleunigung (während andere, berufstätige Eltern zum Beispiel, nicht wussten, was zuerst und zuletzt zu tun war…), so nervt es mich und bestimmt auch viele von euch zunehmend, dass an den Straßen und auf Parkplätzen immer wieder Einmalmasken wild entsorgt werden, dass in vielen Supermärkten das Mitbringen von eigenen Gefäßen für Fleisch und Käse nicht mehr erlaubt wurde, dass Coffee-to-go wieder im Ex-und-hopp-Becher über die Ladentheke wandert. Und beim Kirchenkaffee gibt es nicht mehr das überaus leckere Spritzgebäck aus dem Gastronomie-Großhandel, sondern einzeln verpackte Kekse, die eben nicht schmecken wie selbstgebacken.
Ach ja, und hier hatte ich versprochen, die Geschichte der Eheringe zu erzählen: Mit Julia und Jonas hatten wir im Frühjahr die alten Schmuckbestände unserer Mütter durchgesehen, denn eigentlich brauchten die beiden etwas Altgold, um sich Trauringe selbst zu schmieden. Dieser Plan wurde aber durch einen anderen ersetzt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihnen die schlichten, schmalen Ringe meiner Eltern schon relativ gut passten (kleinere Anpassungen sind erledigt) und dass der Vorsteckring von Edgars Mutter, der auch sehr schlicht ist, gut dazu aussieht. Und deshalb sind diese drei Ringe seit gut zwei Wochen wieder in ihrer ursprünglichen Funktion im Einsatz💖.
Also, obwohl vieles anders gelaufen ist, auch was das Ausmisten angeht, ist nicht alles schlecht gewesen dieses 3/4 Jahr seit meinem Plan von Ende 2019. Manchmal muss man eben auch mental ausmisten, sich von Ideen verabschieden und sie entsorgen, manchmal auch von großen oder kleinen Plänen, die man ziehen lassen muss, ohne mitzugehen. Einiges davon wird meine nächste Challenge sein, denn heute früh meinte bei der jährlichen Hauptuntersuchung mein Rheumadoc zu mir, ich müsse so langsam lernen, meine körperlichen Grenzen anzuerkennen, diese Grenzen nicht mehr zu überschreiten, manche Vorhaben fallen zu lassen und andere wesentlich langsamer zu bewältigen. Ich sehe schon: Da wird eine Menge Gerümpel in meinem Kopf zu beseitigen sein. Und es wird in mancher Hinsicht ein schmerzhafter Prozess werden. Aber ich kann gehen, wo ich nicht laufen kann, und ich kann kriechen, wo ich nicht gehen kann. Manches werde ich mir anders organisieren können, zum Beispiel im Garten, anderes werde ich kompensieren, indem ich es mir beim Schreiben vorstelle, statt es selbst zu erleben. Wer weiß…
Und glücklicherweise sind meine Einschränkungen ja auch auf einem ziemlich niedrigen Niveau angesiedelt. Solange ich nicht irgendwann mal vor jemandem ernsthaft weglaufen muss, ist alles im grünen Bereich. Und was Heben und so angeht: da werde ich mir eben angewöhnen, kleinere Gewichte zu heben, sprich zwei Schaufeln voll Kompost, wo ich es früher mit einer gewuppt habe. Den Rest erledige ich mit der Kraft der Worte😉.
Das klingt positiv und mutig!
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Ich schätze, vor allem für das Loslassen werde ich Mut auch dringend brauchen…
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