Verstört – Verstörend

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Heute Mittag fragte mich Daniela, wann es auf dem Blog mal wieder etwas Neues zu lesen gibt, ob mir nichts mehr einfiele. Tja, ich weiß selbst, dass ich gerade eine ohrenbetäubende Sendepause hinlege. Das Problem ist aber nicht mangelnde Inspiration, sondern zu viel Input. Seit dem letzten Beitrag ist einfach so vieles losgewesen, in mir hatte sich eine Spannung aufgebaut, dass ich mich nicht getraut habe zu schreiben. Ich hatte die Befürchtung, es könnte einen digitalen Dammbruch geben, ich könnte mich in meinen Gedanken verheddern und Dinge schreiben, die ich so nicht veröffentlichen möchte.

Angefangen mit dem merkwürdigen Gefühl, das ich nicht erst seit dem 28. Oktober habe, wenn irgendwo auf der Welt ein Lockdown verkündet wird, der ab einem Zeitpunkt in der Zukunft liegt. Klar weiß ich, dass der Vorlauf für gewisse administrative Vorgänge benötigt wird. Allerdings passiert auch immer wieder, egal wo, folgendes: Ach, das gilt ab …, dann kann ich ja vorher noch …, ohne Konsequenzen zu befürchten. Ohne zu bedenken, dass dann eben doch Konsequenzen sein könnten, die Leib und Leben bedrohen können. Wenn auch nicht unbedingt meins, aber doch das von Menschen, mit denen ich möglicherweise beruflich in Kontakt kommen werde, so in ein bis zwei Wochen.

Weiter mit der diffusen Gewissheit, dass Weihnachten trotz aller Bemühungen in diesem Jahr ganz anders sein wird. Ich frage mich außerdem, warum gerade in diesem Jahr Weihnachten unbedingt „traditionell im Kreis der Familie“ gefeiert werden soll, wenn es seit Jahren oder Jahrzehnten so ist, dass das heimelige christliche Zugehörigkeitsgefühl in vielen Familien nur für den Heiligabend aus der Mottenkiste geholt wird, wo es die restlichen 364 Tage des Jahres vor sich hin schlummert. Möglicherweise, weil man sich in unsicheren Zeiten gern auf Traditionen besinnt, denn die geben Halt in haltlosen Tagen. Trotzdem sieht es doch in der Realität sehr vieler so aus, dass nach den Feiertagen ein Teil der Familie mit einem anderen Teil nicht mehr spricht oder gar die Scheidungsanwälte bemüht werden. Weihnachten 2020 kann doch auch einen Punkt in unserem Leben markieren, wo wir uns auf die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten besinnen, wo wir daran denken, dass die Familie Jesu nicht willkommen war, entwurzelt, an den Rand gedrängt. Alleingelassen von der Gesellschaft der „besseren“ Leute. Die Geburt Jesu wurde bezeugt von den Außenseitern der damaligen Zeit, von Hirten, die nicht nur körperlich draußen lebten, sondern auch im menschlichen Miteinander an den Rand gedrängt waren. Es war keine feierliche Stimmung mit Kerzen, Krippenspiel und Weihnachtsoratorium – es war lausig kalt, es war kein Platz, es war ein Stall.

Wir Menschen sind so erfinderisch, wir erobern das Weltall, wir spalten Atomkerne, wir senden Nachrichten digital, so sehr im Verborgenen, dass wir nicht sehen können, wie die Übermittlung passiert. Und da soll es uns nicht möglich sein, den Mitmenschen, die tatsächlich allein sind, auf irgendeinem ungefährlichen Weg zu signalisieren: Du bist nicht allein auf der Welt, auch wenn ich dich gerade nicht besuchen darf. Wir sind doch werbegestählt von den ganzen Süßkramherstellern, von Floristikdiensten und Pinterest. Auf der Seite „evangelisch.de“ war heute das Morgengebet: „Gott, gib uns Mut, damit wir uns den Veränderungen stellen können, die vor uns liegen. Sie kommen sowieso! Lass uns etwas aus ihnen machen!“ Direkt danach kam im Feed von Instagram eine Fotobuch-Werbung. Mein erster Gedanke dazu: Wer lässt denn ausgerechnet für 2020 ein Fotobuch erstellen??? Aber dann dachte ich: Eigentlich cool. Denn selbst dieses Jahr hat doch für die meisten von uns nicht nur schweres und unerträgliches gebracht, sondern auch seine Highlights gehabt. Und vielleicht ist es gerade in diesem Jahr notwendig, sich diese Augenblicke ganz bewusst ins Gedächtnis zu rufen. Insgesamt: Ein anderes Weihnachten, mit Nähe im Herzen statt auf dem Sofa, mit dem bewussten Erleben des Geschenks, welches Gemeinschaft sein kann, gerade dann, wenn sie fehlt. Alles nicht für selbstverständlich nehmen.

Ach ja, und dann das große, weltumspannende Thema, das Rennen um das Weiße Haus. Alle schauen mehr oder weniger gebannt in die USA, ich schätze mal, die Oscar-Verleihungen oder der Super-Bowl sehen dagegen ganz schön alt aus. Für mich persönlich ein bisschen die Faszination des Grauens. Es ist mir einfach fremd, wie so viele Menschen ihre Hoffnungen in einen Typen setzen, der erbärmlich verächtlich mit weiten Teilen seiner Bevölkerung umgeht, ob es Frauen, People of Color, Angehörige der LGBTQ-Community oder irgendwelcher anderer Gruppierungen sind. Wie gerade solche, die sich bibeltreue Christen nennen, jemanden teilweise fanatisch supporten, der sich einen Fliegendreck um christliche Werte wie die zehn Gebote kümmert. Und diese Leute tun das teilweise mit Waffen in den Händen. Die Youtube-Aufnahme der Wohlstandsevangeliums-Predigerin , die versuchte, Gott zu beschwören, nun doch bitte mal das zu tun, was sie von ihm wollte, toppte das Ganze: Es gruselte mich! Dann die Erleichterung, dass es vermutlich anders kommt, so ganz wage ich es noch nicht zu glauben. Obwohl sicher auch Nummer 46 kein Kuscheltier ist, wenn es um Themen geht, die den USA am Herzen liegen, zum Beispiel die NATO-Thematik. Aber allein die Aussicht darauf, dass ein menschlicherer Umgangston herrschen wird, dass die Kriegsrhetorik zurückgefahren wird, ist schon wohltuend und gibt Hoffnung.

Zuletzt die „Corona-Demonstrationen“. Ehrlich, dazu fällt mir nichts ein, was ich hier schreiben könnte, ohne ausfallend zu werden. Jedem Gastronom oder jeder Künstlerin muss es gestern doch regelrecht körperlich wehgetan haben, die Bilder aus Leipzig zu sehen. Leute, die monatelang Hygienekonzepte ausgetüftelt haben und trotzdem nicht arbeiten dürfen, werden verhöhnt von einer Masse, die keinen Respekt aufbringt, weder für ihre Mitmenschen noch für Polizei und andere staatliche Stellen. Dafür aber für sich selbst diesen Respekt einfordern. Als Einbahnstraße. Kein weiterer Kommentar…

So. Nun bin ich doch in meine eigene Falle getappt. Ich hatte mir vorgenommen, in diesem Lockdown-November nur „Good News“ aufzuschreiben. Sorry, ging nicht. Zu viel Druck im Kessel! Ich gelobe Besserung, nicht wissend, ob ich das auch einhalten kann. Doppelpunkt. To be continued…

PS: Der Beitrag gibt meine persönliche Sichtweise wieder. Für mich funktioniert menschliche Gesellschaft nur miteinander, nicht gegen einander. Dinge sind in den seltensten Fällen schwarz oder weiß, sie sind kunterbunt oder auch in allen Grauschattierungen. Und auch Farben werden nicht von allen gleich wahrgenommen.

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

11 Kommentare zu „Verstört – Verstörend“

  1. Du weißt gar nicht, wie sehr du mir aus dem Herzen sprichst.
    Obwohl es die „good news“ auch sicher ganz zahlreich gibt, suche ich sie immer mehr wie die Stecknadel im Heuhaufen.
    Auch, wenn es abgedroschen klingt, es kommen wieder bessere Zeiten, und was die jetzigen, sowie die Verhaltensweisen so vieler Mitbürger betrifft, versuche ich immer mehr, das nicht so intensiv an mich herankommen zu lassen.

    Kommen wir möglichst unbeschadet und vor allem gesund durch diese Zeit.

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    1. Liebe Anna-Lena, deine Empfindung teile ich, es ist ja auch erwiesen, dass Negatives viel schneller und weiter „die Runde macht“. Auch ein Grund, warum ich die positiven Momente viel mehr in den Mittelpunkt stellen möchte. Und seien wir mal ehrlich, in Deutschland ist auf allen Seiten immer noch viel Gejammer auf hohem Niveau, da will ich nicht unbedingt teilhaben. Ist natürlich tagesformabhängig, und das gestehe ich anderen genauso zu. Ich wünsche dir Gesundheit und Optimismus, das ist auch für die Seele gut☺

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    2. Liebe Annuschka,

      Gejammer auf hohem Niveau – ja, das stelle ich auch imer wieder fest. Dabei ist doch der Blick über den Tellerrand, sprich Ländergrenzen, gar nicht so schwer, um das eigene Bild etwas gerade zu rücken, oder?

      Auch dir viele kleine Momente des Glückes und der Freude und bleib vor allem gesund!

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  2. So, so wahr! Und ich bin froh, dass es jetzt ein Wahlergebnis gibt, Jonas hat das intensiver verfolgt als ein Fußballspiel oder ähnliches…ich konnte es nicht mehr hören. 🙈 Und was da unter den Christen abgeht…was generell in der Welt abgeht….Help!

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    1. Naja, intensiver als ein Fußballspiel ist für mich nicht weiter schwierig zu erreichen. Ich habe mir einige Politikpodcasts von ausgewiesenen USA-Kennern angehört, unter anderem mit dem ehemaligen amerikanischen Botschafter in Berlin. Es ist ja nicht so, dass jetzt eine Art Schlaraffenland anbricht oder so. Aber der Ton macht bekanntlich die Musik. Und ja, vieles macht mich in der christlichen Bubble auch ratlos. Ein Podcast, der sich mit den Entwicklungen der einzelnen christlichen Strömungen nach dem WW2 recht differenzierend befasst, ist übrigens „Das Wort und das Fleisch“ von Thorsten Dietz und einem anderen Worthaus-Menschen, wo mir gerade der Name nicht einfällt. Hör mal rein.

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  3. Liebe Annuschka, ich vermisse auch das Miteinander, das Füreinander in dieser Zeit. Ist jeder nur noch sich selbst der Nächste? Es ist zum Wegrennen von dieser Welt. Ich denke oft, es ging uns (sorry, wenn ich jetzt verallgemeinere, das ist nie korrekt) wohl zu viele Jahre zu gut, die Menschen können mit Krisen nicht umgehen, Egozentrik regiert unsere Zeit. Ich, ich, dann eine Weile nichts. Was nicht mir persönlich oder meiner Familie, meinen Freunden zustößt, das interessiert mich nicht. Meine Party, meine Gewohnheiten, meine Bequemlichkeit …was schert mich die Not der anderen. Zum Glück denken und handeln nicht alle so egoistisch, aber immer mehr, zu viele, zumindest kommt man zu dem Eindruck. Ich habe selbst ein paar Jahre in Leipzig gelebt, und jetzt bin ich schockiert, was da abgeht. Gerade noch so positiv berührt von der Erinnerung an 30. Jahrestag der friedlichen Revolution, und jetzt? Ich schaue von außen auf mein Land, und bin manchmal nur noch sprachlos …

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    1. Das beste Beispiel eines Egozentrikers und Egomanen haben wir in den letzten 4 Jahren in den Staaten erlebt und Millionen haben ihn wieder gewählt, das ist so unfassbar!
      Deine positiven Leipzigerinnerungen mögen die aktuellen beiseite schieben, in Leipzig ticken viele anders, als wir das am Wochenende erlebt haben.

      LG aus Brandenburg!

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    2. Geht mir ähnlich, liebe Anke. Was Leipzig und generell den Osten angeht: Ich finde es vor allem auch erschreckend und perfide, dass sich Agitatoren aus dem „alten Westen“ die Ereignisse von vor 30 Jahren zunutze machen und quasi die Geschichte nicht nur umdeuten, sondern regelrecht beschmutzen. Und da unbestreitbar manches schiefgelaufen ist bei der Verwirklichung der Einheit, lassen sich so manche halt auch bedenkenlos vor solche Karren spannen. Manchmal möchte ich gern mit Heinrich Heine seufzen „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht“. Trotzdem, diese Menschen sind in der Minderheit, nur leider am lautesten und teilweise auch gefährlich in mehrere Hinsicht. Immerhin: Du bist Herrin über deine Erinnerungen, daher bewahre die guten und halte sie in Ehren. Eine gute und hoffentlich gesunde Woche für dich.

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