|Werbung, unbezahlt|
Ab Seite 27 beschäftigt sich das Buch mit der These „Warum Komplexität etwas Tolles ist“. Da bin ich ja mal gespannt. Im letzten Jahr hatte ich eher das Gefühl, dass diejenigen, die alles möglichst vereinfachen wollen, viel Zuspruch bekommen…
Wie ist eigentlich unser Verständnis von Technik? Bestimmen wir Menschen über sie oder hat sie uns im Griff? Stehen wir ihr fasziniert oder eher skeptisch gegenüber? Technologien beherrschen inzwischen einerseits den Alltag und machen uns damit teilweise Angst, andererseits ist es erwiesenermaßen auch so, dass der Einsatz von Technik den allgemeinen Wohlstand nährt. Inzwischen durchdringt Technologie unser Leben so komplex, dass es zwar Einzelpersonen unter Umständen möglich ist, sich der Zivilisation durch Flucht zu entziehen, aber ganze Gesellschaften schaffen das nicht (mehr), weil dann von heute auf morgen zu vieles nicht mehr funktioniert. (Es ist ja schließlich auch nicht alles auf einmal entstanden, also kann ein eventueller Rückweg auch nur schrittweise erfolgen.)
Ich stelle mir das so vor: Wenn wir eine Bergwanderung unternehmen, dann gehen wir davon aus, wenn wir auf dem höchsten Punkt angekommen sind, geht es auf der anderen Seite mit einem zumindest ansatzweise ähnlichen Schwierigkeitsgrad wieder runter vom Berg. Was würde aber passieren, wenn wir oben unvermittelt vor dem Abgrund stünden, aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst hätten, dass wir entweder eine Ausrüstung zum Abseilen oder aber einen Gleitschirm brauchen, um wohlbehalten ins Tal zu kommen? Und während wir noch oben an der Kante stehen, darüber grübelnd wie es weitergehen kann, drängen von hinten immer mehr Bergwanderer heran und schieben uns unaufhaltsam weiter an den Abgrund…! Bräuchten wir als Wander-oder Weltgemeinschaft jetzt nicht ganz dringend einen Weg, der sich in Serpentinen zurück ins Tal schlängelt, um geordnet wieder vom Berg zu kommen? Angesichts des Klimawandels stellt sich zudem die Frage, ob für die Suche nach so einem Weg überhaupt noch Zeit ist. Oder ob, um bei dem Beispiel zu bleiben, so viele Menschen in den Abgrund stürzen müssen, dass am Ende ganz wenige weich gepolstert auf dem Leichenberg unendlich vieler anderer landen? Ich weiß, das klingt sehr makaber, aber im Endeffekt läuft es aktuell darauf hinaus.
Ab Seite 31 erzählt H. Lesch von einem Gespräch, das er mit einem Mann führte der an der Entwicklung des sogenannten „Quantencomputers“ beteiligt ist. Der Quantencomputer ist der Stein des Weisen oder die Eierlegende Wollmilchsau und wer ihn als erstes hat, beherrscht das Internet. Er ist irre schnell, unheimlich leistungsfähig und fast „unknackbar“ (S. 32). Dabei fällt mir ein: Die TITANIC wurde auch als unsinkbar beworben…
H.L. unterhielt sich also mit dem Entwickler und fragte ihn, wie er Verantwortung für die Folgen der ungeahnten Möglichkeiten der Technologie übernehmen würde. Die Antwort des Mannes empfinde ich als hochgradig erschreckend und ignorant: „Ja, aber das ist doch Technik. Ich entwickle Technik – was die Leute dann damit machen, das geht mich nichts an. Darüber mache ich mir keine Gedanken.“ Waaah! Ich wünsche mir die Zeit der Universalgelehrten zurück! Ich wünsche mir (mehr) Wissenschaftler (solche wie Harald Lesch), die nicht nur ihr reines Fachgebiet beherrschen, sondern sich darüber hinaus auch mit den soziologischen, ethischen, philosophischen und wirtschaftlichen (Spät-)Folgen ihrer Arbeit auseinandersetzen!
Fortsetzung folgt…
Harald Lesch/Thomas Schwartz, Unberechenbar – das Leben ist mehr als eine Gleichung, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-39385-3, € 18,- (Österreich € 18,60) [Und nicht vergessen: bitte beim lokalen Buchhändler eures Vertrauens bestellen😉]
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.