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Der heutige Abschnitt fordert mir einiges ab, vor allem, weil ich mich selbst darin so sehr wiederfinde mit meinen Schwächen. Es geht um den Zusammenhang von Zeit und Geld, Selbstoptimierung, die vermeintliche Fähigkeit zum Multitasking (gerade auch, wenn es um Online-Meetings geht), die Geschwindigkeit eines menschlichen Lebens und die Sehnsucht nach Entschleunigung. Nette Anekdote am Rand: „Nach Entschleunigung haben die Kritiker des technisch verursachten Geschwindigkeitswachstums ja bereits im 19. Jahrhundert gerufen. Sie zweifelten beispielsweise daran, dass die Menschen der Geschwindigkeit eines fahrenden Zuges auf Dauer gewachsen sein würden.“ (S: 80) Wenn die gewusst hätten, dass es irgendwann Überschallflug geben würde…
Während ich das hier lese und schreibe, tagen (online) die Kanzlerin und die MinisterpräsidentInnen und aller Voraussicht nach verordnen sie uns für die nächsten Wochen noch mehr Entschleunigung, als wir ertragen möchten (es sei denn, wir arbeiten im Gesundheits- oder Sicherheitssektor). Mitschuldig daran sind auch solche Zeitgenossen, denen jetzt schon alles viel zu langsam geht, denen die Decke auf den Kopf fällt und die daher nur mal einen Tagesausflug in den Schnee machen wollten. Nun haben wir alle den Salat.
Also, wir sehnen uns einerseits nach Langsamkeit, machen Achtsamkeitsübungen, Yoga und meditieren, aber auf der anderen Seite checken wir unsere News-Apps in immer kürzeren Abständen, wir bekommen quasi in Echtzeit mit, was in der Welt passiert. „Früher“ bekam man die Informationen vorsortiert einmal am Abend in der Tagesschau, heute werden wir von Nachrichten aller Art so dauergeflutet, dass wir irgendwann nur noch einige wenige davon auswählen, nämlich die, die uns bekannt vorkommen und uns in unserer Sicht der Dinge bestätigen. Ich muss bekennen, dass ich auch auf dem Weg war, ein Nachrichten-Junkie zu werden🙈 und dass ich mich am Riemen reißen muss, um seltener zu checken, was so los ist. Wenn man sich aber so sehr für viele Dinge interessiert, ist das einfach eine sehr große Versuchung. Ich lasse inzwischen immer häufiger das Smartphone einfach mal in der Küche liegen, wenn ich im Haus unterwegs bin. Zuhause brauche ich ja auch die Corona-App nicht.
Ich ende für heute mit einem Buchtipp aus dem Buch: Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit. Ich erinnere mich, es erschien, als ich in der Buchhändlerausbildung war. Damals hatten alle Piper-Taschenbücher hellbraune (ich schreibe lieber nicht die Assoziation, die mir dazu gerade durch den Kopf geht) Umschläge, eine gezeichnete Illustration und geschwungene Titelschriftarten… Das Buch habe ich x-mal verkauft, aber bisher nicht gelesen. Hm… Noch mehr Nabelschau ertrage ich nicht an einem Tag, also bis morgen.
Wenn ihr neugierig geworden seid:
Harald Lesch/Thomas Schwartz, Unberechenbar – das Leben ist mehr als eine Gleichung, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-39385-3, € 18,- (Österreich € 18,60) [Und nicht vergessen: bitte beim lokalen Buchhändler eures Vertrauens bestellen😉]
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