Vielleicht denkst du jetzt: „Echt jetzt? Noch mehr Ruhe? Ich könnte gerade wieder mehr Leben gebrauchen…“
Einerseits ja, gewissermaßen. Andererseits empfinde ich in den letzten Tagen die Welt als unheimlich laut.
Über den „Irgendwie -ja-aber-eigentlich-doch-nicht-so-richtig-Lockdown“ wird lauthals gezankt, über missglückte, weil bitter zynische Satire der Stab gebrochen. Zwei gestandene Männer können sich um die Bewerbung um das Amt der Bundeskanzlerin (ja, es gibt eine Generation Menschen, die kennt keine männlichen Wesen in dieser Position) nicht wirklich gut einigen und in einigen christlichen Kreisen wird ernsthaft in Erwägung gezogen, Annalena Baerbock sei der personifizierte Antichrist (Kopf – Mauer! Und ich musste diesen Quatsch in einem christlichen Medium lesen, das ich eigentlich bisher als gemäßigt wahrgenommen habe. Allerdings nicht im Artikel, sondern in den Kommentaren, trotzdem macht es die Sache nicht besser.) Alle Welt schreit nach Lockerungen, Privilegien, Rücknahmen von Einschränkungen und sucht die Deutungshoheit über den Auslastungsgrad der Intensivstationen. Das Bundesverfassungsgericht attestiert der Bundesregierung in puncto Klimaschutz schlampige Arbeit mit zu wenig Weitblick. Es gibt also mehr Themen als nur Corona, wo sich ein zweiter (oder ist es doch der erste?) Blick ins Grundgesetz lohnt.
Die am lautesten in die Gegend trompeteten Meinungen werden immer schriller, dadurch aber nicht zwangsläufig richtiger. Dabei ist es egal, aus welcher Richtung krakeelt wird, mich widert das inzwischen alles an.
Selbst in der offenen Kirche war es mir vorhin zu laut. Ich suche fast schon verzweifelt einen Ort, an dem ich mit meinem Gott allein sein kann, damit ich meinen eigenen Gedanken Gehör schenken kann, meinen Zweifeln, meiner Hoffnung, meiner Sehnsucht. Und wo es leise genug ist, dass ich SEINE Antworten auf meine Fragen auch hören kann.
Die Antwort auf die Frage „wohin“ kenne ich: Losgehen. Auf Pilgerwegen. Am besten nur die Geräusche von Wind, eventuell Wellen, Bäumen und Tieren als Hintergrund.
Ohne Nachrichten, ohne Instagram, sogar ohne WordPress. Ich habe auch eine Vorstellung davon, welchen Weg ich nehmen möchte. Da ist nur ein kleines Problem: Das Verbot von touristischen Übernachtungen. Im Augenblick bin ich schultertechnisch und kräftemäßig nicht in der Lage, mit Zelt, Schlafsack und Isomatte durch die Gegend zu laufen. Vielleicht schaffe ich es ja wenigstens mal, morgens loszuwandern und dann am Abend zuhause anzurufen, wo ich wieder eingesammelt werden möchte. Der Weg ist bekanntlich das Ziel.
Hört sich nach ’nem Plan an.
PS: Die Fotos stammen aus verschiedenen Urlauben bzw. Kurztrips der letzten Jahre, weit vor 2020.
Die unangenehm verschärften Töne fallen mir auch auf, und ich verstehe dein Bedürfnis, all dem Getöse in die Natur zu entweichen. Die Idee, tageweise loszugehen, scheint doch ganz praktikabel?
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Ich schätze mal, ja. Muss nur noch passende Tage finden.
Dieses und nächstes Wochenende hat mein Mann zu seiner Verfügung(er segelt gerade auf der Ostsee herum). Aber Himmelfahrt gibt es ja auch noch zum Starten.
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Abwechselnder Freilauf sind gute Vorraussetzungen, finde ich.
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😅
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Ja. Es gibt irgendwie Reizüberflutung. Wir haben aber auch viel zu viel Zeit und viel zu wenig Ablenkung
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Ja, genau. Vor lauter Zeit checkt man dann öfter mal die News-Apps und was man sonst so an digitalen Schmankerln hat. Da verschieben sich dann manchmal die Dimensionen in die falsche Richtung. Gut ist immerhin, wenn man es merkt, ehe man zu tief im Sumpf steckt…
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Auch wenn ich am WE oft den Rechner aus lasse, sind meine Mobilen Endgeräte fast immer am Mann (hier natürlich Frau aber der Spruch lautet nunmal so) aber da sie lautlos sind „übersehe“ ich auch schonmal was
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Als ich heute früh den Text schrieb, war ich gerade kurz zuvor frustriert aus der Kirche geflüchtet, da hat die analoge Reizüberflutung schon grmereicht. Offene Kirche ist für mich etwas, das mit Ruhe zu tun hat, nicht mit alle paar Minuten „Impuls“. Und dann kam alles zusammen🤷♀️.
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Ich verstehe dich zu gut und kann auch das Bedürfnis nach pilgern, Ruhe und Alleinsein gut verstehen. Je länger diese Pandemie dauert, umso verworrener erscheint mir alles, wie ein Zerrbild, wo jeder mitreden, mitbestimmen und mitklugscheißern muss, oft ohne die nötigen Hintergrundinfos und Eigenreflexionen .
Ich hoffe und wünsche dir, dass du für dich den richtigen Weg finden kannst, um wieder ins Lot zu kommen und ein wenig Erdung zu spüren.
Liebe Grüße,
Anna-Lena
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Liebe Anna-Lena, danke für deine mitfühlenden Worte.
Das wird schon alles wieder zurechtrücken, ich plane jetzt einfach mal munter.
Einen schönen Abend für dich, Anja
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Danke, liebe Anja, für dich auch 🙂 !
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