… um Sieben ist die Welt noch in Ordnung. Wer kennt das kleine gelbe rororo-Taschenbüchlein noch oder die Fernsehserie, die daraus entstand? Ist lange her, in einer anderen Zeitrechnung möglicherweise.
Meine kleine Wildnis nach einem Jahr Nichtstun wegen Beinen und einem halben wegen Schulter, aber sie beschert uns mal wieder viele Tagpfauenaugen… Leider nur ein schnelles herangezoomtes Handyfoto, bei den Kameras muss ich erstmal die Akkus aufladen.
Darum geht es auch überhaupt nicht. Eher darum, dass meine kleine Welt morgens um Sechs noch ziemlich in Ordnung ist, jedenfalls heute, am 30. Juli, kurz vor Beginn des Altweibersommers. Den Begriff mag ich übrigens genauso gern wie die dazugehörige Jahreszeit, auch wenn er sich für manchen despektierlich anhört.
So ein frischer Spätsommermorgen lädt mich ein, durchzuatmen, ich inspiziere und gieße meine Gemüsepflanzen, die gestern sehr vom Wind zerzaust wurden, obwohl sie sich an die geschützte und warme südliche Hauswand ankuscheln. Im Nachthemd oder Shorty streicht mir der kühle Wind um die Beine, ich genieße es, diese Frührunde durch den Garten, der so groß und eingewachsen ist, dass ich dabei niemandem begegne, der sich an meinem Outfit stören könnte. Die Schulter fühlt sich recht ausgeruht, obwohl ich nach der zweiten Impfung am Dienstag mal wieder auf dem Rücken schlafe. Auf der rechten Seite traue ich mich noch nicht, weil dabei immer unwillkürlich die Schulter nach vorn kommt und ich sie lieber bewusst nach hinten und unten ziehe. Und links ist der Impfarm dieses Mal sehr druckempfindlich. Naja, wird sich geben.
Dieser sehr lebhafte Wind gestern wollte unbedingt mit der Tomatenernte anfangen. Ich warte lieber ungeduldig darauf, dass sich in Sachen Farbwechsel endlich was tut. Und stelle heute fest, dass zwei Tomatenpflanzen abgeknickt wurden. Windig ist es immer noch und mit anderthalb Armen kann ich sie nicht wieder hochbinden. Ich hoffe, sie schaffen es.
In der Küche pröttelt die Kaffeemaschine, das Gemüse ist versorgt, die Vögel sind gefüttert. Der Tag kann beginnen. Habt einen gesegneten.
„Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt. Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert.“ Dieser Spruch steht im Evangelium des Lukas: Lk 12,48 (Basis-Bibel)
Unsere älteste Tochter meint immer, meine Andachten seien politisch. Kann sein. Ist vermutlich so. Aber meiner Meinung nach kann Glaube eigentlich auch überhaupt nicht unpolitisch sein, denn mit dem Bekenntnis meines Glaubens stelle ich mich in die Gesellschaft und gebe ein Statement ab, ob ich will oder nicht. Ich beziehe damit Stellung, wie ich zu anderen Menschen und auch nichtmenschlichen Mitgeschöpfen stehe. Wie ich die Welt um mich herum sehe. Und im Jahr 2021 auch, wem ich zutraue, nach der #btw2021 meine Interessen zu vertreten, wenn es um diesen persönlichen Blick auf die Welt geht.
An dieser Stelle will ich kein Fass aufmachen, welche Partei das sein könne oder auch nicht. Ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, das muss jede und jeder mit sich selbst ausmachen, und selbstverständlich habe ich auch nichts dagegen, dass man da zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann (solange sie demokratisch agierende Parteien betrifft).
Es ist allerdings so, dass ich bei der Beschäftigung mit den Wahlprogrammen der unterschiedlichen Parteien und den Analysen, die dazu getätigt wurden, wer von den Versprechungen der einzelnen Ausrichtungen wie stark betroffen ist, an den Lukas-Vers denken musste. Vor relativ genau vier Jahren war es meine Aufgabe, eine Andacht zu diesem Vers zu schreiben. Ich gebe sie euch hier einmal zum Lesen:
Ich habe ein Bild mitgebracht. Auf dem Bild sieht man Menschen im Kreis stehen mit hochgereckten Händen. Sie sind bereit, eine Frau aufzufangen, die sich von irgendwo her fallen lässt. Diese Übung kennt vermutlich jeder, der schon mal eine Teambildungsmaßnahme mitgemacht hat. Es ist ein starkes Bild. Es zeugt von Mut und Vertrauen: vom Mut der Frau, sich fallen zu lassen. Sind die anderen Menschen stark genug, sie aufzufangen? Sie vertraut fest darauf. „Diese Leute werden mich nicht fallen lassen. Sie lassen nicht zu, dass mir etwas geschieht!“ Auch die Menschen im Kreis sind mutig: Wie schwer ist die Frau? Lässt sie sich locker fallen oder verkrampft sie sich? Können wir sie auffangen? Und sie vertrauen. „Wir schaffen das, weil wir nicht allein sind. Zusammen haut das hin!“ Die Menschen vertrauen einander. Und sie ahnen, dass es gut wird. Eine andere Art von „sich fallen lassen“ hat mich persönlich die letzten Wochen beschäftigt. Die Aufgabe, eine Andacht zu schreiben zu einem Spruch, der durch das Los entschieden wurde. Eine Andacht zu einem Thema, in dem ich mich zuhause fühle, das ist eine Sache. Aber so ein „Sprung ins kalte Wasser“, das ist eine andere Hausnummer. „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt. Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert.“ (Lk 12,48, Basis-Bibel) Wie geht es dir, wenn du diesen Spruch hörst? Wenn er als Wochenspruch zu Beginn des Gottesdienstes verlesen wird. Du hörst ihn einmal und dann geht es schon weiter mit der Liturgie. Ist der Spruch dir bekannt? Weißt du, in welchem Zusammenhang Jesus ihn gebraucht? Ist der Spruch sonnenklar zu verstehen oder geht es dir vielleicht genau wie mir? Ich habe diesen Spruch gelesen, den ich zugelost bekam. Und als erstes habe ich gedacht: „Oh nein, was ist denn das für ein blöder Spruch? Dazu fällt mir niemals etwas Gescheites ein.“ Als nächstes schoss mir ein Sprichwort durch den Kopf: „Der Mensch wächst mit den Aufgaben.“ Das dürfte auch bekannt sein. Manchmal wird es als Floskel gebraucht. Ich habe eine neue Aufgabe bekommen und bin mir unsicher, ob ich die Verantwortung auch ausfüllen kann. Dann wird mir dieser Satz an den Kopf geknallt. Völlig gedankenlos und wenig hilfreich. Es kann aber auch sein, dass sich jemand aufrichtig dafür interessiert, wie es mir ergeht. Mit demselben Satz drückt er oder sie dann aus: „Hey, wenn man dir die Aufgabe übertragen hat, dann traut man sie dir auch zu. Man schätzt dich und ist sicher: Du wirst dir das erarbeiten. Du wirst nicht scheitern. Du wirst daran wachsen und reifen!“ Den Unterschied erkennen wir am Tonfall, an der Gestik und Mimik des Sprechers. Aber wenn ich den Bibelvers lese, sehe ich keine Gestik, keine Mimik. Also konzentrieren wir uns jetzt auf die genaue Wortwahl des Verses. Als erstes fällt mir auf: Der erste Satzteil ist jeweils bereits erfolgt, während der zweite Teil sich fortdauernd ereignet. Und dann fesseln mich zwei Wortpaare. Erstens: gegeben und verlangt. Zweitens: anvertraut und gefordert. Klingt auf Anhieb gar nicht so unterschiedlich. Trotzdem findet eine deutliche Steigerung statt: Im ersten Satz geht es um eine Gabe, ein Geschenk. Ein Geschenk muss man sich nicht verdienen, das gibt es, einfach so, weil man da ist. Vom Empfänger der Gabe wünscht sich der Geber, sich dieser Gabe würdig zu erweisen, das Vertrauen zu rechtfertigen. Im zweiten Satz geht Jesus noch weiter: Es geht darum, jemandem etwas anzuvertrauen. Das ist ein so starkes Wort! Im Duden steht dazu „vertrauensvoll übergeben“. Wenn man jemandem etwas anvertraut, dann ist man fest davon überzeugt, derjenige wird nicht nur zuverlässig darauf aufpassen, er wird auch etwas Gutes daraus machen. Daraus erwächst eine Forderung. Der Duden sagt: „Eine Forderung ist ein nachdrücklich zum Ausdruck gebrachter Wunsch, etwas fordern bedeutet: einen Anspruch erheben.“ Starker Tobak, den Jesus seinen Hörern an der Stelle zumutet. Doch er stellt nicht einfach eine Behauptung in den Raum, er spricht in eine konkrete Situation hinein. Dieser Vers steht in der Mitte des Evangeliums. Zur Halbzeit sozusagen. Jesus lehrt die Menge, die ihm folgt, mit verschiedenen Gleichnissen. Seine Jünger sind immer dabei, aber ähnlich wie der Rest der Leute verstehen auch sie zum Teil nur Bahnhof. Deswegen fragt Petrus zwischendurch einfach mal nach: „Sag mal, was du da erzählst, klingt ja ganz gut, aber für wen gilt das eigentlich? Ist das nur für uns wichtig oder auch für den Rest der Menschheit?“ Jesus stellt an dieser Stelle bereits ganz deutlich klar: Das, was ich euch sage, ist wichtig. Das Wichtigste überhaupt. Nicht nur jetzt und hier, sondern auch zukünftig und für alle. Und er hat einen besonderen Auftrag für seine Nachfolger. „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt.“ Alle, die Jesus nachfolgen, sind „begabt“. Denn Jesus hat für sie alle den Tod am Kreuz erlitten. Die Menschen, die Jesus nachfolgen, sollen ihre Gabe, ihre Erkenntnis und ihr Vertrauen weitergeben, damit viele davon erfahren und sich anschließen. Christus-Nachfolger tragen in der Welt eine höhere Verantwortung als Menschen, die ihn und sein Wort nicht kennen. Die Jünger aber sind noch mehr gefordert. Ebenso alle, die nach ihnen durch Leitungspositionen Verantwortung für die wachsende Gemeinde Christi tragen: „Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert.“ Natürlich ist das eine Zu-Mutung: „Sorgt IHR dafür, dass die Gemeinde nach meinen Maßstäben lebt und wächst“. Aber auch eine starke Zu-Sage steckt darin: „Ich traue es euch zu, dass ihr das schafft!“. Lukas ist der einzige Evangelist, der die Begebenheit aus Kapitel 12,48 beschreibt. Er ist der Einzige, der den Missionsbefehl so ausführlich und persönlich darstellt. Und er ist der Einzige, der als „Fortsetzung“ aufgeschrieben hat, wie es dann weiterging mit der Verbreitung des Christentums. „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt. Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert.“ Anfangs hatte ich dich gefragt: Wie geht es dir mit diesem Vers? Die Frage stelle ich jetzt noch einmal in den Raum. Hat der Vers etwas mit deinem konkreten Leben hier und heute zu tun? Ich kann dir versichern, bei mir ist beides der Fall. Meine Wahrnehmung hat sich geändert. Ich sehe nicht mehr nur den Berg von Verantwortung vor mir, sondern auch den ermutigenden Zuspruch und den Vertrauensbeweis. Und wenn in den Medien in den letzten Wochen und Monaten Berichte kursieren über die schwindende Relevanz von Religion allgemein, von Gemeinde im Besonderen, dann ruft mir dieser eine Vers zu: „Pfeif auf diese undefinierbare Masse namens „Gesellschaft“. Es liegt an jedem einzelnen, es liegt an dir! Du kannst Gemeinschaft in das Gemeindeleben bringen! Es ist deine Aufgabe, jedem so zu begegnen, wie er oder sie es gerade braucht. Den Mitmenschen mit Achtung zu begegnen. Ihnen Respekt und Liebe entgegenzubringen. Und du schaffst das auch! Du wirst nicht scheitern. Du wirst vielmehr daran wachsen. Kreide nicht alles, was schief läuft in der Gemeinschaft, der Leitung an. Ja, es stimmt, die hat ganz besondere Aufgaben bekommen, aber trotzdem kommt es auch auf dich an.“ Und weißt du was? Das gelingt mir nicht immer. Es gibt Tage, da könnte ich an meinen eigenen Erkenntnissen und Ansprüchen ersticken. Geht dir genauso? Das finde ich beruhigend. Aber wir sind nicht allein mit unserem Scheitern. Wir alle sind wie die Jünger: Wir verstehen manchmal nur Bahnhof. Wir fallen hin, wir leugnen. Aber das ist nicht schlimm, solange wir dranbleiben, aufstehen und bekennen. Und das tolle, das unfassbare ist: Jesus hat den Grundstein seiner Kirche mit solchen Leuten gelegt. Er hat sich fallen gelassen, voller Vertrauen. Wie die Frau auf dem Foto.
In meinem ganzen Nachdenken habe ich mir die Andacht mehrfach durchgelesen, vieles sehe ich auch mit vier Jahren Abstand noch so, aber bei einigen Facetten hat sich meine Wahrnehmung verändert oder erweitert. Und nun kommt die politische Dimension dazu. J.F. Kennedy hat es so formuliert: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst!“ Ich weiß, klingt etwas pathetisch. Aber so ganz unrecht hatte er nicht. Auch rund 60 Jahre später nicht. Wir erwarten so viel von unserer Regierung, von den Parlamenten, von unseren Repräsentanten. Aber sind wir auch bereit, etwas von uns einzubringen, außerhalb von ein paar Kreuzchen auf einem langen Zettel mit Möglichkeiten alle paar Jahre mal? Wissen wir und vertrauen wir darauf, dass es auch auf uns ankommt?
Oder aus einer ganz anderen Perspektive, und das geht jetzt an die Parteien, deren Credo „der Markt“ ist, der alles regelt: Wie regelt der Markt das denn? Im Allgemeinen nämlich nicht so, wie Lukas es formuliert hatte, sondern eher umgekehrt: Die Lasten verteilen sich zu häufig auf den Rücken derer, die sowieso schon nicht allzu viel besitzen, denn die „Leistungsträger“ (kann übersetzt werden mit „die Vermögenden“) dürfen nicht über Gebühr belastet werden. An die Adresse der Marktgläubigen (die mitunter eine Partei mit dem „C“ im Namen präferieren) stelle ich daher die Frage: Menschen in prekären Verhältnissen, die von ihrer Arbeit kein ordentliches Auskommen haben, sind die keine Leistungsträger? Seht ihr die nur als Masse, die dem Rest auf der Tasche liegt? Oder traut ihr denen zu, etwas wichtiges zum Gesamten beizutragen? Jeder nach seiner Möglichkeit?
Oder auch: Warum darf denn das Fleisch nicht teurer werden? Damit sich auch „die Ärmeren“ ab und zu mal ein ordentliches Steak auf dem Teller gönnen können? Seit wann seid ihr Freunde dieser Gesellschaftsgruppe? Aber vegetarische oder vegane Fleischersatzprodukte dürfen gern das doppelte bis dreifache des Koteletts kosten, denn das sind „Lifestyle-Produkte“. „Die Ärmeren“ sollen also nicht das Recht haben, auch eine fleischarme und abwechslungsreiche Ernährung auf den Teller zu bekommen, egal ob aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen? Ich wünsche mir da ein wenig mehr Empathie und Reflexion.
Wie die Jünger Jesu sind auch wir alle und unsere Politiker Menschen, Menschen mit Fehlern und Schwächen, und manchmal verstehen auch wir nur Bahnhof. Aber sind wir auch bereit, alle um uns herum so anzunehmen und gemeinsam etwas zum Guten zu bewegen?
„Wir schaffen das, weil wir nicht allein sind. Zusammen haut das hin!“ So arbeiten die Menschen aktuell in den Flutgebieten zusammen und so kann das auch in größerem Zusammenhang laufen. Mit Mut und Vertrauen.
Jetzt ist erstmal Schluss mit den schweren Brocken. Ehe der Sommer komplett abgearbeitet ist und in diesem Jahr auch nicht nur erfreuliches in seinem Füllhorn bereitstellt. Wenn der Urlaub für mich in diesem Jahr auch „nur“ aus zweiter Hand darin bestand, mit meiner Segelcrew zu telefonieren und dann anhand von Google Earth ihren Kurs nachzuvollziehen, so habe ich in der Zeit allein zu Hause nicht nur den gesellschaftlichen und den Klimawandel literarisch beackert.
Immer schön abwechselnd war die Devise. Ihr wisst ja, es zieht mich und uns gern ans Wasser. Obwohl ich auch die Berge (und die Bergseen) mag. Genial wäre es, wenn die Alpen an irgendeiner Stelle in Deutschland bis ans Meer reichen würden, so ähnlich wie die See-Alpen in Südfrankreich… Vielleicht sollte ich mir das aber lieber nicht wünschen, wer weiß? Naja, bei meiner Auswahl beschloss ich, zunächst Wangerooge eine Stippvisite abzustatten. Immerhin kenne ich mich dort minimal aus (ist bei der Größe nicht weiter schwierig), denn eine unserer Töchter hat einige Saisons dort gearbeitet, unter anderem in der schönen Jugendherberge. Dort haben wir sie natürlich auch besucht. (Übrigens sind wir seitdem auch Mitglieder im Jugendherbergsverband, obwohl wir sie selten nutzen. Aber die können zurzeit auch jedes zahlende Mitglied gut gebrauchen…).
Die Geschichte „Der Sommer der Inselfreundinnen“ ist leicht verdaulich, mit einer anrührenden Familiengeschichte. Eigentlich sogar zwei, einmal die Familie von Marle, der Protagonistin, zum anderen die Immigrantengeschichte von Federicos Eltern, die es als neapolitanische Pizzabäcker in den 70er Jahren nicht leicht hatten, da die Deutschen ganz andere (eben deutsche) Vorstellungen von italienischem Essen pflegten als die, die es von klein auf kannten. Nebenbei geht es um anscheinend „unmögliche“ Beziehungen, wenn das Verhältnis von Alters- oder Bildungsniveau von Männern und Frauen mal ganz einfach auf den Kopf gestellt wird.
Mein Fazit: Schöne Urlaubslektüre für den Strandkorb, gern auf Wangerooge, denn da kann man alle Szenenorte gleich einem Realitätscheck unterziehen.
Als nächstes fuhr ich einmal quer über die Deutsche Bucht und besuchte St. Peter Ording. Eines meiner Sehnsuchtsziele, seit meine Freundinnen im Jahr 1983 oder ’84 mit dem Wohnwagen einer Familie eine Woche allein dort Urlaub machen durften, allerdings leider ohne mich, meine Eltern hatten etwas dagegen, weil sie uns zu jung dafür wähnten. Spoiler: Die Anderen haben es gesund und munter überlebt und keine kam schwanger aus dem Urlaub zurück😄. Einige Jahre später schmiss ich jeden Montag Abend um 18:55 Uhr den Fernseher an, denn es kam „Gegen den Wind“, mit Ralf Bauer und Hardy Krüger jr. als Surfcracks. Nun habe ich seit einiger Zeit die Bücher von Tanja Janz entdeckt, wenn ich einen Kurztrip an den wunderbaren Strand mit den markanten Pfahlbauten brauche, denn ob ihr es glaubt oder nicht: Ich habe es immer noch nicht geschafft, tatsächlich mal dort hinzufahren!
Das Schöne an den Ording-Büchern der Autorin ist, dass mit Abwandlungen immer wieder dieselben Leute vorkommen, natürlich wird immer eine persönliche Geschichte erzählt, aber die geht teilweise so reihum von Buch zu Buch. Dadurch ist es inzwischen wie ein Nach-Hause-kommen, und es macht einfach Spaß und lenkt so perfekt vom nicht immer so spaßigen Alltag ab.
Von der schleswig-holsteinischen Nordseeküste, quasi durch den imaginären Nord-Ostseekanal an die Ostsee und dort auf dem kürzesten Weg nach Rügen. Da immerhin war ich schneller als die Segler, die teilweise den Wind immer aus der verkehrten Richtung hatten auf ihrem Weg von Heiligenhafen über Fehmarn nach Grömitz und von dort über Großenbrode zurück. (Immerhin kannten die Mädels hinterher alle Buchhandlungen in den angelaufenen Orten…).
Auf Rügen spielt „Bernsteinsommer“ von Anne Barns. Auch so ein Buch mit Wiedererkennungseffekt, denn auch ihre Protagonistinnen tauchen immer mal wieder auf, allerdings in unterschiedlichen Orten, auch mal in Hanau, in München, auf Norderney oder Juist. Finde ich sehr sympathisch, denn meine Ausrede dafür, dass ich noch nicht selbst einen Roman fertigbekommen habe, ist unter anderem, dass ich mich nicht für eine Gegend entscheiden kann, wo er stattfinden soll🤣. Also so macht man das dann: man schreibt mehrere Bücher quer durch Deutschland. Pfiffig. Ach ja, nicht ganz unwichtig zu erwähnen, außer den oft unheimlich sympathischen Heldinnen und Helden gefallen mir auch immer die Backrezepte sehr gut, nach und nach und so, wie es meine Schulter zulässt, werde ich die alle mal nachbacken. Die stimmigen Naturbeschreibungen mit dem liebevoll ausgesuchten Personal der Bücher und diesen kulinarischen Schmankerln zusammen ergeben für mich zumindest eine schöne Freizeitbeschäftigung, ein gelungenes Dreigängemenü. Egal ob an einem schattigen Plätzchen bei Hitze oder mit Tee und Salzkaramell bei Gewitter im Schaukelstuhl, ich mag die Geschichten von Anne Barns sehr gern.
Bibliographische Angaben (In alphabetischer Reihenfolge) :
Anne Barns, Bernsteinsommer, Harpercollins, ISBN 978-3-7499-0020-6, 12,00 €
Brigitte Janson, Der Sommer der Inselfreundinnen, Ullstein, ISBN 978-3-8437-2493-7, 8,99 €
Tanja Janz, Leuchtturmträume, Harpercollins, ISBN 978-3-7499-0124-1, 12,00 €
Ich muss euch das einfach noch einmal zumuten. Inzwischen bin ich beim Kapitel über die Landwirtschaft angekommen, das heißt, die Stromversorgung, den Tourismus und die Sicherheit habe ich noch nicht einmal erreicht. Aber gerade bei den Themen Verkehr und Wirtschaft wurde es mir so richtig mulmig. Denn das sind die klassischen Themen, an die wir Deutschen (und wahrscheinlich sind wir damit nicht allein) nicht so wirklich ran wollen. Und vor allem ein großer Teil der Politik wehrt sich hier gegen regulierende Eingriffe. Könnte ja Wählerstimmen oder Arbeitsplätze kosten. Nur nicht zu viel auf einmal zumuten…
Nun, das Gegenteil wird dann zwangsläufig eintreten und uns noch mehr zumuten. Und dabei ist es auch vollkommen wurscht, ob jemand „daran glaubt“, dass der Klimawandel menschengemacht ist oder ob das alles natürlich ist. Das ist dem Klimawandel aber auch sowas von egal, er steht nämlich nicht vor der Tür und klopft höflich an, er hat sich bereits ungebeten ins Wohnzimmer gedrängelt und wird bleiben. Schlimmer als die schlimmste Schwiegermutter! (Sorry an alle Schwiegermütter)
Reagieren müssen wir also, so oder so. Entweder wir lassen alles weiterlaufen, weil wir zu viel Angst vor Veränderung haben. Dann hat sich die Zivilisation, wie wir sie heute noch kennen, in spätestens einem halben Jahrhundert erledigt. Es wird gekämpft, um immer knapper werdenden Lebensraum, weniger Lebensmittel und sauberes Wasser zu immer höheren Preisen, weniger Ressourcen für Bau, Handel und alles andere Lebensnotwendige. Es wird Massenfluchten geben und bürgerkriegsartige Zustände. Ausbaden werden es vor allem diejenigen, die auch jetzt schon wenig haben, während sich bis dahin Milliardäre vielleicht schon endgültig in den Weltraum absetzen können. Vielleicht werden wir auch die modernen Dinosaurier und rotten uns einfach aus.
Oder wir erkennen an, was seit Jahren bekannt ist, dass sich vieles ändern muss, dass große Industrieanlagen an Flüssen vielleicht nicht mehr die beste Idee sind, weil das Risiko, entweder zu wenig Wasser (keine Kühlung, aufgeheiztes Flusswasser, Schiffsverkehr unmöglich, Fischsterben) oder aber viel zu viel Wasser (Überflutung von kritischer Infrastruktur oder Chemikalientanks, beides unkalkulierbare Risiken und verseuchen zudem das Grund-/Trinkwasser!) unberechenbar wird. Wer bedenkt im Alltag, dass viele Arbeiten (Bau, Straßenbau…) in heißen Sommern nicht mehr möglich sein werden? Wer bedenkt, dass sich mit dem veränderten Wetter und Klima die Palette der landwirtschaftlichen Produkte verringern und verändern wird? Wer denkt darüber nach, dass auch unsere Transportwege angreifbar sind? Diese ganzen Facetten müssen immer und überall mit bedacht werden, ob bei Stadtplanungen, Infrastrukturprojekten, ökonomischen Prognosen, Umbau der Landwirtschaft oder der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Diese Bereiche können nicht unabhängig voneinander oder nach Partikularinteressen sortiert betrachtet werden, sie sind Puzzleteile des Großen und Ganzen.
Deshalb an dieser Stelle nochmal eine deutliche Leseempfehlung für das Buch aus dem vorherigen Beitrag.
Achtung, wer gerade zu sehr betroffen ist von der Lage in NRW, RLP, Sachsen und Oberbayern oder auch in den Nachbarländern, sollte die Lektüre dieses Beitrages verschieben.
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Es ist schwierig. Denn am Freitag, den 16. Juli, am zweiten Tag, nachdem große Bereiche in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch eine Region in Sachsen mit Flut und Zerstörung zu kämpfen haben lese ich gerade das Kapitel 4 mit der Überschrift „Wasser: Viel zu nass und viel zu trocken“. Das Buch ist Anfang Mai erschienen, inzwischen ist die dritte Auflage im Verkauf, und ich schätze mal, die Autoren (obwohl sie sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Klimawandel beschäftigen) hätten sich nicht unbedingt träumen lassen, dass zwei Monate nach Erscheinen das vierte Kapitel um einige neue Einträge erweitert werden könnte. Leseprobe gefällig?
„Starkregen können beschauliche Bäche in reißende Ströme verwandeln – und ganze Ortschaften verwüsten Braunsbach und Simbach wissen, was das heißt. Beide Kommunen liegen in engen Tälern, und nach heftigen Starkregen verwandelten die sich in reißende Flussbetten. Das baden-württembergische Braunsbach, die »Perle im Kochertal«, wurde im Mai 2016 von einer Sturzflut verwüstet; Simbach am Inn in Niederbayern Anfang Juni 2016 von einem sogenannten tausendjährigen Hochwasser, im Fachjargon »HQ 1000«. Autos wurden gegen Wände geschleudert, Straßen und Brücken weggerissen, ganze Haushalte verschüttet. Simbach glich danach einem Trümmerfeld, in Braunsbach türmte das Wasser meterhohe Geröllberge mitten in den Ort: Auf 70 Millionen Euro bezifferten die Versicherungen allein die materiellen Schäden in den beiden kleinen Orten, fünf Menschen starben. »HQ 1000« bedeutet, dass ein solches Ereignis statistisch einmal in tausend Jahren vorkommt – in menschlichen Zeithorizonten gedacht, also praktisch nie. »Wir gehen davon aus, dass wir es mit einem Phänomen in einer neuen Ausprägung zu tun haben«, sagt Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft im bayerischen Umweltministerium und Professor an der Technischen Universität München.[88] Oder anders formuliert: So sieht der Klimawandel aus. Längst sind schwere Sturzfluten keine Seltenheiten mehr. Ständig gibt der Deutsche Wetterdienst Unwetterwarnung heraus, auf den Warnkarten und Wetterapps sind dann tiefrote bis violette Flächen zu sehen. 2017 traf es Goslar im Harz, 2018 erwischte es zuerst das Vogtland, dann Orte in der Eifel, Dudeldorf zum Beispiel, Kyllburg oder Hetzerode. 2019 war Kaufungen nahe Kassel dran oder Leißling nördlich von Naumburg an der Saale, 2020 dann das fränkische Herzogenaurach oder Mühlhausen in Thüringen. […] Meteorologen haben für solche Phänomene einen festen Namen etabliert. Sie nennen die Großwetterlage »Tief Mitteleuropa« – ein in der Regel sehr stationäres Tiefdruckgebiet, also eines, das sich kaum bewegt. »Die Wetterlage ist häufig mit sehr starken Niederschlägen verbunden«, erklärt Thomas Deutschländer, Hydrometeorologe beim Deutschen Wetterdienst: ein ortsfestes Tief, »das feucht-warme Luftmassen aus dem Mittelmeerbereich nach Mitteleuropa führt«. Hier treffen diese Luftmassen dann auf kältere Strömungen aus dem Norden. »Und das führt dann eben dazu, dass es zu diesen heftigen Starkniederschlägen kommt.“ (S. 125/126 meiner eBook-Ausgabe)
Nach der Querbeet-Lektüre des Buches kommt bei mir an: Wir denken oftmals viel zu eindimensional. Jeder von uns hat ein „Herzensthema“, ob es nun das Reisen ist, das Wirtschaftswachstum, die Energieversorgung, der Beruf als Landwirt, das Leben in der Großstadt… Alles richtig, alles Dinge, die berücksichtigt werden müssen. Aber vor allem muss bedacht werden, dass alle diese Facetten und noch mehr gemeinsam zu einem großen Ganzen gehören und überhaupt nicht auseinanderdividiert werden können.
(Das sind übrigens die Punkte, die ich den sogenannten „wirtschaftsliberalen“ Parteien ankreide: Der Fokus wird zu einseitig gesetzt. Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft wird zu häufig als Nachteil angesehen und viel zu selten als Chance. Und ich kann es auch nicht mehr hören, dass immer der „Wettbewerbsnachteil“ beim ambitionierten Klimaschutz betont wird. In vielen Bereichen haben andere Länder einfach mal darauf gewartet, dass eines den Anfang macht und haben dann nachgezogen.)
Da unser Boot an der Ostsee liegt und wir alle das Meer lieben, habe ich die letzten Monate immer mal wieder das Gedankenspiel „Was, wenn wir an die See zögen?“ durchgespielt. Aber mal ehrlich, im Augenblick fühle ich mich hier in OWL ganz gut aufgehoben. Wir brauchen keine aufwendigen Küstenschutzmaßnahmen, es ist auf unserer Seite des Gebirgszuges recht wenig hügelig, wird auch nicht so sehr von Bächen durchzogen, die zu reißenden Strömen werden können und die Weser ist auch hoffentlich weit genug weg. Ab und zu drückt bei Regen von außen und unten Wasser in den Keller, aber das tut es schon seit 202 Jahren, weil der Keller aus gestapelten groben Sandsteinen besteht und nicht abgedichtet ist. Das Haus steht immer noch, und das ganz ordentlich. Trotzdem weiß ich (auf einer eher abstrakten Ebene), dass auch bei uns ein solch sintflutartiger Regen üble Folgen hätte…
Edit: Am Freitag hatte ich Skrupel, den Beitrag zu veröffentlichen, habe ihn deswegen erst als Entwurf gespeichert. Inzwischen ist Sonntag und der Regen hat in weiteren Regionen Deutschlands und in angrenzenden Ländern zugeschlagen. Soeben habe ich nach reiflicher Überlegung beschlossen, jetzt den Post hochzuladen. Es wird nicht besser, eher im Gegenteil.
Wer von uns nicht akut betroffen ist, mag zwar aufatmen, aber sollte sich bewusst sein, dass unsere Komfortzonen enger werden. Ich möchte niemandem vorschreiben, wen er oder sie im September zu wählen hat, macht das mit eurem Gewissen aus. Aber informiert euch, unter anderem mit der Lektüre von Wissenschaftsjournalismus, was Stand der Dinge ist. Es kann eigentlich schon seit vielen Jahren niemand mehr sagen „Aber das habe ich nicht gewusst“ und trotzdem zögern wir immer wieder, wenn es um konkretes Handeln geht.
Bibliographische Angaben: Nick Reimer / Toralf Staud, Deutschland 2050, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-00068-9, € 18,-
„Ich stelle mich einmal kurz vor. Mein Name ist Fränzi Kühne, mich gibt es seit 1983, ich habe Jura studiert, habe dieses Studium dann jedoch abgebrochen und bin Mitgründerin der ersten Social-Media-Agentur Deutschlands geworden. Mit dieser Agentur habe ich bis zu meinem Ausstieg 2020 mitgeprägt, wie Digitalisierung, Social Media, neue Geschäftsmodelle und Organisationsformen in Deutschland diskutiert und gestaltet werden. Ich bin Mitglied des Stiftungsrats der AllBright-Stiftung und Mutter zweier Mädchen, geboren 2016 und 2020, die mit mir und ihrem Vater in Berlin-Biesdorf leben. […] Seit der Gründung von TLGG im Jahr 2008 hatten wir – Christoph Bornschein, Boontham Temaismithi, ich und ein hervorragendes Team – uns den Status junger und kluger Vorreiter*innen erarbeitet, die die Sache mit der Digitalisierung einigermaßen verstehen und sie nicht nur ihren Eltern, sondern durchaus auch dem einen oder anderen DAX-Unternehmen erklären können. Wenngleich ich als einzelne Person noch nicht besonders sichtbar war, so war es die Agentur durchaus. Das wiederum war der freenet AG aufgefallen, die für eine Neubesetzung in ihrem Aufsichtsrat eine junge Kandidatin suchte und bei uns fündig wurde. Ich versuche jetzt mal nicht, den ganzen Prozess der Aufsichtsratsneubesetzung detailliert wiederzugeben oder ihn extrem spannend zu machen; zum einen komme ich sicher noch einmal darauf zurück, zum anderen steht das Ergebnis ja schon im Klappentext: Am Ende eines für mich aufregenden Auswahl- und Bewerbungsprozesses hielt ich vor 600 Leuten meine erste Rede auf einer Bühne und wurde Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin eines börsennotierten Unternehmens. Und nicht nur das: Ich wurde ein Medienthema.“ (bei meiner eBook-Ausgabe S. 9 , Kapitel „Das Warten auf das >>Jetzt geht’s los<<„)
So. Nun wisst ihr Bescheid, oder? Was ist daran denn so besonders? Außer natürlich, dass es in Deutschland und nicht nur hier, immer noch nicht an der Tagesordnung ist, dass eine Frau, noch dazu eine junge Mutter, an einer solchen Position ihren Platz einnimmt.
Aber es gibt noch etwas, das besonders ist. Etwas, das mit der Kombination Frau-erfolgreich-Karriere-herausgehobene Position zu tun hat:
Den Fragenkatalog.
Auch Annalena Baerbock machte diese Erfahrung. Eine der am meisten gestellten Fragen: „Wie vereinbaren Sie Karriere und Familie?“ Dicht gefolgt von „Können Sie für andere Frauen ein Vorbild sein?“ oder auch der Fokussetzung auf die mehr oder weniger modischen Outfits (klitzekleiner Spoiler: es gibt einen männlichen Interviewpartner im Buch, dessen Kleidungsstil auch immer mal wieder in den Medien zum Thema gemacht wird. Ob es wohl daran liegt, dass er sich ab und zu mal modisch neu erfindet oder dass er Außenminister ist?).
Fränzi Kühne ist also durch das Frage- und Antwortlabyrinth geschubst worden, und da sie eine wissbegierige Frau ist, hat sie sich männliche Interviewpartner gesucht, die ebenfalls in herausragenden beruflichen Positionen stehen. Von ihnen wollte sie unter anderem wissen, welche Fragen ihnen gestellt wurden, wie sie auf die Fragen antworten würden, mit denen üblicherweise Frauen konfrontiert werden und außerdem noch, wie sie zu den angedachten Quotenregelungen stehen.
Es gibt einige erwartbare, aber auch viele überraschende Antworten in diesem Buch. Was mich ein bisschen überrascht hat (obwohl ich es mir hätte denken können) ist die Tatsache, dass Männer anscheinend relativ häufig eher spontan an neue Posten kommen, ohne dass vorab lange nach Qualifikationen gesucht wird, während Frauen sich immer noch rechtfertigen müssen, wenn sie für einen verantwortungsvollen Job vorgeschlagen werden. Unter anderem auch in den großen und kleinen Medien, die offenbar immer noch keinen aktuellen Fragenkatalog haben, sondern sich munter im 70er-Jahre-des-20.Jahrhunderts-Koffer bedienen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann hatte doch vermutlich auch schon jede/r von uns mal diese Klischees im Kopf, einfach, weil wir damit sozialisiert wurden.
Das Buch war informativ, stellenweise regelrecht amüsant, es stellt Fragen; Nicht nur an die Männer, die interviewt wurden, sondern an die Rollenbilder in unseren Köpfen und auch, ob unsere Gesellschaft insgesamt so offen ist, wie wir es uns gern vorstellen (oder einreden?)
Bibliographische Angaben:
Fränzi Kühne, Was Männer nie gefragt werden (Ich frage trotzdem mal.), Fischer Taschenbuch, ISBN 978-3-596-70582-5, € 14,–
oder Fischer eBook (epub), ISBN 978-3-10-491368-1, € 12,99
Wer von uns sehnt sich nicht ab und zu nach einem kleinen, von der restlichen Welt abgelegenen Refugium? Am besten in einem Eckchen, wo niemand einfach mal so hineinstolpert, so dass alles, was hier passiert, echte Bedeutung hat und nicht einfach nur beiläufig geschieht?
So geht es den Frauen in diesem Buch, und so ging es auch mir, als ich bei Netgalley den Titel aufstöberte. Ja, ich gebe zu, als erstes hat mich das Cover angesprochen, denn ich suchte ganz gezielt nach Inseln… Inseln eignen sich so gut zum Verkriechen, egal ob ganz real oder literarisch. Außerdem habe ich ein Faible für die ostfriesischen Inseln, ich mag diese Landschaften, die gleichermaßen karg und üppig wirken, wo man eigentlich überall das Meer sehen, hören und riechen kann, auf denen man die Natur (und auch die Naturgewalten) ganz nah um sich herum spürt. Zumindest literarisch wollte ich mich in den Urlaub träumen, in dieser Zeit, in der ich persönlich eingeschränkt in meinem Bewegungsradius bin.
Umso mehr hat mich die inhaltliche Vielfalt und Tiefe dieses Buches angenehm überrascht. Denn es geht um drei ganz unterschiedliche Frauen, die in schwierigen Situationen stecken, in drei Epochen der deutschen Geschichte. Ein Handlungsstrang erzählt das Schicksal eines jungen Ehepaares, das sich vor den Nazis auf Spiekeroog verstecken muss, nachdem die Flucht ins Ausland scheiterte. Ein zweiter Faden spinnt sich um eine junge, unkonventionelle Frau Anfang der 60er Jahre, die eine unschickliche Liaison mit dem Schulleiter des Hermann-Lietz-Internats unterhält (das es tatsächlich seit langen Jahrzehnten dort gibt). Und schließlich ist da noch eine moderne Karrierefrau im Jahr 2019, die nach einem Hörsturz erkennen muss, dass ihre erfolgreiche Karriere und auch ihre Ehe nur die üppige Fassade für ein unglückliches und unausgefülltes Leben sind.
Die Hintergründe zu allen drei Handlungen sind gut recherchiert, was mir immer wichtig ist. Die Verknüpfungen der jeweiligen gesellschaftlichen Situation mit den persönlichen Schicksalen der drei Frauen sind nicht nur stimmig, sondern auch spannend zu lesen, die Verbindungen, die (nicht nur) durch das Haus zwischen diesen Frauen bestehen, ahnt die Leserin am Anfang zwar, aber es macht auch Spaß, sich lesend den Zusammenhängen anzunähern.
Für mich war es eine anregende und entspannende Sommerlektüre, ohne „platt“ zu wirken, ich hatte eine richtig schöne Auszeit im Stranddistelhaus.
Bibliographische Angaben: Lina Behrens, Das Strandistelhaus, Fischer Taschenbuch, ISBN 978-3-596-70566, € 10,99
oder Fischer eBook (epub): ISBN 978-3-10-491342-1, € 9,99
Dieses Lied hat sich schon sehr früh in meinem Leben in mein Herz geschlichen (oder gesungen), da wusste ich weder, was der Text bedeutete noch wer es in welcher Situation geschrieben hatte.
Irgendwie hatte es dieser Gospelsong auf das Hausputz-Tonband meiner Mutter geschafft, gemeinsam mit Schlagern und Popsongs der endenden 60er und beginnenden 70er Jahre. Und schon als kleines Mädchen konnte ich in dieses Lied tief eintauchen, der Klang und die Melodie berührten mich tief im Herzen (obwohl es damals ja noch nicht von LeAnn Rimes gesungen wurde). Ich glaube, wegen dieses Liedes lernte ich, wie man Tonbänder spult😄. Denn ich heulte jedes Mal wie ein Schlosshund und konnte mich da auch richtig reinsteigern. Mit 5 Jahren hielt ich es noch für abgrundtief traurig, es gab auch leider niemanden in der Familie, der mir den Text hätte übersetzen können, und doch: es brachte eine Saite in mir zum Klingen, die zwar immer mal wieder ruhiger wurde, aber nie mehr aufhörte zu vibrieren.
Bewusst lernte ich die „erstaunliche Gnade“ erst einige Jahre später kennen und noch viel später verstand ich sie auch nur ansatzweise. Bis heute kann ich das Lied kaum ohne Augenpipi hören, und auch wenn ich selbst es singe, laufen mir die Tränen, aber nicht, weil es so traurig ist, sondern weil es die ultimative Hoffnung auf den Punkt bringt. Ohne diese Hoffnung wäre mein Leben nicht vollständig.
Das Lied von Tim Bendzko geht mir fast zwangsläufig durch den Kopf, wenn ich den Buchtitel lese. Natürlich ist es ein sehr provokanter Titel, denn eigentlich wissen wir alle sehr gut, dass wir nicht die Welt, sondern unsere Lebensgrundlagen für menschliches Leben retten müssen. Die Natur kann auch ohne den Menschen, aber der Mensch nicht ohne die Natur.
An alle, die Frank Schätzing vor allem als Thriller-Autor kennen: seine Thriller beschäftigen sich ebenfalls bevorzugt mit Ökothemen, aber auch Sachbücher zum Thema bringt er immer mal wieder gut recherchiert. Man merkt, dass ihm der Themenkomplex am Herzen liegt. Er holt denn auch entsprechend weit aus, denn: Die Warnungen weiter Teile der Wissenschaft sind beileibe nicht neu. Aber lest selbst:
„Springen wir zurück ins Jahr 1965 zur Hauptversammlung des API (American Petroleum Institute), des größten Lobbyverbandes der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie, und lauschen einer Rede des damaligen Direktors Frank N. Ikard. Schon Anfang der Fünfziger hatten API-Forscher entdeckt, dass die Verbrennung fossiler Energieträger das atmosphärische CO2 in die Höhe treibt. Aus ihrem Bericht ging hervor, dass der daraus resultierende Treibhauseffekt die Erde erwärmen würde, mit negativen bis katastrophalen Folgen. Explizit wurde vor dem Anstieg des Meeresspiegels gewarnt. Wenige Tage nachdem Wissenschaftler das Weiße Haus über die Gefahren eines raschen und irreversiblen Klimawandels in Kenntnis gesetzt hatten, erklärte Ikard seinen wie betäubten Zuhörern: »Dieser Bericht wird ohne Frage Emotionen schüren, Ängste wecken und Forderungen nach Taten laut werden lassen. Seine Kernaussage ist, dass noch Zeit bleibt, um die Völker der Welt vor den katastrophalen Folgen der Verschmutzung zu bewahren, aber die Zeit läuft ab. Eine der wichtigsten Vorhersagen des Berichts ist, dass der Erdatmosphäre durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas Kohlendioxid in solcher Menge und Geschwindigkeit zugeführt wird, dass durch die Veränderung der Wärmebilanz bis zum Jahr 2000 möglicherweise deutliche Klimaänderungen eintreten, die uns lokal und national überfordern. Im Bericht heißt es weiter, und ich zitiere: ›… die Verschmutzung durch Verbrennungsmotoren ist so gravierend und wächst so schnell, dass ein alternatives umweltfreundliches Antriebsmittel für Autos, Busse und Lastwagen wahrscheinlich zur nationalen Notwendigkeit wird.‹ «Auf diese alarmierende Ansage erfolgte –Nichts. Zur API-Forschungsgruppe gehörten damals Wissenschaftler fast aller großen Ölunternehmen, darunter Exxon, Texaco und Shell. In den Siebzigern erstellte Exxon eine eigene Studie, deren Prognosen noch angsteinflößender ausfielen. Statt die Welt darüber zu informieren, blockierte der Konzern die Veröffentlichung und begann mit einer gezielten Desinformationskampagne. Über Jahrzehnte zog er die Seriosität der Klimawissenschaft in Zweifel, attackierte und diffamierte die Mahner, mit Rückendeckung der Bush-Cheney-Administration. King of Chaos war Lee Raymond, CEO von Exxon und später ExxonMobil, der über Klimamodelle spottete, Wissenschaftler dafür bezahlte, Gegengutachten zu schreiben, globale Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen fossiler Brennstoffe hintertrieb, während er zugleich damit begann, Exxon-Infrastrukturprojekte vor dem Anstieg des Meeresspiegels zu schützen, von dem er wusste, dass er kommen würde. Später ließ ExxonMobil verlauten, Raymonds Aussagen seien missverstanden worden. In einer Rede, die Raymond 1997 auf dem Weltölkongress in Peking kurz vor den Klimaverhandlungen in Kyoto hielt, äußerte er sich jedoch recht unmissverständlich: »Erstens erwärmt sich die Welt nicht. Zweitens wären Öl und Gas selbst dann nicht die Ursache. Drittens kann niemand den wahrscheinlichen zukünftigen Temperaturanstieg vorhersagen.« Vielmehr, erklärte er den anwesenden Staats- und Regierungschefs, sei die Erde in den letzten Jahren kühler geworden. Doch selbst wenn die Wissenschaft mit dem Treibhauseffekt recht hätte: »– ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Temperatur zur Mitte des nächsten Jahrhunderts erheblich beeinflusst wird.« Kurz, die Ölbranche betrieb schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts hochmoderne Analytik, stufte die Ergebnisse als geschäftsschädigend ein und setzte eine weltweite Fake-News-Kampagne in Gang, um die Klimaforschung in Verruf zu bringen. Donald Trump hätte seine Freude gehabt. Dick Cheney hatte sie definitiv. Die Saat der Skepsis wurde von den Ölmultis und den ihnen verbundenen Politikern gelegt.“ (S. 34/35 in meiner ebook-Ausgabe, unter der Überschrift „Die Verteufelung der Klimaforschung“)
Da bleibt einem doch die Luft weg. Ein paar Kapitel später beschreibt Schätzing, warum Menschen häufig der Verlockung unterliegen, sich gegenteilig zu dem zu verhalten, was eigentlich angesagt ist. Und zwar mit Elementen aus der Spieltheorie. Ich kann und will das hier nicht hineinkopieren, denn ich möchte wirklich, dass ihr euch dieses Buch beschafft und lest. Egal ob ihr es kauft (und nach dem Lesen weitergebt an jemanden, von dem ihr auch wünscht, dass er oder sie das Buch liest) oder ob ihr es ausleiht. Auch egal, ob ihr mit allem übereinstimmt, was er schreibt (ich persönlich ziehe auch nicht aus allem dieselben Schlüsse, aber darum geht es auch gar nicht), lest es, überdenkt es, handelt mit dem, was ihr könnt. Nicht jeder von uns muss perfekt sein im nachhaltigen Handeln, aber jeder muss endlich im Rahmen seiner Möglichkeiten dringend die Komfortzone verlassen. Was wollen wir denn für unsere Kinder und Enkel hinterlassen? Ganz konkret:
Was wünschst du dir für deine Tochter, deinen Sohn? Wie möchtest du deinen Lebensabend verbringen, was sollen deine Enkelkinder von ihrer Zeit mit Oma und Opa in Erinnerung behalten? Wie soll die Welt aussehen, in der sie später leben werden?
Frank Schätzing legt nicht nur Finger in Wunden und prokelt genussvoll darin herum. Er hat sich auch (und nicht als erster, denn die Mechanismen gibt es ja bereits, sie werden nur zu wenig konsequent angewendet) mit konkreten Handlungsvorschlägen beschäftigt, und damit mutet er jedem einzelnen von uns natürlich auch etwas zu (im Gegensatz zu manchen Politikertypen, die den Anspruch erheben, Deutschland regieren zu wollen), denn Veränderung ist ja nun mal in erster Linie etwas, das vielen Menschen Angst macht. Weil wir zu bequem, zu satt geworden sind.
Mir gefällt an dem Buch sehr gut (das war schon bei einigen anderen Sachbüchern so, die ich hier besprochen habe), dass Schätzing konkrete Situationen als Ausgangspunkte für seine Fallbeispiele nimmt. Situationen, die vollkommen alltäglich sind, keine abstrakten Szenarien. So wird seine Sichtweise nachvollziehbar. Andere Abschnitte im Buch sind mir persönlich manchmal ein bisschen nahe am Slapstick, aber er ist schließlich auch kein Wissenschaftler, sondern Marketingspezialist. Positiv kommt auch rüber, dass er sich selbst durchaus in die Reihe derer stellt, die sich lange Zeit nicht unbedingt durch konsequent klimafreundliches Verhalten ausgezeichnet haben. Wie sehr wahrscheinlich die Meisten von uns.
Also: Klare Leseempfehlung!
Bibliographische Angaben:
Frank Schätzing, Was, wenn wir einfach die Welt retten?, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-00201-0, € 20,-
Es wäre mal wieder Zeit für das jährliche Abwaschen der ungenutzten Dinge…
Vor etwas mehr als 29 Jahren sagten wir „Ja“ zueinander. In diesem Jahr war unsere Jüngste die Einzige, die tatsächlich daran dachte, vielleicht, weil unsere Sterntaler-Crew an diesem Tag losfuhr.
Heute früh saß ich draußen und mir ging so durch den Kopf, dass wir vor fast dreißig Jahren in gewisser Hinsicht bürgerlicher waren als heute. Warum? Naja, zunächst einmal beschlossen wir, zu heiraten, weil Julia unterwegs war. Ein bisschen, damit namenstechnisch alles seine Ordnung hatte, ein bisschen pragmatisch, damit Edgar Entscheidungen treffen durfte, falls ich mal nicht in der Lage wäre….
Und bevor irgendjemand Schnappatmung bekommt: zum größten Teil, weil wir uns sicher waren, dass wir unser Leben zusammen verbringen wollten😄. Tatsächlich machten wir auch damals schon einiges anders als es üblich war. Er suchte mein Brautkleid aus, ich den Brautstrauß… Unsere Hochzeit „stand“ innerhalb von drei Monaten, eine ausgefallene Location war nicht unsere Priorität. Wir trommelten die Leute zusammen, die wir dabei haben wollten, buchten ein Restaurant, bestellten das Aufgebot und den Pfarrer und das wars.
Absolut im Rahmen des damals Üblichen war allerdings der sogenannte „Hochzeitstisch“ im Kaufhaus. Wir suchten uns im ganzen Laden Dinge zusammen, von denen wir dachten, dass wir sie für eine erfolgreiche Ehe brauchen könnten: Vasen, ein Kaffee- und Essgeschirr von Hutschenreuther, weiteres Besteck zu meinem „Aussteuerbesteck“ von der Konfirmation, Serviettenringe(!!!😳) und Gläser für alle möglichen Getränke, die aus der heutigen Sicht nerven, da sie meist nur einmal im Jahr zum Abwaschen aus der Vitrine genommen werden, weil sie zwar gut aussehen und auch ganz schlicht und ohne irgendwelchen Schliff sind, aber lange dünne Stiele haben.
Wer konnte auch ahnen, dass ich ein Vierteljahrhundert später eigentlich am liebsten Recycling-Gläser hätte oder für ein schönes Abendessen mit einem leckeren Wein bevorzugt die uralten Gläser meiner Oma benutzen würde (obwohl es dabei keine Unterscheidung von Rotwein- und Weißweingläsern gibt)? Dass ich weiße Tischdecken meide, nicht ganz so wie der Teufel das Weihwasser, aber eben fast (schließlich sind wir eine Sippschaft, die fast zwangsläufig zu kleckern anfängt, sobald Rotkohl, Tomatensoße oder Rotwein im Spiel ist). Dass das Hochzeitsgeschenk, das bis heute am häufigsten bei uns im Einsatz ist, ein Satz Geschirrtücher mit Waffelmuster ist, die sich optisch so sehr von den anderen unterscheiden, dass jeder in der Küche weiß: die sind zum Abtrocknen von Obst und Gemüse (nach fast 30 Jahren werden sie nun langsam leider etwas fadenscheinig).
Heute ist unser Haus voll von unserem eigenen Krempel, von dem wir einmal dachten, dass wir ohne ihn nicht leben können, aber auch von den unzähligen Sammelgedecken, Cognac-Karaffen, Tortenhebern, Kerzenleuchtern, Kristallrömern in allen Farben und was man noch so sammelte, als man es sich nach dem Krieg mal wieder leisten konnte. Von meinen Großeltern, meinen Eltern, meinen Schwiegereltern.
Wenn bei uns jemals ein Umzug ansteht, egal ob in ein normales oder erst recht in ein Tiny House, dann gnade uns Gott. Es hilft nichts, ich muss bald dringend mit einer Befreiungsaktion loslegen. Aber jetzt, wo ich dieses hier schreibe, bin ich gerade erst seit einigen Stunden das Abduktionskissen los. Ich darf mit rechts nichts heben, das schwerer ist als eine Kaffeetasse, und selbst die zittert unkontrolliert, weil nach vier Wochen Zwangspause der Arm so schwabbelig ist wie Wackelpudding…
Ach übrigens: Klar, es hätte auch alles ganz anders kommen können. Aber wir sind auch heute noch ausgesprochen gern miteinander verheiratet (auch wenn wir beide öfter mal unseren Hochzeitstag vergessen) und sehr dankbar dafür. Wir haben Höhen, wir haben auch mal Tiefen, wir arbeiten sogar seit vielen Jahren erfolgreich zusammen, und wenn einer von uns mal nicht so kann, übernimmt der andere Partner. Wir haben keine Reichtümer angehäuft, aber unser Auskommen und wir haben drei tolle Töchter sowie zwei klasse Schwiegersöhne. Was wollen wir mehr?
Dieses Interview offenbart ein großes Problem: Das Unvermögen, statistische Erhebungen sinnvoll zu deuten, aber auch Defizite in der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Bruchrechnung. Oder anders ausgedrückt: Mathematik war für viel zu viele Menschen in der Schule etwas abstraktes, etwas, das mit unserem Leben recht wenig zu tun hat. Das war schon bei mir so, die ihre Schulzeit in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebt hat. Mensch, war ich froh, als ich nach der 12. Klasse Mathe abwählen konnte… Irgendwie also kein Wunder, wenn Leute meiner Generation bei aktuellen Herausforderungen viel Skepsis mitbringen, wenn es um die Interpretation der unterschiedlichen Zahlenwerke geht. (Übrigens scheint es vielen Zeitungsredakteuren ähnlich zu gehen: Da werden in Artikeln munter Prozente und Brüche durcheinandergeschrieben, so dass man merkt, da wurden Zahlen aus Statistiken abgeschrieben, ohne sie zu verstehen… Das obliegt dann dem mathematisch mehr oder weniger gebildeten Leser🙄)
Daran hat sich aber auch offensichtlich nicht viel geändert, mir klingen die Klagen unserer jüngsten Tochter in den Ohren, Klagen darüber, wie wirklichkeitsfremd Textaufgaben in den Mathebüchern häufig sind. Und noch viel wirklichkeitsfremder die Ergebnisse dieser Aufgaben. Ist es da so unverständlich, dass Jugendliche im Unterricht innerlich „abschalten“?
Allein, mir fehlt trotz meiner optimistischen Grundeinstellung der Glaube daran, dass sich in unserem Bildungssystem viel ändern wird. Dabei geht es auch anders, wie Labor- und Reformschulen seit Jahrzehnten beweisen, Schulen, an denen Theorie und Praxis so verzahnt wird, dass das Wissen aus den Hirnen der Schüler in Bewusstsein und Körper übergeht. Und wenn wir ganz ehrlich sind, liegt das auch daran, dass wir Deutschen doch irgendwie unserer „German Angst“, der Vollkaskomentalität verhaftet sind und Veränderung scheuen.
Nein, dieses Mal geht es nicht um Corona. Während die Welt je nach geographischer Lage mal mehr, mal weniger immer noch mit der Pandemie beschäftigt ist und mancherorts die Inzidenzen wieder in die Höhe steigen, lauert die (eigentlich schon seit vielen Jahren bekannte) Krise, die unser Leben auf Jahrzehnte noch viel stärker beeinflussen wird:
Der Klimawandel.
Und in Deutschland sind in knapp drei Monaten Bundestagswahlen. Was mich zurzeit vollkommen annervt, ist die Tatsache, dass wir augenblicklich mehr Informationen darüber bekommen, wo Frau Baerbock sich zugegebenermaßen ungeschickt angestellt hat, als über konkrete Klimapolitik der Mitbewerber.
Ob man nun die Grünen für wählbar hält oder nicht, das muss jeder für sich entscheiden, aber in unser aller Interesse ist es doch, zu erfahren, wie unser Land und unser Anteil an der Welt in dreißig Jahren aussehen soll. Wie es um die Lebensqualität bestellt sein soll, in einer Zeit, in der viele von uns alt sein werden, und dann zu unserem gesundheitlichen Schutz uns in besonders klimatisierten Räumen aufhalten müssen, nicht nach draußen gehen sollen, um den Kreislauf stabil zu halten. Dieselbe Situation wie in den Seniorenheimen letztes Jahr, nur mit anderen Vorzeichen.
Wenn ich mir das Wahlprogramm von CDU/CSU anschaue, fällt mir der Ausspruch ein:
Wer etwas erreichen will, findet Wege. Wer nichts erreichen will, findet Gründe.
Seit heute bin ich allein zu Hause. Ach nein, nicht ganz, die Hunde teilen mein Schicksal. Mann, Tochter und deren Freundin sind in aller Frühe losgefahren, Richtung Ostsee. Zwei Wochen auf der „Sterntaler“ liegen vor ihnen. Ich wünsche ihnen viel Spaß, gutes Segelwetter und eine entspannte Zeit.
Für mich hat sich ja leider das Segeln für den Rest des Jahres erledigt, dafür starte ich zumindest im Herbst hoffentlich (wenn denn die Kurse stattfinden) die theoretische Ausbildung mit dem Sportbootführerschein See.
Diese Wochen allein mit Lucy und Kalle werde ich nutzen, um ein bisschen das Telefon zu hüten, ein bisschen mehr abzuhängen und mir Marvel-Filme reinzuziehen (es muss sich da doch mindestens einer finden, zu dem man eine Andacht schreiben kann) und noch viel mehr zu lesen.
Dazu geistert eine Idee in meinem Hinterkopf, die sich Raum verschafft (und auf die Julia mich gebracht hat, danke an dieser Stelle…). Das blöde ist nur, ich habe den Drang, es aufzuschreiben, denn mit Diktierfunktion des Handys funktioniert der Gedankenfluss nicht so super wie beim Schreiben. Denn schreiben mit der Hand ist, als ob mir mit der Tinte die Gedanken aus dem Kopf fließen. Ich hoffe, am Donnerstag werde ich meine Armstütze los und kann dann auch wieder leserlich mit der Hand schreiben. Sonst wird das am Ende nix mit der Umsetzung der Gedanken, ehe sie mit ICE-Geschwindigkeit durch das Gedächtnis gerauscht und auf dem Weg nach Sonstwo sind.
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