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Wer von uns sehnt sich nicht ab und zu nach einem kleinen, von der restlichen Welt abgelegenen Refugium? Am besten in einem Eckchen, wo niemand einfach mal so hineinstolpert, so dass alles, was hier passiert, echte Bedeutung hat und nicht einfach nur beiläufig geschieht?
So geht es den Frauen in diesem Buch, und so ging es auch mir, als ich bei Netgalley den Titel aufstöberte. Ja, ich gebe zu, als erstes hat mich das Cover angesprochen, denn ich suchte ganz gezielt nach Inseln… Inseln eignen sich so gut zum Verkriechen, egal ob ganz real oder literarisch. Außerdem habe ich ein Faible für die ostfriesischen Inseln, ich mag diese Landschaften, die gleichermaßen karg und üppig wirken, wo man eigentlich überall das Meer sehen, hören und riechen kann, auf denen man die Natur (und auch die Naturgewalten) ganz nah um sich herum spürt. Zumindest literarisch wollte ich mich in den Urlaub träumen, in dieser Zeit, in der ich persönlich eingeschränkt in meinem Bewegungsradius bin.
Umso mehr hat mich die inhaltliche Vielfalt und Tiefe dieses Buches angenehm überrascht. Denn es geht um drei ganz unterschiedliche Frauen, die in schwierigen Situationen stecken, in drei Epochen der deutschen Geschichte. Ein Handlungsstrang erzählt das Schicksal eines jungen Ehepaares, das sich vor den Nazis auf Spiekeroog verstecken muss, nachdem die Flucht ins Ausland scheiterte. Ein zweiter Faden spinnt sich um eine junge, unkonventionelle Frau Anfang der 60er Jahre, die eine unschickliche Liaison mit dem Schulleiter des Hermann-Lietz-Internats unterhält (das es tatsächlich seit langen Jahrzehnten dort gibt). Und schließlich ist da noch eine moderne Karrierefrau im Jahr 2019, die nach einem Hörsturz erkennen muss, dass ihre erfolgreiche Karriere und auch ihre Ehe nur die üppige Fassade für ein unglückliches und unausgefülltes Leben sind.
Die Hintergründe zu allen drei Handlungen sind gut recherchiert, was mir immer wichtig ist. Die Verknüpfungen der jeweiligen gesellschaftlichen Situation mit den persönlichen Schicksalen der drei Frauen sind nicht nur stimmig, sondern auch spannend zu lesen, die Verbindungen, die (nicht nur) durch das Haus zwischen diesen Frauen bestehen, ahnt die Leserin am Anfang zwar, aber es macht auch Spaß, sich lesend den Zusammenhängen anzunähern.
Für mich war es eine anregende und entspannende Sommerlektüre, ohne „platt“ zu wirken, ich hatte eine richtig schöne Auszeit im Stranddistelhaus.
Bibliographische Angaben:
Lina Behrens, Das Strandistelhaus, Fischer Taschenbuch, ISBN 978-3-596-70566, € 10,99
oder Fischer eBook (epub): ISBN 978-3-10-491342-1, € 9,99
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