Deutschland 2050

Achtung, wer gerade zu sehr betroffen ist von der Lage in NRW, RLP, Sachsen und Oberbayern oder auch in den Nachbarländern, sollte die Lektüre dieses Beitrages verschieben.

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Es ist schwierig. Denn am Freitag, den 16. Juli, am zweiten Tag, nachdem große Bereiche in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch eine Region in Sachsen mit Flut und Zerstörung zu kämpfen haben lese ich gerade das Kapitel 4 mit der Überschrift „Wasser: Viel zu nass und viel zu trocken“. Das Buch ist Anfang Mai erschienen, inzwischen ist die dritte Auflage im Verkauf, und ich schätze mal, die Autoren (obwohl sie sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Klimawandel beschäftigen) hätten sich nicht unbedingt träumen lassen, dass zwei Monate nach Erscheinen das vierte Kapitel um einige neue Einträge erweitert werden könnte. Leseprobe gefällig?

Starkregen können beschauliche Bäche in reißende Ströme verwandeln – und ganze Ortschaften verwüsten Braunsbach und Simbach wissen, was das heißt. Beide Kommunen liegen in engen Tälern, und nach heftigen Starkregen verwandelten die sich in reißende Flussbetten. Das baden-württembergische Braunsbach, die »Perle im Kochertal«, wurde im Mai 2016 von einer Sturzflut verwüstet; Simbach am Inn in Niederbayern Anfang Juni 2016 von einem sogenannten tausendjährigen Hochwasser, im Fachjargon »HQ 1000«. Autos wurden gegen Wände geschleudert, Straßen und Brücken weggerissen, ganze Haushalte verschüttet. Simbach glich danach einem Trümmerfeld, in Braunsbach türmte das Wasser meterhohe Geröllberge mitten in den Ort: Auf 70 Millionen Euro bezifferten die Versicherungen allein die materiellen Schäden in den beiden kleinen Orten, fünf Menschen starben. »HQ 1000« bedeutet, dass ein solches Ereignis statistisch einmal in tausend Jahren vorkommt – in menschlichen Zeithorizonten gedacht, also praktisch nie. »Wir gehen davon aus, dass wir es mit einem Phänomen in einer neuen Ausprägung zu tun haben«, sagt Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft im bayerischen Umweltministerium und Professor an der Technischen Universität München.[88] Oder anders formuliert: So sieht der Klimawandel aus. Längst sind schwere Sturzfluten keine Seltenheiten mehr. Ständig gibt der Deutsche Wetterdienst Unwetterwarnung heraus, auf den Warnkarten und Wetterapps sind dann tiefrote bis violette Flächen zu sehen. 2017 traf es Goslar im Harz, 2018 erwischte es zuerst das Vogtland, dann Orte in der Eifel, Dudeldorf zum Beispiel, Kyllburg oder Hetzerode. 2019 war Kaufungen nahe Kassel dran oder Leißling nördlich von Naumburg an der Saale, 2020 dann das fränkische Herzogenaurach oder Mühlhausen in Thüringen. […] Meteorologen haben für solche Phänomene einen festen Namen etabliert. Sie nennen die Großwetterlage »Tief Mitteleuropa« – ein in der Regel sehr stationäres Tiefdruckgebiet, also eines, das sich kaum bewegt. »Die Wetterlage ist häufig mit sehr starken Niederschlägen verbunden«, erklärt Thomas Deutschländer, Hydrometeorologe beim Deutschen Wetterdienst: ein ortsfestes Tief, »das feucht-warme Luftmassen aus dem Mittelmeerbereich nach Mitteleuropa führt«. Hier treffen diese Luftmassen dann auf kältere Strömungen aus dem Norden. »Und das führt dann eben dazu, dass es zu diesen heftigen Starkniederschlägen kommt.“ (S. 125/126 meiner eBook-Ausgabe)

Nach der Querbeet-Lektüre des Buches kommt bei mir an: Wir denken oftmals viel zu eindimensional. Jeder von uns hat ein „Herzensthema“, ob es nun das Reisen ist, das Wirtschaftswachstum, die Energieversorgung, der Beruf als Landwirt, das Leben in der Großstadt… Alles richtig, alles Dinge, die berücksichtigt werden müssen. Aber vor allem muss bedacht werden, dass alle diese Facetten und noch mehr gemeinsam zu einem großen Ganzen gehören und überhaupt nicht auseinanderdividiert werden können.

(Das sind übrigens die Punkte, die ich den sogenannten „wirtschaftsliberalen“ Parteien ankreide: Der Fokus wird zu einseitig gesetzt. Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft wird zu häufig als Nachteil angesehen und viel zu selten als Chance. Und ich kann es auch nicht mehr hören, dass immer der „Wettbewerbsnachteil“ beim ambitionierten Klimaschutz betont wird. In vielen Bereichen haben andere Länder einfach mal darauf gewartet, dass eines den Anfang macht und haben dann nachgezogen.)

Da unser Boot an der Ostsee liegt und wir alle das Meer lieben, habe ich die letzten Monate immer mal wieder das Gedankenspiel „Was, wenn wir an die See zögen?“ durchgespielt. Aber mal ehrlich, im Augenblick fühle ich mich hier in OWL ganz gut aufgehoben. Wir brauchen keine aufwendigen Küstenschutzmaßnahmen, es ist auf unserer Seite des Gebirgszuges recht wenig hügelig, wird auch nicht so sehr von Bächen durchzogen, die zu reißenden Strömen werden können und die Weser ist auch hoffentlich weit genug weg. Ab und zu drückt bei Regen von außen und unten Wasser in den Keller, aber das tut es schon seit 202 Jahren, weil der Keller aus gestapelten groben Sandsteinen besteht und nicht abgedichtet ist. Das Haus steht immer noch, und das ganz ordentlich. Trotzdem weiß ich (auf einer eher abstrakten Ebene), dass auch bei uns ein solch sintflutartiger Regen üble Folgen hätte…

Edit: Am Freitag hatte ich Skrupel, den Beitrag zu veröffentlichen, habe ihn deswegen erst als Entwurf gespeichert. Inzwischen ist Sonntag und der Regen hat in weiteren Regionen Deutschlands und in angrenzenden Ländern zugeschlagen. Soeben habe ich nach reiflicher Überlegung beschlossen, jetzt den Post hochzuladen. Es wird nicht besser, eher im Gegenteil.

Wer von uns nicht akut betroffen ist, mag zwar aufatmen, aber sollte sich bewusst sein, dass unsere Komfortzonen enger werden. Ich möchte niemandem vorschreiben, wen er oder sie im September zu wählen hat, macht das mit eurem Gewissen aus. Aber informiert euch, unter anderem mit der Lektüre von Wissenschaftsjournalismus, was Stand der Dinge ist. Es kann eigentlich schon seit vielen Jahren niemand mehr sagen „Aber das habe ich nicht gewusst“ und trotzdem zögern wir immer wieder, wenn es um konkretes Handeln geht.

Bibliographische Angaben:
Nick Reimer / Toralf Staud, Deutschland 2050, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-00068-9, € 18,-

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

5 Kommentare zu „Deutschland 2050“

  1. Meinst Du, es wird besser, je nachdem welche Partei wir wählen? Papier ist geduldig! Politiker derart empathielos, dass ich niemanden von denen wählen möchte.

    Da ist Frau Baerbock, die schon im Vorfeld betrügt und einen Betrag an den Steuern vorbei unterschlagen will, der meine Jahresrente bei weitem übersteigt. Hätte ich das getan, stände ich mit einem Bein im Knast. Hinzu kommen zahlreiche Lügen und Betrügereien in punkto Buch und Lebenslauf. Bundeskanzlerin? Diese immer zickig klingende Frau lehne ich ab! Was sollte SIE besser machen?

    Dann wäre noch der Kandidat Olaf Scholz, der stets gelassen, meist mit beiden Händen in den Hosentaschen herumläuft. Dabei grinst er (Söder meint „schlumpfig“) und macht den Eindruck einer Schlaftablette. Kann ich mir ihn als Kanzler vorstellen? Nein!

    Zu guter Letzt wäre da noch Armin Laschet, der für mich ein absolutes No-go ist. Ein künstlich daher redender Mann, dem man das karnevalistische Rheinland schon am Gesichtsausdruck anmerkt. Immer lachend, wie der Kasperle, würde man bestimmt den Hallamarsch spielen, wenn er ins Kanzleramt einziehen würde. „Wolle mer ihn reinlasse?“ – NEIN! Und dann mit seiner Frau beim politischen Auslandsbesuch? Nochmals NEIN! Wir brauchen niemanden, der herumkaspert und völlig deplatziert herumwitzelt, in einer Situation, wo es anderen Menschen ans Leben geht. Kurz nach dieser Szene hat es ihm unser Bundespräsident Walter Steinmeier übrigens gleich getan. Die Politiker lachen über den Untergang anderer Menschen.

    Ich schäme mich immer noch für sie. Soviel Empathielosigkeit ist kaum zu überbieten.

    Da kann ich nur hoffen, dass sowohl Annalena Baerbock, als auch Armin Laschet zurücktreten und ihr Vorhaben, Kanzler zu werden, andern überlassen.

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Gisela, was ich meinte, war, dass ich auf dem Blog keine Wahlempfehlung ausspreche. Das ist eine Entscheidung, die jeder von uns mit dem eigenen Gewissen ausmachen muss.
      Unsere Aufgabe als „Wahlvolk“ ist es aber, nicht nur Kreuzchen zu machen, sondern uns auch nach der Wahldemokratisch einzumischen. Und ehrlich gesagt haben wir das bisher zu wenig getan.
      Und auch wenn Frau Baerbock nicht meine erste Wahl ist (das ist keiner der drei), sie hat nicht an der Steuer vorbei verdient, dort hat sie ordentlich gemeldet, nur nicht bei der Bundestagsverwaltung.
      Mir ist erstens wichtig, dass Deutschland in die Puschen kommt und zweitens, dass es auf einem demokratischen und menschlichen Weg passiert.

      Deine Charakterisierung Laschets teile ich uneingeschränkt…

      Liebe Grüße, Anja

      Gefällt 1 Person

    2. Hallo Anja, vielleicht möchtest Du meinen Kommentar lieber löschen. Ich würde es Dir nicht übelnehmen. Frau Baerbock hat lediglich nachgemeldet, als ihr bewusst wurde, was sie tat.
      Liebe Grüße, Gisela

      Like

    3. Liebe Gisela, wenn du dich damit unwohl fühlst, lösche ich den Kommentar natürlich gern. Ansonsten würde ich ihn drin lassen, denn er spricht aus, was viele denken und ist auch nicht antidemokratisch. DAS wäre für mich ein Grund zum Löschen. Das hätte ich dann auch sofort und ohne Ansage getan.
      Gib mir einfach Bescheid, ich mache das dann, wie es dir lieber ist.
      LG, Anja

      Gefällt 3 Personen

Kommentare sind geschlossen.

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