Es gibt Parteien, die haben Angst davor, dass nach der Bundestagswahl Deutschland den Bach runtergeht. Begründung unter anderem: Wenn es in der Gesellschaft einen Linksruck gibt, wird Deutschland künftig von Ideologen regiert. Wir würden quasi am 27. September nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer Ideologie aufwachen.
So grob gehört die Definition des Wortes wohl zur Allgemeinbildung, aber zur Vorsicht schaue ich noch einmal nach:
„[franz.] Allg.: I. ist (im neutralen Sinne) die Lehre von den Ideen, d. h. der wissenschaftliche Versuch, die unterschiedlichen Vorstellungen über Sinn und Zweck des Lebens, die Bedingungen und Ziele des Zusammenlebens etc. zu ordnen. Aus diesen Bemühungen entstanden historisch unterschiedliche Denkschulen.
Pol.: Im politischen Sinne dienen I. zur Begründung und Rechtfertigung politischen Handelns. I. sind daher immer eine Kombination von a) bestimmten Weltanschauungen (Kommunismus, Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus), die jeweils eine spezifische Art des Denkens und des Wertsetzens bedingen, und b) eine Kombination von bestimmten Interessen und Absichten, die i. d. R. eigenen (selten: uneigennützigen) Zielen dienen, d. h. neben der Idee und Weltanschauung auch den Wunsch (und die Kraft) zur konkreten politischen und sozialen Umsetzung ausdrücken. I. sind wesentlicher Teil politischer Orientierung; sie sind sowohl Notwendigkeit als auch Begrenzung politischen Handelns.“ (Quelle: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17618/ideologie)
Ach, sieh mal einer an. Auch Konservativismus und Liberalismus gehören zu den Ideologien. „Der Vorwurf einer durch Ideologie bestimmten Argumentation findet sich häufig im politischen Diskurs. Damit wird unterstellt, dass ein Standpunkt deswegen nicht stichhaltig sei, weil er auf einer politischen Ideologie basiere. Der eigene Standpunkt wird demgegenüber implizit oder explizit so dargestellt, dass er auf einer nüchternen Analyse der Wahrheit, dem gesunden Menschenverstand oder auf einer nicht in Frage zu stellende Ethik beruhen würde. Dies könnte indes die jeweilige Gegenseite in vielen Fällen mit dem gleichen Recht für sich in Anspruch nehmen.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ideologie) Merkt ihr selber, nicht?
Ich bin zutiefst angenervt von dem, was sich dieses Jahr „Wahlkampf“ nennt. Die Parteien, die sich zumindest teilweise mit konkreten Vorschlägen statt mit Nebelkerzen um die WählerInnen bemühen, sind zurzeit einfach die eher links verorteten. Ob und wie sie sich verwirklichen lassen würden, steht noch auf einem anderen Blatt. Von Liberalen und Konservativen höre und lese ich dagegen eher irgendwelche Schlagworte, die alles oder nichts bedeuten können.
In den letzten Jahrzehnten gab es in Deutschland eigentlich immer eine Konstante: Wer auch immer eine Wahl gewann, man konnte mit Abstrichen in die eine oder andere Richtung davon ausgehen, dass im Großen und Ganzen eine relativ solide Regierung zustande kam. Mal bekam die eine Klientel mehr geboten, mal die andere. Für den größten Teil der Bevölkerung war aber ein einigermaßen gutes Leben möglich.
Aber in diesem Jahr wird munter drauf los gebasht, vor allem von den Werte-Bewahrern, dagegen vermisse ich schmerzlich die gute alte Diskussionskultur. Denn wenn wir ehrlich miteinander sind, hat doch niemand persönlich und auch keine einzelne Partei die Weisheit für sich gepachtet, gute oder schlechte Ideen findet man bei allen. Ich wünschte mir so sehr, dass diese Ideen und auch die vielen konstruktiven Vorschläge aus den Kommentarspalten (ja, die gibt es, nicht jeder kotzt sich dort nur aus) in einem deutschlandweiten Brainstorming zusammengetragen und gewichtet würden. Ich frage mich, warum ein solches basisdemokratisches Instrument wie „Die 49“ von einer überregionalen Wochenzeitung veranstaltet wird und nicht von einer politischen Institution und möglicherweise sogar in größerem Maßstab.
Ich weiß gerade nicht mal, wie ich die Kurve kriegen und diesen Beitrag zu einem tendenziell optimistischen Ende bringen soll🤷♀️. Ich lasse es…
Aber ist es nicht unwahrscheinlich, dass es einen Linksruck geben wird? Ich sehe keine Partei die wirklich für etwas eintritt. Abseits davon möchte ich nicht sehen wie die Ideologie aussehen würde wenn es einen Rechtsruck gäbe. Der Herr behüte mich davor
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Ich fürchte, dass es auf mehr Spaltung hinausläuft. Deswegen wünsche ich mir ja auch dringend eine bessere Debattenkultur sowie die Erkenntnis, dass es ohne partielle Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte nicht geht. Dafür sind die Herausforderungen der nächsten Jahre einfach zu groß. Und ein Rechtsruck wäre gruselig. Da hast du absolut recht.
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In Deutschland und der Welt herrscht nur eine Ideologie (bei allen (!) im Bundestag vertretenen Parteien): Kapitalismus.
Links, rechts, mitte, braun, liberal, grün, rot, gelb, schwarz, blau-weiß sind nur die Anstriche desselben Inhalts. Erschreckend, wie derjenige, der im Wahlkampf die Merkel gibt, mittlerweile die höchste Zustimmung erhält; noch eine Ideologie: Besitzstandswahrung durch „Weiter so“.
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