Tiefenentspannt

„Wir sitzen im Regionalexpress und warten. Es gibt technische Probleme an einem Bahnübergang und unser Zug steht nun irgendwo auf freier Strecke.

Nun ja, beim ‚achtsamen Gehen‘ und überhaupt an diesem Yoga-Wochenende haben wir gelernt, dass jeder von uns seine eigenen Grenzen hat und sein eigenes Tempo. Und dass es auch vollkommen in Ordnung ist. Gestehen wir das also auch unserem RE 6 zu, was anderes bringt uns auch nicht schneller nach Hause. Ab und zu geht es ein paar Meter weiter und jetzt nimmt der Zug auch wieder Fahrt auf. Schreiben hilft anscheinend 😁.

Sehr intensive Tage liegen hinter uns, mit vielen Yoga-Einheiten, die sich alle unterschieden, zu den Abenden ruhig und auf die Nacht einstimmend, morgens auf die Aktivitäten des Tages einstimmend, tagsüber wurden unterschiedliche Körperregionen gedehnt und trainiert.“

Soweit habe ich gestern geschrieben, als wir in der Bahn saßen auf dem Rückweg. Irgendwann ging es dann aber doch weiter und der Zug ruckelte ab und zu, die Vertipp-Quote nahm zu und ich hatte keine Lust mehr darauf. Es raubte mir die entspannte Haltung😏. Deswegen geht es heute und in Ruhe weiter:

Den Tag mit Yoga beginnen und mit Yoga beenden, das werde ich in der Zukunft zuhause sicher nicht so ausgiebig hinbekommen wie am Wochenende, aber es gibt auch kleine Einheiten, die man in den Alltag einbauen kann. Oder so wunderbare Dinge wie eine Fußmassage, die man sich mit aromatischem Öl nach einem anstrengenden Tag auf den Beinen gönnen kann.

Und da es sich um christliches Yoga handelte, hatte Adelheid eine sehr bereichernde Bibelarbeit über die blutflüssige Frau und die Tochter des Jairus (Lukas 8, 40-56) vorbereitet. Das Schöne an gemeinsamen Bibelarbeiten ist der Reichtum an Gedanken und Sichtweisen zum Text, und besonders lebendig wird es, wenn man den Bibeltext mit allen Sinnen erfährt, beispielsweise durch Bewegung im Raum (die auch Gedanken in Bewegung bringt).

Mit den Betheler Bibelfiguren haben wir die ganze Situation dann auch noch nachgestellt und sind so auf immer neue Einzelheiten gestoßen, die uns an der Erzählung berührten.

Am Sonntag ging es dann vor allem um das Thema Resilienz, den Umgang mit Stress und die Fähigkeit, die Ruhe und den Überblick zu behalten, sich von der Hektik des Alltags nicht vereinnahmen zu lassen. Immer wieder ein wichtiges Thema, wenn man in Familie, Beruf oder Ehrenamt „kein Land mehr“ sieht.

Ebenfalls elementar, wie bei jeder Tagung, war natürlich auch die Unterbringung. Es ist schwierig, sich fallen zu lassen und zu öffnen, wenn man sich in seiner Umgebung nicht wohlfühlt. Unser Tagungsort war das Lukas-Zentrum in Witten. Auf dem Weg zu Fuß durch die Stadt dorthin, unter anderem durch eine gigantische Baustelle, bekamen wir nicht nur reizvolle Eindrücke. Ich sag mal: Witten bekommt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Auszeichnung für die ästhetischste Ruhrgebietsstadt😎. Aber das Ensemble aus evangelischem Krankenhaus, Creative Kirche, Familienzentrum, Berufsfachschule für pädagogische Berufe und eben Lukas-Zentrum (ein ehemaliges Diakonissen-Mutterhaus, zum Gästehaus umfunktioniert) bieten allein schon eine wunderbare Oase der Ruhe in der Stadt. Das Sahnehäubchen ist aber eindeutig der „Schwesternpark“ hinter dem Zentrum.

Ein wunderschöner, alter und eingewachsener Landschaftspark, vor rund 100 Jahren angelegt, damit jede der Diakonissen aus ganz Deutschland ein wenig Heimat in der Nähe fand:

Für alle Teilnehmer gab es außerdem schlicht, aber behaglich eingerichtete Einzelzimmer mit Bad und liebevoll angerichtete Buffets zu allen Mahlzeiten.

Die Einrichtung des Hauses mit Antiquitäten und altem Handwerkszeug in den diversen Gängen erinnerte uns an die Malche, in der Julia, Yvonne und ich in unterschiedlichen Funktionen auch schon viel Zeit verbracht haben.

Und das Allerwichtigste: wir waren eine harmonische Gruppe mit zwei engagierten, empathischen und mitfühlenden Anleiterinnen, an dieser Stelle herzlichen Dank noch einmal an Pia und Adelheid. Was ich als wunderbar empfunden habe: es gab keinerlei Druck, eine Haltung besonders perfekt und lange einzunehmen, im Gegenteil, wir wurden immer wieder ermutigt, vor allem auf unseren Körper zu hören und unsere Grenzen zu akzeptieren.

Wir kommen gern wieder, wenn ihr noch einmal ein solches Wochenende veranstaltet. Und dann werde ich meine Kamera mitbringen für weitere Entdeckungen im Schwesternpark!

Wenn du neugierig bist, was sich hinter Christlichem Yoga verbirgt, dann schau mal auf dieser Seite von Pia Wick.

PS: Unser Zug hatte auch seine Grenzen und sein eigenes Tempo. Und musste mehrfach verspätete ICEs abwarten. Wir waren mit 40 Minuten Verspätung wieder zuhause…😂

I still got the blues…

…not for you, but for the #btw21. Entschuldigt diesen totalen Flachwitz, dabei ist es eigentlich nicht mal ein Witz.

Am Montag schrieb ich von meiner Müdigkeit (Politikverdrossenheit mag ich den Zustand bis heute nicht nennen, ich hoffe, es ist eher so ein kurzer Infekt), seither war ich nicht in der Lage, etwas konstruktives zu schreiben.

Gestern Abend habe ich noch in die „Schlussrunde“ geschaut und fast alle Anwesenden hatten dort an irgendeiner Stelle etwas substanzielles zu sagen. Fast. Und jetzt dürft ihr raten…

Ich habe mir ein zartes Pflänzchen Optimismus erlaubt: an der Stelle die Hoffnung ins Haus zu lassen, dass es nach der Wahl genügend Akteure gibt, die sich in der Kunst des politischen Kompromisses üben. Nicht in der Hinsicht, dass jede(r) seine Positionen gnadenlos durchboxt, sondern dass vor dem Hintergrund der Jahrhundertaufgabe, die in den nächsten vier Jahren vor uns steht, alle ernsthaft den Willen haben, ihr Bestes zu geben. Dass die Parteien den Mut haben, junges, engagiertes und unverbrauchtes Personal nach vorne zu holen, statt Dinosaurier der reinen Lehre durchzuboxen.

Und wer es immer noch nicht kapiert hat, dass Wirtschaftswachstum und „the same procedure as every year“ nicht alles ist, ich habe mal von Insta zwei Grafiken ausgeliehen:

Wenn es um prosperierende Wirtschaft ging, hat die Welt schon häufig nach Deutschland geschaut und nachgeahmt. Das kann auch gelingen, wenn Deutschland seine Scheu überwindet und mit dem Kampf gegen die Klimakrise Ernst macht. Natürlich reicht es nicht, wenn ein Land etwas tut, aber ein Land muss den Anfang machen. Im Übrigen wären wir nicht mal das erste Land. Aber das, auf das viele Staatenlenker schauen.

Naja, jetzt warte ich mal ab, was dieses Wochenende so passiert. Gehe heute Mittag streiken mit allen Töchtern und einem Schwiegersohn. Fahre danach mit zwei Töchtern zum christlichen Yoga-Wochenende und übe mich dort in Ruhe und Gelassenheit. Ich schätze, beides werde ich am Sonntagabend und in den folgenden Wochen gut gebrauchen können.

Montagsmüdigkeit

Ist ja nicht so, als ob ich einen draufgemacht hätte am Wochenende. Mal überlegen. Ich habe am Freitag und Samstag einige Stunden am Desktop verbracht und die erste Rohfassung unseres Gemeindebriefes aus vielen Artikeln und Fotos gelayoutet. Neue Stoffe zum Nähen vorbereitet (also gewaschen und gebügelt):

Sonntag in aller Frühe habe ich das Quiltsandwich für die Herbst-Tischdecke geheftet und auch schon mit dem Quilten begonnen…

… und mir nebenbei schon mal Gedanken über die Preisgestaltung gemacht. Allein das Material hat über 40 € gekostet. Es ist eben ein ganz besonderer, auch sehr angenehm zu berührender Stoff aus den USA, da ziehen die Preise augenblicklich ziemlich an. Bisher stecken dazu schon knapp vier Stunden Arbeit darin, mindestens zwei weitere werden noch dazukommen, bis am Ende auch das Binding (die Einfassung) angebracht ist. Aber die Decke für 75 € anbieten? Man wird sehen, ich neige da eher zur Selbstausbeutung.

Auch gestern früh eine halbe Stunde Kardiotraining auf dem Fahrradergometer mit Blick in meinen verwilderten Garten und den Sonnenaufgang. 10 Kilometer. Nach dem Mittag dann Fahrradtour mit Tochter an der Weser entlang bis zum Großen Weserbogen, Kaltgetränk an der wiedereröffneten Gastronomie am Campingplatz. Auf dem Rückweg Stippvisite beim Hof Weserrind.

Und dann sind wir noch an einer Gänseversammlung vorbeigekommen (Wie nennt man das eigentlich? Herde, Rotte, Zugverband?) Inklusive Nils-Holgersson-Feeling, denn inmitten dieser vielen Graugänse gab es eine reinweiße Gans. Ob sie Martin hieß, hat sie uns nicht verraten…

Leider ist die Fotoqualität nicht herausragend, die Lichtverhältnisse waren gestern bescheiden und das kleine Tele hat seine Grenzen.

Das waren dann nochmal 26 Kilometer Radfahren, dieses Mal aber „in Echt“ mitsamt Wind und jeder Menge entgegenkommenden Radfahrern, bei denen ich mich teilweise gefragt habe, ob sie dazu gezwungen wurden, so verbissen saß manch eine Person auf ihrem Drahtesel (wobei diese Bezeichnung heutzutage auf die wenigsten Räder zutrifft). Leute, es ist Sonntag, ihr fahrt durch eine wunderschöne Gegend und ihr guckt in die Welt, als ob man euch gerade die Suppe versalzen hätte!

Abends hatte mich eine Freundin (danke, Daniela, war richtig schön) spontan zum Bible Art Journaling eingeladen, als Fortsetzung des Predigtthemas vom Vormittag. Das war glatt eine kleine Herausforderung, ich fühlte mich unkreativ und eingerostet. Eineinhalb Jahre habe ich vor allem geschrieben, genäht und ein bisschen fotografiert, und jetzt fehlte mir ein wenig die Idee zum Gestalten meines Bibeltextes.

Der Abend war aber durch gute Gespräche auf jeden Fall sehr schön und entspannend. Und ich habe in der Nacht darauf auch nur mäßigen Stuss geträumt.

Warum also bin ich heute so montagsmüde? Ich fürchte, ich bin vor allem nachrichtenmüde, gesellschaftsmüde, wahlkampfmüde. Eigentlich scrolle ich frühmorgens immer durch diverse Nachrichtenportale, um auf dem Laufenden zu sein, aber es hat mich heute fürchterlich angeödet. Wo ist hier der Ausgang? Ist das ein Exit-Game, in dem ich gefangen bin und ich finde die Lösung nicht? Nimmt das alles mal ein Ende? Corona, Klima, gesellschaftliche Spaltung, Terrorgefahren, Politiker, die sich über Randthemen echauffieren, Menschen, die ihr eigenes wirtschaftliches Wohl über das Gemeinwohl hängen, Plastikkontinente im Meer, Waldbrände und Flutkatastrophen…

Gerade jetzt mag ich das alles nicht mehr ertragen und möchte mich am liebsten einigeln, die Welt da draußen vergessen und mein Stückchen heile Welt genießen. Aber hilft ja nix, es geht weiter. Ab heute Abend mit dem VHS-Kurs für den Sportbootführerschein See. Und irgendwann dann hoffentlich für ein paar Monate auf die Ostsee, mit nichts als dem Ehemann und der Sterntaler in der grandiosen skandinavischen Natur. Aber das ist eine andere Geschichte und hoffentlich wird die Zeit kommen, sie zu erzählen.

Im Garten deiner Sehnsucht

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Ich gebe es gern zu, als erstes war ich von dem wunderschön gezeichneten Cover angetan, weil es so eine friedliche Atmosphäre zauberte, die ich sehr gut gebrauchen konnte, als ich mir das Leseexemplar herunterlud. Das Wort „Garten“ im Titel zog mich ebenso magisch an. Ein schöner, leichter Sommerroman, so kommt es mir vor, wenn ich mich auf visuelle Eindrücke verlasse. Außerdem mag ich Geschichten über die us-amerikanische Lebensart außerhalb der Großstädte, mich fasziniert das ländlich oder kleinstädtisch geprägte Leben dort.

Aber dass es so simpel nicht sein würde, darauf hatte mich ja schon der Werbetext hingewiesen. Und richtig, ich wurde beim Lesen hineingezogen in diese Geschichte und konnte nicht aufhören.

Zwei Häuser, die eine gemeinsame Geschichte haben, am Ufer des Lake Michigan. Zwei Familien, schicksalhaft miteinander verbunden, obwohl sie auf den ersten Blick nicht vergleichbar sind. Wunden, eher seelisch als körperlich, frische und alte, die Heilung suchen. Und dazwischen immer wieder einerseits die erdenden Szenen in den Gärten, Infos über und Magie der Blumen; andererseits die Fragen nach der (Un-)gerechtigkeit von Kriegen. Schönheit und Abscheuliches.

Ganz bewusst schreibe ich diese Zeilen, ehe ich das Buch beendet habe, denn ich ahne, es wird noch eine Krise geben und hoffentlich eine Katharsis. Einen Sinn hinter allen Verletzungen. Im Hintergrund frage ich mich gleichzeitig, warum ich das so dringend wünsche. Denn es gibt im Leben nun mal nicht immer einen erkennbaren Sinn, nicht für jedes Unglück Heilung, keine Garantie auf ein Happy End. Vermutlich ist es die unausrottbare Hoffnung, ohne die wir vieles nicht ertragen könnten, die hinter diesem Wunsch steht. Aber diese Spannung möchte ich unter keinen Umständen spoilern und deswegen kommt meine Besprechung auch heute und zu genau diesem Zeitpunkt.

Ich empfinde das Buch als sehr einfühlsam, berührend und konnte bisher über kleine, komische Alltagssituationen schmunzeln und einige Minuten später über die Grausamkeiten, die Kriegsveteranen (überall in der Welt übrigens) mit sich herumschleppen müssen, bittere Tränen vergießen. In diesem Sinn beste Unterhaltung, wenn man nicht gerade nach eitel Sonnenschein sucht.

Bibliographische Angaben: Viola Shipman, Im Garten deiner Sehnsucht, Fischer Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-596-70036-3, € 10,99

U18

Keine Vorsorgeuntersuchung beim Kinderarzt. Nicht der Name eines U-Bootes. Und auch keine Nachfolgeband von U2. Sondern eine Bevölkerungsgruppe, die auf dem Papier zumindest noch nicht erwachsen ist. Eine Bevölkerungsgruppe, die sehr vieles von dem wird ausbaden müssen, wozu wir, die etablierten, reflektierten und stets ausgewogen urteilenden Erwachsenen nicht den Mut haben, es zu ändern.

Zurzeit laufen bei uns die U18-Wahlen. Und ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Gleichzeitig fordern immer mehr Parteien, Organisationen und Privatleute die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Des aktiven Wahlrechts, wohlgemerkt. Die Unterschiede zwischen aktivem und passivem Wahlrecht sind nicht immer jedem klar, aber hier können sie nachgelesen werden.

Wann immer Medien über diese Forderung berichten, kann man aus den Kommentarspalten vieles über den Zustand unseres Landes und seltsame Stilblüten des Demokratieverständnisses herauslesen. Wenn ich da solche Kommentare lese wie: „Dann müssen sie aber auch mit 14 Jahren die volle Härte des Strafrechts spüren!“ als Antwort auf „Wenn man mit 14 strafmündig wird, warum soll man dann nicht wählen dürfen?“ Zack! Schwarz oder weiß. Grau existiert nicht.

„Die haben doch noch gar keine Lebenserfahrung. Die wählen doch nur, was ihnen jetzt gerade wichtig ist!“ Ja, aber dafür haben sie noch eine entsprechend hohe Lebenserwartung. Oder vielleicht auch bald nicht mehr? Und seit wann wählen die meisten Menschen in die Zukunft? In eine lebenswerte für alle Generationen? Wenn die Wahlentscheidungen tatsächlich in die Zukunft weisen, dann heißt dieser Wegweiser zu häufig „Besitzstandswahrung“. Und es spricht nicht gerade für einen weiten Erkenntnishorizont oder eine besondere Qualität von Lebenserfahrung, dass wir noch zu häufig bereit sind, uns in die Tasche lügen zu lassen oder es sogar selbst zu tun, dass alles immer so weitergehen kann, ohne negative Konsequenzen.

Ein Beispiel, das mit Wahlen nichts zu tun hat, aber mit Lebenserfahrung: Die Verkäuferin an der Käsetheke meinte gestern entschuldigend zu mir, dass sie leider gerade nur kleine Goudascheiben abschneiden könne, denn der Käselaib gehe dem Ende zu. (Ist das nicht toll, der Käse wurde tatsächlich verkauft!!!) Auf meine erstaunte Antwort, selbstverständlich, Käse sei doch Käse und kleine Scheiben schmeckten schließlich genauso gut wie große, meinte sie erfreut, aber leicht resigniert, es gäbe halt sehr viele Leute, meist im Alter zwischen 50 und 70, die fänden es unter ihrer Würde, kleine Käsescheiben zu kaufen, die sähen dann auf der Aufschnittplatte so arm aus. Menschen, die mit dem Anspruch ihrer Eltern nach dem WW2 aufgewachsen sind „Mein Kind soll es einmal besser haben als ich“, empfinden es offensichtlich nicht gerade selten als ein Grundrecht, üppige Speisetafeln zu präsentieren.

Ja, ich weiß, das ist überspitzt dargestellt, nicht jeder „Boomer“ ist so, ich gehöre ja selbst noch dazu, aber ich stamme aus einem Haushalt einer selbstständigen Familie, wo wir zwar immer unser Auskommen hatten, aber uns dafür auch manchmal nach der Decke strecken mussten. Und noch vieles im Garten selbst angebaut wurde, nicht nur, weil es meiner Mutter Spaß machte und ihr „Erfüllung“ oder ein Achtsamkeitserlebnis brachte, sondern vor allem Geld sparte.

Ich weiß auch, dass es 16-jährige gibt, die nur Party, Saufen, Poppen und Spaß im Kopf haben. Solche gibt es aber auch zuhauf bei 33-jährigen Junggesellenabschiedsabsolventinnen, Midlifecrisisgeplagten echten und falschen Fuffzigern, Neurentnern („jetzt nochmal richtig einen draufmachen, so jung kommen wir nie mehr zusammen“) und allen Altersgruppen dazwischen. Wenn man die Wahlfähigkeit daran festmachen will, wie ernsthaft man sein Leben gestaltet, dann weiß ich echt nicht, wo da die roten Linien Schlange laufen sollen.

Bei unseren Kinderfreizeiten und Kinderbibelwochen haben wir jedenfalls jugendliche Mitarbeiter direkt nach ihrer Konfirmation eingeladen, parallel zur möglichen Schulung auf die JuLeiCa (Jugendleitercard) bekamen sie so ihre ersten, durchaus verantwortungsvollen Aufgaben, betreuten Kleingruppen, stellten abendfüllende Programme auf die Beine und wuchsen im Zeitraum von mehreren Jahren in immer größere Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder hinein. Und die Eltern der Kinder, die mit uns unterwegs waren, wussten das. Sie vertrauten darauf, dass die Jugendlichen ihre „Jobs“ ordentlich machten und durch uns erwachsene Mitarbeiter gründlich angelernt wurden.

Mit Vertrauen geht so unendlich vieles. Auch U18-Wahl!

Die Provence hat (mal wieder) gerufen

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Das Cover zog mich bereits magisch an, versprach es doch Entspannung, Ruhe und Lavendelduft in der Nase. Schon witzig, dass ich in diesem Sommer abwechselnd echt herausfordernde Sachbücher und dann wieder leichte Urlaubslektüren lese. Obwohl ich gar keinen Urlaub mache. Aber es ist einfach meine Art, zu den Inhalten der Umweltthemen und gesellschaftlichen Problemen einen Ausgleich zu finden.

Umso überraschter war ich, als dieses Buch gleich zu Beginn mit einem typischen Klischee brach: Die Protagonistin Helen ist alles andere als begeistert, dass ihr Freund Leo sie zu einem spontanen Urlaub in die Provence „entführt“, in einem alten VW-Bulli, der Zicken macht wie eine alternde Opern-Diva. Denn sie ist kurz davor, eine wichtige Präsentation für ihre berufliche Zukunft erstellen zu müssen und setzt sich damit selbst gewaltig unter Druck.

Es kommt, wie es kommen muss, die beiden landen mit einem kaputten Bulli in einem abgelegenen Ort, sogar in einem kleinen Hotel, das von einer deutschen Aussteigerin geführt wird. Während Leo also alle Hebel in Bewegung setzt, das altersschwache Gefährt wieder reisetüchtig zu machen, entschließt sich Helen, die Gegend zu erkunden, wenn sie schon Zwangspause einlegen muss. Dort erliegt sie dem Duft des Lavendels und mit einigen Umwegen auch schließlich dem Charme des Lavendelladenbesitzers…

Nach einigem Hin und Her und etlichen Verwicklungen gibt es dann aber eine neue, überraschende Wende und es stellt sich heraus, dass Träume manchmal gut daran tun, genau dieses zu bleiben.

Ein warmherziges Buch, das Spaß beim Lesen macht, stellenweise das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt (Gut, dass von einigen Gaumenfreuden die Rezepte dabei sind!) und eine höchst angenehme Auszeit aus dem Alltag bietet.

Bibliographische Angaben: Marion Stieglitz, Lavendeltage in der Auberge de Lilly, Aufbau Taschenbuch, ISBN 978-3-7466-3725-9, € 10,–

Viele bunte Quadrate

Heute früh nach dem Einkaufen schnell im Haus das wichtigste erledigt (Berge von Aussie-Haaren aus den Teppichen gesaugt) und noch ein paar andere Dinge auf die Reihe gekriegt. Die Hunde gebürstet. Und dann kam das Schönste: In den neuen Stoffen schwelgen, mir Zeit nehmen, die schönste Kombination auszulegen, Streifen schneiden und dann mal wieder mehrere Stunden an der Nähmaschine verbringen. Auf der Seite „Northern Star by Annuschka“ hier im Blog gibt es noch ein paar mehr Infos zum aktuellen Projekt.

Unverhoffte Zeit

Wer hat eigentlich den unsäglichen Ausdruck „die Zeit totschlagen“ erfunden? Ich meine, da klagen wir im Allgemeinen ständig darüber, dass wir zu wenig Zeit für dieses oder jenes haben. Wir würden mehr Sport machen, mehr lesen, öfter ins Theater oder Kino gehen, wenn wir denn nur die Zeit hätten…

Ich hatte heute Nachmittag unverhofft ein bisschen Zeit für mich, nur eine knappe Stunde, aber wegen der Entfernung und der Verkehrsdichte lohnte es sich nicht, während des Termins der Tochter nach Hause zu fahren und kaum angekommen, wieder zum Abholen fahren zu müssen. Eine Stunde im Auto sitzen, ohne Schatten (und leider auch ohne Wasser) war auch nicht so eine prickelnde Alternative.

Also fuhr ich zum Wasserstraßenkreuz, das ist nur eine kurze Strecke vom Standort des Termins entfernt, und spielte dort einfach mal Touristin. Schaute mir die Kombi aus alter Schachtschleuse und dem neuen Schleusenmonstrum daneben an,

spazierte Richtung Mittellandkanal, schaute einmal Richtung Schaumburg/Hannover, wo sowohl die „alte“ als auch die „neue Fahrt“ die Weser überqueren, und der Vollständigkeit halber auch einmal gen Westen, da geht es nach Osnabrück.

Und machte ganz viele Handyfotos. Beobachtete ein Schiff beim Abwärtsschleusen:

Und einiges in der Umgebung hab ich auch noch geknipst, unter anderem einen Schaukasten, der dringend mal einen Fensterputzer bräuchte und einen noch relativ jungen Mammutbaum:

Zwischendurch spuckte ein Passagierschiff drei Busladungen Rentner aus, die dann in der vollen Breite (ungefähr 5 Meter) die Promenade beschlagnahmten, wer daran vorbei wollte (ob mit oder ohne Abstand), musste einen Miniabhang hoch und über den Rasen schlurfen. Ein zweites Schiff der weißen Flotte war anscheinend mit einem Betriebsausflug unterwegs: eine Menge Männer jeden Alters und dazu eine Handvoll mittelalterliche Frauen. Was soll es sonst gewesen sein bei der Zusammensetzung der Passagiere?

Meine Zeit habe ich jedenfalls nicht totgeschlagen, sondern gut genutzt. Zum Entspannen.

Was wäre, wenn…

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Ich war unter anderem wegen der Themenauswahl ziemlich neugierig auf dieses Buch, kannte aber die Kolumnen von Christoph Koch nicht. Nun haben es Kolumnen an sich, dass sie umfangreiche Themen nicht erschöpfend behandeln können, sondern nur Denkanstöße geben.
In dieser Richtung ist das Buch auf jeden Fall gelungen, mehr noch, es weckt in mir zumindest mehr Fragen als es Antworten gibt. Bei einigen Themen, meist solchen, mit denen ich mich bereits vorher beschäftigt hatte, kam es mir allerdings so vor, als ob irgendwie beim Schreiben „die Luft ausging“, ich hätte mir mehr pointiertes gewünscht.
Aber das ist ja nur meine ganz persönliche Sichtweise, für Menschen, die gern viele Themen kurz und generalistisch streifen, ist es möglicherweise genau das richtige Buch, um ins Nachdenken zu kommen.

Fazit: Das Buch und ich sind nicht unbedingt kompatibel, aber das sollte niemanden abhalten, es selbst zu testen.

PS: Für alle, die an solchen Zukunftsszenarien und Gedankenspielen interessiert sind, gibt es von der Tagesschau auch den Zukunftspodcast „Mal angenommen“, vermutlich überall, wo man Podcasts hören kann.

Klassenfahrt

Diese Schreibeinladung bringt Erinnerungen

Juhu! Es ist September und es geht weiter mit den abc.etüden bei Christiane. Nachdem ich mich im Frühsommer etwas zurückgehalten habe – manch einer ahnt es, es gibt auch noch ein analoges Leben da draußen, freue ich mich so richtig darauf. Und gleich die erste Schreibeinladung ruft bei mir unweigerlich eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten wach. Hier ist sie:

Es war im Frühsommer 1980. Anfang Juni schätzungsweise, da machte die damalige Klasse 6d des Portagymnasiums eine Klassenfahrt, nach Carolinensiel in die dortige Jugendherberge.

Jugendherbergen, das waren zu der Zeit noch so ominöse Quartiere, mit alten Metallstockbetten, Küchendienst und merkwürdigen, süß-klebrigen Kaltgetränken. Von der kulinarischen Versorgung mal ganz abgesehen. Gut, dass das heute ganz anders ist, da haben manche sogar ein „Resort“ im Namen.

Jedenfalls war eine ganz wichtige Sache, die wir im Gepäck haben mussten, ein Paar funktionsfähige Gummistiefel. Wir fuhren mit einer Parallelklasse zusammen, und deren Klassenlehrer hatte eine Wattwanderung für uns geplant, damit wir auch etwas über diese wunderbare norddeutsche Kulturlandschaft lernen. Er war nämlich Biolehrer mit Leib und Seele. Unserer war Mathe- und Physiklehrer; zum Glück mussten wir wenigstens nicht die Kraft berechnen, die notwendig ist, um 100 Krabben fürs Brötchen zu pulen.

Aber zurück zu den Gummistiefeln: Eines schönen Morgens stapften wir also los, ca. 60 SchülerInnen, 2 Lehrer und 2 mitreisende Mütter. Plus ein Wattführer. Was wir nicht wussten (zum Glück), war die Tatsache, dass vor Carolinensiel und Harlesiel im Watt viele recht tiefe Priele lagen, ich weiß nicht, wie sich das seitdem entwickelt hat. Und dort war eher Matschwatt, weniger Sandwatt. Niemals werde ich vergessen (mit Hilfe von „Beweisfotos“), wie wir einige Stunden später erschöpft zur Jugendherberge zurückkehrten, voller Schlick, den wir mühselig nicht nur außen von den Gummistiefeln putzen mussten. Einige Stiefel waren vollgelaufen, einige fehlten auch gleich ganz, die waren irgendwo da draußen steckengeblieben. Und unsere Jeans mussten wir fast alle waschen (es gab nicht wenige, die beinahe bis zu den Hüften eingesunken waren), in Ermangelung von Waschpulver mit dem Apfelshampoo einer Mitschülerin, ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie wir alle den Rest der Reise rochen…

(285 Wörter)

Aus gegebenem Anlass hier ein Off-Topic, kam in der Diskussion auf:

Das weckt noch mehr Erinnerungen, genau wie Langnese:


You raise me up

Da ist es mordsfrüh am Sonntag, seit einer halben Stunde jault Lucy im Flur herum (weil sie viel lieber in der Küche unterm Tisch liegen möchte) und du wünschst dir eigentlich nur noch ein halbes Stündchen Ruhe. Und dann läuft im Radiowecker, der tagein, tagaus immer um zwanzig nach Fünf anspringt, dieses Lied:


Manchmal wundere ich mich bei diesem Nachtprogramm. Die Sprecher sind immer etwas klamaukig und um Heiterkeit bemüht, vielleicht ist das auch die beste Möglichkeit, diesen Sendeplatz mit Leben zu füllen, ich weiß es nicht. Aber Tatsache ist, dass ich schon manches Mal von einem Lied überrascht wurde, das mir viel bedeutet oder Erinnerungen weckt oder ganz einfach zur aktuellen Situation passt.

Als ich heute früh diesen Song hörte (es gibt auf Youtube auch einige andere hörenswerte Versionen, aber diese lief im Radio), da gab er mir Ruhe. Ruhe, Lucys Geseufze auszublenden. Ich weiß nicht, wer ihre innere Uhr in den letzten Wochen hartnäckig auf fünf Uhr eingestellt hat, aber ab diesem Zeitpunkt gibt ihr der Platz unterm Küchentisch offenbar mehr Sicherheit als ihr Kissen im Flur. Haben nicht auch wir einen bevorzugten Platz, den wir aufsuchen möchten, wenn wir uns gestresst, überfordert oder sonst irgendwie besch…en fühlen? Bei Lucy ist es der Küchentisch, bei mir ist es oft der Garten oder allgemein die Natur, Wald, Wiesen oder Wasser, wohin ich mich flüchten möchte.

Ein Ort, an dem ich die Weite und Schönheit der Schöpfung wahrnehme. Mir mal nicht über die Beschränktheit der Welt, meiner Mitmenschen und meiner selbst Gedanken machen muss, sondern einfach runterkommen kann und mich von der Anwesenheit meines Schöpfers trösten lassen kann. Ein Ort, der mich gleichermaßen erdet und erhebt. Und die Dimensionen zurechtrückt. Und der mich Momente erleben lässt, die mir zeigen, dass ich nicht allein bin, dass mich immer jemand trägt und mir Kraft gibt, wenn menschliche Kraft nicht mehr ausreicht.

Und wie erstaunlich, das manchmal das Nachtprogramm im Radio den richtigen Stups gibt. Habt einen wunderschönen und gesegneten Sonntag, wo immer ihr ihn verbringt und was auch immer heute eure Herausforderung ist.

Wanderung am Morgen

Bisschen krakelig, aber so ungefähr bin ich gelaufen, im Nachhinein konnte ich es rekonstruieren.

Nachdem gestern früh ein leichter Hochnebel über unserer Gegend lag, beschloss ich, heute früh ins Hiller Moor zu fahren. Und zwar auf die mir bisher unbekannte Westseite. Von dort, vom Aussichtsturm, wollte ich den Sonnenaufgang über dem Moor fotografieren, so stellte ich es mir vor, eben mit diesem wunderschönen, zarten, herbstlichen Hochnebelschleier. Richtig schön kitschig-romantisch. Dachte ich zumindest.

Heute um kurz nach Sechs fuhr ich los, mit zwei Kameras im Gepäck, weil ich sie mal vergleichend nutzen wollte. Meine altbewährte Sony Alpha 37 mit Alltagsweitwinkelobjektiv, dazu die (für mich immer noch) neue Canon 250D mit einem „kleinen“ 270er Teleobjektiv, das ich gerade zum Ausprobieren habe. Das große Tele für die Sony kann ich überhaupt nicht benutzen, das krieg ich im Augenblick nicht mal angehoben. Und für wackelfreie Fotos brauche ich dann sowieso das Stativ. Außerdem hatte ich mich mit Kaffee in meinem Thermobecher bewaffnet.

Es dauerte nicht lange, festzustellen, dass der leichte Hochnebel von gestern heute früh seinen sehr großen Bruder, den Hulk unter den Frühnebeln, geschickt hatte. Und dass es nicht sehr günstig ist, in einer solchen Pampe eine Strecke zu fahren, die man zumindest im letzten Drittel noch nie gefahren ist… Aber ich bin tatsächlich angekommen, an meinem Ausgangspunkt, dem NABU Besucherzentrum Moorhus zwischen Gehlenbeck und Frotheim. Habe mir dort die „Lauschtour“-App aufs Handy geladen und GPS eingeschaltet, weil es so neblig war, dass ich kaum 50 Meter Sicht hatte. Die vielen Tautropfen, die ich im Nebel überlaut von den Bäumen tropfen hörte, machten aber wunderbare, filigrane Bauwerke sichtbar:

Auf dem dritten Foto erkennt man in der Mitte diagonal einen einzelnen Spinnfaden, der sich wie eine Seilbahn von einem hohen Baum links des Weges zu einem Brombeergebüsch auf der rechten Seite schwang. Da muss jemand mit viel Anlauf Tarzan gespielt haben. Natürlich habe ich mich darunter durch geduckt, ich mochte dieses Werk nicht zerstören. Auf dem Rückweg war es immer noch heile, obwohl mir inzwischen mehrere Menschen mit Hunden entgegengekommen waren. Schön, dass die auch so vorsichtig waren.

Auf dieser Seite des Moores, so erzählte mir die App, herrscht Niedermoor und Bruchwald vor. Früher wurde hier Torf abgebaut, vor allem für die ostwestfälischen „Bauernbäder“, so genannt, weil es keine mondänen Kurorte waren wie Bad Oeynhausen oder Bad Pyrmont, sondern es waren kleine Kurbäder auf den Dörfern rundum, wo auch die Landwirte auf kurzem Weg ihre Zipperlein kurieren lassen konnten. Die Heilkraft des Moores, hier häufig auch mit Schwefel angereichert (natürlich), ist schon lange bekannt. An zwei Stellen nahm ich auch deutlichen Schwefelgeruch wahr.

Ein Stück weiter bleibe ich stehen, mitten im Bruchwald, atme tief ein. Und wünsche mir Geruchsfotografie. Ein sehr würziger, holziger und nasser Geruch hängt in der Luft. Nicht zu vergleichen mit dem Giftcocktail, den ich gestern auf dem Fahrrad an der Bundesstraße einatmen musste. Kühl, feucht, ruhig ist dieser Morgen, der Nebel dämpft die Geräusche von den Straßen rund ums Moor, wo langsam der Berufsverkehr beginnt. Irgendwo fliegt laut rufend ein Fasan auf. Eine Gang Eichelhäher mischt mit lautem Gekrächze die Ruhe auf.

Vom Westturm aus sehe ich … nicht den erwarteten Sonnenaufgang, sondern Nebel, nichts als Nebel. Naja, ein bisschen Landschaft im Vordergrund. Als ich wieder runterkomme vom Turm, entdecke ich (weil ich mich auf die unmittelbare Nähe konzentrieren muss) Schnecken beim Frühstück.

An einer Kreuzung sagt die App, dass ich links abbiegen soll. Links ist erstens der Weg mit einem Schlagbaum abgesperrt und wird zweitens auch immer morastiger. Ich denke mir, dass es seinen Grund hat, wenn im Naturschutzgebiet Wege gesperrt sind, und gehe nach rechts. Mal sehen, wo ich rauskomme. Zur Not kann ich immer noch denselben Weg zurücklaufen.

Verwunschen. Hier tanzen bestimmt Wassermänner und Nixen…

Im Nebel trügen auch Geräusche. Leise wollte ich mich an einen Fasan heranschleichen, den ich in einem Brombeergestrüpp vermutete. Es war eine Henne, und als ich sie gerade bemerkte, flog sie auch schon weg – von ihrem Ausguck auf einem hohen Ast. Sie hatte mich eher gesehen als umgekehrt. Inzwischen bin ich auf einem Fahrdamm für die Landwirtschaft unterwegs. Es gibt eine Moorschäferei und auch Galloways beweiden extensiv Teile des Moores, damit sich nicht zu viele Bäume im Hochmoor breitmachen.

Ich denke beim Laufen darüber nach, dass dieses nicht die Wanderung geworden ist, die ich geplant hatte. Nicht mal mein Kaffee hält, was er verspricht, denn er schmeckt intensiv nach Pfefferminztee. Ich hatte ganz vergessen, dass ich vor der OP immer Kräutertee mit zur Arbeit genommen hatte. Bäh! Oh, ich bin wieder in einem Terrain angekommen, wo die App etwas zu sagen hat: Ich soll mal wieder links abbiegen (dieses Mal ist da tatsächlich ein Weg, der den Namen verdient) und dem Weg folgen. Na gut.

So grob weiß ich, dass ich mich wieder Richtung Ausgangspunkt bewege, immerhin etwas.

Zwischendurch entdecke ich Formationen im Nebel, die mich verstehen lassen, wieso die Menschen früher bei Nebel im Moor Ängste ausstanden. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich übrigens um einige dürre Sträucher, die sich in der Hauptwindrichtung ducken:

Mit etwas Phantasie kann man ein galoppierendes Pferd oder einen heulenden Wolf erkennen, je nachdem, wovor man sich mehr gruselt…

Von der offenen Landschaft bin ich inzwischen wieder im Wald. Und ich staune und freue mich, dass mein Weg so anders geworden ist als ich es geplant hatte. Denn diese alte Allee der Kopfweiden hätte ich sonst nie entdeckt. Was für Bäume!

Außerdem bemerke ich, dass ein Blick zurück auf den bereits gegangenen Weg häufig lohnt, um Dinge aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Denn das letzte Stück des Weges gehe ich wieder so zurück, wie ich gekommen bin. Und die Moorteiche bieten einen total anderen Anblick als auf dem Hinweg.

Was ich bei dieser Wanderung erfahren habe:

  • Nimm nie Kaffee mit in einem Becher, der vorher für Kräutertee benutzt wurde. Er erweist sich dann als unnötiger und geschmackloser Ballast.
  • Man geht nicht immer die Wege, die man geplant hat, aber wenn man sich mit ihnen anfreundet, lohnen sie sich oft.
  • Wenn wir eingefahrene Wege und Denkmuster verlassen, lernen wir viele neue Dinge und erweitern unseren Horizont
  • Wie schwer zwei Kameras um den Hals sind, merkt man erst, wenn man sie abnimmt.
  • Daraus folgt: manchmal muss man sich entscheiden, worauf man sich fokussieren will.
  • Nasse Füsse beim Wandern sind okay, beim Autofahren kann ich auch gut darauf verzichten>>>Ersatzschuhe im Kofferraum und ein Handtuch sind praktisch.
  • Nicht alles finden wir dort, wo wir es vermuten.
  • Ein Kompass (oder GPS) kann hilfreich sein.
  • Rot und Grün kann man auch dann verwechseln, wenn man keine Rot-Grün-Schwäche hat🤣 (Es gab einen roten und einen grünen Weg. Ich habe erst zum Schluss bemerkt, dass ich mich da vertan hatte.)
  • Etwas mehr Übung beim Fotografieren tut mir mal wieder gut.
  • Manchmal ist der Weg eben doch das Ziel!

Übrigens war immer noch dicker Nebel, als ich um 9:30 Uhr wieder zuhause war. Jetzt ist blauer Himmel, herrlicher Sonnenschein und ein wunderbarer Spätsommertag. C’est la vie!

Lesetagebuch 2.0 – Fazit

Boah! Das war ein Brocken. Nicht nur vom Gewicht des Buchblockes, sondern vor allem von der Gewichtigkeit des Inhaltes her. Deswegen musste ich zwischendurch auch ein paarmal was anderes lesen, besprechen, bedenken.

Im Endeffekt könnte ich aber direkt wieder von vorn anfangen, weil ich auf einige Dinge gestoßen bin, mit denen ich mich gern näher beschäftigen möchte. Besonders hat mich berührt, dass eben wirklich alles irgendwie mit allem anderen zu tun hat, was wir gern im Alltag ausblenden. Was aber erstens verständlich ist (sonst findet man ja gar keine Ruhe mehr, und die brauchen wir einfach), und zweitens ist es auch in Ordnung, wenn nicht jedem von uns alles gleich wichtig ist und wir müssen auch keine Perfektion erreichen.

Wichtig ist: sich Gedanken zu machen, und anfangen, eine Sache (und dann die nächste, und irgendwann die übernächste…) umzusetzen. Nicht alle Aspekte betreffen ja auch jeden von uns gleichermaßen. Aber wir sollten trotzdem im Hinterkopf behalten, dass es Sachverhalte gibt, die in anderen Gegenden die Welt auf den Kopf stellen und dass im Endeffekt stets die gesamte Erde betroffen ist. Ihr wisst schon, Schmetterling und so.

Hilfreich ist es in jedem Fall, Dinge nicht abstrakt zu betrachten, sondern die persönliche Dimension dahinter in den Fokus zu stellen: wie würde ich mich verhalten, wenn etwas mir oder meiner Familie, vor allem meinen Kindern, passieren würde? Wie wünsche ich mir, dass wir in den nächsten Jahren leben können? In welcher Situation sollen meine Töchter im Jahr 2050 sein, soll ihr (Über-)leben ein K(r)ampf sein oder sollen sie sich vielleicht auch lieber daran freuen, ihren Enkelkindern irgendwann die Schönheiten der Erde zu zeigen?

Oder viel näher am hier und jetzt: Wo möchte ich nächstes Jahr meinen Urlaub verbringen? An einem Strand voller Plastikmüll? In einem Wald, der aus abgestorbenen Bäumen besteht? In Bergen, die immer instabiler werden, weil der Permafrost die Felsen nicht mehr zusammenhält?

Und ich? Was mache ich jetzt, nachdem ich das Buch durchgehechelt habe? Nun, ein wenig Luft holen, einen Roman lesen, morgen zum ersten Mal wieder zum Arbeiten in die Buchhandlung gehen, mein Nähzimmer neu organisieren und dann versuchen, einen Teil der Bücher abzuarbeiten, die mir beim Lesen von „Mensch, Erde“ neu auf meine Liste gewandert sind. Und am Klimastreik teilnehmen. An dem Vormittag darf dann halt keiner unserer Buchhändler EDV-Probleme haben. Am besten, sie gehen alle mitstreiken😅.

Das Lesetagebuch war auf jeden Fall auch in der zweiten Auflage eine Herausforderung und spannende Erfahrung. Noch mehr als im Winter, als ich das Jahr 2021 mit Harald Lesch begann. Ob ich in absehbarer Zeit noch einmal so tief in eine komplexe Materie einsteigen kann/werde, das werde ich erst mit etwas zeitlichem und mentalen Abstand beurteilen können. Vielleicht mag ja die eine oder der andere von euch seine Meinung dazu in die Kommentare schreiben.

Jetzt geht es ans Eingemachte,…

… denn in den beiden letzten Kapiteln dreht es sich zunächst um das, was wir in den sozialen Medien auch dauernd tun: Reden (bzw. Schreiben) und noch wichtiger: Zuhören (bzw. Lesen)! Ersteres auf jeden Fall, beim zweiten hoffe ich es zumindest. Und dann in Kapitel 12 wird aus der Kommunikation die Tat. Nur durch Anpacken wird aus der ganzen grauen Theorie auch praktisches Handeln.

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Bevor es aber praktisch wird, kommen erst noch ein paar teils unangenehme Fragen, zum Beispiel, warum es so schwierig ist, den inneren Schweinehund zu überwinden. Oder sein Verhalten zu ändern. Warum wir eigentlich immer geneigt sind, zu sagen: „Aber XY ist viel schlimmer als ich. Soll der/die doch anfangen…“

Ein Grund ist möglicherweise, dass zu häufig „Klimawandel“ gesagt wird. Es wird doch, gerade in der Zeit vor der Bundestagswahl, immer davon gesprochen, dass einige sich „wandeln“ sollen. Und nun ist das auch wieder nicht richtig? Krise oder Katastrophe, diese Ausdrücke, die viel besser beschreiben, was vor unseren Augen passiert, werden lieber umgangen, denn das klingt so apokalyptisch. So ähnlich wie bei „global“, das hat was von „weit weg, jedenfalls nicht hier“.

Ein anderer Grund ist, dass wir zum Understatement neigen: „Was kann ich kleiner, einzelner Mensch denn tun? Ich bin doch nur ein Rädchen im Getriebe…“ Diese Denkweise kaschiert an sich nur unsere Trägheit, Faulheit, unser Bedenkenträgertum. Wir können genau das tun, was ein Mensch tun kann. Und wenn wir genügend kleine Rädchen mit genügend Sand im Getriebe sind, dann läuft die große Maschinerie eben nicht mehr wie geschmiert.

Es folgen einige Ansätze, wie man beginnen kann, bewusster mit Ressourcen aller Art umzugehen. Dieses Vorgehen vereinfacht die Sache: Beginne mit etwas, das dir wichtig ist. Egal was. Ob plastikfreieres Leben, mehr Fahrrad und weniger Auto, öfter selber kochen, beim Biobauern einkaufen… egal. Hauptsache anfangen. Der Rest kommt dann.

Ich muss gestehen, ich bin gerade ein bisschen überfordert, alles wiederzugeben, was mir wichtig erscheint, aber andererseits geht es darum ja auch nicht. Ich hoffe, euch „Appetit“ auf das Buch zu machen. Und ein ganz kleines bisschen hoffe ich auch, dass ihr es noch vor dem 26. September lest und euch ganz genau überlegt, wem ihr das Wohl unserer Zukunft am ehesten anvertrauen wollt.

Und noch einmal der Verweis auf den Beginn des Lesetagebuches, wer hier Quereinsteiger ist, kann von dort an nochmal alle Kapitel verfolgen.

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