„Das Internet ist für uns alle Neuland, und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen.“
( Quelle: https://gutezitate.com/zitat/134013)
Es war Juni 2013, als Angela Merkel diesen Satz sagte und einen der ersten Shitstorms dafür bekam. Ich muss gestehen, dass ich damals auch so ein bisschen gelästert habe. Wie weise dieser Satz aber eigentlich war, das erkannte ich zu der Zeit nicht. Acht Jahre später, zwei amerikanische Präsidenten weiter und etliche Krisen abgearbeiteter sieht die Sache etwas anders aus. Denn es ist auch klar geworden, dass Frau Merkel nicht die Generation von Digital Natives der Geburtsjahre diesseits der 2000 meinte, sondern uns, die sogenannten „Boomer“. Die letzte Generation, die noch komplett analog aufgewachsen ist, für die es noch drei Fernsehprogramme gab, einen Sendeschluss und die noch den Wandel vom Schwarzweiß- zum Farbfernseher als eine der größten Innovationen der Medienlandschaft erlebten. Die mit Algorithmen allenfalls im Matheunterricht der Oberstufe in Berührung kamen.
Ich kenne Tinder nur vom Hörensagen und benötigte zum Glück auch niemals Parship und Konsorten. Bin weder bei Linked-in eingehakt noch habe ich ein Xing-Profil. Der erhobene Daumen des Herrn Zuckerberg macht mir fast überhaupt keinen Spaß mehr, ich zwitschere auch nicht selbst, sondern schaue mir nur die abendlichen Zusammenfassungen auf dem Instant-Kanal an.
Auf letzterem poste ich relativ sparsam, Fotos von Ausflügen, so wie gestern, ab und zu einen Teaser für meine Buchtipps hier auf dem Blog oder Nähprojekte. Dort suche ich auch: Ernährungstipps, die favorisierten Bücher meiner BuchhändlerkollegInnen, Nachrichtenhäppchen, die Appetit auf „richtige“ Nachrichtensendungen machen. Ein bisschen Naturwissenschaft und ein wenig Spiritualiät würzen das Ganze. So richtig aktiv bin ich nur im Bloggerversum von WordPress, aber auch hier bin ich wählerisch. Die Grenze ziehe ich nicht so sehr thematisch oder danach, ob meine politische/religiöse/gesellschaftliche Meinung bestätigt wird, sondern nach dem Umgangston, der Würdigung des Mitbloggers oder meiner Neugier. Was aber ein absolutes No-Go für mich ist, ist justiziabler Inhalt, eine insgesamt menschenfeindliche Haltung oder das Bashing bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Da steige ich aus und überlege dann auch schon mal, ob ich es einfach so hinnehmen will, dass solche Dinge im Netz bleiben.
Im Ton immer so bleiben, als ob mir der Mensch mit der konträren Haltung persönlich gegenübersteht, das versuche ich zu praktizieren und den Grundsatz der Debatte zu bewahren, dass immer auch die reale Möglichkeit besteht, dass mein Gegenüber Recht hat und ich im Unrecht bin. Oder dass es Facetten gibt, die ich nicht kenne, dass es unendlich viele Grautöne gibt zwischen Schwarz und Weiß, dass Menschen unterschiedliche Lebenserfahrungen und Voraussetzungen mitbringen.
Eine interessante Folge der Show von Katrin Bauerfeind beschäftigt sich mit dem immer rauheren Umgangston „im Internet“ und was ich noch wichtiger finde: sie geht darauf ein, warum „googel doch mal selbst“ bei unterschiedlichen Menschen nicht zu demselben Ergebnis führt. Denn das ist einfach eines der Hauptprobleme: das fehlende Bewusstsein dafür, dass mein persönliches Internet aufgrund meiner Erfahrung, meiner Vorlieben und meiner Neugier ganz anders aussieht als das der allermeisten anderen Menschen. Schau mal rein, und auch wenn du vielleicht ganz anderer Meinung bist, es lohnt sich, über die Punkte der drei Personen in der Show nachzudenken!
Das genannte Verhalten zum Gegenüber und zur Debatte – Debatten als solche werden ja nach meinem Dafürhalten kaum noch geführt, denn entweder man möchte nur seine eigene Meinung bestätigt bekommen, oder aber dem Gegenüber reinwürgen, wie unfassbar falsch sie oder er liegt; ein eigentlcher Meinungsaustausch scheint jedenfalls nicht mehr im Interesse der Allgemeinheit zu sein – kann man nicht hoch genug bewerten!
Davon mal ab, zum Thema „Sendeschluss“ hat Jochen Malmsheimer mal den netten Satz gesagt: „Sendschluss – wie viel Schönheit liegt in diesem Wort!?“ 😉
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Auch so ein Satz, dessen Kern erst Jahrzehnte später zum Vorschein kommt. Es wäre doch echt ein Traum, wenn dieses ganze Gebabbel rund um den Globus Sendeschluss (oder Ladenschluss) hätte😄
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