Was Krieg mit Menschen macht

Es gibt Tage, die legen dir ein Thema auf den Tisch, egal, was du vorher geplant hattest. Heute ist so ein Tag. Es begann mit der neuesten Podcastfolge von Lanz & Precht, die über „Das Böse im Menschen“ handelt. Ich höre mir diesen Podcast gern an, nicht weil ich den Argumenten der Beiden (die übrigens öfter mal ziemlich kontrovers unterwegs sind) immer folge, sondern weil ich die Gedanken hilfreich finde, die sie in mir auslösen, wenn ich versuche, mir über eine Sache klar zu werden.

Dann las ich Fraggles neue Rezension und kam nicht umhin, beides miteinander zu verknüpfen. Ich schaudere, wenn ich mir genauer überlege, dass vermutlich in jedem von uns Menschen die tiefsten Abgründe lauern, die nur darauf warten, bei (un-)günstigen Voraussetzungen ans Licht zu kommen. Literatur darüber gibt es reichlich, Gedankenexperimente auch (Beispielsweise „Die Welle“ von Morton Rhue).

So begann ich, zu recherchieren und fand unter anderem diese Dokumentation des ZDF, die ich im Januar schon im Fernsehen sah, aber mir vorhin noch einmal genauer anhörte:

https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/ganz-normale-maenner-der-vergessene-holocaust-104.html

Und ich habe mir, ganz nach Buchhändlermanier, spontan drei Bücher bestellt, die sich mit dem Phänomen beschäftigen: „Ganz normale Männer“ von Christopher Browning, „Hitlers willige Vollstrecker“ von Daniel Goldhagen sowie „Sag immer deine Wahrheit“ von Benjamin Ferencz.

Da ich in einer Gegend wohne, in der es KZ-Außenlager gab, wo Zwangsarbeiter geknechtet wurden, habe ich mir schon öfter überlegt, wie ich mich wohl damals verhalten hätte. Hätte ich den Mut gehabt, etwas zu tun? Hätte ich vielleicht eher versucht, irgendwie unter dem Radar der Nazis zu bleiben, damit ich meine Familie nicht gefährde und weiter durchbringe? Die unbequeme Antwort: Ich weiß es nicht. Denn ich kann mir die Situation nicht im Entferntesten vorstellen. Ich hoffe nur, ich hätte mich nicht fehlleiten lassen.

Nun ist wieder Krieg in Europa. Vieles daran macht mir Angst, auch wenn wir hier in Deutschland nicht betroffen sind. Aber am erschreckendsten ist für mich, dass die Soldaten, die zu „Kriegern“ wurden, ja nicht als Mörder oder Bestien oder so zur Welt kamen, sondern ganz normale zivile Personen waren, die ihren Lebensunterhalt verdienten, ihre Familien versorgten, als liebevolle Ehemänner und Väter lebten. Und dass es offenbar nicht wenige von ihnen schaffen, dieses zivile Leben getrennt zu halten von den Gräueltaten, die sie im Krieg anrichten. Wie gesagt, ich kann und muss es nicht nachvollziehen und bin sehr dankbar, dass meine Position das auch nicht verlangt.

Mal sehen, ob mir die Lektüre weiterhilft. Ich werde berichten.

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

8 Kommentare zu „Was Krieg mit Menschen macht“

  1. Oh ja, schwierige Kiste und da gibt‘s ja auch noch so viele Schattierungen zwischen „ja“ und „nein“.
    Ich weiß es für mich auch nicht, habe da aber auch im deutsch-deutschen Kontext für mich drüber nachgedacht.

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    1. Und es gibt das Schwanken zwischen verschiedenen Positionen, je nach Kenntnisstand. Für mich ganz persönlich weiß ich schon längst nicht mehr, ob es überhaupt in diesem Konflikt ein „Richtig“ oder „Falsch“ gibt, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass eine sehr ungesunde Aufwärtsspirale in Gang gesetzt wurde, bei der sich alle Parteien (auch die NATO und andere formal Unbeteiligte) immer mehr von der Basis entfernen.
      Das Unbehagen wächst jedenfalls. Egal, wer sich äußert, wer fordert oder Ultimaten stellt.
      Danke jedenfalls für deine Gedanken dazu.

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  2. Ich lese gerade „Sophie Scholl: Es reut mich nichts.“ von Robert M. Zoske. Das passt auch zum Thema. Was weiß man, was versteht man, mit wem redet man, zu welcher Meinung kommt man. Und dann erst die Frage, ob man sich arrangiert, mitmacht, oder, ganz am Ende, wenn der Mut reicht oder das persönliche Unbehagen zu groß wird, etwas dagegen tut.

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    1. Ein Thema, dass mich in allen seinen Facetten, immer wieder bewegt. Ich weiß, dass es in meiner Familie alles gegeben hat, Mitläufer, Täter, Internierte, Juden und viele Tote. Im Moment recherchiere ich anhand alter Urkunden,Briefe und Notizen meine Familiengeschichte.
      Es ergibt sich immer wieder ein bestimmtes Bild, dass mit dem nächsten Rechercheergebnis wieder ins Wanken kommt. Ich habe mir, gerade was die jüngste Geschichte betrifft, vorgenommen alles soweit aufzuklären, wie es möglich ist.
      Mir geht’s wie dir, ich weiß nicht, wie ich mich verhalten hätte. Ich habe eine gewisse Vorstellung aber weiß man, ob man den Mut aufbringen kann, sich gegen solche Bewegungen durchzusetzen … ich hoffe, ja.

      Gefällt 1 Person

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