Die Medienlandschaft ist in diesen Tagen voll von Klagen. Auch unsere lokale Tageszeitung kann sich nicht davor verschließen, es zieht sich sogar wie ein roter Faden durch die heutige Ausgabe. Und das nicht nur, weil wir Deutschen anscheinend besonders gut darin sind, auf hohem Niveau zu jammern. Was bei mir zurzeit hängen bleibt, wenn ich Nachrichten lese oder höre: Konzerne sind oft Krisengewinnler, während die Kultur (kann je nach Gusto auch ersetzt werden durch Breitensport oder Familienförderung) kurz vor dem Offenbarungseid steht. Natürlich gibt es kulturelle Institutionen wie Bibliotheken, Theater oder Museen, die finanziell gut dastehen. Aber gerade die kleineren, lokal wichtigen Einrichtungen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, regionale, künstlerische und/oder geschichtliche Bildung für alle bereitzuhalten, die wissen viel zu häufig weder aus noch ein.
Dass es ein großer Fehler ist, wenn immer mehr Menschen immer weniger Zusammenhänge von gesellschaftlicher Entwicklung (woher kommen wir und weshalb hat sich unser Leben eigentlich in genau dieser Weise entfaltet?), von gewachsener Kultur oder auch schlicht und einfach von so elementar wichtigen Dingen wie Lebensmittelproduktion kennen, wenn Natur und Mensch als zwei unterschiedliche Dinge gesehen werden, das erleben wir in den letzten Jahren in einer immer schneller werdenden Spirale.
Mir kommt die Idee, dass es doch irgendwie möglich sein müsste, eine Art Allgemeinheitsanteil für hohe Gewinne einzuführen. Einen Prozentsatz, der den Menschen wieder zur Verfügung steht, die durch Konsum überhaupt erst Konzerngewinne ermöglichen. Nicht alles gnadenlos „dem Markt“ zu überlassen.
Ich halte es für ein hausgemachtes Problem, dass sich immer mehr Menschen vom Gemeinschaftsgedanken verabschieden und nur noch ihren eigenen Horizont sehen (wenn sie denn überhaupt bis dorthin schauen).
Badeanstalten, Bibliotheken, Breitensportangebote (gerade auch für Kinder und Jugendliche, die sich nicht mit spätestens 10 Jahren mit Haut und Haar einer einzelnen Sportart verschreiben und in den Ligabetrieb gehen), Museen, Spielplätze haben eines gemeinsam: sie sind in den vergangenen Jahrzehnten kaputtgespart worden.
Sogar an Universitäten hat es sich etabliert, das rein wirtschaftliche Denken. Gefördert wird, wer publiziert. Das ist zwar nicht per se schlecht, aber mühsame Grundsatzforschung jenseits von Leuchtturmprojekten, die nicht so geeignet ist, Investoren anzulocken, fällt hinten runter. Ebenso Forschung, die möglicherweise andere Ergebnisse erzielen könnte, als sie den Geldgebern genehm ist.
Gesundheit ist ein Gut geworden, das Profit abwerfen soll, Pflege im Alter und bei Einschränkungen ebenso.
Bei uns in der Stadt gibt es eine freie evangelische Bildungseinrichtung, die ErzieherInnen und GemeindepädagogInnen ausbildet und dabei sehr gute Arbeit leistet. Aber auskömmlich arbeiten können sie dort nicht. Und obwohl sie gesellschaftlich wirklich sehr gesuchte junge Leute auf den Weg schicken, ist es immer wieder eine Zitterpartie, ob es ein nächstes Ausbildungsjahr gibt. Das kann doch eigentlich nicht sein!
Die Museumslandschaft, die vermittelt, wie das Leben in unserer Gegend sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat und warum wir heute dort stehen, wo wir sind, bibbert sich von einem Fördertopf zum nächsten und macht sich dabei gegenseitig Konkurrenz.
Etwas daran zu ändern, wie es gerade läuft, das ist auf jeden Fall eine große Aufgabe, bei der es viele verschiedene Denkansätze ebenso braucht wie ganz unterschiedliche Menschen, die bereit sind, mitzumachen. Niemand kann allein dafür eine Lösung finden.
Aber was weiß ich schon…
Deine Idee eines Allgemeinheitsanteils an hohen Gewinnen ist Klasse – nur denke ich, dass unser derzeitiger Finanzminister so gar nicht davon begeistert sein wird. Ich denke, dass es eine große Fehlentscheidung unserer jetzigen Regierung war, diesen schwafelnden Kleiderständer zum Finanzminister zu ernennen…
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Da stimme ich dir aus ganzem Herzen zu.
Schwafelnder Kleiderständer😂
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Die Kritik an der Entwicklung kann ich durchaus nachvollziehen. Ideen wie den Allgemeinheitsanteil – so kreativ der Gedanke auch sein mag – oder auch die sogenannte „Übergewinnsteuer“, sehe ich dennoch kritisch.
Bei der „Übergewinnsteuer“ müsste man mir erst mal erklären, was „Übergewinn“ denn nun sein soll, denn das Steuerrecht kennt im Grunde nur den Gewinn. Darüber hinaus stünde die Frage im Raum, wo man denn da anfängt und wo man aufhört. Denn dann müsste man nicht nur die bösen, bösen Mineralölkonzerne betrachten, sondern mit der Photovoltaik oder Firmen wie BionTech genau so verfahren. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das der Sinn der Veranstaltung sein sollte.
Was den Allgemeinheitsanteil angeht: Das würde ja bedeuten, dass Menschen für Konsum belohnt würden!? Und im Falle von steigendem Konsum und einem damit einhergehenden steigenden Allgemeinheitsanteil würden sie stärker belohnt? Und die, die viel konsumieren, einfach, weil sie es können, profitieren dann mehr davon als die, deren Konsum lediglich im Erwerb von Lebensmitteln besteht bzw. bestehen kann?
Ich würde mir als Ansatz einfach wieder so etwas wie die Einführung eines allgemein verpflichtenden Zivildienstes wünschen. Den kann man dann meinetwegen auch etwas breiter fassen als das früher der Fall war. Man könnte seinen Dienst also meinetwegen als Hilfskraft auf dem Bauernhof ebenso absolvieren wie in der Garderobe eines Theaters, am Beckenrand eines Freibades oder an der Kasse eines Kinos.
In meiner eigenen kleinen Märchenwelt voller Feen, Elfen und Eskimos würde das zu einem stärkeren Bewusstsein für das große Ganze führen als andere Vorschläge …
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Das ist doch ein super Ansatz. Ich hatte ja einfach mal ins Blaue gedacht und zum Glück habe ich die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefuttert.
Den Allgemeinheitsanteil hatte ich ursprünglich so angedacht, dass ein Teil der Besteuerung für gesellschaftliche/kulturelle Projekte genutzt wird, die allen zugute kommen. Ist noch nicht richtig durchgedacht.
Und den Pflichtdienst fände ich sowieso wünschenswert.
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Es gibt im Bundeshaushalt ja auch einen Kulturetat. Der liegt meines Wissens auch höher als jemals zuvor. Frau Roth könnte da jetzt also lustig Geld ausgeben. Das Problem liegt aus meiner Sicht eher darin, dass die zweikommairgendwas Milliarden des Bundes nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten für Kultur ausmachen. Den Löwenanteil zahlen die Länder und Kommunen. Und hier gibt es meines Erachtens zwei Probleme: Zum einen sind die Kommunen chronisch klamm. Je nach Region mal mehr, mal weniger. Zum anderen fallen Ausgaben für Kultur bei den Kommunen unter „Freiwilliges“ und können dementsprechend schnell zusammengestrichen werden.
Hilfreich wäre eigentlich eine Art Schuldenschnitt für die Kommunen, die dann mit ganz anderen Spielräumen planen und vielleicht auch mal wieder ein Freibad öffnen statt schließen könnten.
Diese Idee treibt unseren Finanzminister nur halt zuverlässig in die Schnappatmung.
Man könnte natürlich auch die Bundesmittel siginifikant erhöhen, um die Kommunen zu entlasten.
Aber auch diese Idee führt leider zur Schnappatmung. 🙂
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Schuldenschnitt ist eine Sache, die ich sogar im größeren Stil schon mal im Hinterkopf hatte. Weil ganz im Ernst, welche Kommune, welches Bundesland und auch welcher Staat kann die vielfältigen Schuldenbeziehungen noch überblicken geschweige denn jemals tatsächlich bedienen?
Ich fürchte nur, nach einem solchen Cut würde das Ganze fröhlich wieder von vorn anfangen. Über die Jahrzehnte hat sich so viel Schlendrian überall eingenistet. Obwohl, es gibt ja immer mal wieder Berichte über Kommunen, die eine mutige Lokalpolitik und Verwaltung haben und einfach ganz ungewöhnliche Wege gehen. Und dabei auch noch erfolgreich sind!
Es gibt allerdings so ein paar Sätze, die killen einfach alles. „Das war schon immer so“ oder „das geht nicht, das haben wir vor xx Jahren mal ausprobiert“.
In unserer Kirchengemeinde sagen wir immer: „Es dauert lange, ein Klavier von der einen Seite des Raumes auf die andere zu schieben“ (Jede Woche 1 cm, damit die Beharrungskräfte es nicht so merken😁)
Und bei unserem Finanzminister führt sowieso alles zu Schnappatmung, was nicht seinem Klientel entspricht.
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Mag sein, dass dann alles wieder von vorne anfangen würde, aber möglicherweise … anders!? 🙂 Man sollte mal eine Studie dazu machen …
Was die Kirchengemeinden angeht, so weiß ich eigentlich aus eigener Erfahrung, dass die Neigung, den Satz „Das haben wir schon immer so gemacht!“ zu sagen, dort ganz besonders groß ist. 😉
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Beides: JA! Und überhaupt: alles erstmal evaluieren… Sagt Herr Buschmann auch😎.
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Sorry für die unqualifizierte Bemerkung. Saß im Kopf schon im Auto. Im Ernst, es gibt keinen Grund, nicht mal was anderes auszuprobieren.
Noch mehr verlieren kann man nicht mehr, nur gewinnen.
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