Oft ist es mir schon so ergangen und jedes Mal bin ich trotzdem erstaunt, geflasht und dankbar: Wegen irgendwas bin ich komplett neben der Spur, habe mich geärgert oder etwas hat mich total mitgenommen, ich habe meinem Frust auch lauthals Luft gemacht- und dann begegnen mir Menschen („in Echt“ oder auch virtuell), die mir helfen, eine Einordnung vorzunehmen oder eine ganz andere Sichtweise auf die Lage zu finden.
Nachdem ich gestern meinen Ärger hier ausgebreitet hatte, schickte mir zunächst Werner einen aufschlussreichen Link, der mir bereits half, mich wieder ein wenig auszurichten. Ich konnte also einigermaßen ruhig abends schlafen gehen und heute früh waren die Wogen schon wieder geglättet. Eine frühe Hunderunde, die anschließende Radtour zum Bäcker (ich hatte nicht daran gedacht, Brötchenteig anzusetzen) und das meditative Schlangestehen dort taten ihr übriges.
Womit ich aber gar nicht gerechnet hatte, war die Predigt unseres derzeitigen Gastpfarrers, mit der heute die Bibelwoche in unserer Gemeinde eröffnet wurde. Das Motto der ganzen Woche lautet „Freude an der Gemeinde“ und wer sich in einem solchen Umfeld engagiert, fragt sich vielleicht, ob das ernst oder leicht ironisch gemeint ist. (Oder ein bisschen von beidem?) Weil ich wissen wollte, was heute auf uns zukam, hatte ich vor dem Frühstück bereits den Bibeltext nachgelesen. Es ist aus dem ersten Korintherbrief des Paulus die Einleitung, und diese ist ausgerechnet ein Dank des Paulus für die Gemeinde in Korinth. Wer sich ein bisschen auskennt, weiß es, allen anderen sei angemerkt: Diese Gemeinde war kein Musterkonstrukt, außer man sucht eine Blaupause für Streit, Neid und andere Nickeligkeiten. Kurz gesagt. Für die Langform bitte nachlesen…
Pfarrer Hagedorn wies uns zunächst darauf hin, dass Paulus seine Briefe (fast) immer mit einem Dank begann, die einzige Ausnahme war der Galaterbrief, da hatte selbst Paulus seine Contenance verloren. Aber darum geht es mir jetzt nicht. Sondern: da ist eine Gemeinde, die sich zankt, über den besten Apostel (Gemeindeleiter), über die richtige Art, miteinander das Abendmahl zu feiern, über das Zusammenleben von Männern und Frauen und ob letztere etwas zu sagen haben sollten… und vieles mehr. Und Paulus dankt für diese Gemeinde, ehe er dann tief Luft holt und ihnen schriftlich die Leviten liest.
Ich kam nicht umhin, mir parallel zum Gehörten eigene Gedanken zu machen, wie ich das ins Hier und Jetzt übertragen kann und ob es eventuell auch auf so etwas wie Deutschland angewendet werden kann.
Weiter führte der Referent/Prediger aus, dass es Zeiten gab und immer noch gibt, wo man sich, gern auch in Seminaren oder in der Fachliteratur, mit Gemeindeentwicklung beschäftigte. Und bei alledem, was man dort über erfolgreiche Gemeinden hörte und las, kam dann die eigene Gemeinde fast immer ziemlich schlecht dabei weg, weil man noch mehr als sonst darauf gestoßen wurde, was denn vor der eigenen Haustür an Defiziten vorhanden war.
Etwas beschämt dachte ich mir, ob es sich nun um eine geistliche oder kommunale Gemeinde, einen Landkreis, ein Bundesland oder gar den gesamten Staat handelt, wir neigen doch dazu, immer eher darauf zu achten, was besser oder zumindest anders laufen könnte.
Er hielt uns zwei Bilder von Gemeinden vor Augen: Einerseits die „Bei-uns-klappt-gar-nichts“-Gemeinde und andererseits die „Irgendwas-klappt-immer“-Gemeinde. Er erinnerte daran, dass zwar Dankbarkeit keine Erfolgsgarantie bietet, aber die Voraussetzungen neu dimensioniert. Und dass uns das Danken im Allgemeinen schwerer fällt, als das Bitten, uns aus irgendeiner Situation zu erlösen oder einen (vermeintlichen) Erlöser zu schicken.
Es muss ja nicht gleich so pathetisch klingen wie bei JFK der Satz „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“, aber es ist nicht von der Hand zu weisen: Wenn ich erstmal eine Kleinigkeit finde, für die ich dankbar sein kann, dann finde ich auch noch mehr. Wenn ich die Perspektive wechsle, kann aus dem halbleeren Glas auch ein halbvolles werden.
Mir wurde heute mal wieder bewusst, dass ich eigentlich mit meiner meist positiven Grundhaltung fast immer gut durch alles komme, was mir das Leben an Herausforderungen in den Weg wirft. Immer dann, wenn ich diesen Pfad verlasse, weil ich zu viel negativen Input hatte (und Leserkommentare in Zeitungen oder Nachrichtensendungen können sehr viel negativen Input enthalten, leider) wird mein innerer Kompass abgelenkt und es geht mir nicht gut.
Und mir wurde auch bewusst, dass es einen Supervisor gibt, der mir dann häufig ein Ereignis oder einen Menschen schickt, der den Kurs wieder korrigiert. Der mir das Gute selbst im Schlechten zeigt und mich danken lässt.
Supervisor – der ist gut 🙂
Aber es stimmt, Korrektive haben viele Gesichter.
Liebe Grüße!
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Und ich staune jedes Mal wieder, wie vielfältig.
Eine schöne Woche für dich.
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Der „Irgendwas klappt immer“-Gedanke ist charmant und macht es leichter, mal positiver zu denken. Aber im Alltag reicht es mir nicht, wenn der „Zug zum Glück irgendwann kommt“. Da muss ich schon sehr an mir arbeiten, nicht in alte „Mecker-Muster“ zurückzufallen
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Das ist richtig. Bei uns ist der ständig verspätete Zug zurzeit die S-Bahn nach Hannover, das kann man sich nicht schönreden, wenn man pünktlich bei der Arbeit sein muss.
Aber das Prinzip hat trotzdem seine Berechtigung. Grundsätzlich. So ungefähr, wie sich jeden Abend eine Sache ins Gedächtnis zu rufen, die am Tag gut war.
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Aber ja, es hat seine Berechtigung ohne Zweifel. Fühlt sich ja auch besser an und macht zufriedener
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