Gedanken vor der nächsten Rezension

Vorweg ein paar Überlegungen: Auf dem Buchmarkt bekomme ich hunderte Bücher zum Klimawandel, der Klimakrise, gar der Klimakatastrophe. Je nach persönlicher Meinung, politischer Ausrichtung oder Sympathien für bestimmte wissenschaftliche Sichtweisen kann ich aussuchen, ob ich alarmistische, pragmatische, leugnende oder ausgewogene Literatur aussuche. Wobei: was ist eigentlich ausgewogen bei dieser Thematik? 🤷‍♀️ Ich habe außerdem das Gefühl, nach der angenommenen, weil seit Jahrzehnten bekannten Seriosität der Verlage kann ich auch keine verlässliche Auswahl treffen, denn wen wundert’s: Verlage sind ja nun mal in erster Linie Wirtschaftsunternehmen.

Zunehmend bin ich ratlos, habe ich doch in letzter Zeit ganz unterschiedliche Ansätze und Perspektiven gefunden, bei AutorInnen, die ich einzeln für ihre Expertise schätze, die aber zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Und dabei bin ich schon bei einem großen Problem unserer Zeit angekommen:
Die Weltlage ist innerhalb kürzester Zeit immer unübersichtlicher und unberechenbarer geworden. Ein schier unüberwindlicher Wust aus geopolitischen Interessen, überbordendem Turbokapitalismus, verlangter politischer Korrektheit, Bürokratiemonstern, Wetterkatstrophen, globalen Fluchtbewegungen, Pandemie, toxischer Männlichkeit (immer noch, leider), persönlichen Schicksalsschlägen und so weiter bricht wie ein Tsunami über uns herein. Fühlen wir zumindest. Ein großer Teil davon ist vermutlich nie anders gewesen. Aber in den Zeiten vor Social Media, vor der Vermengung von seriösem, handwerklich gut gelernten Journalismus und ungehemmter Meinungsverbreitung à la „Bürgerjournalismus“, der teilweise auch schon durch vorauseilende Mutmaßungen selbst von anerkannten Nachrichtenportalen orakelhaft durch den Äther geistert, haben wir von dem allermeisten nichts mitbekommen.
Was vor 50 Jahren am Stammtisch kolportiert wurde, wird heute auf Facebook in die Welt gerotzt. Was vor 30 Jahren noch auf dem Marktplatz diskutiert wurde, verstopft heute die Kommentarspalten von Instagram, Twitter und Co.

Was wir in unserer Jugend auf einer Fete im Partykeller der Eltern unter uns ausmachten, posten junge Leute heutzutage auf Tiktok oder SnapChat. Menschen aller Altersgruppen und jeglichen Milieus machen sich überhaupt keine Gedanken, dass etwas, was sie im Rausch oder Höhenflug digital festhalten, auf Ewigkeiten durchs Netz geistern wird.

Dazu kommt noch eine Tendenz, der Wissenschaft zunehmend skeptisch gegenüber zu stehen. Was jahrhundertelanger Konsens war, nämlich die Aufgabe der Wissenschaft (in Abgrenzung zur Aufgabe von Politik und Gesellschaft, wissenschaftliche Erkenntnisse einzuordnen in konkretes Handeln) wird in Frage gestellt. Das selbstverständliche, das eigentlich jeder Mensch erwartet, nämlich die Anerkennung des erworbenen Fachwissens während der Ausbildung und die Berufserfahrung, wird vielen Wissenschaftlern immer häufiger vorenthalten.

In dieser ganzen Gemengelage wünschen wir uns vor allem eines: Eindeutigkeit. In diesem sehr verständlichen Wunsch driften manche Menschen ab in unterschiedliche Richtungen: die einen in Alarmismus und Weltuntergangsszenarien, die anderen in Verweigerungshaltung, Schmollwinkel und Reaktionismus. Hilfreich ist beides nicht.

Ich frage mich: Wenn wir durch steigende Energiekosten, fragile Lieferketten und kurzfristiges Fehlen der 100. Joghurtsorte anscheinend schon am Rande des Zusammenbruches unserer Zivilisation stehen, was wird das erst geben, wenn wir auch in Deutschland den Anstieg des Meeresspiegels spüren oder der Süßwassermangel der letzten Jahre sich verstetigt. Wenn die Kartoffeln dauerhaft keine Pommesgröße mehr erreichen, die Landwirte ihr Milchvieh nicht mehr in der gewohnten Masse durchbringen können und wir unseren englischen Rasen nicht mehr pflegen dürfen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind ganz schöne Waschlappen geworden.
A propos. Meine Theorie zu dem Waschlappen-Shitstorm gegen Herrn Kretschmann ist: es war den Leuten unangenehm bewusst, dass er nur das Offensichtliche ausgesprochen hatte. Die längste Zeit ist die Menschheit ohne tägliche Dusche ausgekommen. Dabei fällt mir ein, letztens verstarb der „schmutzigste Mann der Welt“, ein Iraner, der über ein halbes Jahrhundert nicht geduscht hatte. Er war überzeugt davon, dass Sauberkeit ihn krank macht. Tragischerweise starb er ein paar Monate, nachdem er von wohlmeinenden Nachbarn „zwangsgeduscht“ wurde. (Merke: Korrelation ≠ Kausalität)

Augenblicklich lese ich mich (neben dem Klimawandel, der auch zu Wort kommt) wieder durch das 13. Jahrhundert in England und ziehe Vergleiche zu dem, worüber wir heute gern jammern. Ich fürchte, wir wären gnadenlos ausgestorben, wenn damals so viel gemeckert worden wäre. Wir sind schon ganz schön schizophren. Wir schauen uns mit wohligem Gruseln Hollywood-Blockbuster an: Waterworld, Mad Max (I-III), The Day after Tomorrow, Armageddon, Outbreak… und kuscheln uns mit Popcorn und Nachos in den Kinosessel oder das heimische Sofa. Vor dem, was vor unserer Haustür passiert, stecken wir aber oft lieber den Kopf in den Sand.

Nur eins ist sicher: Die Erde kriegt die Kurve, die hat schon ganz anderes überstanden. Die Frage ist halt, ob mit oder ohne uns.

Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: „Du siehst krank aus. Wie geht es dir?“ Antwortet der andere:“ Boah, gerade nicht so gut, ich habe Menschen…“ Darauf der erste wieder: „Du Ärmster, hatte ich auch schon. Das vergeht auch wieder!“

Sorry für die merkwürdigen Gedankengänge, die möglicherweise etwas fiebrig rüberkommen. Wird bestimmt auch wieder besser. Krank sein ist doof.

Segelsommer

Oder: Die beste Katastrophe meines Lebens.

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Fromme Wünsche sind anscheinend auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Oder waren sie das überhaupt jemals? Eine philosophische Betrachtung, die gerade sowieso nichts ändert. Fakt ist: auch in unserem Haus hat Corona sich eingenistet, allen Bemühungen zum Trotz. Zwei Wochen vor dem nächsten Impftermin und glücklicherweise auch bevor unser Enkelkind das Krankenhaus verlässt, so dass wir uns zumindest ansteckungstechnisch in dieser Hinsicht keine Vorwürfe machen.

Die Tochter empfindet vor allem Ärger, weil sie nicht zur Schule gehen und Klausuren schreiben kann, sie ist eine richtige kleine „Motzkuh“ (das ist ein Bilderbuchtitel und überhaupt nicht despektierlich gemeint). Ich kann ihren Ärger ja sogar nachfühlen. Ich fahre in einer Tour Achterbahn, weniger wegen der Gefühle, eher wegen eines ziemlich falsch verdrahteten Gleichgewichtssinnes. Husten, Halsweh und etwas Luftnot nerven und ich fühle mich tatsächlich krank. Unverschämtheit! Während der Mann es bisher noch schafft, dagegenzuhalten. Zum Glück ist unser Haus groß, wir gehen uns aus dem Weg und essen in Schichtbetrieb mit großzügigen Lüftungsintervallen.

Aber ich bemühe mich, die positive Seite des Zustandes zu finden (sie liegt im Bett) und lese mich durch meine diversen virtuellen und physischen Bücherstapel wie die Raupe Nimmersatt sich durch Essbares frisst.
Gestern habe ich einen Segeltörn von Schweden nach Flensburg gemacht, durch die dänische Südsee, mit einer Crew, die ich mir im Leben nicht wünschen würde. Witzig zunächst, dass die beschriebene Segelyacht sehr viel Ähnlichkeit mit unserer Sterntaler hat, eventuell ist sie drei Fuß länger, ich meine, zu Beginn etwas in Richtung „34“ gelesen zu haben. Das ist ein knapper Meter, bei sechs Leuten Besatzung macht das nicht wirklich viel aus.

Zum Inhalt: Die erfolgreiche Autorin einer Regionalkrimireihe hat offensichtlich ein Problem mit ihrer Impulskontrolle, und zwar so sehr, dass sie ihre Wut nicht nur durch ihre Hauptperson im Buch ausleben lässt. Nach einem Vierteljahrhundert Ehe trennt sie sich von ihrem Mann und lässt sich deswegen von Freunden zu einem Törn über die Ostsee überreden. Ein Überführungstörn, auf dem sie keine Menschenseele kennt.
Die Segelcrew aus jeweils drei Männern und Frauen ist bunter gemischt als eine Selbsthilfegruppe sämtlicher zwischenmenschlicher Störungen, Konflikte sind vorprogrammiert. Inklusive vieler Missverständnisse. Aber es menschelt zwischendurch in wechselnder Besetzung auch sehr nett. Wenn ich es mir recht überlege, sind die Personen in ihren wechselseitigen Ablehnungen, spontanen Übereinstimmungen, aufpoppenden Krisen und ernsthaften Gesprächen oft näher an der Wirklichkeit als stereotype Gestalten, die sich von Anfang bis Ende nur sympathisch oder nur spinnefeind sind.

Flaute, schnell aufziehender Sturm, eine heikle Situation beim Segeln, Streitigkeiten darüber, wer das Sagen an Bord hat, Schweinswale und Seekrankheit (bzw. deren Pendant Landkrankheit, von der ich persönlich auch jedes Mal betroffen bin). Bissige und manchmal auch kindische Dialoge, Situationskomik und immer wieder aufwallende Spannungen halten mich beim Lesen auf Trab. Zwischendurch bin ich so wütend auf die ganzen kaputten Typen, dass ich fast das Tablet vom Bett schmeiße. Aber dann lese ich doch weiter, weil ich wissen will, ob zwischendurch noch jemand zum Mörder wird. Auch weil die grantige Kommissarin aus den Regionalkrimis quasi als blinder Passagier ihrer Schöpferin so manches Mal Einflüsterungen gibt.

Das Buch hat mir Spaß gemacht, wenn es auch hier und da eine Länge (Flaute?) hatte. Es hat mir im Schnelldurchgang einen Segeltörn beschert, den ich im wahren Leben noch nicht hinbekommen habe (den ich so aber auch niemals erleben möchte😉), es hat mir sogar ein kleines Überlegenheitsgefühl vermittelt, weil ich im Gegensatz zu einigen handelnden Personen im Buch ein ganz klein wenig mehr über die Fachbegriffe aus der Seglerwelt weiß😅. Ich habe das Gefühl, ein paar Häfen in der dänischen Südsee zu kennen und der nutzlose Krankentag hatte eine sinnvolle Beschäftigung.

Dank Wikipedia weiß ich jetzt auch, dass die Autorin, die unter anderem sehr erfolgreich Kinderbücher schreibt (Mein Lotta-Leben bei Arena) genauso alt ist wie ich und ebenfalls Buchhändlerin. Hm, da steckt doch Perspektive drin😎.

Bibliographische Angaben: Alice Pantermüller, Segelsommer oder Die beste Katastrophe meines Lebens, Droemer Knaur TB, ISBN 978-3-426-52299-8, € 10,99

In ewiger Freundschaft

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Heute endet die Buchmesse 2022, aber mein heutiger Buchtipp ist bereits seit über einem Jahr erhältlich und inzwischen als Taschenbuch erschienen. Auch das digitale Leseexemplar hatte ich schon eine ganze Weile auf der Festplatte. Manchmal rächt sich die schiere Fülle der interessanten Bücher dadurch, dass ich meist neue Themen oder Autoren oben auf die Liste setze, wobei das rein vom beruflichen Standpunkt durchaus sinnvoll ist. Leider verpasse ich Lieblingsautoren dadurch gelegentlich zunächst.

Zuletzt ging es mir mit Rebecca Gablé ähnlich, jetzt hat es Nele Neuhaus getroffen. Dabei ist es oft so entspannend, wenn man eine hochgeschätzte Autorin oder einen bevorzugten Autor mit einem neuen Titel unter die Lesebrille nimmt. Manchmal fühlt es sich an wie das sanfte Hineingleiten in ein duftendes Schaumbad, manchmal eher wie ein Spaziergang in den gut ausgetretenen Wanderschuhen auf einer neuen Route: Irgendwie bekannt und heimelig, aber dann doch wieder ganz überraschend anders.

Oliver von Bodenstein und Pia Sander begleiten mich jetzt schon über viele Jahre. Ich habe das Gefühl, alte Bekannte wiederzutreffen (und außerdem immer die Gesichter aus den Fernsehkrimis vor Augen😉), aber spannend wird es schon dadurch, dass die Personen zwar einerseits verlässliche Charakterzüge haben, aber trotzdem von Roman zu Roman eine Entwicklung durchmachen.

In ewiger Freundschaft hat eine Handlung, die in der Buchbranche spielt: Verlage, Agenturen, Lektorate, Autoren, Lesungen, Buchmesse … Kleine Spitzfindigkeiten inklusive. Außerdem geht auch noch der Gerichtsmediziner Dr. Henning Kirchhoff unter die Krimiautoren und rollt mit seinen Plots die ersten Fälle der Taunus-Ermittler wieder auf.
Etwas kokett wirkt eine Szene, in der jemand sagt, Oliver von Bodenstein habe Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Tim Bergmann😅. So fühle ich mich ein bisschen an Hitchcock-Filme erinnert, wo der Großmeister persönlich in kleinen Cameo-Auftritten heimliche Schlüsselszenen spielte. Diese Spielerei mit den bisherigen Krimis und Filmen ist aber meiner Meinung nach die Würze an dem Buch.

Immer wieder finde ich es bemerkenswert, wie ausgeklügelt die Handlungsstränge sind, wie gut sie ineinander greifen und wie plastisch sich die ganze perfide Story entwickelt. Ein tolles Buch, wenn die Realität mal wieder zu heftig überschwappt und man ganz dringend eine (ent-)spannende, intelligent konstruierte Ablenkung vom Alltag braucht.

Also, einerseits natürlich schade, dass ich das Buch so lange liegengelassen habe, aber im Endeffekt habe ich es genau zum richtigen Zeitpunkt gelesen, denn so etwas brauchte ich jetzt dringend!

Bibliographische Angaben: Nele Neuhaus, In ewiger Freundschaft, Ullstein Taschenbuch, ISBN 978-3-548-06710-0, € 16,99
(auch als Hörbuch erhältlich)

Gang zurück

Waldorf und Statler aus der Muppet Show

Wer sich jetzt fragt, warum ich ausgerechnet dieses Bild poste: Gestern Abend vor dem Einschlafen ging mir durch den Kopf, dass ich in den letzten Wochen manchmal das Gefühl habe, als säßen diese beiden distinguierten und vor allem sehr scharfzüngigen Herren nicht in ihrer Theaterloge, sondern beide in meinem Kopf und lieferten sich dort eine Rhetorikschlacht.
Da schreibe ich immer wieder von Ausgleich, Differenzierung und solchen Dingen und es fällt mir immer schwerer, mich selbst daran zu halten. Was unter anderem dazu führte, dass ich in einem Gruppenchat recht ironisch wurde, ohne es eigentlich zu wollen. Weil ich gerade mit diesem Team unheimlich gern zusammenarbeite, sogar dann, wenn wir uns mal nicht einig sind. Denn dort gibt es einen wertschätzenden Umgang miteinander und wir hören einander wirklich zu. Das war schmerzhaft, vor allem für mich selbst. Die rote Linie ist nicht nur erreicht, sondern überschritten.

Ich möchte gern mal wieder Luftholen. Ganz bewusst schreibe ich nicht „Ich werde“, weil ich mich ja schon ein paar Jahre kenne😉😅. Also nehme ich einfach mal einen Gang raus. Möchte mich beim Lesen, kommentieren und schreiben zurückhalten. Oder zumindest bewusst auf ein paar schöne und inspirierende Themen konzentrieren. Offline schreiben. Nähen, in den Garten gehen, lesen, stricken, das Haus in Ordnung bringen, solche Sachen. Den Advent auf dem Blog schon mal grob planen vielleicht.

Und sonst so? Heute beginnt die Buchmesse. Mein Buchhändler-Ich möchte nach vielen Jahren Abstinenz gern hin. Aber momentan ist es für mich keine gute Idee, mich so in Massenevents zu stürzen. Ich habe es bis hierher geschafft, dem Coronavirus zu entkommen und jetzt ist nicht der Zeitpunkt, fahrlässig zu werden. Wenn hoffentlich bald (wobei bald ein dehnbarer Begriff ist) unsere Tochter mit dem Enkelchen aus dem Krankenhaus entlassen wird, möchte ich ihn doch auch endlich „in Echt“ kennenlernen. Fotos sind ja gut und schön, aber naja.

Mal sehen, wie lange meine Vorsätze halten. Wir lesen uns!

Fotoprojekt „Der Herbst“ IV

Hier geht es zum Projekt. Diese Woche ist die Frage:
„Was gibt es oft im Herbst?“
Danke, Roland, für die Inspiration, denn bis vor einer halben Stunde wusste ich noch nicht, was ich heute kochen würde. Und irgendwie haben mich die vielen Kastanien zum um die Ecke denken gebracht😅.

Ich präsentiere also hungrig und gespannt:

Unschwer zu erkennen, es wird Kürbissuppe geben. Heute die etwas schärfere Variante mit Chili. Inzwischen habe ich mehrere Rezepte, nur mit der oft empfohlenen Kokosmilch kann ich mich nicht so recht anfreunden. Mitunter koche ich sogar ungefähr 10 Liter auf einmal für Veranstaltungen. So auch demnächst am 31. Oktober.

Footloose – natürlich 1984

„Die heutigen Tänze und die heutige Musik können zerstörerisch sein…“ Reverend Moore in der Gemeindeversammlung

„Wie heißt es in Psalm 149: Singet dem Herrn ein neues Lied“ Entgegnung von Ren McCormack

„Und Prediger versichert uns: Alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde. Die um zu lachen, die um zu weinen, die um zu klagen. – Und auch eine Zeit um zu tanzen.“

Aus: Footloose (1984)

Noch Jahre später, als ich selbst schon Kinder hatte, hatte ich mitunter das Gefühl, dass es solche Gemeinden nicht nur im ländlichen Amerika gibt, sondern dass auch in Ostwestfalen solcher Muff herrschte. Was ich erst viel später erfahren habe, ist die tatsächliche Begebenheit, die den Film inspirierte.

Schon lange wollte ich mal wieder zu den vernachlässigten Themen Musik und Film etwas schreiben. Da ich erstens augenblicklich in einer Rückblick-Phase bin, es zweitens heute im Gottesdienst um Musik (quasi als Soundtrack des Glaubens) ging und dann beim Wäsche zusammenlegen auch noch dieser Song in einer meiner zahlreichen Playlists lief, war es klar. (Um es mit einem Zitat aus einem anderen Film auszudrücken: „Ein Zeichen! Er hat uns ein Zeichen gegeben!“) Also PC an und los.

Der Film ist von 1984 und traf bei uns, damals um die 16 Jahre herum, voll ins Schwarze. Tolle Musik (Bonnie Tyler beim Hasenfuß-Rennen war super!), rebellische Teens (wir auch…), Kevin Bacon mit genialen akrobatischen Tanzeinlagen (er war ja auch Leistungsturner. Prima, dass man nicht Tom Cruise für die Rolle gewinnen konnte), eine verhinderte Bücherverbrennung (zum Beispiel Schlachthaus Fünf). Das Ganze spielte in der absolut konservativen, muffigen, altbackenen, hinterwäldlerischen und kleingeistigen Provinz und das Zitat, das mir noch lange im Gedächtnis blieb, war:
„Er glaubt, dass er uns alle retten müsse! Er persönlich will diesen kleinen wimmelnden Ameisenhaufen da oben abliefern! Und als Garnierung obendrauf seine Tochter!“

Die Musik ist total mitreißend, die Story passte für uns damals wie Faust aufs Auge, ich mag den Film bis heute. Und es juckt mich immer sofort in den Füßen, wenn ich irgendwo die ersten Takte von Kenny Loggins „Footloose“ höre. Dann hält mich nichts mehr auf dem Stuhl. „Jetzt wird getaaaaaanzt!“😄

Witzig fand ich übrigens auch die Szene, als die Jugendlichen es endlich geschafft hatten, ihre Fete zu organisieren und, piekfein herausgeputzt, eingetroffen waren. Alle standen verlegen herum, genau wie beim Abschlussball des Tanzkurses damals bei uns, keiner traute sich auf die Tanzfläche😄

Geadelt wurde der Film auch von einem ganz anderen Filmemacher: Selbst Marvel verwendet die Referenz bei Guardians of the Galaxy, was den zitierenden Peter Quill (Star-Lord) äußerst sympathisch macht. Der Mann hat Geschmack. (Die Film-Kritik nicht unbedingt, aber die war auch nicht „Zielgruppe“ des Films.)

Ach ja, 2011 gab es ein Remake des Films, aber sorry, an das Original kam es nicht im entferntesten heran. Oder ich war nicht mehr Zielgruppe. Oder beides.

Funktioniert in beide Richtungen

Wenn ich morgens aufstehe und Kaffee koche, halte ich bereits das erste Buch des Tages in der Hand. Zurzeit ist das von Susanne Götze und Annika Joeres
Die Klimaschmutzlobby
und zwar die aktualisierte Ausgabe, erschienen im Januar 2022 (also vor dem Ukraine-Krieg), redaktionell wurde es vor allem in der Zeit der neuen Koalitionsbildung bearbeitet. Das sind kleine, aber nicht unwichtige Details.

Manche/r wird den Kopf schütteln und sich fragen, warum um alles in der Welt ich mir so etwas um 6 Uhr in der Frühe antue. Ganz einfach: ich stehe auf und mein Kopf möchte etwas zu tun haben. Denn morgens ist er noch aufgeräumt und aufnahmebereit. Die leichte Lektüre gibt es abends vor dem Einschlafen.

Heute bin ich über folgenden Abschnitt gestolpert: (Ab hier bitte ruhig und beherrscht weiterlesen, denn ich habe es auch ruhig geschrieben, selbst wenn es sich nicht durchgängig so anhört. Die Wutbrille verzerrt nur alles. Ein wenig Sarkasmus dagegen schadet nicht😉)

Götze / Joeres, Die Klimaschmutzlobby, S. 44

Also, kurz zusammengefasst: Da beschäftigt sich jemand sein gesamtes Berufsleben lang mit einem umfangreichen Themenkomplex, forscht, promoviert und habilitiert, gründet ein wissenschaftliches Institut mit internationaler Reputation, führt von Bundesministerien geförderte Studien durch, berät sogar die Bundesregierung. Im Rahmen seiner gesammelten Expertise kommt dieser Mensch zu Schlussfolgerungen, die er den maßgeblichen Akteuren in Politik und Wirtschaft vorstellt, und die kanzeln ihn ab und sagen quasi: „Ist ja alles ganz schön und gut, aber das wollten wir nicht hören. Thema verfehlt, sechs, setzen.“

Witzigerweise (nein, eigentlich traurigerweise) passiert hier dem studierten und erfahrenen Experten dasselbe, was den Aktivisten von FFF und speziell auch Greta Thunberg entgegenschlägt, nur mit dem gegenteiligen Argument. Schließlich kann man diesem gestandenen Mann ja nicht vorhalten: „Geh erstmal lernen und arbeite in einem anständigen Beruf, dann kannst du was dazu sagen.“
Was denn nun? Ob also aus dem Herzen oder aus dem Wissen:
Was die Entscheider nicht hören wollen, wollen sie nicht hören. Da wird Sorge ebenso abgebügelt wie Expertise, wie im Kindergarten kneifen sie die Augen zu, stecken sich die Finger in die Ohren und singen dagegen an „Nana nanana…“

Ach übrigens: Greta hat ja doch auf einmal voll den Durchblick und bekommt wohlwollenden Applaus von denen, die bisher ganz unverdächtig waren, auf sie zu hören.
(Und das, obwohl sie immer noch Schülerin ist und immer noch keine drölfzigtausend Jahre Berufserfahrung hat. Ich denke, das sagt enorm viel über die gespaltene Wahrnehmung der Politiker und Wirtschaftsleute aus.)
Weil sie Atomkraft als das kleinere Übel bezeichnet hat. Für diese Äußerung wird sie gefeiert, von erzkonservativen Journalisten, die vorher kein gutes Haar an ihr ließen, von neoliberalen Politikern, von fossilen Wirtschaftsbossen. Meist Männer, ja, so ist es.
Unter den Tisch fällt dabei aber, dass sie ihre Aussage dadurch relativierte, dass sie Windkraft als noch bessere Lösung ansieht. Und wieder haben die angeblich so plietschen Nadelstreifenträger nur das gehört, was sie hören wollten und vor dem Rest die Ohren verstopft. Ein Schelm …, ihr wisst schon.

Das ganze Interview ist hier zu finden:
https://www.ardmediathek.de/video/maischberger/klimaaktivistin-greta-thunberg-im-exklusiv-interview/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21lbnNjaGVuIGJlaSBtYWlzY2hiZXJnZXIvYTBhNzg3MjItMmVlZC00YWJlLWFhNGQtOGRlNTBhMWQxMWE4
(Ab Minute 9 geht es um die AKWs)

Ich bin der Meinung, niemand hat in diesen ganzen komplexen Fragen allein die Weisheit mit Löffeln gefressen, es braucht viele verschiedene Ansätze, je nach konkreter Problemstellung. Und noch viel mehr braucht es sehr viele und noch mehr Menschen, die mitmachen. Aber es muss endlich ernsthaft losgehen, sonst wird das alles nichts.

Wo Vergänglichkeit auf die Ewigkeit trifft

Die Friedhofskapelle des Nordfriedhofes Minden

Zu Friedhöfen habe ich ein zwiespältiges Verhältnis, das sich seit Jahrzehnten zwar immer etwas wandelt, aber der Zwiespalt an sich bleibt. Als Kind begleitete ich meine Mutter mindestens einmal im Monat zu den Friedhöfen, bei uns im Dorf, wo ihre Eltern begraben waren und nach Minden auf den Südfriedhof zu den Gräbern meiner Großeltern väterlicherseits. Ja, ich hatte nicht lange in meinem Leben Großeltern, da ich das spätgeborene Kind einer Mutter war, die selbst auch schon die Jüngste in ihrer Familie war.

Alte Familiengruft auf dem Nordfriedhof

Also wurden die Gräber gepflegt, es wurde gejätet, geschnitten, geharkt, gegossen, Mama hatte extra eine „kleine Friedhofsharke“ (die übrigens immer noch existiert), mit der am Ende die Furchen schön parallel in der dunklen Erde gezogen wurden. Wie auf allen anderen Gräbern in der Umgebung auch. Und zweimal im Jahr, vor Ostern und vor Totensonntag, gab es Großeinsätze. Dann wurden auch zu groß gewordene Koniferen ausgetauscht. Die Großen nahmen wir mit nach Hause und pflanzten sie im Garten ein, dafür wurden kleine Pflanzen nachgekauft, bei denen sich das Spiel nach ein paar Jahren wiederholte. Zu Ostern gab es außerdem zum Abschluss Tulpen, im November einen Kranz als Winterschmuck. Überflüssig zu erwähnen, dass gerade diese großen Aktionen für ein Kind schnell langweilig wurden.

Vor vier Wochen lief hier noch Wasser, gerade in diesem Jahr Inbegriff des Lebens

Schon damals, vor fast einem halben Jahrhundert, machte ich mich also auf den Weg, während meine Mutter an den Gräbern hingebungsvoll arbeitete, und erkundete den Friedhof. Bei uns im Dorf war das übersichtlich und recht schnell geschehen, ich balancierte auf Grabumrandungen (sorry, so mit ungefähr fünf Jahren macht man sich noch keine Gedanken, ob das „schicklich“ ist), bewunderte alte Familiengruften der Landwirtsfamilien, sammelte je nach Jahreszeit Blumen, Kiefernzapfen oder Kastanien und Eicheln. In Minden war der Friedhof ungleich viel größer, mit „uralten“ Bereichen, die total zugewachsen waren mit sehr großen Eiben, hohen und dicken Lebensbäumen, schiefen und verwitterten Sandsteingrabsteinen. Da konnte sich ein Dötz schon mal verlaufen.

Prächtige Gruft mit Sarkophag. Heute eher unüblich.

Warum ich das erzähle? Weil ich vermute, mein innerer Zwiespalt rührt aus dieser Zeit. Ich weiß um die Stärke und Wichtigkeit von Ritualen, sie können heilen helfen in Zeiten der Trauer. Ich habe auch früher immer gesagt, es ist gut, einen konkreten Ort zu haben, an dem man gedenken kann. Ein Teil von mir sieht das heute noch so. Ich möchte jedenfalls niemandem die rituelle Grabpflege madig machen, weil es oft ein tiefes Bedürfnis ist, aber ich musste leider auch häufig beobachten, dass sie nur aus dem Grund betrieben wurde, „die Leute“ könnten ein schlechtes Bild bekommen. Und diese Motivation fühlt sich für mich falsch an.
Inzwischen habe ich noch ein anderes Verständnis dazugewonnen: Das Gedenken findet bei mir persönlich eher in Alltagssituationen statt. Zum Beispiel hier auf dem Blog, wenn ich kleine Anekdoten aufschreibe. Oder bei der Gartenarbeit, wenn mir in den Sinn kommt, wie Mama mich als Kind angeleitet hat (und ich trotzdem sehr vieles heute anders mache😉, weil mir neben Traditionen auch neue Herangehensweisen wichtig sind). Wenn ich den Rotkohl grundsätzlich nach ihrem Rezept „frei Schnauze“ koche, aber ein paar Kleinigkeiten verändere, die es zu meinem ganz eigenen machen.

Friedhöfe liebe ich nach wie vor. Als Orte der Stille (auch, wenn ich heute früh leider in der Zeitung lesen musste, dass auf dem Nordfriedhof neuerdings eine Gruppe Leute säuft und randaliert, was ist mit manchen Menschen bloß los?), der Besinnung, der Erinnerung. Als ich gestern über den alten Teil des Friedhofes geschlendert bin, habe ich einige der alten Familiengruften fotografiert, weil sie Geschichten erzählen. Ganz bewusst habe ich alte Grabstellen ausgewählt, wo die letzte Bestattung schon lange zurückliegt und darauf geachtet, dass möglichst keine persönlichen Angaben lesbar sind. Die Geschichten, die hier erzählt werden, handeln von familiärer Identität über Generationen hinweg. Von Honoratioren der Stadtgeschichte, deren Wichtigkeit und Wert noch nach ihrem Tod in Stein gemeißelt wurde. Grabstätten mit Sandsteinbänken, eine sogar mit einem relativ modernen Gartenstuhl, die davon zeugen, dass Menschen die Nähe ihrer Vorfahren such(t)en, als Trost, als Bestätigung der Bindung oder als Ruhepunkt im unbeständigen Leben.
Andere Geschichten handeln von unerfüllten Hoffnungen, wie der Grabstein eines Fliegers aus dem ersten Weltkrieg. Die Eltern des jungen Mannes hatten sogar auf den Grabstein schreiben lassen, in welcher Berufsausbildung sich ihr Sohn befand, als er brutal aus dem Leben gerissen wurde.
Sehr berührend und wegen der Aktualität natürlich ohne Fotos ist das Sternenkindergrabfeld. Bunte Windspiele, Kuscheltiere, Laternchen, Spielzeugautos und viele kleine persönliche Statements zeigen anschaulich, dass die Trauer um ein Baby, das nicht leben konnte, nicht in einer bestimmten Zeit „abgearbeitet“ werden kann, wie es von der Gesellschaft mehr oder weniger unterschwellig aber oft erwartet wird. Werten will ich nichts davon.

Besonders empfinde ich auf Friedhöfen immer den Geruch, nach vielen Pflanzen, großen Bäumen und kleinen Stauden, im Herbst gern auch etwas modrig, nach Vergehen. Die Vögel singen zu fast jeder Jahreszeit, weil sich hier viele Nistplätze finden. Auf dem Nordfriedhof gibt es auch eine große Saatkrähenkolonie. Menschen werkeln an den Gräbern, erholen sich auf Sitzbänken am Wegesrand, führen ihren Hund spazieren oder schlendern einfach herum, so wie ich. Keine hundert Meter entfernt ist eine große Ausfallstraße mit viel Verkehr, auf der anderen Seite liegt die Weser und die Kanalschleusen, gegenüber der Weser beginnt das Industriegebiet. Aber hier ist von Alltag, Hektik und Lärm nichts spürbar. Ein bisschen wie ein Kokon, in dem die Zeit eine untergeordnete Rolle spielt.

Friedhöfe sind Orte der Trauer, keine Frage. Aber sie sind auch Orte der Besinnung, des Luftholens und der Hoffnung. Ob es nun die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ist, die Gewissheit, dass Schmerzen und Leid ein Ende finden oder schlicht und einfach ein Ort, der ein innehalten in der Hektik ermöglicht. Sie können dadurch ebenso Kraftorte sein. Alles das hat seine Berechtigung.

Fotoprojekt Herbst Teil 3

Für die dritte Woche von Rolands Fotoprojekt brauchte ich etwas länger, denn obwohl sich die Blätter schön bunt färben (kalte Nächte und relativ warme, sonnige Tage sind hilfreich), bleiben sie zum großen Teil noch hängen.

Es ist also noch nicht so einfach mit dem Motto „Spaziergänge durch raschelndes Herbstlaub“. Hm. Aber heute hatte ich wieder meine Mittwochs-Auszeit und machte mich auf die Suche. Wo gibt es in einer Stadt mehr Bäume als auf einem alten, gut eingewachsenen Friedhof? In Minden zumindest im Glacis, aber das war mir fußläufig zu weit weg. Also Nordfriedhof.

Nun ist es aber auch so, dass auf Friedhöfen fleißige Friedhofsgärtner unterwegs sind. Aber ich hatte beobachtet, dass die Linden zurzeit am meisten Laub abwerfen, also auf zu einer Lindenallee auf dem Friedhof:

Naja, wie gesagt, fleißige Gärtner und so. Aber geraschelt hat es, ich schwöre. Zumindest, wenn die Vögel im Laub herumgehüpft sind😀.

Aber der kurze Spaziergang hat mich auch noch zu einigen anderen Fotos und Gedanken inspiriert, auf die ich demnächst ein wenig ausführlicher eingehen werde.

Warum?

Im Augenblick dreht sich bei mir ein ganzes Knäuel von Fragen im Kopf. Und alle beginnen mit „Warum…?“

Begonnen hat das vor ein paar Tagen, als ein Artikel in der Zeitung stand über Greta Thunberg und ihr Buch, das demnächst erscheint. Zugegeben, ich fand die Headline des Artikels etwas unglücklich, sie lautete: „Thunberg: Asperger half mir, «Bullshit» zu durchschauen“. Wobei es ja nicht mal grundfalsch ist, haben doch viele Menschen, die im Spektrum angesiedelt sind, sehr gute analytische Fähigkeiten, weil sie Themen von allen Seiten gründlichst durchleuchten und sehr detailversessen sind. (Möglicherweise ist es aber auch genau das, was andere wiederum auf die Palme bringt, wer weiß.)
Und darunter ein Leserkommentar, der in dem bekannten Tenor verfasst war, sie habe zwar nichts gelernt und nichts erreicht, aber heutzutage könne man ja auch so eine Menge Geld verdienen (Ja, das gibt es tatsächlich, ich weiß. Wann wurde Influencer eigentlich zum Beruf?) Inzwischen habe ich geradezu körperliches Unbehagen, wenn ich solche Dinge lese oder höre.

Nicht nur als Mutter einer Betroffenen schmerzt mich ein solches pauschales Abkanzeln einer Person, von der man nichts weiß als das, was in den Medien berichtet wird. Es ist vielmehr die um sich greifende Bereitschaft, Tatsachen, Meinungen, Haltungen oder Erkenntnisse, die man für sich selbst als unwichtig abgelegt hat, in Bausch und Bogen runterzumachen.

Ich halte es für menschlich und normal, dass sich nicht jeder Mensch auf der Erde für die Einzelheiten der Klimakrise so interessiert. Es gibt ja auch eine Menge andere Themen, die ebenfalls wichtig sind. Natürlich wäre es wünschenswert, dass sich möglichst viele für einen Umgang mit der Umwelt einsetzen, der auch zukünftigen Generationen noch eine lebenswerte Welt ermöglicht. Aber erzwingen kann man das eher nicht. Das ist auch nicht so sehr mein Problem.

Es ist vielmehr dieses diffuse Gefühl, dass Menschen nicht zur Differenzierung bereit sind. Nach dem Motto „Und wenn du nicht mein Freund bist, kannst du nur mein Feind sein“.
Mal ganz ernsthaft, wer lobt denn immer alles in den Himmel, was der eigene Lebenspartner, die Mutter oder das Kind, die beste Freundin, der Kumpel mit der absoluten Ahnung von Motoren oder sonst jemand im eigenen Umfeld von sich gibt? Wie langweilig wäre es denn, wenn wir immer alle derselben Meinung wären und dieselbe Sichtweise auf bestimmte Dinge hätten?

Es gäbe dann keinen Versöhnungssex, keine Erziehung, keine Kompromisse, vor allem keinen wissenschaftlichen, technologischen oder gesellschaftlichen Fortschritt. Alle diese Sachen sind auf konstruktiv geäußerte und angehörte Meinungsunterschiede angewiesen.

Ich kann jemanden von ganzem Herzen lieben und trotzdem sagen: „Was du da sagst, ist aus meiner Sicht und Erfahrung Käse“ und ich kann auch Menschen (zum Beispiel Politiker oder Journalisten), die absolut nicht für das einstehen, was mir gut und wichtig erscheint, anerkennend zugestehen, wenn sie zu einem umstrittenen Thema etwas zu sagen haben, was ich auch so unterschreiben würde. Dabei fällt niemandem ein Zacken aus der Krone. Ebenso wenig, wenn ich Menschen ausreden lasse und mir anhöre, was sie zu sagen haben und warum sie zu bestimmten Schlüssen kommen. Aber in solchen Situationen kommt das „Warum“ häufig viel zu kurz. Weil manche schlicht nicht an Hintergrundinformationen oder anderen Lebenserfahrungen interessiert sind.

Selbst bei ganz einfachen Themen schießen die Überreaktionen ins Kraut: mehrere Leute hatten bei der Lokalzeitung angerufen, weil eine A400 im Tiefflug über Minden gesichtet wurde. Man stelle sich vor: Es gibt sie noch, die Menschen, die der Meinung sind, Lokalredakteure könnten über solche Vorgänge Bescheid wissen. Die Redakteure haben recherchiert (also „ihren Job gemacht“) und das Ergebnis in einem kurzen Hintergrundartikel veröffentlicht (Es ist im Grunde ganz einfach: Die Maschine war im Anflug auf den Fliegerhorst Wunstorf. Der ist nicht so weit weg von uns hier, die Teile sind dort stationiert und wer hier schon länger wohnt, kennt die Transalls, die lange Jahre nördlich der Gebirgskette entlangflogen. Aber: nicht alle wohnen schon seit Generationen hier.) Leserkommentar: „Und am Samstag fuhr ein blauer LKW über die Weserbrücke. Das war aufregend!“ Haha. Ist eventuell ein klitzekleiner Unterschied zwischen einem LKW und einem Transportflugzeug der Bundeswehr. Zumal in der aktuellen Zeit, wo sich die Leute auch bei den jährlichen BW-Übungen an der Weser stets bange fragen, ob man sich da schon auf Krieg vorbereitet.
Ja. Genau dafür üben die das. Immer wieder. Aber nicht für den Ukrainekrieg. Sondern grundsätzlich. Profi-Fußballer trainieren auch jeden Tag, ebenso Starpianisten. Nur üben Soldaten etwas, wovon sich niemand wünscht oder gar erhofft, einmal teilzunehmen. Von einigen gut bezahlten Söldnertruppen mal abgesehen.

Während ich dieses hier schreibe, kommt mir ein Zitat aus dem Buch „Wir können auch anders“ in den Sinn, wo Maja Göpel einen Sozialwissenschaftler zitiert, ungefähr so: Wir leben in der besten und (gleichzeitig) schlimmsten Zeit. Ich bekomme das nicht wörtlich auf die Reihe, habe es auch leider nicht notiert, aber jetzt gerade kommt mir dieser Ausspruch so logisch vor.

Anscheinend leben wir in der Matrix und es gibt einen schwerwiegenden Ausnahmefehler in der Software. Hoffen wir, dass der oberste Programmierer bald ein Hotfix sendet. Oder gibt es am Ende gar keine Matrix und erst recht keinen obersten Programmierer?

Mit dieser herausfordernden Fragestellung wünsche ich allerseits ein schönes Herbstwochenende.

Bestens vorbereitet

Der Winter kann kommen. Das Nähzimmer ist bereit und funktionstüchtig. Ein paar Projekte liegen noch auf Halde, unter anderem eine Gewichtsdecke für einen Kindergarten, die kommt in den nächsten Tagen auch unter die Maschine. Ebenso bestellte Topflappen und Spültücher.

Aber auf Zuruf habe ich am letzten Wochenende erstmal eine kleine Gewichtsdecke für das Enkelchen dazwischengeschoben, denn der kleine Mann liegt noch im Wärmebettchen und ist oft sehr unruhig. Dafür habe ich kurzerhand eine Kirschkerndecke genäht, die später dann als Kissen umgenutzt und gegen Bauchweh eingesetzt werden kann. Und weil Babys nun mal gern sabbern, habe ich einen Bezug mit Hotelverschluss dazu gefertigt. Dann kann auch mal eine Wäsche eingeschoben werden, ohne dass die Kirschkerne leiden.

Heute habe ich ganz kurz entschlossen eine Heimat für eine Strickarbeit geschaffen, damit ich immer alles (Anleitung, Bandmaß, Stricknadeln, Stift, Notizbuch und Wolle) komfortabel mitnehmen kann:

Die Anleitung und der Schnitt sind von Pattydoo (es gibt keine Kooperation, ich bekomme nichts dafür, aber falls euch das Teil gefällt, dort findet ihr die Infos.)

Einen Vorhang für einen Teil unseres Flurs, der früher mal eine Diele war, habe ich auch in Angriff genommen, aber da brauche ich wegen des Gewichtes ein wenig tatkräftige Hilfe, wenn der Mann vom England-Törn zurück ist. Chenille im Format 2,70 x 3,00 Meter wiegt eben😮.

Das Zeug zu wuppen gleicht einem Workout für die Arme und Schultern

Zu guter Letzt habe ich reichlich Wolle: für jede Menge warme Socken, eine Jacke, einen Poncho und einen Herrenpullover. Wenn gar nichts anderes mehr geht, werde ich mich halt warmstricken.

Auf die Plätze, fertig, los! (Und bloß keine Ausflüge mehr in Woll- oder Stoffgeschäfte in der nächsten Zeit…)

Immer noch Mittwoch…

… aber inzwischen ist Abenddämmerung. Der Tag war positiver als am Morgen noch gedacht.

Uh, der Zoom hat der Szene nicht gut getan. Aber ich wollte die Straße nicht im Bild haben…

Da das Wetter lockte und morgen die Biotonnen geleert werden, habe ich den Efeu beschnitten, der unsere Haustür zu überwuchern drohte. Weil ziemlich alle, die zu uns kommen, immer nur den Hintereingang benutzen, war es mir über den Sommer nicht so wirklich aufgefallen, vermutlich auch, weil alles andere vor sich hinkümmerte, nur der Efeu nicht. Irgendwann bringt mich Efeu immer zum Serien-Niesen, aber ich habe es geschafft, die Tonne vorher voll zu bekommen. Ein paar Herbstfotos sind auch entstanden.

Kühle Farben bei den letzten Blüten treffen auf herbstlich-warme Hagebutten.

Ob ich daraus noch Marmelade koche? Oder sie für Tee trockne?

Ein bisschen konnte ich auch noch ernten, die Pflanzen samt der ausgelaugten Erde kommen dann in den nächsten Tagen auf den Kompost:

Kleine Naschpaprika, drei (!) Jalapenos, ein paar Chilischoten und einige Tomaten, die Papiertüte auf dem rechten Bild beherbergt die noch unreifen Tomaten, die dort noch nacherröten sollen. Und morgen werde ich Nüsse aufsammeln, die es reichlich gibt, ebenso wie Kastanien, Bucheckern und Eicheln.

Einen schönen Abend allerseits, ich verabschiede mich, mit dem Tag versöhnt, zu meinem Strickzeug. Warme Socken in Serienproduktion…

Mittwoch – und die Woche nimmt kein Ende

Außer der Mitte der Woche ist heute nachrichtentechnisch ein merkwürdiger Tag. Ein Tag, der das gesellschaftliche Phänomen der kognitiven Dissonanz so richtig auf den Punkt bringt, wenn ich unser lokales Presseerzeugnis aufschlage.

Habeck und Baerbock sind nicht mehr die beliebtesten Politiker Deutschlands. Abgelöst wurden sie von – tädää – Markus Söder. Ja, der Söder-Markus. Der Mann aus dem Süden Deutschlands, der zu allem einen schlauen Spruch auf den Lippen hat, alles besser weiß und in sehr konkreten Situationen entweder auffallend unkonkret wird oder auch einfach mal seine Meinung um 180 Grad dreht. Der außer seinem eigenen Freistaat nichts anführen muss und deswegen zu allem möglichen etwas beisteuern kann, ohne jemals in die Verlegenheit zu geraten, dazu auch in unbequemen Situationen stehen zu müssen. Im Gegensatz zu erstgenannten Personen. Und überhaupt, der „Beliebtheitswert“ eines Politikers sagt rein gar nichts darüber aus, wie integer und sorgfältig er seine Arbeit macht. Mehr als Facelifting ist es nicht, aber es klingt halt gut. Abgehakt.

In unserem Landkreis gibt es Moorflächen und an diese angrenzende, ebenfalls moorige Gebiete von hohem Rang. Sogar international ist dieses Naturschutzgebiet und die Umgebung bedeutsam (siehe unter anderem Wikipedia). Aber die Gegend wird auch landwirtschaftlich genutzt. Im Moor selbst nur extensiv durch Beweidung mit einer Schafherde, die verhindert, dass zu viele Bäume aufwachsen können und damit das Moor seinen Charakter und teilweise auch die Funktion verliert. Die angrenzenden Bastauwiesen werden teilweise entwässert und als Ackerland genutzt. Gerade in der aktuellen Zeit, in der regional hergestellte Lebensmittel wieder mehr in den Fokus rücken, tut sich hier ein Interessenskonflikt auf, dessen Lösung der Quadratur des Kreises gleicht: Die Landwirte fürchten um ihre Existenzgrundlage, wenn sie nicht mehr so stark entwässern dürfen, weil dann kein Ackerbau mehr möglich ist. Die Naturschutzbehörden sehen, dass die CO2-Senke gefährdet ist und sich sogar zu einer CO2-Schleuder wandeln könnte, wenn weiterhin große Gebiete entwässert werden.
Ich kann Argumente auf beiden Seiten bestens nachvollziehen, und dann kommt ja auch noch ein dritter Akteur, der (Gesundheits-)Tourismus ins Spiel. Naturverträglicher Tourismus, aber auch die sogenannten „Bauernbäder“ der Gemeinde Hille, die unter anderem Rheumapatienten mit Moor behandeln.
Ich frage mich einerseits, wie wichtig eine gesunde Ernährung und Lebensweise ist, wenn die Umweltbedingungen zerstörerisch sind und andererseits, wie man eine nachhaltige Umwelt entwickeln kann, wenn die Menschen um ihr Auskommen fürchten. Diesen Knoten müssen nicht nur die Akteure hier im Kreis lösen, sondern überall auf der Welt.

Vielleicht wäre hier bei uns eine Kompromissfindung möglich, zum Beispiel, indem man versucht, die landwirtschaftliche Nutzung an die Gegebenheiten der Umgebung (statt umgekehrt) anzupassen: durch extensive Haltung von Wasserbüffeln und die Käserei von Büffelmozzarella beispielsweise und den Verkauf der entstandenen Produkte unter anderem auch an den biologischen Stationen, mit einem lokalen Siegel der Behörden versehen. Irgendwas in dieser Richtung.

Anderes Thema, aber im Grunde genommen ähnliche Ausrichtung: Energiesicherheit bzw. der befürchtete Mangel an ebendieser. Die Angst vor Blackouts (schon Marc Elsberg gelesen?) geht um, ebenso die Angst vor unerträglicher Kälte (und Schimmel!) im Winter.
Von der Politik wird erwartet, diese tatsächlichen und befürchteten Probleme zu lösen, und zwar Pronto! Aber weder durch den Zubau von regenerativen Energien (man möchte doch bitte keine Windräder in der eigenen Umgebung), noch durch das Weiterlaufen von fossilen Brennstoffen (kein Abbaggern von Dörfern mehr für Braunkohle), weder importiertes Frackinggas (wer möchte schon gern auf die Scheichs angewiesen sein, obwohl wir das auch beim Öl lange waren, oder im schlimmsten Fall in drei Jahren wieder auf den orangenen Golfer aus den USA). Für und gegen alles davon gibt es valide und nachvollziehbare Gründe.
UND ERST RECHT KEINE PERSÖNLICHEN EINSCHRÄNKUNGEN!
Dann doch lieber weiter das bekannte Übel nutzen, das da Atomstrom heißt (aber die Endlagerung vertagen wir auf später, dann erleben wir das nicht mehr) oder auch gleich weiter beim russischen Bären einkaufen (der verdient sich ja so oder so eine goldene Nase, da können wir dann auch ruhig den Gegenwert in Gas bekommen).
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Not in my Backyard. Hannemann, geh du voran. Wie im Kindergarten: „Aber der…, dann darf ich auch…!“ Samt Schmoll-Schnute.
Kopf – Wand.
Solange wir es nicht schaffen, aus diesem Hamsterrad herauszufinden, fällt es mir schwer, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ich versuche es trotzdem, aber manchmal (ver-)zweifele ich am Konzept Menschheit.

Übrigens bringt die Sendung „Maischberger“ vom 4. Oktober diese sehr zwiespältige Haltung gut auf den Punkt. Auch wenn ich kein Talkshow-Fan bin, hier hatte ich das Gefühl, man ging mit Differenzierung an die Themen heran, ordnete ein und trotzdem konnte ich bei der ernsthaften Thematik dann und wann herzhaft schmunzeln (eine gewisse Katharsis ist auch wichtig).

Abschließend noch dieses: Ich bin oft ratlos, ich weiß auch nicht, wie die vielen Krisenherde zu lösen sind. Aber bei einem bin ich mir sicher: es klappt nicht, wenn alle aufeinander eindreschen, wenn unkonventionelle Lösungsansätze niedergemacht und Kritiker von allen Seiten mundtot gemacht werden. Es klappt aber auch nicht, wenn man einfach denen nachläuft und die hofiert, denen menschliche, ethische und gesellschaftliche Werte nichts gelten, die manchmal sogar wörtlich über Leichen gehen und alles platt machen, was je an Konsens gewonnen wurde.

3. Oktober

Heute war ich schon recht früh mit Kalle unterwegs, es gab einiges nachzudenken, da kam mir der herbstliche, etwas verhangene Sonnenaufgang ziemlich gelegen.

Es ist schon merkwürdig. Werden und vergehen, ein ewiger Kreislauf von Leben und Sterben, Altes geht und Neues kommt. In der Natur, die unsere Lebensgrundlage bildet (auch wenn wir uns das viel zu selten bewusst machen), aber auch in unseren menschlichen Gesellschaften. In unseren Ideen, wie wir Menschen gut zusammenleben können. Und weil es ein Kreislauf ist, ist es möglicherweise auch nicht ganz verwunderlich, warum auch alte, längst abgearbeitet geglaubte Visionen von Großreichen und Ideologien immer mal wieder aufkeimen.

Während ich also mit Kalle die Landschaft durchstreife, versuche ich zu verstehen, warum es immer wieder passiert, dass Menschen ihre Stimme denen geben, die rückwärts wollen. Selbst in einem Land wie unserem, das die letzten Jahre immer noch recht gut durch alle Krisen gekommen ist, zumindest im Vergleich mit anderen Ländern. Gerade am heutigen Feiertag macht mich das ratlos und betroffen. Natürlich ist mir bewusst, dass es auch bei uns Luft nach oben gibt, wo gibt es das nicht? Und auch, dass vor 32 Jahren nicht alles nur gut gelaufen ist, weil es „Investoren“ und andere zwielichtige Gestalten gab, die nur Reibach machen wollten, weil es Kungeleien gab, die nicht in Ordnung waren und weil viele dem Osten nur den Westen überstülpen wollten, statt einen Kultur- und Wissenstransfer in beide Richtungen ins Leben zu rufen. Ein Geben und Nehmen zu initiieren. Auch wir im Westen hätten viel mehr lernen können.

Kurz entschlossen nehmen wir die Route durch den Wald zurück in Richtung Dorf. Einer meiner bevorzugten „Spielplätze“, als ich so 10-12 Jahre alt war, mein Rückzugsort als Jugendliche, wenn ich mit der Welt und Mitmenschen haderte. Selbst der Bach sieht heute nicht mehr aus wie damals. Unsere Staudämme und auch die, die noch von der Generation Dorfkinder nach uns gebaut wurden, sind längst weg. Der Bach ist schmaler geworden, ein Rinnsal fast, kein Wunder nach diesem letzten Sommer. Landmarken, die mir vor 40 Jahren immer zuverlässig zeigten, wo ich mich befinde, sind überwuchert.
Überwuchert wie dieses hier:

Es ist kaum erkennbar und zu glauben, aber dieses sind die letzten Überreste einer großen Waage. Im Wald gab es einen Steinbruch. Als ich ganz klein war, habe ich noch ein paar letzte Transporte von Sandstein erlebt, die dort abgebaut, verladen und gewogen wurden. Als halbwüchsige Kinder fanden wir es lustig, mit mehreren auf dieser Anlage herumzuhüpfen, weil wir neugierig waren, ob wir die Waage zum Schwingen bringen. Seither wächst alles zu, das Wiegehaus ist schon lange komplett verschwunden. Und den Steinbruch, in dem wir als Heranwachsende herumgeklettert sind und taten, als seien wir berühmte Archäologen (und sogar den einen oder anderen Ammoniten fanden), erahnt man heute bestenfalls hinter dichten, wildwachsenden Bäumen, Brombeerhecken und Brennnesseln.

Den Weg nach Hause, den gibt es noch. Wenigstens etwas. Dem folgten wir, denn eine Lust auf Kaffee (nur bei mir) und Frühstück (bei uns beiden) kam auf.

Erntedankbrot, gebacken aus heimischem Getreide, gespendet vom Müller aus dem Nachbarort, gibt es jedes Jahr nach dem Erntedankgottesdienst für alle. Ich lasse es mir schmecken und denke an meinen Liebsten, der ab heute über den Kanal nach England segelt und wieder zurück. Ein kleines Abenteuer und ein lange gehegter Wunsch.

Während ich dieses schreibe, spielt unsere Tochter auf dem Klavier die Begleitstimme zu Nothing else matters, was ich als passend und wunderschön empfinde.

Erntedank 2022

Ich empfinde das Erntedankfest in diesem Jahr ganz besonders. Der Krieg in der Ukraine und die lange Trockenheit im Sommer, die Ungewissheit, was im Winter an gesundheitlichen und energietechnischen Einschränkungen auf uns zukommen mag, machen nachdenklich.
Gestern hat sich unser Nachbar bei mir fast schon für die kleinen Kartoffeln entschuldigt. Warum? Wer auch nur ein Fünkchen nachdenkt, kann ohne Wasser keine fetten Feldfrüchte erwarten. Und satt machen auch kleine Kartoffeln. Aber die Erwartungshaltung ist halt oft eine andere.

Die Erntegaben in unserer Kirche

Hier ist der Predigttext für heute, den 2. Oktober 2022 – Erntedankfest

5. Mose 8, 7-18 (Gutes Leben Übersetzung)

7 Denn der HERR, euer Gott, bringt euch in ein gutes Land. Dort gibt es Flüsse, Seen und Quellen, die in den Tälern und Bergen entspringen,
8 und Weizen und Gerste, Weinstöcke und Feigenbäume, Granatäpfel, Ölbäume und Honig.
9 Es ist ein Land, in dem ihr euch satt essen könnt und es euch an nichts fehlen wird. Ein Land, in dem die Steine Eisen enthalten und aus dessen Bergen du Kupfer abbauen kannst.
10 Wenn ihr dann gegessen habt und satt seid, sollt ihr den HERRN, euren Gott, für das gute Land, das er euch gegeben hat, loben.
11 Passt aber auf, dass ihr den HERRN, euren Gott, nicht vergesst und dann seine Gebote, Vorschriften und Gesetze, die ich euch heute gebe, nicht mehr befolgt.
12 Wenn ihr genug zu essen habt und euch prächtige Häuser baut und darin wohnt,
13 und wenn eure Schaf-, Ziegen- und Rinderherden groß werden und ihr viel Gold, Silber und vieles andere besitzt,
14 dann werdet nicht überheblich und vergesst nicht den HERRN, euren Gott, der euch aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat.
15 Er hat euch durch die große, schreckliche Wüste mit ihren wasserlosen Gegenden, ihren Giftschlangen und Skorpionen geführt. Er ließ euch Wasser aus dem Felsen sprudeln
16 und gab euch in der Wüste Manna zu essen, eine Speise, die eure Vorfahren bis dahin nicht kannten. Auf diese Weise wollte er euch demütig machen und auf die Probe stellen, um euch letztendlich mit Gutem zu beschenken.
17 Denkt nur nicht, ihr wärt aus eigener Kraft und Anstrengung reich geworden.
18 Erinnert euch vielmehr daran, dass es der HERR, euer Gott, ist, der euch die Kraft gibt, Reichtum zu erwerben. Denn er erfüllt den Bund, den er mit euren Vorfahren schloss und der jetzt noch gilt.

Der Text ist uralt. Er handelt von der sogenannten „Landnahme Israels“, der Eroberung Kanaans. Historisch gesehen hat es sich vermutlich eher nicht so abgespielt wie in der Bibel erzählt. (Ehrlich gesagt, finde ich das auch zweitrangig, ob es eins zu eins so stattgefunden hat. Wichtiger ist der Sinn hinter der Erzählung)

Etwas verkürzt und gestrafft ausgedrückt:
Es ist kein ganzes „Volk“ im heutigen Sinne durch die Wüste gezogen und hat ein komplettes anderes „Volk“ von seinem angestammten Boden vertrieben. Insgesamt waren es vermutlich eher kleinere Stammesverbände, die sich über einen längeren Zeitraum ein Gebiet angeeignet haben. Die bisherigen Bewohner dürften teilweise parallel zu den Neuankömmlingen an ihren Wohnorten weitergelebt haben, sich auch durch Heirat miteinander vermischt haben, einige sind bestimmt auch fortgezogen. Die allermeisten Menschen lebten damals in den Ländern des nahen Ostens sowieso zumindest halbnomadisch.

Der Zeitraum, in dem das geschah, war um das 12. Jahrhundert vor Chr. herum, verschriftlicht wurde das alles wahrscheinlich sogar erst Jahrhunderte später, während des babylonischen Exils der Israeliten (rd. 600 -530 v. Chr.). Denn erst dort, im Exil, bildete sich ein tragfähiges religiöses Bewusstsein mitsamt einer Historie. Das brauchten die Menschen, um sich ihrer Identität in der Fremde bewusst zu werden und nicht haltlos zu werden.
(Um es mal zu vergleichen: Was wir heute als „deutsche Geschichte“ betrachten, ist auch über lange Jahrhunderte die Geschichte zahlreicher rivalisierender Kleinstaaten, Dynastien, Fürstentümer, die je nach Gusto des jeweiligen Landesherrn nach der Reformation auch noch entweder katholisch oder reformiert waren. Die Preußen, Habsburger, Hohenzollern und wie sie alle hießen, jagten sich gegenseitig Gebiete ab, verbündeten oder bekämpften sich, schlossen und brachen Allianzen und heirateten sich gegenseitig oft aus politischen und strategischen Erwägungen.)

Während ich den Bibeltext lese und mir meine Gedanken dazu mache, den Hintergrund aufschreibe, denke ich daran, wie wenig sich doch im Grunde geändert hat. Wie aktuell der Text doch eigentlich immer noch ist.

Ob wir uns Gott als einen alten Mann mit Rauschebart und weißem Gewand vorstellen oder als ein Auge in einem Dreieck, das über einer Wolke schwebt, eine eher diffuse Ahnung haben, mit einem göttlichen Prinzip überhaupt nichts zu tun haben wollen oder einfach dem Geld huldigen, ist dabei total egal.

Solange es uns gutgeht, solange wir alles haben, was wir zum Leben brauchen oder zu brauchen meinen, noch dazu ein kleines (oder gern auch größeres) „Nice to have“ obendrauf sitzt und alles glatt geht, nehmen wir es als selbstverständlich hin.

Aber sobald etwas passiert, was uns dieser Selbstverständlichkeit beraubt, eine Naturkatastrophe, ein kriegerischer Aggressor oder auch nur unser jahrzehntelanger schluderiger Umgang mit der Welt, suchen wir Schuldige. Und zwar immer sehr gern bei „den Anderen“, nie bei uns selbst. Unsere eigene Fahrlässigkeit oder Gleichgültigkeit unterschlagen wir gern.

Und jetzt bleibe ich ein bisschen ratlos zurück nach meiner Analyse. Denn ich selbst bin ja auch nicht besser. Ich bin viel zu oft ein Teil der gedankenlosen Masse. Ich habe auch kein Patentrezept, wie wir das alles überwinden können.
Ich glaube, ich wünsche uns allen einfach nur mehr Bewusstsein für die Welt, ihre Geschöpfe und wunderbaren Landschaften, die Einzigartigkeit unseres blauen Planeten als Lebensgrundlage in diesem riesigen Universum. Und Dankbarkeit.

Einen schönen und dankbaren Erntedanktag wünsche ich allen.

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