Mittwoch – und die Woche nimmt kein Ende

Außer der Mitte der Woche ist heute nachrichtentechnisch ein merkwürdiger Tag. Ein Tag, der das gesellschaftliche Phänomen der kognitiven Dissonanz so richtig auf den Punkt bringt, wenn ich unser lokales Presseerzeugnis aufschlage.

Habeck und Baerbock sind nicht mehr die beliebtesten Politiker Deutschlands. Abgelöst wurden sie von – tädää – Markus Söder. Ja, der Söder-Markus. Der Mann aus dem Süden Deutschlands, der zu allem einen schlauen Spruch auf den Lippen hat, alles besser weiß und in sehr konkreten Situationen entweder auffallend unkonkret wird oder auch einfach mal seine Meinung um 180 Grad dreht. Der außer seinem eigenen Freistaat nichts anführen muss und deswegen zu allem möglichen etwas beisteuern kann, ohne jemals in die Verlegenheit zu geraten, dazu auch in unbequemen Situationen stehen zu müssen. Im Gegensatz zu erstgenannten Personen. Und überhaupt, der „Beliebtheitswert“ eines Politikers sagt rein gar nichts darüber aus, wie integer und sorgfältig er seine Arbeit macht. Mehr als Facelifting ist es nicht, aber es klingt halt gut. Abgehakt.

In unserem Landkreis gibt es Moorflächen und an diese angrenzende, ebenfalls moorige Gebiete von hohem Rang. Sogar international ist dieses Naturschutzgebiet und die Umgebung bedeutsam (siehe unter anderem Wikipedia). Aber die Gegend wird auch landwirtschaftlich genutzt. Im Moor selbst nur extensiv durch Beweidung mit einer Schafherde, die verhindert, dass zu viele Bäume aufwachsen können und damit das Moor seinen Charakter und teilweise auch die Funktion verliert. Die angrenzenden Bastauwiesen werden teilweise entwässert und als Ackerland genutzt. Gerade in der aktuellen Zeit, in der regional hergestellte Lebensmittel wieder mehr in den Fokus rücken, tut sich hier ein Interessenskonflikt auf, dessen Lösung der Quadratur des Kreises gleicht: Die Landwirte fürchten um ihre Existenzgrundlage, wenn sie nicht mehr so stark entwässern dürfen, weil dann kein Ackerbau mehr möglich ist. Die Naturschutzbehörden sehen, dass die CO2-Senke gefährdet ist und sich sogar zu einer CO2-Schleuder wandeln könnte, wenn weiterhin große Gebiete entwässert werden.
Ich kann Argumente auf beiden Seiten bestens nachvollziehen, und dann kommt ja auch noch ein dritter Akteur, der (Gesundheits-)Tourismus ins Spiel. Naturverträglicher Tourismus, aber auch die sogenannten „Bauernbäder“ der Gemeinde Hille, die unter anderem Rheumapatienten mit Moor behandeln.
Ich frage mich einerseits, wie wichtig eine gesunde Ernährung und Lebensweise ist, wenn die Umweltbedingungen zerstörerisch sind und andererseits, wie man eine nachhaltige Umwelt entwickeln kann, wenn die Menschen um ihr Auskommen fürchten. Diesen Knoten müssen nicht nur die Akteure hier im Kreis lösen, sondern überall auf der Welt.

Vielleicht wäre hier bei uns eine Kompromissfindung möglich, zum Beispiel, indem man versucht, die landwirtschaftliche Nutzung an die Gegebenheiten der Umgebung (statt umgekehrt) anzupassen: durch extensive Haltung von Wasserbüffeln und die Käserei von Büffelmozzarella beispielsweise und den Verkauf der entstandenen Produkte unter anderem auch an den biologischen Stationen, mit einem lokalen Siegel der Behörden versehen. Irgendwas in dieser Richtung.

Anderes Thema, aber im Grunde genommen ähnliche Ausrichtung: Energiesicherheit bzw. der befürchtete Mangel an ebendieser. Die Angst vor Blackouts (schon Marc Elsberg gelesen?) geht um, ebenso die Angst vor unerträglicher Kälte (und Schimmel!) im Winter.
Von der Politik wird erwartet, diese tatsächlichen und befürchteten Probleme zu lösen, und zwar Pronto! Aber weder durch den Zubau von regenerativen Energien (man möchte doch bitte keine Windräder in der eigenen Umgebung), noch durch das Weiterlaufen von fossilen Brennstoffen (kein Abbaggern von Dörfern mehr für Braunkohle), weder importiertes Frackinggas (wer möchte schon gern auf die Scheichs angewiesen sein, obwohl wir das auch beim Öl lange waren, oder im schlimmsten Fall in drei Jahren wieder auf den orangenen Golfer aus den USA). Für und gegen alles davon gibt es valide und nachvollziehbare Gründe.
UND ERST RECHT KEINE PERSÖNLICHEN EINSCHRÄNKUNGEN!
Dann doch lieber weiter das bekannte Übel nutzen, das da Atomstrom heißt (aber die Endlagerung vertagen wir auf später, dann erleben wir das nicht mehr) oder auch gleich weiter beim russischen Bären einkaufen (der verdient sich ja so oder so eine goldene Nase, da können wir dann auch ruhig den Gegenwert in Gas bekommen).
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Not in my Backyard. Hannemann, geh du voran. Wie im Kindergarten: „Aber der…, dann darf ich auch…!“ Samt Schmoll-Schnute.
Kopf – Wand.
Solange wir es nicht schaffen, aus diesem Hamsterrad herauszufinden, fällt es mir schwer, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ich versuche es trotzdem, aber manchmal (ver-)zweifele ich am Konzept Menschheit.

Übrigens bringt die Sendung „Maischberger“ vom 4. Oktober diese sehr zwiespältige Haltung gut auf den Punkt. Auch wenn ich kein Talkshow-Fan bin, hier hatte ich das Gefühl, man ging mit Differenzierung an die Themen heran, ordnete ein und trotzdem konnte ich bei der ernsthaften Thematik dann und wann herzhaft schmunzeln (eine gewisse Katharsis ist auch wichtig).

Abschließend noch dieses: Ich bin oft ratlos, ich weiß auch nicht, wie die vielen Krisenherde zu lösen sind. Aber bei einem bin ich mir sicher: es klappt nicht, wenn alle aufeinander eindreschen, wenn unkonventionelle Lösungsansätze niedergemacht und Kritiker von allen Seiten mundtot gemacht werden. Es klappt aber auch nicht, wenn man einfach denen nachläuft und die hofiert, denen menschliche, ethische und gesellschaftliche Werte nichts gelten, die manchmal sogar wörtlich über Leichen gehen und alles platt machen, was je an Konsens gewonnen wurde.

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

2 Kommentare zu „Mittwoch – und die Woche nimmt kein Ende“

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