Opposition und so

Es ist ganz schön herausfordernd, nur noch montags seinen Frust rauszulassen. So herausfordernd, dass ich schon begonnen habe, die Montage „redaktionell“ zu planen. Zum Glück (naja, das Attribut ist durchaus zweifelhaft in dem Zusammenhang) ist absehbar, dass so manche Aufregerthemen uns länger begleiten werden. Außerdem gilt es zu beachten, dass an dieser Stelle zwar auf Missstände hingewiesen werden soll, aber meine Absicht nicht ist, hier in eine Abwärtsspirale des Beschimpfens zu rutschen. Eher geht es darum, eine Art von Hilflosigkeit einzugestehen, auszudrücken, dass einiges schief läuft, ohne dass eine einzelne Person daran etwas ändern kann.

Uuuund: ACTION!

Was mich schon längere Zeit ziemlich anwidert, ist der grundsätzliche Ton zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Und zwar nicht nur in Bezug auf irgendwelche Parteien an den äußeren Rändern, sondern – und das finde ich viel bedenklicher – auch zwischen potenziellen Koalitionspartnern. Aktuell ganz konkret die bayerische Schwesterpartei derjenigen, die das Christentum im Namen tragen. Es bedarf schon einer gewissen Bigotterie, sich einerseits darauf zu berufen, dass christliche Werte wie Nächstenliebe, der wertschätzende Umgang mit dem Nächsten und ähnliches maßgeblich für den Umgangston sein sollten, aber dann wieder politische oder gesellschaftliche Gegner wahlweise als „Klimaterroristen“ oder „Schurkenstaat“ zu bezeichnen. Dabei habe ich sehr konkrete Bauchschmerzen. Nähmen Politiker einer gewissen Partei am zerfledderten Rand der Demokratie diese Worte in den Mund, würden sie zu Recht gerüffelt, aber wenn man blauweiß kariert ist und einen gamsbartgeschmückten Hut trägt (sorry für das Klischee), ist es in Ordnung? Kann da mal bitte verbal ganz schnell und sehr heftig abgerüstet werden?

In einer Demokratie wie unserer kann es nach der nächsten Bundestagswahl oder auch nach einer Landtagswahl sehr wohl passieren, dass man auf Partner angewiesen ist, die man kurz zuvor noch rhetorisch delegitimiert hat. Ist es nicht viel sinnvoller, durch besonnenes und wertschätzendes Reden und Handeln seine Kompetenz zur Schau zu stellen? Und ganz davon abgesehen, muss sich auch niemand wundern, dass manche Leute aus dem „Wahlvolk“ in Kontroversen jeglichen verbalen Anstand vermissen lassen, wenn selbst die Repräsentanten dieses Wahlvolkes für den schnellen rhetorischen Erfolg die Keulen rausholen.

Es gibt (nicht erst seit Kurzem) ernsthafte Probleme in unserem Land. Sowohl das zukünftige Klima (bezogen vor allem auf langfristiges Wetter – und auch ein bisschen auf die Gesellschaft) und dessen Herausforderungen als auch die vom Verfassungsgericht bereits seit 2009 geforderte Reduzierung des Bundestages auf die festgelegte Größe zählen dazu. Und ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb diejenigen, deren Job Beruf es ist, sich um solche Themen ordentlich und für die Menschen des Landes zu kümmern, hier nicht gemeinsam alles daran setzen, dieses in einer Weise zu tun, dass sie sich auch danach noch mit gegenseitiger Anerkennung begegnen können. Sie sitzen und arbeiten schließlich in Regierungsgebäuden, nicht bei Frau Maischberger oder Herrn Lanz. (Ich ahne oder vermute, warum manche daran kein Interesse haben, aber sie wollten gewählt werden, da müssen sie halt durch. Nichts tun ist keine Lösung und aus dem Kindergarten sind sie eindeutig raus.)

Debattenkultur, das Führen von Diskussionen und Streitgesprächen, rhetorisch sauber, gut recherchiert und respektvoll im Ton, das sollte man ungefähr in der achten Klasse lernen und sinnvollerweise nicht wieder vergessen. Das Ansehen der Demokratie und ihrer Institutionen dürfte auch davon profitieren.

Mein zweites Aufregerthema heute ist die zunehmende Ungleichheit beim Vermögenszuwachs global und in Deutschland. Ich habe mir eine Krücke (simpel, aber anschaulich) gebastelt, um die Dimensionen richtig zu erfassen:

Auch wenn reflexartig betont wird, dass die Einkommen gar nicht unbedingt weiter auseinanderklaffen, tröstet das nur wenig. Wenn ein bestimmtes Vermögen erstmal da ist, arbeitet es von ganz allein weiter. Ein Grund mehr für eine effektive Vermögensbesteuerung. Und nein, bei den genannten Vermögen geht es nicht im entferntesten um die notwendigen Produktionsmittel für mittelständische Betriebe, die besteuert werden sollen. Für solche Fälle können Regeln geschaffen werden. Wenn es denn geregelt werden soll. Zurzeit wird die tägliche Arbeit wesentlich stärker besteuert als das vor sich hin wuchernde Vermögen und es ist kein Ende in Sicht. Ich möchte ganz bestimmt nicht weltweit den Sozialismus oder die Abschaffung des Privatbesitzes propagieren, aber dass gleichzeitig die Vermögen der Superreichen und die Mittellosigkeit der Armen ansteigt, das ist einfach pervers.

Ein drittes Thema macht mich nachdenklich: Vordergründig geht es um die Organspende. Ich weiß, dass es kniffelig ist. Ich möchte auch nicht jemanden, für den es aus unterschiedlichen (ethischen, religiösen oder auch medizinischen) Gründen nicht in Frage kommt, „verdonnern“.
(Persönlich habe ich einen Organspendeausweis und bin typisiert. Sollte mein Knochenmark allerdings tatsächlich als Spende in Frage kommen, müsste ich ebenfalls abwägen, ob ich es verantworten kann, denn ich müsste vor einer Spende erst für ein Vierteljahr meine Rheumamedikation absetzen. Das könnte 1.) für eine Spende zu spät sein und 2.) bei mir einen akuten Schub verursachen, der dann mühselig wieder verarbeitet werden muss. Aber es könnte eben auch ein Leben retten.)
Ich bin der Meinung, dass es erwachsenen Menschen durchaus zuzumuten ist, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen und zu einer persönlichen Entscheidung zu kommen. Und sich auf der anderen Seite auch klarzumachen, was es für Spender und Empfänger bedeutet, wenn man selbst im Ernstfall ein Spenderorgan annehmen würde, aber selbst die Organspende ablehnt. Eine derart reflektiert getroffene Entscheidung ist dann natürlich auch zu akzeptieren. Und kann im Übrigen auch revidiert werden. Wenn diese Entscheidung nicht eingefordert wird, werden viele Menschen in Deutschland weiter auf Organe aus anderen Ländern angewiesen sein, in denen den Bürgern der Entscheidungsprozess zugemutet wird.

Und das reiht sich nahtlos ein in das (typisch deutsche?) Vorgehen auch in anderen Bereichen:
– selber Fracking ausschließen, aber Fracking-Gas aus anderen Ländern einkaufen (wobei hier die Lösung meiner Meinung nach nicht das Fracking in Deutschland wäre, da schaffen wir uns neue, weitere Bergschäden und Ewigkeitsaufgaben der Bergämter)
– Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben, weil in Deutschland keine Bereitschaft für gewisse Jobs vorhanden ist (warum wohl?), die dann aber in ihren Heimatländern als Leistungsträger fehlen
– Das jahrzehntelange Verlassen auf die militärische Macht der NATO, statt die eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhalten

Das sind alles gewachsene Probleme, die allesamt nicht trivial sind und vollen Einsatz brauchen – nicht das volle Aussitzen. Sie lassen sich nur lösen, wenn sie angepackt werden. Nicht durch das Runterzählen bis zum nächsten Wahlkampf oder der Nachfolgeregierung.

Zum Schluss passt ein kleiner Rückgriff auf die Sponti-Sprüche der 1980er Jahre:
Analog zur Werbung (von ESSO)

„Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!“

gab es wahlweise
„Es gibt viel zu tun. Fangt schon mal an!“
oder
„Es gibt viel zu tun. Lassen wir es liegen!“

Manchmal habe ich das (hoffentlich unzuverlässige) Gefühl, die beiden Verballhornungen haben sich bei einigen mehr durchgesetzt als das Original.

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

9 Kommentare zu „Opposition und so“

  1. Der „Schurkenstaat“ ging bislang tatsächlich an mir vorbei … Die derzeitige Art der Frontalopposition – gleich, ob durch die CSU oder die CDU von Friedrich-Mittelschicht-Sozialtourismus-Paschas-Merz – die sich im Wesentlich dadurch auszeichnet, einfach dagegen zu sein, wobei egal zu sein scheint, wogegen man eigentlich ist – und wofür erst recht – finde ich extrem befremdlich. Zumal eine Partei, die es in dieser Form faktisch nur in einem Bundesland gibt, eigentlich zufrieden damit sein sollte, die Erlaubnis bekommen zu haben, 12 Jahre lang das Verkehrsministerium zu leiten. Ich meine: zu verwalten.

    Sollte ich das in ähnlicher Form für den Südschleswigschen Wählerverband nach einem potenziellen Zusammenschluss zu einer Fraktion mit der SPD fordern, wüsste ich, wie das Echo aus München wäre.

    Um zum Vermögensthema: Ich finde den Ansatz aus den Niederlanden gut, wo man derzeit nicht nur die Frage eines Existenzminimums diskutiert, sondern auch die eines Existenzmaximums. Zwar wird das letztlich sicher wieder zu nichts führen, aber wenigstens wird es thematisiert.

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    1. Der Schurkenstaat hat mich extrem getriggert. Denn wenn man eine Koalition, die wenigstens mal den Mumm hat, ernsthaft den aufgeblähten Bundestag reformieren zu wollen (was man ja seit x Jahren selbst hätte tun sollen und können), mit Staaten vergleicht, die autoritär und willkürlich regiert werden, dann hat man echt den Knall nicht gehört.
      Und zu den Niederlanden: natürlich ist da auch nicht alles Zucker, aber trotzdem könnte sich ein Blick über die nordwestliche Grenze öfter mal lohnen. Und wenn es nur ist, um die Automatensprenger im Auge zu behalten (aus aktuellem Anlass).

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  2. Mir stößt es seit langem schon sehr sauer auf, dass die jetzige Opposition nun all das, was sie in 16 Jahren Regierungszeit verk***t hat, gar fleißig und oft ziemlich rüde der aktuellen Regierungskoalition in die Schuhe zu schieben pflegt. Und ganz ehrlich, wenn ein Herr Söder oder einer seiner „christlich-sozialen“ Gefolgsleute oder sein geradezu unterirdisch minderbemittelter Handlanger Hubert Aiwanger hier vollmundig mal wieder lautstark im Bierzeltmodus die Mäuler aufmachen, Dinge aus dem Zusammenhang reissen und lügen wie gedruckt, dann schäme ich mich, eine Bayerin zu sein. Und bei den Äußerungen des Herrn Merz, ach, du meine Fresse, da schweigt jetzt lieber des Sängers Höflichkeit…

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    1. Ja, kann ich nachvollziehen. Auf der anderen Seite legen diese Herren ja wirklich ab und zu Finger in schwärende Wunden, das Problem ist nur: Sie haben es auch nicht in den Griff bekommen, hatten ja lange genug Gelegenheit, und zum anderen nimmt sie irgendwann außer denen ganz rechtsaußen niemand mehr ernst.

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    2. Die oft nicht zu übersehende Nähe der „CS“U und „CD“U zu den Blaunen beunruhigt mich zusehends. Und manchmal bin ich versucht, jede Wette einzugehen, dass die „Schwarzen“ die ersten sein werden, die mit diesem rechten Gesocks koalieren werden.

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    3. Nicht unberechtigt, die Sorge. Vor allem im Südosten. Die nebulösen Äußerungen von einigen Landespolitikern vor allem in Sachsen und Thüringen verursachen Unbehagen. Die wollen sich auch nicht von der Bundespartei an die Kette legen lassen.

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