Gott schuf als erstes das Licht, aber er schaffte die Dunkelheit nicht ab. Er ordnete beiden Zuständen ihre Zeiten zu und bis heute hat sich das nicht geändert. (Obwohl die Menschheit alles mögliche anstellt, um die Dunkelheit weniger dunkel zu machen.)
Beides hat seine Berechtigung:
ohne Zeiten der Dunkelheit wüssten wir das Licht nicht zu schätzen
und
ohne Licht, ohne Hoffnung wäre das Dunkel nicht zu ertragen.
Und so wie Licht und Dunkel gibt es unendlich viele andere Begriffspaare, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Paarungen, die sich gegenseitig ausschließen und doch in allen ihren Facetten und Extremen wichtig sind, damit unser Leben gelingt und sinnvoll erscheint.
Schon im alten Testament hat Prediger diese Erkenntnis niedergeschrieben:
Alles hat seine Zeit
Jedes Ereignis, alles auf der Welt hat seine Zeit:
Geborenwerden und Sterben,
Pflanzen und Ausreißen,
Töten und Heilen,
Niederreißen und Aufbauen,
Weinen und Lachen,
Klagen und Tanzen,
Steinewerfen und Steinesammeln,
Umarmen und Loslassen,
Suchen und Finden,
Aufbewahren und Wegwerfen,
Zerreißen und Zusammennähen,
Schweigen und Reden,
Lieben und Hassen,
Krieg und Frieden.
(Prediger 3, 1-8, HfA)
Vieles erscheint uns nur schwer erträglich, und doch ist auch das Schwere, das Traurige und das Dunkle in unserem Leben wichtig.
Gerade in den letzten Wochen, in denen wir durch Kriege, Naturkatastrophen und menschliches Versagen oft das Gefühl haben, die Welt sei schlecht, menschliche Zivilisation dem Untergang geweiht und es gehe nur noch bergab. Durch meine Montagsmotze bin ich sogar selbst auf diesen Zug aufgesprungen (wenn auch nicht mit der Intention, alles niederzuschreiben).
Und gerade in den letzten Wochen stelle ich fest, dass Bücher, die durch ihre Aussagen einen fast unerträglichen Positivismus, Erfolgsgarantien und ein rundum gutes Leben versprechen, Hochkonjunktur haben. Dass mir bei Instagram Erfolgsrezepte und die Angebote von Life-Coaches in die Timeline gespült werden (und je häufiger ich sie als „irrelevant“ kennzeichne, desto mehr kommen nach😟), dass ich insgesamt mitunter das Gefühl habe, mir wird positiv aufgeladener Content angeboten wie irgendwelche Glücksdrogen. Aber auch die hören irgendwann auf zu wirken und dann ist der unvermeidliche Absturz viel tiefer. Oder es wird anstrengend, ermüdend.
Das Leben bietet keine Gelinggarantien; Glück, Erfolg, Gelingen, Karriere oder Segen (oder wie auch immer wir es bezeichnen möchten) ist keine Gewährleistung.
Irgendwie geistert mir das Wort Annahme durch den Kopf. Es scheint mir einen praktikablen Weg zu zeigen, obwohl wir ja auch Meister im Annahme verweigert sind… Aber das würde jetzt zu weit führen🤔. (Vielleicht ein anderes Mal?)
(Übrigens, falls jemandem gleich die Hutschnur platzt:
In dem, was ich hier aufgeschrieben habe, geht es nicht um die ernstzunehmende Krankheit Depression. Die gehört in eine gute fachliche Behandlung. Vor allem gehört endlich die Stigmatisierung von Menschen mit Depressionen beendet. Dabei ist es nicht mit „Reiß dich mal zusammen“ getan. Oder mit Aussagen wie „Früher gab’s auch nicht so viele Menschen mit Depressionen“. – Ich kann nur jeden, der betroffen ist, ermutigen, sich lieber früher als später professionelle Hilfe zu suchen.
In allem, was ich oben beschrieben habe, geht es ausschließlich um das ganz alltägliche Leben mehr oder weniger gesunder Menschen. Just saying.)
Annahme, eine feines Wort für Isso. Dinge, die ich nicht oder auf persönlicher Ebene noch nicht ändern kann. Dazu zählt auch der scheinbar unwiderstehliche Drang von uns Menschen, einander umbringen zu wollen. Überpopulation, Gier, Dummheit,Verblendung und Naivität kommen hinzu, die vermeintlich Guten trifft dafür die Arroganz 😉 . Alternde Despoten tun ihr Übriges. Ja, man könnte an der Welt verzweifeln. Was sie nicht besser machen würde. Einer weniger, sagt dann der Rest und freut sich.
Nee, Annahme verweigern geht nicht, jedenfalls nicht nachhaltig. Das Beste aus alledem machen schon eher. Kein Neveau ist zu niedrig, um nicht dort zu beginnen.
liebe Grüße, Reiner
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Danke für deine Gedanken dazu.
Eine gute Zeit wünsch ich dir.
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Hihi, das mit dem immer mehr gezeigt bekommen je mehr ich als irrelevant kennzeichne denn ich auch. Ich glaube, dieses Kennzeichnen gilt dann auch als Interaktion. Mache ich trotzdem immer noch.
Annehmen, Ja? ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich das kann. Ich will und kann mich nicht mit gewissen Dingen abfinden. Dann könnte ich ja gleich aufgeben Bin vielleicht zu sehr Kämpferin, aber andererseits weiß ich auch nicht, was ich mit meinem Weltschmerz anstellen kann. Ziemlicher Zwiespalt.
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Meiner Meinung nach bedeutet Annahme nicht, sich mit allem abzufinden oder zu kapitulieren. Zunächst mal bedeutet es für mich, einen Ist-Zustand zur Kenntnis zu nehmen, denn die Vergangenheit kann ich einfach nicht mehr ändern. Und je nachdem, wie wichtig mir ein Anliegen oder eine Situation ist, überlege ich, was ich selbst tun kann, um die Lage zu ändern: Kann ich selbst und im Ernstfall allein tätig werden? Brauche ich „Verbündete“, die es ähnlich sehen und einen Veränderungsdruck spüren? Finden sich diese Leute dann auch?
Und Annahme braucht auch einen achtsamen Blick auf meine eigenen Kräfte: Kann ich das, was ich möchte, zurzeit überhaupt stemmen?
Ich weiß aber durchaus, was du meinst, ich kenne das Gefühl von mir selbst und von meinen Töchtern. Es hat auch ein halbes Jahrhundert gebraucht, um zu einer gewissen Gelassenheit zu finden, dass ich nicht alles ändern kann, was ich für veränderungswürdig halte😉. Manchmal hadere ich heute noch damit.
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