
In der ersten Fastenwoche ging es um die helle Seite der Schöpfung: um das Licht, den Neubeginn, Aufbruch und Neugierde.
Es war ein wenig wie eine Aufwärmphase, um gedanklich in eine Bereitschaft des Sinnierens zu kommen. Diese Woche geht es nun ans Eingemachte:
Meine Ängste
Die Schöpfung haben wir hinter uns gelassen. Der Zauber des Anfangs war ja schon recht schnell verblasst, die Gewalt – selbst gegen Familienmitglieder – war in die Welt getreten. Kriege, Konflikte, Neid und alles mögliche andere an Übeln zeigte deutlich, dass die Menschen noch nie perfekt waren. (Und für diese Erkenntnis muss man nicht einmal wörtlich nehmen, was in der Bibel zur Geschichte des Volkes Israel aufgeschrieben ist. Es reicht vollkommen aus, wenn man die Texte als Parabeln begreift.)
Da trat aus dem Heer der Philister ein einzelner Soldat heraus: Goliat aus der Stadt Gat. Er war über drei Meter groß. Gerüstet war er mit einem Helm, einem schweren Schuppenpanzer und mit Beinschienen, alles aus Bronze. Dazu hatte er sich noch eine bronzene Lanze auf den Rücken geschnallt. Sein Brustpanzer wog 60 Kilogramm, sein Speer war so dick wie ein kleiner Baum, und allein die Eisenspitze des Speeres war über 7 Kilogramm schwer. Vor ihm her marschierte sein Schildträger mit einem riesigen Schild. Goliat stellte sich den israelitischen Schlachtreihen gegenüber auf und brüllte: »Was wollt ihr hier eigentlich mit eurem ganzen Heer? Ich bin ein Philister, und ihr seid nur Knechte Sauls. Los, wählt euren besten Mann aus und schickt ihn herunter zu mir! Wenn er mich töten kann, dann werden wir eure Sklaven sein. Aber wenn ich ihn erschlage, dann sollt ihr uns als Sklaven dienen. Ja, ich fordere heute alle Israeliten heraus. Wo ist der Mann, der es mit mir aufnehmen kann?« Als Saul und seine Soldaten das hörten, erschraken sie und bekamen große Angst. (1. Sam. 17, 4-11, HfA)
Heute kennen viele von uns den weiteren Fortgang der Geschichte aus der (Kinder-)Bibel, wo ein jugendlicher Held die Bühne betritt und in bester Superheldenmanier den ehrfurchteinflößenden Schurken besiegt. Ich will nicht spoilern, nur so viel: Bis heute funktionieren Percy Jackson, Harry Potter, Frodo Beutlin und selbst die Helden des Marvel-Universums nach dem Vorbild Davids. Aber nicht so schnell, wir frieren die Szene einmal ein und stellen uns der beängstigenden Situation.
(Ich muss ja gestehen, ich war versucht, mal schnell eine Seite im Fastenkalender weiterzublättern, um die Auslegung des Textes quasi sofort als erlösendes Element zu lesen. Aber so funktioniert das nicht und ich konnte den Impuls besiegen. YES!👊)
Ich schätze mal, Sauls Soldaten waren mutige und kampferprobte Männer. Aber dieser Titan von einem Mann schüchterte sie ein. Nachvollziehbar, finde ich. Eine Ausbildung zum Soldaten dürfte damals ebenso wie heute unter anderem auch beinhaltet haben, dass man lernte, seine persönlichen Grenzen einzuschätzen. Eine wichtige und überlebensnotwendige Fähigkeit. Mutig ist nicht, wer sich überschätzt und keine Ängste kennt oder akzeptiert. Mutig ist, wer sich mit ihnen auseinandersetzt und seine Möglichkeiten realistisch als Handlungsgrundlage nutzt.
Ängste waren und sind wichtig. Einerseits bremsen sie in vielen Fällen die Tollkühnheit aus, andererseits verhelfen sie uns manchmal auch, über uns hinauszuwachsen. Ängste nehmen seit einigen Jahren in unserer Wahrnehmung zu. Sie wechseln sich mit der gefühlt immer schnelllebigeren Zeit nicht nur ab, sondern überlagern sich auch: Angst um unsere Lebensgrundlagen, um die planetare und persönliche ökologische und ökonomische Zukunft, Angst vor Krankheiten und Pandemien, Angst vor Krieg und Unterdrückung.
Und kommt uns die Szene nicht auch erschreckend aktuell vor? Ein riesiger, übermächtiger Aggressor, der ein anderes Volk verhöhnt und kleinredet? Auf der anderen Seite diejenigen, die unterjocht werden sollen und die, die es irgendwann sein könnten. Die sich fürchten, in Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden, die sie sich nicht ausgesucht haben?
Für heute wird genau an dieser Stelle die Pause-Taste gedrückt.
Heute setze ich mich damit auseinander, dass nicht nur ich Angst, Furcht und Schrecken empfinde. Damit, dass diese Gefühle wichtig sind, aber dass ich mich ihnen stellen muss. Um handlungsfähig zu bleiben, um nicht davor zu erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange. Um mich zu versichern, dass Kapitulation vor meinen Ängsten nicht die beste Lösung ist.
Ich akzeptiere und reflektiere, dass die Skala der Angst von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Dass auch die Mittel und Wege, mit ihr umzugehen, verschieden sind. Dass die Verlockung, sich durch Aufgabe unter ihr durchzuducken, manchmal übermächtig sein kann.
Morgen gehe ich dann den nächsten Schritt, hoffentlich gestärkt und empathisch. Und lösungsorientiert.
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