Reißt euch mal zusammen!

Es wäre zu schön gewesen, wenn ich auch noch eine zweite Woche nichts zu motzen gehabt hätte. Aber anscheinend gibt es „wirkmächtige Kräfte“, die das verhindern wollen.

Heute würde ich gern mal – nein, ich tue es jetzt einfach – diversen Politikern des gesamten Parteienspektrums virtuell die Ohren langziehen.
Wir wissen  zur Genüge, dass es da eine Mittel- bis Altherrenpartei (obwohl sie auch ein paar Ladies hat) gibt, von der man fast schon erwartet, dass sie rhetorisch deftig-heftig zulangt. Vermutlich chronisch zu tief in die Maß geschaut, auch abseits des Oktoberfestes oder des politischen Aschermittwochs.  Und natürlich die unerträgliche blaubraune Alternativpampe für Deutschländer. (Sorry an die Würstchenfabrik)
Es gibt den sauertöpfischen (Ups! Freud’scher Versprecher…) sauerländischen Herrn, der alles besser weiß und ganz gern mal mit Schlagwörtern um sich wirft, die geeignet sind, niedere Instinkte bei den Hörern zu bedienen.
Und da ist die mit sich selbst ringende Partei am linken Rand, die sich (noch) nicht ganz sicher ist, ob sie ihrer Chef-Rhetorikerin die fristlose Kündigung schicken soll.
Aber geschenkt, das ist alles Opposition, die müssen ja schließlich irgendwie zusehen, dass sie wahrgenommen werden.

Doch nun hole ich zum ultimativen Abwatschen aus: Was denkt ihr Hanseln der Regierung euch eigentlich dabei, wie ihr in der Öffentlichkeit miteinander umgeht? Was ihr euch für Schmähungen an die Köpfe knallt? Habt ihr schon mal was von „Vorbildfunktion“ gehört? Die ihr für Jugendliche einnehmen solltet? Für junge Leute, welche die „großen Themen“ sogenannten „Profis“ überlassen sollten? Was für Vorbilder und was für Profis seid ihr denn?

Als erstes solltet ihr Handy-, Twitter- und Instagramverbot bekommen. Und mindestens ein Semester Nachhilfe in Medienkompetenz. Alle miteinander.

Vor allem die Hipsterfraktion im gelben Pullunder (ach nee, der Pullunderträger rotiert vermutlich eher gerade im Grab) macht da echt keine gute Figur. Ein distinguierter älterer Herr aus dem hohen Norden ist auf Dauerkrawall gebürstet (im Küstennebel ver[w]irrt?). Ein jungverheirateter  Mittvierziger macht auf „Geiz ist geil“, vor allem an den Stellen, wo es so marginalisierten Gesellschaftsgruppen wie Kindern, Pflegebedürftigen oder Senioren zugute kommen könnte. Ein sogenannter Minister, der für die gesamte verkehrliche Infrastruktur Verantwortung hat, will auch viel Geld in selbige stecken, nur leider nicht in überfällige Brückensanierungen oder den ÖPNV, sondern in noch mehr Autobahnen und andere Straßen – und in Schnellbahntrassen und Deutschlandtakte, die noch nicht mal ansatzweise existieren (neuesten Infos zufolge werden sie auch noch eine geraume Weile auf sich warten lassen). In Verbindungen, die von den Bürgern in den neu zu erschließenden Gegenden überhaupt nicht gewollt werden (undankbares Pack…).

Was sollen wir mit Verkehrswegen anfangen, die Moore, Naturschutzgebiete, Wälder, wertvolle Grundwasserreserven, besten Ackerboden und andere lebenswichtige Ressourcen zerstören? (Gestern erst las ich, dass auch NS-Gedenkstätten und Truppenübungsplätze nicht sicher vor den Plänen sind.) Autobahnen kann man nicht essen, megabreite Schnellbahntrassentröge nicht trinken und nichts davon verarbeitet Luftschadstoffe. Und: diese Projekte binden knappe Baumaterialien, die nicht für Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur verwendet werden können.

Im vergangenen Oktober wurde zwischen EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten der Ausstieg aus den Verbrennermotoren beschlossen (ich lasse jetzt mal außen vor, ob das ein guter oder DER Weg überhaupt ist, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber darum geht es nicht). Ausdrücklich hat die FDP damals zugestimmt. Und jetzt stellt sich unser Oberverkehrsplaner hin und sagt: „Nö! Mach ich nicht!“ (Was stört mich mein Geschwätz von gestern?)

Quelle: offizieller Instagram-Account von Volker Wissing.

Die spannenden Zeiten sind offensichtlich angespannten Zeiten gewichen. Die Brücken haben anscheinend den Stresstest nicht unbeschadet überstanden. Gemeinsamkeiten kann man mit der Lupe suchen.
Schade eigentlich. Es hätte echt was Großes werden können. Hatte man nicht einen „neuen Politikstil“ ausgerufen? Ich hatte es gehofft und vor allem hätte ich so gern dran geglaubt. Tja, diese Illusion hätten die Ehrlich-Brothers besser aufrecht erhalten. Und vor allem unterhaltsamer.
Aber mehrere verlorene Landtagswahlen lassen wohl dazu neigen, das Profil so lange zu schärfen, bis keiner mehr den Tanz auf der Klinge aushält. Auf die Idee, dass man die Wahlen deswegen verschenkt hat, weil man zu viel auf eigene Klientel schielt und die Lieblingsthemen zu hoch hängt, kommt irgendwie keiner.

Es gab Zeiten, in denen ich fest davon überzeugt war, diese Partei sei, obwohl ich sie nie gewählt habe, ein wichtiges Korrektiv.
Es gab auch Zeiten, da war den Politikern (aller Parteien) bewusst, dass Freiheit ohne festen Rahmen nichts wert ist. Dass eine soziale Marktwirtschaft nur so gut ist wie ihre Ordnungspolitik. Da hieß es noch „ordopolitische Maßnahme“, heute schreit jeder sofort „Verbot“! Ich frage mich, ob die Gurtpflicht oder das FCKW-Verbot aktuell noch Chancen hätten…
Zeitenwende, auch hier.

Und ich bin deprimiert, weil mir weder ein erlösender Schluss noch ein Spontispruch einfallen, die meine Anspannung lösen könnten. Ich mag es gar nicht, so im Sumpf steckenzubleiben und komme mir fast vor wie die weibliche Version von Gernot Hassknecht🙈. Aber es ist halt Montagmorgen und noch nicht aller Tage Abend.

PS: und am allermeisten nervt mich, dass ich in Zynismus abgleite, obwohl ich mich dabei sehr unwohl fühle…

Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

14 Kommentare zu „Reißt euch mal zusammen!“

  1. Das geht mir derzeit ähnlich, liebe Anja. Politisch fühle ich mich gerade nirgendwo zuhause. Wir werden sehen, was aus alledem wird. Dinge, die ich nicht ändern kann …

    Grüße & einen guten Wochenstart dir, Reiner

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    1. Das mit dem politischen zu Hause höre ich in letzter Zeit ganz oft, dazu muss man aber auch sagen, dass die Parteienlandschaft – wenn man nicht unbedingt den Anspruch hat, eine Partei zu wählen, die auch mitregiert – so groß ist, dass da eigentlich für alle etwas dabei sein sollte. 🙂 Wenn man die Parteien mitberücksichtigt, die nur auf einzelnen Landeslisten zur Wahl standen, hatte man bei der Bundestagswahl 2021 zwischen 15 Parteien im Saarland und bis zu 27 Parteien in NRW die Auswahl. Dazu kamen noch die Einzelbewerber. Irgendwas muss da doch dabei sein … 😉

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    2. Ich denke mir manchmal, unsere vielfältige Parteienlandschaft ist Fluch und Segen gleichermaßen: Einerseits ist so ziemlich für jeden was dabei, wo er oder sie ihr Kreuzchen machen können, aber andererseits verengt sich die Sichtweise auch mit jeder neuen Partei etwas mehr, weil Partikularinteressen aus den Parteien, die es in Regierungs- oder auch Oppositionsrollen schaffen, ausgelagert werden (oder es kommen so lebensuntaugliche Koalitionen dabei raus wie in Israel derzeit zu beobachten ist). Allerdings sieht man in den USA und teilweise auch in Frankreich ganz gut, dass es mit nur zwei (oder drei) großen Parteien nicht unbedingt besser klappt.

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    3. Mit der Gründung immer neuer Parteien, deren Kernkompetenzen im Wesentlichen darin bestehen, Partikularinteressen zu vertreten, ist die Parteienlandschaft ja irgendwie ein adäquates Abbild der Gesellschaft, die in meiner Wahrnehmung immer mehr dazu neigt, in Identitätspolitik betreibende Grüppchen zu zerfasern.

      Dementsprechend darf man durchaus die Frage stellen, ob die Gründung einer Partei, die neben monothematischen Partikularinteressen programmatisch meist nicht viel anzubieten hat, Sinn ergibt. Und erst recht, ob es Sinn ergibt, sie zu wählen.

      Mir geht es aber in erster Linie um diese oft geäußerte Art der Politikverdrossenheit, wenn man eben sagt, dass man sich nirgendwo politisch zu Hause fühlt. Ich finde es dann allemal besser, sich einer solchen Partei mit Partikularinteressen zuzuwenden, als dem politischen Betrieb den Rücken zuzukehren und irgendwann die Ansicht zu vertreten, dass „die“ ja sowieso nichts mehr für „uns“ tun. Wer auch immer „die“ und „wir“ dann auch sein mögen …

      Insgesamt ist das thematisch aber wohl das, was Effi Briests Vater „ein weites Feld“ genannt hätte. 🙂

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  2. Hervorragend geschrieben, zumal man, meiner bescheidenen Ansicht nach, ohne Zynismus, Sarkasmus und Ironie kaum unbeschadet durchs Leben kommt. 🙂

    Und nein, Dinge wie Gurtpflicht oder FCKW-Verbot hätten heute wohl wenig Chancen, denke ich. Die FDP – und mit ihnen ganz viele Leute, die in den letzten Jahren oft riefen, sie wollten ihr Leben wiederhaben, dabei aber die Information schuldig blieben, wer es denn mittlerweile hat – würde vermutlich etwas von „Eigenverantwortung“ schwadronieren. Und immer wenn die FDP von „Eigenverantwortung“ spricht, ist, wie man ja weiß, leider mit Toten zu rechen – ja, Zynismus.

    Das mit dem Truppenübungsplatz hab ich am Wochenende auch in der Lokalpresse gelesen. Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass von sieben (?) zur Auswahl stehenden Streckenführungen vier durch das Gelände des Truppenübungsplatzes führen, und man dort per se nicht einfach eine Bahnstrecke reinflanschen kann, diese vier Strecken also eigentlich aus der Planung rausfallen, kann man eigentlich nur sagen: In der freien Wirtschaft wäre diese Planung ein Kündigungsgrund.

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    1. Lieber Fraggle, danke für den „Trost“. Meine Lieblingsdisziplin wird Zynismus zum Glück trotzdem nie sein. Aber so zum Dampf ablassen mitunter hilfreich. Tja nun.
      Was mich manchmal fertigmacht, ist die Tatsache, dass zu lange mehr oder weniger friedliche Zeiten uns satt und denkträge machen. Und dann kommen halt solche Konstrukte hervor, die jede Mäßigung und jeden notwendigen Kompromiss schon als unzumutbar brandmarken. Die Menschheit so als Schwarm weist da leider weit weniger Intelligenz auf als so manche Tiergattung. (Gestern Terra X geguckt😁)
      Aber eine andere haben wir halt nicht in der Tasche, also bleibt weiter nichts, als damit klarzukommen.
      Zum Glück gibt es ja auch noch ganz viel schönes für den Rest der Woche😊

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  3. Nicht nur die Mittel- und Altherrenpartei, nein, so gut wie sämtliche Parteien sind am Freitag Abend bei der sogenannten Fastenpredigt und dem Singspiel anlässlich des Starkbieranstiches auf dem Münchner Nockherberg so vortrefflich abgewatscht worden, dass ich diesbezüglich heute eigentlich gar nichts mehr zu motzen habe. 😉
    Mir scheint, dass es inzwischen bereits eine Tradition ist, den Posten des Verkehrsministers mit dem größten Trottel weit und breit zu besetzen. Was mittlerweile so dumm ist, dass es schon mehr als weh tut…
    Und die Gelbe-Pulli-Fraktion – wenn man die Augen schließt und ganz genau hinhört, dann kann man den Genschman in seinem Sarg tatsächlich wild rotieren hören…

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    1. Ich habe gerade mal versucht, mir das Spektakel auf BR3 anzuhören – und erstmal aufgegeben. Obwohl wir hier im Dorf einen Quotenbayern haben und mir die Mundart nicht gänzlich fremd ist, habe ich meist Bahnhof verstanden, also, bei der Arbeit kommt das nicht so gut durch in meinen Hirnwindungen. Selbst wenn ich gerade „nur“ das Büro neu sortiere😁. Ich mache später mit mehr Ruhe nochmal einen Versuch.
      Aber es ist ja nett, dass du etwas Mühe, Zeit und Ärger gespart hast, oder?

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