
Mein heutiger Montagsmotz schließt thematisch fast an die letzte Woche an. Nein, keine Bange, es geht nicht schon wieder um kindliche Kriminalität. Aber ich hatte unter anderem auf den politisch verordneten Sparkurs bei den Themen Familie, Kinder, Bildung hingewiesen.
Und dann überschlugen sich die Ereignisse, denn kaum hatte ich den Text geschrieben, las ich in der Presse folgendes:
Mindener Tageblatt vom 15.3.2023
„Es fehlt an Unterkünften, funktionierenden Toiletten, sauberen
Duschen, Spinde, Hallen, Sportanlagen, Truppenküchen,
Betreuungseinrichtungen, Munitionslagern und
Waffenkammern und nicht zuletzt auch WLAN.“
Okay, ihr habt vermutlich alle schon gemerkt, dass es nicht um Internate oder andere Schulen geht, sondern um die Ausstattung der Bundeswehrkasernen. Aber im Grunde genommen setzt sich hier für die jungen Leute, die das Wagnis eingehen und zur Bundeswehr gehen, nahtlos fort, was sie aus den Schulen kennen. Um einen Beruf zu erlernen, der gesellschaftlich ebenso wichtig wie wenig anerkannt ist. Einen Beruf, der sie im Ernstfall das Leben kosten könnte, um unsere Leben zu schützen. Ob man nun der Meinung ist, dass es so etwas wie Armeen überhaupt nicht geben sollte, ist hier zweitrangig, denn Fakt ist, dass die Realität einfach nichts anderes zulässt.
Wenn ich diese ganzen Dinge lese, dann habe ich bereits Kommentare im Hinterkopf, die reflexartig vor allem aus einer bestimmten Richtung kommen: „Anderen Ländern und Re(li)gionen schieben wir das Geld in den Hintern, aber für unsere eigenen Leute bleibt nichts übrig!“ und ich kann nur den Kopf schütteln. Denn ohne Investitionen in Entwicklungsarbeit stünden die Probleme anderer Länder irgendwann auch vermehrt an unseren Grenzen.
Aber tatsächlich gibt es einige wichtige Überlegungen, wofür denn Geld ausgegeben werden sollte. Und vor allem, wofür nicht:
Steuergeschenke an große internationale Konzerne, die ihre Waren und Dienstleistungen nicht dort versteuern, wo sie stattfinden, sondern dort, wo der Konzern seinen Sitz hat – aus Gründen der Steuervermeidung und Gewinnoptimierung.
Die „Rettung“ von großen Firmen und Banken, die als too big to fail eingestuft wurden. Aus Angst vor wirtschaftlichen Verwerfungen werden Institutionen mit viel Steuergeld gestützt und gehen danach doch pleite. Beispiele: Der Baukonzern Holzmann im Jahr 1999 und neun Jahre später die Bankenrettungen, an vorderster Front die Hypo Real Estate. Hat alles nichts genützt. Aktuell lässt die neue Mega-Monster-Bank in der Schweiz schaudern…
Subventionen, nicht nur im Agrarbereich, werden bisher nach dem Gießkannenprinzip ausgebracht statt passgenau und mit klugen Bedingungen. Noch dazu ist das Hauptkriterium die reine Betriebsgröße, nicht etwa nachhaltiges Wirtschaften.
Ebenso macht mich das Ringen um Karstadt Galeria Kaufhof (der Name allein verdeutlicht schon, was hier schon alles veranstaltet wurde) sehr nachdenklich. Ja, ich kenne auch noch Zeiten, da gab es beim Karstadt in Minden im Untergeschoss Lebensmittel und darüber kam dann etagenweise alles andere, was die Menschen im Leben gebrauchen konnten. Karstadt in Minden ist schon lange Geschichte.
Aber als ich Kind war, da konnte man im größten Kaufhaus Mindens auch noch Rasenmäher, Kinderschaukeln und was man sonst noch im Garten benötigte, im Keller kaufen, darüber ging es weiter mit Büchern auf Wühltischen, Haushaltswaren von ganz einfach bis Bleikristall und Damasttischdecken und an Kleidung kaufte man dort vom Schürzenkittel bis zum Smoking einfach alles ein. Dieses Kaufhaus gibt es immer noch. Aber als reines Modehaus.
Die Bücher haben immer noch einen Ort dort, werden aber von einer Buchhandelskette als Shop-in-Shop verkauft. Es gibt Smoothies, exzellenten Kaffee und Cocktails an verschiedenen Stellen im Haus und vor allem eine Auswahl an Kleidung und Accessoires, die man normalerweise in Düsseldorf auf der Kö vermuten würde. – Aber auch qualitativ gute, günstige Basics für den „normalen“ Geldbeutel. Und: sehr gute Beratung.
Eine Folge davon: Wohnmobilisten aus ganz Deutschland verbringen ihre Wochenenden auf dem Stellplatz Kanzlers Weide, um am Samstag ein schönes Shopping-Erlebnis zu haben. (Übrigens loben viele dieser Leute Minden mehr als die Einwohner. Die fahren dann eher nach Hannover. Verrückt, oder?)
Was ich damit sagen will: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Vor einigen Jahren las ich für meine Wirtschaftsethik-Facharbeit das Buch Arcandors Absturz. Wie man einen Milliardenkonzern ruiniert
von Hagen Seidel. Lesenswert, aber man kommt aus dem Kopfschütteln teilweise nicht heraus. Der Fisch stinkt vom Kopf her, hier zeigt es sich mal wieder.
Die diversen Chefetagen dieses Konzerns – der immer wieder neu sortiert wurde, mit wechselnden Partnern und Allianzen, im Lauf der Jahrzehnte immer wieder von neuen Investoren, vor allem aber auch mit Steuergeld gestützt wurde – verpennten aber ebenso regelmäßig die Anpassung an Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Entwicklung, es ist ein Trauerspiel. Die sind anscheinend nicht nur zu groß, um zu versagen, sondern vor allem zu groß (oder zu unfähig), um adäquat zu reagieren. Und am Ende sind diejenigen, die in die Röhre schauen, die Arbeitnehmer (vor allem in den unteren Lohnklassen, während das Management weiterzieht) sowie unsere Gesellschaft als Ganzes, weil das Steuergeld futsch ist und nichts gerettet hat…
Manchmal frage ich mich wirklich, was wir aus den ganzen kleinen und großen Verwerfungen und Katastrophen der letzten Jahrzehnte überhaupt gelernt haben.
Es gibt viel zu tun…
A) … lassen wir es liegen
B) … fangt schon mal an
C) … packen wir’s an
D) … schieben wir es auf
Die Millionen-Euro-Frage. By the way: Die Joker sind schon alle verbraucht.
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