Eigentlich wollte ich statt Haarspaltereien Spielereien schreiben, aber leider hat das Ausmaß der Blödheiten, mit denen manche Politiker um sich werfen, die Kategorie Spiel längst hinter sich gelassen.
Ehe hier jemand Schnappatmung bekommt: Grundsätzlich bin ich nach wie vor der Meinung, dass Deutschland recht solide regiert wird. Vor allem, wenn man sich in der Welt sonst so umschaut. Solange sich die Kabinette aus dem Spektrum zusammensetzen, das wir „politische Mitte“ nennen und das einen bunten Strauß an Parteien umfasst, die nicht ausschließlich an den undemokratischen Rändern der Gesellschaft (oder bei eng gefassten Interessengruppen) fischen, kann ich mit ganz unterschiedlichen Konstellationen leben. Mal ganz davon abgesehen, dass es in (fast) allen politischen Lagern Menschen gibt, denen ich mit Hochachtung begegnen kann und solche, die den Bad-Ass-Award ohne Mühe gewinnen würden.
Luft nach oben ist immer und eigentlich ist das auch gut so, denn wo käme sonst die Motivation her?
Gestern gab es bei den Montagsmotzenden einige bemerkenswerte Statements. Zum Beispiel macht sich Enttäuschung breit. Ich schätze, es gibt eine Menge Leute, die es ähnlich sehen: Man hatte der Ampel-Koalition mit der Hoffnung, es könne sich im politischen Alltagsbetrieb ein neuer Stil etablieren, entgegengesehen. 16 Jahre Alternativlosigkeit und Bemutterung hatten zu einer Aufbruchstimmung geführt. Wobei: Da gehören ja auch immer zwei dazu: Eine, die bemuttert, und die anderen, die sich teilweise nur zu gern bemuttern lassen, weil man dann so herrlich die Verantwortung an der Garderobe abgeben kann.
Derr Herr aus Süddeutschland, dessen Name inzwischen als Verb existiert (Übrigens bemerkenswert, dass die katholischen Oberbayern schon so lange einem evangelischen Franken folgen, oder?), hat offensichtlich kein Problem damit, situationsabhängig zu dem Schluss zu kommen: „Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil“. Und das nicht nur einmal. Nur mal so als Gedankenspiel: Wenn der Herr sein eigenes AKW betreiben dürfte (aber dann müsste er natürlich auch den bayerischen Strahlenmüll in Berchtesgaden in den alten Salzstock tun), dann gäbe es ja wieder keinen Veränderungsdruck, in alternative Energiekonzepte zu investieren, denn der Strom käme weiterhin komfortabel aus der Steckdose. Und Ende der 2020er Jahre käme er mit genau derselben Argumentation um die Ecke wie jetzt:

Ein Schelm, wer übles dabei denkt, nicht wahr?
Damit bin ich auch schon bei meiner nächsten Überlegung: gut gesetzte Rahmenbedingungen brauchen wir von der Politik. Ein Regelwerk wie ein Treppengeländer statt einen Versandhauskatalog an erlaubten und verbotenen Einzelmaßnahmen. Aufgabe der Politik ist es, Zielvorgaben zu machen: Da will Deutschland hin, und zwar bis zum Zeitpunkt X. Für die Umsetzung gibt es wiederum überprüfbare Vorgaben: Nachhaltigkeitsziele, Gerechtigkeitsziele, Inklusionsziele, … Und die müssen unterwegs in Abständen überprüft werden, denn inzwischen sollte jeder gemerkt haben, dass alles, nicht nur das Klima, sich schneller wandelt als vor 50 Jahren.
Der Weg zu den Zielen muss sich an den Vorgaben orientieren, aber jetzt übernimmt eine andere Gruppe: für die Umsetzung gibt es dann viele Menschen, die sich in ihren jeweiligen Fachgebieten auskennen und mit anderen vernetzt sind. Die können dann auf Augenhöhe ausdiskutieren, wie der bestmögliche Erfolg erzielt werden kann. Und auf jeden Fall müssen auch Praktiker dabei sein, die den Überblick über Lieferzeiten, Verfügbarkeit von unverzichtbaren Materialien etc. haben. Auch Visionäre brauchen wir. Man mag von Leuten wie Elon Musk halten, was man will, aber wo stünden wir heute mit der E-Mobilität, wenn er nicht „einfach mal gemacht“ hätte? Und letztlich ist es dann wieder die Aufgabe der Legislative, solchen Menschen Grenzen aufzuzeigen: Prima Konzept, was du hast, aber es geht nur soweit, dass den Menschen in den Regionen nicht das Wasser abgegraben wird. (Oder etwas anderes lebenswichtiges)
Natürlich habe ich das jetzt verkürzt und vereinfacht dargestellt, aber es ist schließlich ein Blogbeitrag, keine Dissertation. Ich traue euch zu, zu ahnen, was ich meine.
Im Kern geht es mir darum, dass nicht in jede Fernsehkamera ein Minister oder ein Fraktionsvorsitzender ernsthaft bis arrogant hineinerzählt, was jetzt getan werden muss und wie gefälligst wissenschaftliche Gutachten zu deuten sind, selbst wenn er davon so viel Ahnung hat wie mein Hund vom Strümpfestricken.
Und weil dieser Beitrag sonst zu lang wird, geht es Morgen weiter. Oder in den nächsten Tagen. Demnächst auf diesem Kanal sozusagen.
Ach, herrjeh, ja, der Söder. Hier bei uns bayrischen Nicht-Schwarzen gibt es seit langem schon einen stehenden Spruch:
Immer wenn du glaubst, es geht nicht blöder,
dann hetzt er wieder, der depperte Söder.
Vor der letzten Wahl in Bayern gab es in München eine Demo „Ausg’södert is!“ gegen die unerträglich populistischen Auswürfe des Herrn S. und sein permanentes Anwanzen an die Blaunen. Noch nie zuvor und danach hatte eine Demo dermaßen viel Zulauf! Sollten wir endlich mal wieder auf die Beine stellen, finde ich.
Was allerdings schwierig sein dürfte, obwohl ich voll und ganz deiner Meinung bin, ist, wichtige Stellen in der Politik mit Fachleuten zu besetzen. Der Bundestag besteht mittlerweile aus über 60 % Akademiker:Innen, von denen nicht eben wenige unmittelbar nach dem Studium in die Politik gegangen sind. Da herrscht in Berlin ein mindestens genauso starker Fachkräftemangel wie in der freien Wirtschaft! Meiner Meinung nach muss dringendst ein Gesetz her, das nicht nur den Bundestag verkleinert, sondern auch festlegt, dass dieser mindestens zur Hälfte aus Nichtakademikern bestehen muss.
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Nee, so meinte ich das nicht. Sondern, die Politik setzt Regeln, aber das Erreichen der Ziele wird von Fachleuten, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis geplant und durchgeführt.
Ich hatte früher einen Chef (ist heute mein Mann), der sagte uns: Da wollen wir hin, wie ihr das macht, ist eure Sache.
Das ist natürlich sehr vereinfacht, aber die grundsätzliche Richtung.
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Ach so! – Na ja, aber ob das hier in Deutschland so funktionieren würde… Von deinem Mann einmal abgesehen ist es doch sehr Vielen am liebsten, wenn es einen großen Haufen an Regeln und Bestimmungen gibt. Sich in der großen Politik hinzustellen, zu sagen: „So stellen wir uns das vor, und jetzt seht mal selbständig zu, wie ihr dahin kommt.“ – nee, nee, das ist schon sehr undeutsch. Auch wenn es natürlich enorm fortschrittlich, menschlich und demokratisch wäre.
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Träumen darf man ja mal😉
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Man darf zudem nicht vergessen: Der Söder, der nun offenbar Bayern zur Atommacht ausbauen wollte – nachdem das mit der Weltraumregion mit „Bavaria One“ irgendwie ins Stocken geraten zu sein scheint – ist derselbe Söder, der seinerzeit als Umweltminister der CSU mit Rücktritt drohte, wenn der Atomausstieg später als 2022 festgesetzt werden würde. Jener Söder, der sich, je nachdem, wer gerade der erfolgversprechendste politische Gegner zu sein scheint, mal für die Bienen und gegen die Geflüchteten ausspricht. Eine politische Windfahne, der Mann.
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Du sagst es.
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