Sein. Lesen. Nähen. Kochen. Garten. Glauben. Schreiben. Und vielleicht noch mehr.
Autor: Annuschka
Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)
In meinem virtuellen Adventskalender geht es in diesem Jahr um die Adventsverheißungen in der Bibel. In der Annahme, dass längst nicht jeder die Bibel komplett durchgeschmökert hat (ich auch noch nicht), möchte ich hier an dieser Stelle einfach mal kreuz und quer durch das Alte und Neue Testament einige Passagen herausheben. Das Konzept ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern unser Pastor hat vor einigen Jahren zu Beginn des Advents Listen mit den Textstellen verteilt, und seitdem begleiten sie mich jedes Jahr wieder.
Vorweg folgendes: Ich benutze hier meist die Übersetzung „Hoffnung für Alle“, denn es ist eine Ausgabe in heutiger Sprache, die auch für Bibelanfänger gut verständlich ist. Ausnahme: die Psalmen werde ich der Lutherbibel 2017 entnehmen. Denn für diese poetischen Gebete des alten Israel ist die kräftige und doch lyrische Sprache Luthers bis heute einfach nur schön!
Und, auch ganz wichtig: Meine Kommentare sind keine offizielle „Lehrmeinung“ einer Kirche. Sie sind nicht einmal immer theologisch „korrekt“. Sondern sie spiegeln wider, was im Augenblick des Schreibens meine Gedanken dazu sind. Das kann heute ganz anders aussehen als morgen oder nächstes Jahr. Denn die Beschäftigung mit der Bibel ist eine lebendige Sache. Es ist eine Entwicklung, und manches verstehe ich in meiner aktuellen Situation einfach (noch) nicht. Das Verständnis wird aber irgendwann kommen, wenn es „dran“ ist.
Also, los geht’s:
Freut euch, ihr Menschen auf dem Berg Zion, jubelt laut, ihr Einwohner von Jerusalem! Euer König kommt zu euch! Er ist gerecht und bringt euch Rettung. Und doch kommt er nicht stolz daher, sondern reitet auf einem Esel, ja, auf dem Fohlen einer Eselin!
Das schreibt der Prophet Sacharja (Kap. 9, Vers 9), der ungefähr in der Zeit ab 520 vor Christus wirkte. Bereits zu dieser Zeit, einige Generationen ehe es tatsächlich soweit war, hatte Sacharja gewusst, dass einmal einer kommen wird, der das Königtum ganz anders interpretiert als es bisher der Fall war. Und er kannte das halb-öffentliche Verkehrsmittel, welches dieser König für seinen Einzug nutzen würde.
Ich finde das total genial. Ja, ich kenne auch die Einwände: Jesus war gläubiger Jude, er kannte die Schriften des Alten Testaments, na klar nahm er den Esel.
Und denke dann: Schade, wir aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts, warum können wir ein Mysterium nicht einfach mal als solches im Raum stehen lassen? Warum können wir uns nicht einfach mal auf etwas einlassen, das nicht rational wegerklärt werden kann oder muss? Denk doch mal darüber nach…
Wenn du durch diesen Blog stöberst, kannst du schon erkennen, dass ich vielseitig interessiert und auch vielseitig kreativ unterwegs bin. Ich liebe Kochen und Backen, ich nähe gern, ich habe zig Ideen für den Garten im Kopf, ich lese und schreibe, ich predige, fotografiere, dekoriere (in letzter Zeit weniger)….
Nebenbei habe ich Familie und Familienhunde, arbeite und ab und zu mache ich auch mal den Haushalt. Und eine Abschlussarbeit versuche ich auch noch zu schreiben (allerdings, wie oft ich auch neu anfange, es wird immer eher ein Roman daraus 😦 )
Und vielleicht ahnst du es schon, diese viele Kreativität verursacht dann auch manchmal das, was ich „Sauerkraut im Kopf“ nenne. Dann geht einfach nix mehr. Ich bin dann so voll von Ideen, dass sie sich gegenseitig blockieren. Sie verkanten sich ineinander, nehmen sich die Luft zum Atmen und Wachsen weg. Lange Zeit hat mich das extrem gestört. Schließlich wollte ich noch dieses und jenes verwirklichen! Statt dessen sitze ich, voll von „Ich möchte…, ich sollte, ich muss noch…“ irgendwo in der Ecke und tue…gar nichts.
In den letzten Jahren habe ich, teilweise durch gesundheitliche Einschränkungen, gelernt, auch solche Phasen einigermaßen gut zu durchqueren. Ich grummele zwar immer noch, aber wie unsere Hunde sich irgendwann auf ihre Plätze legen, sobald sie kapiert haben, dass jetzt gerade kein Spielen dran ist, überlege ich mir immer häufiger ein Alternativprogramm.
Ich lasse mich dann bewusst von der Kreativität Anderer berieseln. Sei es durch ein Buch, einen Film, Musik oder durch Stöberei bei Pinterest (wobei ich gemerkt habe, es tut mir gut, PC und Smartphone in diesen Zeiten beiseite zu legen). Oft sorgt der Genuss dann dafür, dass sich der Knoten, das Sauerkraut im Kopf, von ganz alleine wieder auflöst. Und dann kann ich froh weitermachen.
Ich werde wohl immer eine Baustelle bleiben. Und das ist auch gut so, denn wenn ich fertig werde, habe ich keine Ziele mehr…
So. Mein erster Beitrag für eine Blogparade ist gerade ohne nennenswerte Unterbrechung und ohne Sauerkraut fertig geworden. Danke an Sovely, dass du mich dazu inspiriert hast, auch über die Schattenseiten der Kreativität nachzudenken 😉
Am Totensonntag haben Kathrin und ich die ersten Plätzchen gebacken. Den Anfang mache ich immer mit Nussecken. Die sind noch nicht ganz so weihnachtlich. Den Abschluss, erst kurz vor Weihnachten, bildet dann das Walnussmarzipan (aus dem ganz einfachen Grund, dass kein einziges Stück davon Weihnachten erlebt, wenn es schon am 2. Advent in der Keksschale liegt…).
Außerdem habe ich gestern meine kleinen Engelfiguren aus der Holzschachtel geholt, wo sie die meiste Zeit des Jahres schlummern. Wie auf dem Beitragsbild zu sehen ist, sind sie noch nicht ganz ausgeschlafen 😉
Heute haben wir die Krippe vom Dachboden geholt. Jedes Jahr achtet Kathrin darauf, dass in einer bestimmten Reihenfolge vom ersten Advent bis Heiligabend nach und nach die Figürchen den Stall bevölkern.
Ich freue mich darauf, in den nächsten Tagen immer ein wenig adventliches dem Haus hinzuzufügen. Und ich habe mir vorhin gedacht, hier im Blog könnte ich ja eine Art Adventskalender führen. Wie? Lasst euch einfach überraschen….
Heute früh 6 Uhr. Ich hole die Tageszeitung aus dem Briefkasten. Auf der ersten Seite der „Aufmacher“:
Start vor dem Advent – Die ersten Weihnachtsmärkte beginnen schon diese Woche
Der Grund: Mehr verkaufter Glühwein, mehr Pilze mit Knobisoße, mehr Kartoffelpuffer und Lebkuchenmänner… Das nennt sich dann „große Nachfrage der Besucherinnen und Besucher“.
Na toll. Den Beitrag zum Thema wollte ich eigentlich jetzt noch gar nicht schreiben! Von der Wirklichkeit anno 2019 eingeholt!
Aber was bedeutet „Advent“ denn eigentlich? Fragen wir mal Wikipedia:
Advent (lateinisch adventus „Ankunft“), eigentlich adventus Domini (lat. für Ankunft des Herrn), bezeichnet die Jahreszeit, in der die Christenheit sich auf das Fest der Geburt Jesu Christi, Weihnachten, vorbereitet. Zugleich erinnert der Advent daran, dass Christen das zweite Kommen Jesu Christi erwarten sollen. Der Advent beginnt nach katholischer wie evangelischer Tradition mit der Vesper am Vorabend des ersten Adventssonntags und mit ihm auch das neue Kirchenjahr.
Naja. Auch wenn ich mal zugute halte, dass viele Menschen in Deutschland, und zwar keineswegs nur Zugewanderte, mit der christlichen Bedeutung dieser Zeit nichts am Hut haben, ich persönlich mag es einfach nicht, wenn diese Jahreszeit auf den Kommerz reduziert wird.
Zunächst mal: An den beiden kommenden Sonntagen geht das Kirchenjahr zu Ende. Und ob jemand nun gläubig ist oder nicht, diese Tage des Innehaltens und Gedenkens, ob an die Gefallenen der großen Kriege oder die Verstorbenen des Ortes/der Gemeinde, die sind wichtig für jeden. Oder sollten es wenigstens sein. Denn auch wenn wir es am liebsten aus unserem Leben verbannen würden, die Weltkriegstoten sind Fakt. Und heute sterben wieder viel zu viele Menschen in den Kriegen rund um den Globus. Was für uns vielleicht abstrakt ist, ist für andere ganz konkret. Eine reale Bedrohung von Leib und Leben!
Auch den „ganz normalen“ Tod aufgrund von Alter, Krankheit, Unfall haben wir aus unserem Lebensumfeld so gut es eben geht, gestrichen. Wir sind unsicher im Umgang mit Hinterbliebenen, wir wissen nicht, welche Dauer der Trauerzeit wir anderen zugestehen sollen, wir sind sprachlos im Gespräch (und meiner Meinung nach ist es immer besser, diese Sprachlosigkeit zu kommunizieren, als sich in Floskeln zu retten).
Sich mit diesen beiden Themen der letzten Sonntage auseinanderzusetzen, ist schwer, aber wir brauchen das. Für die Menschlichkeit, für das Mitgefühl.
Und auch alle, die damit nicht umgehen können, sollten diese Tage denen „gönnen“, für die es wichtig oder notwendig ist, um zu einem Abschluss zu kommen.
Und dann, dann geht es (endlich) los mit dem Warten auf die Ankunft von Weihnachten. Und Weihnachten feiern nicht nur die Menschen, die Christi Geburt im Mittelpunkt sehen. Weihnachten ist auch ein Familienfest für viele Menschen, die sich übers Jahr kaum sehen (können). Auch das ist ein Wert, jedenfalls, solange es nicht so mit Erwartungen und viel zu fettem Essen überfrachtet wird, dass es Leib und Seele nicht bekommt…
Wir amüsieren uns als Erwachsene ja gern darüber, wie „schwer“ den Kindern manchmal das Warten fällt. Zum Beispiel, wenn alle Türen des Adventskalenders vor lauter Neugier auf einmal geöffnet werden. Aber ganz im Ernst: wem fällt das Warten eigentlich schwerer?
Weit vor dem ersten Advent, nämlich kurz nach Schuljahrsbeginn, erscheinen in den Supermärkten riesige Displays mit Lebkuchen, Spekulatius und den ersten Schokoweihnachtsmännern. Wer vermiest denn an dieser Stelle schon den Familien das Warten???
Spätestens Ende Oktober hält der erste (Kunst-)Schnee Einzug in den Kaufhäusern. Mitunter früher als auf der Zugspitze. Anfang November werden die Plastikbäume in den Schaufenstern geschmückt. Und bis „Last Christmas“ ist es dann auch nicht mehr weit.
Viele Familienmanagerinnen stürzen sich dann in den häuslichen Großputz, damit pünktlich das gesamte Haus adventlich erstrahlen kann und bis ins letzte I-Tüpfelchen durchdekoriert ist. Ja, ich darf das sagen, denn ich gestehe, in den ersten Jahren meiner Ehe (und damit der Zeit der jungen Familie) habe ich das selbst so zelebriert. Gott sei Dank (wörtlich gemeint) hat sich das in den letzten Jahren geändert.
Mein „Adventskalender“ ist es, jeden Tag (oder auch mal jeden zweiten) ein bisschen mehr Advent zu haben. Ich freue mich, wenn ich es vor dem Advent geschafft habe, die Fenster zu putzen (aber wenn nicht, ist es kein Weltuntergang), freue mich über jedes gebackene Plätzchen, egal wann es gebacken wurde. Ich freue mich über jede Kerze, die ich anzünde, ob am Adventskranz oder „nur so“. Und ich freue mich, dass ich so langsam in die Weihnachtsfreude hineinwachse, statt mich kurz vor dem ersten Advent bis zur Erschöpfung verausgabt zu haben (und dann keine Kraft mehr für irgendwelche Freude zu haben).
Natürlich ist das kein Patentrezept, und wenn du es einfach schön findest, vor dem ersten Advent alles fertig zu haben, es sich gut und richtig anfühlt (und vor allem nicht in Hektik und Frust ausartet), dann ist das genauso in Ordnung. Ich habe eben bloß für mich herausgefunden, dass dieses Vorgehen für mich persönlich nicht (mehr) funktioniert.
Aber es gibt doch etwas, worauf ich heimlich lauere, kaum dass die Zeitumstellung hinter uns liegt: Wenn es in der Winterzeit so früh dunkel wird, dann warte ich voller Vorfreude darauf, wenn an den Fenstern und in den Vorgärten die ersten Schwibbögen und Lichterketten auftauchen. In Maßen versteht sich, nicht in Massen… 😉
Schon merkwürdig, worüber man so ins Grübeln kommt, wenn der Körper k.o., aber der Geist ruhelos ist.
Zum dritten Mal in drei Jahren hat mich die Grippe erwischt, ehe ich mich impfen lassen konnte. Vermutlich nicht wirklich verwunderlich, da Rheumamedikamente das Immunsystem dämpfen. Aber jedes Mal staune ich und ärgere mich vor allem, wie sehr mir diese Krankheitstage zusetzen. Das kenne ich von früher nicht, da konnte ich selbst mit Fieber arbeiten gehen (ja, selbst Schuld, ich weiß)
Dann kommen die seltenen Augenblicke der Erkenntnis, dass Alter und Anfälligkeit auch vor mir nicht haltmachen. C’est la vie!
Jedenfalls sitze ich in meinem Lesesessel, warm eingepackt mit Decke und Poncho, der rebellische Magen mit einer Wärmflasche gepampert. – Freier Blick auf all die Spinnweben und Staubansammlungen, die ich eigentlich heute beseitigen wollte, weil am Montag Geschäftsbesuch kommt. Zumindest theoretisch bin ich schon voll am Putzen 😉
Und da wabert mir dieser Gedanke an „Grau“ durch mein fiebriges Hirn…
Wer ein gewisses Alter erreicht hat, kennt mit Sicherheit den Film „Ödipussi“ von und mit Loriot. Wenige können die kleinlichen, aber durchaus liebenswerten Absonderlichkeiten des deutschen Durchschnittsspießers so wunderbar (und ganz, ohne dabei verletzend zu sein!) aufs Korn nehmen wie er es konnte. Im Film spielt er einen 56jährigen Möbelverkäufer, der noch bei seiner Mutter unter der Knute lebt. Aber seinen Beruf nimmt er sehr ernst, die Wünsche der Kunden sind ihm Befehl:
Grau empfinden wir als durchschnittlich. Nichts besonderes. Nichts spektakuläres! Wenn es draußen wolkenverhangen und diesig ist, ist es „grau in grau“. Geht es jemandem offensichtlich schlecht, ist er „ganz grau im Gesicht“. Grau ist eintönig…
Halt. Stopp! das geht auch anders: „50 Shades of Grey“. Ganz ungebeten fliegt mir dieser Gedanke zu. Ich habe es bis heute nicht gelesen und werde es vermutlich auch nicht (es sei denn, ich habe alles lesenswerte vorher geschafft. Unwahrscheinlich.)
Aber… ist vielleicht doch etwas aufregendes an Grau? Etwas frivoles womöglich?
Ich bin eher der Meinung, dass Grauschattierungen zurzeit so beliebt für Inneneinrichtungen und Wohnaccessoires sind, hängt eher mit dem „Hygge“-Trend aus Skandinavien zusammen. Denn unsere gesamte Umwelt ist bunt, oft viel zu bunt, zu aggressiv in der Farbgebung. Das Auge kann bei Grau (gern in Kombination mit erdigen Brauntönen, das „erdet“) in Ruhe schweifen, ohne ständig von grellgelben, knallroten oder blitzblauen Details abgelenkt zu werden. Wenn diese beruhigende Wirkung sich auch auf dem Männlichkeitswahn autofahrender Rowdys zeigt, könnte ich der Autoindustrie sogar die neuerdings staubgrauen Mittel-und Oberklassewagen verzeihen… (Der Vollständigkeit halber müssen hier auch Autofahrerinnen genannt werden, die sich oder anderen beweisen müssen, dass sie in nichts, aber auch gar nichts hinter den Männern zurückstehen. Obwohl die deutlich weniger sind.)
Selbst auf die Ohren hat Grau eine dämpfende Wirkung, wenn nicht gerade ACDC oder so aus dem Soundsystem grölt (btw, ich mag ACDC).
Dazu kommt: Schwarz und Weiß, die beiden Grundfarben von Grau, polarisieren.
Weiter auseinanderliegen kann nichts. Wir teilen gern Dinge in Schwarz und Weiß, obwohl wir wissen, dass die Wirklichkeit eher in den unterschiedlichsten Grautönen daherkommt.
Im Moment freue ich mich auf die grauen Tage, denn das sind, zumindest am Wochenende, Lesetage. Oder Plätzchen-back-Tage. Und wenn dann der graue November zu Ende geht, dann folgen die Lichter-Abende. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden 🙂
Ich glaube, ich schaue mich mal nach schönen grauen Tapeten um… 😉
Mal ganz abgesehen von Debatten darum, ob man an Christus glaubt oder nicht, ob man „Süßes oder Saures“ fordert oder nicht, wenn ich in den letzten Tagen in die Tageszeitung schaue (und ich bin seit meiner Jugendzeit bekennende Zeitungsleserin: Den Morgen beginne ich mit Kaffee und MT.), frage ich mich oft, ob es mir guttut, und was zum Teufel (!) eigentlich mit unserer Gesellschaft los ist. Es gruselt mich regelrecht.
In dieser Woche:
Wahl in Thüringen: Die CDU (und nicht nur die, aber in diesem Fall besonders plakativ) schiebt Verantwortlichkeiten hin und her. War es das Versagen auf Bundesebene oder hat der Landesverband etwas falsch gemacht? Und statt das Ganze in Ruhe in den entsprechenden Gremien zu bereden und dann erst an die Öffentlichkeit zu gehen, gibt es eine Schlammschlacht, wird ein Landeschef, der meiner Meinung nach pragmatisch und umsichtig handelt, zurückgepfiffen, wird nach Dogmen gehandelt, statt die letzten Jahre der realen Politik der Landesregierung in den Blick zu nehmen.
Arbeitslosenstatistik: Um möglichst gute Zahlen zu präsentieren, werden Menschen, die auf der Suche nach Arbeit sind, aus der Statistik entfernt, wenn sie das X-te Mal in einem Bewerbungstraining stecken. Oder wenn Sie älter als 58 Jahre alt (jung) sind. So werden Menschen klein gehalten. Um die Zahlen hübsch zu frisieren…
Fußball: Selbst in den unteren Spielklassen werden Schiedsrichter, die ihre oft knapp bemessene Freizeit für „ihren“ Sport investieren (nicht nur bei Spielen, sondern auch bei Fortbildungen) nicht nur beleidigt, sondern tätlich angegriffen, für vermeintliche oder tatsächliche Fehlentscheidungen…
Bundesregierung: In der Hoffnung, besser gegen Hass und Hetze, (egal, aus welcher politischen oder weltanschaulichen Richtung) angehen zu können, ist es notwendig, neue Gesetze zu verabschieden. Wann haben wir eigentlich begonnen, uns von den Regeln des Anstands zu verabschieden? Warum ist es leichter, einem Andersdenkenden in der vermeintlichen Anonymität des Internets Beleidigungen an den Kopf zu werfen oder gar mit tätlichen Angriffen zu drohen? Egal auf welchem Weg, ein gesprochenes oder geschriebenes Wort kann man nicht zurücknehmen oder ungeschehen machen. Und das Internet vergisst nicht und vergibt nicht…
Mediennutzung/Medienmissbrauch: Jugendliche verschicken über WhatsApp im Klassenchat Pornovideos von Kindesmissbrauch. Offensichtlich schafft die digitale Welt eine Distanz, die es möglich macht, dass gerade den Kinderschuhen entwachsende sich darüber amüsieren, wie kleineren körperliche und psychische Gewalt angetan wird! Dafür finde ich überhaupt keine Worte! Als Mutter, als Mitarbeiterin in der Jugendarbeit, als Mensch.
Warum werden Menschen, die sich, egal ob beruflich oder ehrenamtlich um Leben und Gesundheit anderer kümmern, bedroht? Statt es zu honorieren, dass es immer noch freiwillige Feuerwehr, DRK-Ortsverbände und Technisches Hilfswerk gibt, wird deren Arbeit sabotiert. Stand auch diese Woche in der Zeitung: in einer benachbarten Kreisstadt wurde der Feuerwehr das Wasser von irgendwelchen Chaoten abgedreht.
Ich könnte stundenlang so weiterschreiben. Aber was hilft es? Mein Vater hat mir einige „Binsenweisheiten“ beigebracht. Darunter waren: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ oder „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“. Manchmal kommt es mir wie aus der Zeit gefallen vor. Aber das ist es nicht, wir brauchen solche einfachen und doch so wichtigen Tugenden viel häufiger.
Immerhin finden sich diese Art von Verhaltensregeln nicht nur bei unterschiedlichen Glaubensrichtungen wieder, auch diejenigen, die allen Religionen gegenüber skeptisch sind, finden sie, ob bei Kant, in der Charta der vereinten Nationen oder auch im deutschen Grundgesetz.
Einer meiner Grundsätze ist: immer wieder die Perspektive wechseln, vom Gegenüber her schauen und dann differenziert urteilen bewerten. Die Indianer in Nordamerika sagen dazu
„Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist„
Gelingt mir auch nicht immer, aber Scheitern gehört zum Menschsein nun mal dazu. Ist aber kein Grund, es zu lassen. Sondern daran zu wachsen.
Zuletzt eine kleine Geschichte über meinen Großvater. Er war seit Beginn seines Berufslebens, das vor der NS-Zeit begann, SPD-Mitglied und Gewerkschafter. Für seine Überzeugung wurde er im dritten Reich von der Gestapo abgeholt. Sein damaliger Chef war Mitglied der NSDAP (aus unternehmerischem Kalkül oder aus Überzeugung, wer weiß?) und sorgte dafür, dass Opa freikam, mit der Begründung, dass er im Betrieb unverzichtbar sei. Nach der Befreiung von den Nazis sorgte Opa dafür, dass ihm diese Haltung positiv angerechnet wurde. Quid pro Quo. Es ist nicht alles schwarz oder weiß. Es ist nicht alles nur gut oder nur böse. Und jede Münze hat zwei Seiten.
Wir sollten es uns (wieder?) zum Maßstab machen, einzelne Situationen, einzelne Menschen zu sehen. Wir alle in unserer Gesellschaft müssen uns reformieren, immer wieder, täglich neu. Nicht (nur) die Politiker, die angeblich versagen. Nicht (nur) die Lehrer, die angeblich unsere Kinder nicht richtig erziehen, nicht (nur) die Ärzte, die angeblich falsche Reihenfolgen abarbeiten in der Notaufnahme. Nicht (nur) die Schiedsrichter, die angeblich keine Ahnung vom Fußball haben. Nicht nur….
Wir alle. Jede/r Einzelne. Sonst gruselt es uns bald mehr, als wir ertragen können. Und das nicht nur am 31. Oktober…
Wer kennt ihn nicht, den sehnsüchtigen Song von Rod Stewart. Und wünscht sich das Gefühl von Freiheit auf dem Wasser.
Bisher beschränkte sich meine Segel-Erfahrung auf zwei Kurztrips auf dem Steinhuder Meer. Um es mal auf Normal zu übersetzen: Steinhuder Meer im Sommer ist wie samstags in der Fußgängerzone von Minden. Voll! Boote, Boote, Boote. Segelboote unterschiedlicher Größe. Surfer. SUPs. Katamarane. Kajaks. Und wenn dann so ein Greenhorn wie ich ans Ruder soll, dann ist das mit höchster Konzentration, um es mal nicht Stress zu nennen, verbunden.
Am letzten Freitag habe ich etwas ganz anderes kennengelernt: Segeln auf der Müritz. Mitte Oktober, an einem Tag, der viel schöner wurde, als im Wetterbericht angekündigt. Den ganzen Tag über haben wir zwei andere Segler, zwei bis drei Ausflugsdampfer, einige Motoryachten und ein paar Angelboote gesehen. Bis auf den Hafen von Röbel, da übte der Seglernachwuchs (6-9 Jahre) das Segeln mit Optimisten. Ganz niedliche kleine Bötchen sind das. Und die Kleinen flitzten nur so damit herum.
Ich habe einen Teil des Tages damit verbracht, ganz vorn auf der Spitze des Bootes zu sitzen und die Weite und Ruhe um mich herum zu genießen. Eigentlich fehlte mir zum absoluten Glück nur noch der Seeadler, der sich sein Mittagessen fing.
Im Nachhinein empfinde ich unseren kleinen Segeltörn wie einen Lebenslauf. Zunächst hatten wir unsere liebe Mühe, die Yacht ( eine Delphia 29) aus dem engen Hafen von Klink herauszubekommen, ohne sie oder ein anderes Schiff zu beschädigen. Die Müritz hat einen sehr niedrigen Wasserstand, daher musste das Kielschwert und das Ruder hochgezogen sein, um nicht im Schlick stecken zu bleiben. Das Ruder auf dieser Höhe zu bedienen, hatte ungefähr den Effekt, einem Hund zu sagen „Die Wurst darfst du aber nicht, du kleiner Bösewicht …“. Du ahnst es: Ziemlich gering!
Das waren so die Geburtswehen unseres Törns. Als wir draußen waren und Segel setzen konnten, ging es besser. Aber: wir mussten nach Südosten, der Wind kam aus südlicher/südwestlicher Richtung, also mussten wir „kreuzen“ (Zickzack fahren), damit wir unser Ziel in Röbel ansteuern konnten. Im Leben ändern wir ja auch öfter die Richtung, mal freiwillig, mal gezwungenermaßen. Wir brauchten auf diese Weise dreieinhalb Stunden für die Strecke, die Luftlinie ungefähr 11 Kilometer beträgt.
Der Rückweg, mit dem Wind im Rücken, dauerte dann auch nur halb so lange, wurde aber zwischendurch ein bisschen kabbelig und bescherte uns eine eher unfreiwillige 360°-Wende. Wenn man dabei nicht an Deck ist, sondern sich im Inneren des Schiffes befindet, löst das ein Gefühl der Orientierungslosigkeit aus, man sieht nicht, was da passiert. Auch dieses kenne ich aus dem „Real Life“, das sind für mich die Augenblicke, in denen ich meine, gelebt zu werden statt selbst mein Leben in der Hand zu haben.
Und dann war da noch das „Einparken“ am Schluss, als der Wind auffrischte, leider nicht aus einer optimalen Richtung. Dafür brauchten wir dann auch ein paar Anläufe, bis das Boot wieder in der Box lag, ordentlich vertäut und ohne Schäden. Tja, was soll ich sagen, diese Erfahrung, dass auch das Ende meines Lebens vermutlich nicht so glatt verlaufen wird, wie ich es mir und meinen Angehörigen wünschen würde, liegt hoffentlich noch in recht weiter Zukunft.
Zum Glück gibt es aber auch die zufriedenen und neugierigen Phasen des Ausgucks auf das Leben rund um mich herum, in denen ich dankbar bin für alles, was ich habe und auf mich zukommen sehe. In der großen liebevollen Hand meines Schöpfers, der mich durch den Lebenstörn gut durchbringen möchte.
Kaum waren wir am Freitagabend wieder auf dem Campingplatz angekommen, zogen dicke dunkle Wolken auf, ein stürmischer Wind kam dazu und es regnete Bindfäden. Punktlandung sozusagen….
Bemerkenswert: Auf dem Schiff wird jeder gebraucht. Nicht alle haben dieselben Fähigkeiten und dasselbe Kraftreservoir, aber dann springt halt jemand ein und übernimmt. Jeder bringt sich ein und jeder hat auch mal Zeit zum Genießen.
Diesen Tag mit Edgar, Dirk (von dem auch die Fotos stammen, vielen Dank!), Nele und Simea werde ich so schnell nicht vergessen…
Und außerdem ein großes Dankeschön an Daniela, die sich einen ganzen Tag um die Beaufsichtigung von zwei Hunden und zwei Teenagern gekümmert hat, so dass ich diesen Tag genießen konnte!
Wenn ich im Moment in den „sozialen“ Medien unterwegs bin, dann wundere ich mich, vor allem bei Facebook, doch sehr darüber, wie viele Menschen aus meiner und noch früheren Generationen ihre Kindheit wie einen Schild vor sich her tragen.
Und das sind dann meist die Menschen, die kundtun: Also ihr Jugendlichen von heute, vollbringt ihr erstmal eine Lebensleistung, so wie ich es getan habe, und dann, ja dann habt ihr vielleicht mal die Berechtigung, eure Ängste zu kommunizieren und Forderungen zu stellen.
Ich könnte langsam vor Ärger Pickel kriegen, wenn ich diese Phrasen darüber lese, mit wie wenig Sachen man doch „damals“ ausgekommen ist. Es ist auf der einen Seite unbestritten, dass wir heutzutage viel zu viel haben (und das ist ja nicht auf einmal explodiert, sondern eine Entwicklung gewesen, die schon viel eher angefangen hat). Aber wahr ist auch, dass die Familien und damit die Kinder der Nachkriegsgenerationen oder sogar derer, die den WW2 noch als Kind/Jugendlicher erlebt haben, sich diese Beschränkungen ja nicht ausgesucht haben, weil sie so nachhaltig leben wollten!
Nach dem Krieg gab es schlicht wenig. Die Infrastruktur war größtenteils kaputt, die Industrie lag am Boden, Deutschland wurde von den Alliierten verwaltet. Es ging keinem um den Umweltschutz. Verständlich, man hatte viel dringendere Probleme zu der Zeit.
Und dann kam das Wirtschaftswunder, und ich wette, dass viele der oben genannten auch die Sprüche von ihren Eltern hörten: „Meine Kinder sollen es einmal besser haben als ich“. Man war froh, als die Konjunktur sich belebte, man wieder Geld verdiente, sich wieder etwas leisten konnte. Alles total nachvollziehbar. Vieles von dem, was wir heute wissen, war überhaupt noch nicht erforscht, es war ganz einfach so, dass auf dem Dorf der Müll neben der Mistkuhle vergraben wurde, und war eine Kuhle voll, dann kam die nächste. Und der Müll der Städter wurde nicht sortiert, sondern jede Woche (!) abgeholt und auf Deponien gebracht. Die Deponiehügel mit den Lüftungsschächten sehen wir noch heute vielerorts.
Und die Kinder? Die wurden erstens nicht gefragt und zweitens hätten sie doch auch damals nicht die Annehmlichkeiten des wachsenden Lebensstandards zurückgewiesen.
Ich bin Jahrgang 68, mein Alter kann sich also jeder ausrechnen. In unserem Haus gab es bis 1987 eine Koks-Zentralheizung. Der Koks musste mit einem Eimer aus dem Keller geholt werden, die Heizung musste regelmäßig entschlackt werden, man konnte prima Eintopf darauf kochen, aber: es wurde halt auch Hausmüll darin verbrannt, weil sich schlicht keiner Gedanken darüber machte, was man der Umwelt damit antat.
Und glaubt es, mit 16 Jahren fand ich es nicht cool, die einzige in der Klasse zu sein, die wusste, wie man eine solche Heizung versorgt und am Brennen hält. Denn alle meine Schulfreundinnen und Freunde wohnten in Wohnungen mit Öl- oder Gasheizung. Ich hatte als Jugendliche eher das Gefühl, meine Familie sei besonders rückständig.
Ich bin fest davon überzeugt, diejenigen, die heute so sehr die „gute alte Zeit“ preisen, als man ein Sonntagskleid und ein Alltagskleid hatte, barfuß zur Schule lief und trockene Brotkanten zu Essen bekam, die wünschen sich diese Zeit keineswegs zurück.
Es sind auch keineswegs (nur) die Jugendlichen von heute selbst, die Urlaub auf den Malediven, den schicken SUV in der Garage und das neueste Handymodell fordern. Klar wird es die geben, aber die demonstrieren freitags nicht. Solche kleinen Prinzen und Prinzessinnen gab es aber auch schon früher. Es gibt aber auch massenhaft Jugendliche, in deren Familien solche Dinge überhaupt nicht zur Debatte stehen.
Die lockenden Frühbucherangebote, die man einfach wahrnehmen MUSS (und dann wundern, warum Reiseunternehmen Insolvenz anmelden), die monatlich neuen Kollektionen in den Boutiquen, die jährlich weiterentwickelten Smartphones, mit denen man immer mehr kann, die werden nicht von Jugendlichen auf den Markt geschmissen mitsamt den vollkommen irrsinnigen Tarifen, die es billiger machen, Schrott zu produzieren statt Nachhaltigkeit zu fördern. Das sind Marketingstrategen und Entwickler des „Schneller, höher, weiter“, gut ausgebildete (das wird ja gern gefordert, bevor man mitreden kann) Jünger des Kapitals.
Die für Autofahrer optimalen, für Fußgänger und Radfahrer allerdings gefährlichen Straßen, die sind von erwachsenen Planern in eurem Alter entworfen worden, das rufe ich euch zu, die erstmal „Lebensleistung“ sehen wollen, ehe meine Kinder sich Sorgen um ihre Zukunft machen dürfen.
Was habt ihr eigentlich euren Kindern gesagt, wenn sie als Kleinkinder vor etwas Angst hatten? „Lern du erstmal ordentlich was und studiere Psychologie, dann hast du Ahnung, dann darfst du auch Alpträume haben und dich davor fürchten“?
PS: Am Sonntag ist Erntedank. Auch ein guter Anlass, sich mal über die Ernte hinaus Gedanken über Dankbarkeit zu machen… und darüber, was wir eigentlich alles so als selbstverständlich ansehen.
Heute ist Herbstanfang, und ich denke mir: Gestern hat der Sommer sich würdig verabschiedet, und heute kommt der Herbst, aber noch ganz sachte und auf leisen Sohlen. Und ich stelle gerade fest, dass bei mir fast drei Wochen Sendepause war.
Und das liegt nicht daran, dass in diesen Wochen nichts passiert ist, eigentlich eher im Gegenteil, und dieses viele hat in mir eine kleine Blockade ausgelöst.
Eigentlich hatte ich einen schönen Artikel schreiben wollen über unseren Ausflug am 14. September zum Frauentag in Krelingen. Vier Frauen, ein Baby und ein Gemeinschaftspicknick. Wir hatten einen sehr berührenden, inspirierenden und gesegneten Tag mit Singen, Beten, sehr gut gemachten Vorträgen von Sefora Nelson (kannste googeln), die sich so gar nicht nach Vorträgen anhörten. Und mit unserem grandiosen Picknick:
Aus der Erfahrung von 2018 hatten wir keine Lust auf Gemeinschaftsverpflegung und so bereitete jede von uns etwas liebevoll vor. Hier konnte dann auch Julias englische Picknickdecke ihren Einstand feiern. Und als hätten die Krelinger Organisatorinnen geahnt, was wir vorhaben, waren auf der Wiese vor der Halle überall verschiedene Sitzgelegenheiten wie Hängematte und Hängesessel, Sofas, Deckchairs und anderes aufgebaut. Ich habe leider nur ein Foto von diesem DIY-Tischchen:
Von der Pause auf der Heimfahrt stammt das Beitragsfoto ganz oben. Denn es symbolisiert aus meinem heutigen Blickwinkel sehr schön nicht nur die aktuelle Jahreszeit, sondern auch eine diffuse Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ ohne viel Hektik und mit rudimentärer Technik.
Und vielleicht sogar den „Herbst der Menschheit“?
So, Schluss mit lustig, jetzt geht es ans Eingemachte, an das, was mich in den letzten Tagen so umtreibt.
Weltweit sind am vergangenen Freitag Millionen Menschen auf die Straße gegangen, teilweise Menschen, denen das Wasser heute schon nicht nur symbolisch, sondern ganz konkret fast bis zum Hals steht. Menschen in Kriegsgebieten, die sich nicht nur um ihr Überleben im Krieg sorgen, sondern um das Überleben der Menschheit.
Aber auch unendlich viele junge und alte Menschen in den Industrieländern, die einsehen, dass ein „Schneller, höher, weiter“ zwar das olympische Motto sein mag, aber uns kaputt macht, uns die Lebensgrundlage entzieht. Zeitgleich wollte das „Klimakabinett“ der deutschen Bundesregierung den großen Wurf in Sachen Klimapolitik machen. Was soll ich sagen – der Berg kreißte und gebar eine Maus!
Wenn jetzt einfach „nur“ die einschlägigen NGO’s und Parteien, deren tägliches Brot das Mahnen ist, sich hier entsetzt geäußert hätten, dann könnte man noch sagen: „Naja, das ist eben ihr Geschäft“. Aber wenn anerkannte Wissenschaftler so drastische Aussagen treffen wie: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen müsste!“, wenn die Bundesregierung sich Expertise vom Wissenschaftsrat einholt und sich daran nicht hält, wenn die Damen und Herren, die im Klimakabinett sitzen, mit dem Schwung und der Begeisterung von Schlaftabletten vortragen, was sie denn jetzt gerade für die Rettung des Planeten getan haben, da kann ich nicht umhin, daraus zu schließen: Da läuft etwas ganz gewaltig nicht so, wie es sein müsste.
Storytelling, das A und O einer positiven Verkaufsstrategie, beherrschen die nicht. Da könnten sie noch gewaltig lernen.
Liebe Politiker, schaut euch doch mal in der Zeitgeschichte um: da gab es Menschen wie John F. Kennedy („Frage nicht, was dein Land für dich tun kann; frage, was du für dein Land tun kannst“), Nelson Mandela (der aus dem Knast heraus gegen die Apartheid kämpfte), Martin Luther King („I have a Dream!“) Diese Menschen hatten Visionen (nicht Phantastereien durch Drogengenuss, sondern positive Visionen für die menschliche Gemeinschaft), die sie mit der entsprechenden Be-Geist-erung vorantrieben.
Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung genau: da gibt es dann gleich wieder abwertende Urteile: Der Kennedy nahm es mit der ehelichen Treue nicht genau, der Mandela hat angeblich seine Frau geschlagen, und zu Dr. King fällt den Leuten garantiert auch was ein.
Pure Ironie: diese Art von Whataboutism funktioniert auch anders herum: Hitler hat ganz bestimmt unglaubliche Gräueltaten veranlasst, aber, hey, immerhin hat er die Autobahnen gebaut und die Arbeitslosen von der Straße geholt! (Ernsthaft, solche Argumente hört man immer noch. Da fällt mir nix zu ein!!!)
Ah, da fällt mir doch ein, solche „Whataboutism“ sind gar nicht neu, das gab es schon vor 2000 Jahren.
Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken!
Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!
Das steht in der Bergpredigt, Matthäus 7,3-5. Erinnert ein bisschen an „Wenn die Chinesen keine neuen Kohlekraftwerke mehr bauen, dann fange ich vielleicht an, mir Gedanken über meinen CO2-Verbrauch zu machen (aber auch nur vielleicht…)“.
Nein. Fang an, dich um deinen persönlichen Scheiß zu kümmern, ehe du den der anderen anprangerst, sagt Jesus!
Auch an anderer Stelle sagt Jesus ganz klar, was er von Selbstgerechtigkeit hält:
Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.
Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.
Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden. (Lukas 18, 10-14)
Wir haben keinen Grund, uns besser zu fühlen als die Regierung Brasiliens, denn wir alle haben unsere persönlichen Leichen im Keller, vielleicht in Form von viel zu vielen unnötigen Dingen, die wir horten, vielleicht durch zwei bis drei Kurztrips im Jahr mit dem Flugzeug, wo es auch die Bahn getan hätte, es ist ganz egal, wie groß oder wie klein unsere Umweltsünden sind. Und sollte jemand hier die Frau kennen, die im Fernsehinterview ganz frech sagte: „Ich knalle jeden Morgen mit 600 PS in die City, und jetzt erst recht!“: Schönen Gruß, Kindergartentrotz ist ja wohl auch nicht die Lösung.
Jeder kleine Schritt hilft. Das sollten wir nicht vergessen. Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt, und wenn der erste Schritt ist, sich über das eigene Handeln klar zu werden, dann ist das so. Ich schätze mal, bei vielen Leuten ist Angst ein großer Antreiber, Angst, etwas zu verlieren (vordergründig Verlust von Lebensqualität durch weniger Konsum oder so). Und dann gibt es eben die, die mit Trotz reagieren. Weil man Angst und Ratlosigkeit nicht zugibt.
Erzählen wir doch lieber die Geschichte von dem, was wir gewinnen, wenn wir uns „einschränken“: Achtung vor dem Mitgeschöpf, ob Mensch oder Tier. Nicht das einkaufen, was der Discounterprospekt billig anpreist (in zu großen Mengen, was zum Wegschmeißen führt); sondern genau das kaufen, was wir gerade tatsächlich brauchen, was gerade hier wächst, weil es schmeckt (reif geerntet), weil es die Vielfalt an Lebensmitteln in unserer Region widerspiegelt. Selber kochen, weil es nicht nur Plastikverpackungen spart (ich sag nur: gekochtes und gepelltes Ei eingeblistert 😦 ), sondern weil es uns den Wert von LEBENsmitteln nahebringt. Überschüsse einwecken (ist oft besser als Tiefkühler, denn ich brauche nur einmal Strom, aber ich weiß selbst, bei manchen Sachen ist der Tiefkühler praktischer.) Wir gewinnen gute Luft, das Zwitschern der Vögel, wenn sie sich in unseren unaufgeräumten Gärten wohl fühlen (und wer Meisen hat, braucht nebenher auch kein Mittel gegen Blattläuse). Wir werden geerdet, indem wir uns auf Wesentliches besinnen. Wir lernen hoffentlich, das zu schätzen, was wir haben, und nicht dem nachzujammern, was wir nicht besitzen.
Und wir sollten uns den Druck nehmen, alles auf einmal ändern zu wollen (ich meine jetzt im ganz persönlichen Leben jedes Menschen), denn es dauert mindestens DREI WOCHEN, um eine Gewohnheit zu ändern. Je länger wir etwas auf eine bestimmte Art und Weise getan haben, desto länger dauert auch das abgewöhnen. Wenn eine neue, bessere Gewohnheit daraus entstanden ist, kommt die nächste Baustelle dran.
Von daher betrachtet, ist das Vorgehen der Bundesregierung zwar immer noch quälend langsam und unzureichend, aber möglicherweise auch nicht ganz der schlechteste Weg. Hätte jedenfalls noch schlimmer kommen können.
Und noch mal zum Storytelling: Bitte helft mit, dass wir die mitreißenden Geschichten nicht denen überlassen, die für gigantische Probleme einfache Lösungen parat haben!
Zum Schluss komme ich einer Bitte nach, denn dieses Video ist wirklich super verständlich. Danke, Julia!
Seit dem 18. März 2018 schreibe ich hier meine Gedanken und Fragen, meine Zweifel, Ängste, aber auch mein Staunen und Freuen auf. Im ersten Jahr noch eher zögerlich, ich habe mal die Statistik befragt:
2018 habe ich 16 Beiträge veröffentlicht, und sie wurden von 86 Menschen gelesen. Diese kamen aus Deutschland, aber vereinzelt auch aus den USA, Irland, Großbritannien.
2019 war ich mutiger und kreativer, 36 Beiträge wurden bisher von 274 Besuchern angeschaut. Und es wurde zu meinem großen Erstaunen auch internationaler. Das Länderpanel wurde erweitert durch Frankreich, China, Österreich, Schweiz, Italien, Kanada, Spanien und Ecuador…
Okay, in den USA und in Ecuador leben Verwandte, die vielleicht mal vorbeigeschaut haben. In Frankreich und Kanada sind Blogger zuhause, denen ich folge. Möglicherweise waren die auch mal neugierig, wer da so ihre Beiträge liked. Und China kam dazu, als ich über den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ geschrieben habe. Mögen Chinesen Murmeltiere? Oder Bill Murray? Dabei fällt mir ein, ich könnte mal wieder über einen Film schreiben, den ich mag….
Ich habe festgestellt, besonders sind bei euch die Beiträge angekommen, in denen ich über Gott und die Welt nachdenke, mich mit den (oft auch ungeklärten) Fragen des Lebens beschäftige. Scheint, als ob ich nicht die Einzige bin, die oft mehr Fragen als Antworten hat. Das finde ich schön und menschlich – im Gegensatz zu den vereinfachenden und unmenschlichen Antworten, die heutzutage gern auf schwierige und komplizierte Fragen in die Welt gepostet werden.
Als ich das Experiment gestartet habe, wusste ich nicht, ob dieses Medium überhaupt etwas für mich ist, es war ein Versuch, denn seit der Pubertät bin ich keine begnadete Tagebuchschreiberin mehr. Ich habe aber im Lauf der Monate festgestellt, dass mir das Schreiben hilft, Dinge loszulassen, die ich nicht festhalten kann. Oder einzuordnen, was vorher total wuselig auf mich einwirkte. Also, selbst wenn niemand mehr mein Geschreibsel und meine manchmal wirren Gedanken lesen mag, ich werde wohl weitermachen, nur so für mich.
Und wer sich dann doch mal hierher verirrt, liest vielleicht, dass er oder sie nicht allein ist mit den ungelösten Fragen, mit den Zweifeln und den Ungewissheiten, mit den kleinen Freuden des Alltags und den Wundern, vor denen wir nur staunend stehen können. Liest, dass Marmelade oder Grünkohl kochen hilft gegen Chaos im Kopf. Liest, dass es Augenblicke gibt, wo man sich fehl am Platz vorkommt. Und liest auch, dass es dann wieder so einzigartige Momente gibt, an denen man sich über Bücher, Tiere oder schlicht den Regen freut.
Heute bin ich selbst gespannt darauf, ob ihr irgendwann ein „100!“ hier lesen könnt. Bis dahin wird auf jeden Fall der Herbst und Winter aufregend und neu, sowohl möglicherweise von meiner Arbeitssituation her als auch auf jeden Fall vom privaten Gemeindeumfeld, einiges klopft an oder ist schon mit der Tür ins Haus gefallen.
Die eingefügten Fotos habe ich im Lauf von mehreren Jahren gemacht. Irgendwann habe ich dann begonnen, einzelne Fotos mit Zitaten zu versehen, die mir beim Betrachten der Bilder als passend erschienen. Manchmal hilft es, sich mit solchen kleinen Bildmeditationen die Dinge wieder ins richtige Licht zu rücken…
Hunderunden am frühen Morgen geben Zeit zum Nachdenken und Sinnieren.
Während Lucy und Kalle hier und dort „Zeitung lesen“, habe ich Muße, über Gott und die Welt mit mir selbst ins Gespräch zu kommen.
Und stelle fest, dass ich um diese Jahreszeit immer wieder dieselbe Empfindung habe: eine leise Melancholie, weil der Sommer sich so langsam auf seinen Abschied vorbereitet mit kürzer werdenden Tagen, mit sanftem und schmeichelndem Licht. Bis auf Mais und Rüben sind die Felder abgeerntet und werden schon für die nächste Aussaat vorbereitet. Manchmal drängelt sich schon der Herbst dazwischen, der in den Startlöchern steht und wirft einen Sturm in die Landschaft.
Aber der Sommer hat auch noch Kräfte, er mag sich noch nicht so ganz verabschieden und beide schmücken einträchtig das Land: mit Hagebutten, Brombeeren, Äpfeln, Birnen und Pflaumen, mit ersten bunten Blättern und aufblühenden Astern.
Neben der Melancholie steht die Vorfreude, auf stürmische Tage, die ich mit einem guten Buch und einem heißen Kakao beende, auf das Durchgepustet-werden beim Spaziergang, auf den bunten und den ungemütlichen Herbst. Auf die Beobachtung des Vergehens und des Ruhens.
Wie wunderbar ist doch dieser immerwährende Kreislauf des Lebens.
Und wie ignorant und überheblich sind wir Menschen, diesem ewigen und gut durchdachten Prinzip unseren Willen aufzuzwingen….
Es gibt Situationen, die setzen bei mir ein Gedankenkarussell in Gang. Heute früh war das ein Blogeintrag von Suzy auf ihrem Blog „La vie en bleu“. Auf ihr „Lob der Langsamkeit“, dem ich nur zustimmen kann, bekam ich eine Assoziation zu dem Begriff „Durchschnitt“.
Manchmal kommt es mir so vor, gerade auch, wenn ich durchs Netz surfe, als ob Durchschnitt inakzeptabel ist. Bin ich eine durchschnittliche Mutter, ist das eigentlich schon schlecht. Genauso, wenn ich eine durchschnittliche Hundebesitzerin bin. Oder eine durchschnittliche Köchin.
Im Glaubensleben sieht es teilweise genauso aus: Wir rennen umher und suchen die perfekte Gemeinde, die unseren Musikgeschmack trifft, unseren Frömmigkeitsstil bedient, das beste Angebot an Aktivitäten zur Verfügung stellt. Dafür fährt man dann auch jeden Sonntag kilometerweit…
Wenn ich nicht im Geheimen irgendwelchen SM-Phantasien nachgehe, bin ich von gestern, denn ausgerechnet in Zeiten der Me-Too-Debatte erscheinen immer mehr Bücher oder Self-Publishing-Projekte, die mir weismachen wollen, dass jede Frau im Geheimen davon träumt, mal so richtig grob rangenommen zu werden…. Übrigens so ziemlich zu 100% von Frauen geschrieben. Und ich kann so gar nichts damit anfangen…
Aber ganz ehrlich: ich bin nun mal eine durchschnittliche Mutter, ich bin eine durchschnittliche und manchmal überforderte Hundebesitzerin, ich koche im Allgemeinen gerne und relativ gesund, aber es gibt eben auch Tage, wo ich einfach keine Lust dazu habe.
Und wo wir schon beim Thema „Lust“ sind, ich kann auch absolut nichts erstrebenswertes darin erkennen, sich beim Sex absichtlich Verletzungen und Schmerzen zufügen zu lassen, um über irgendeine geheimnisvolle „Schwelle“ zu was auch immer zu gelangen. Schmerzen habe ich mit einer rheumatischen Erkrankung auch so genug… (Keine Bange, mehr „Outing“ mute ich euch nicht zu, immerhin liest hier mindestens eine meiner Töchter mit 😉)
Als ich noch nicht so sehr lange verheiratet war, habe ich teilweise versucht, perfekt zu sein. Perfekt als junge Mutter, perfekt als Ehefrau, perfekt als Tochter, perfekt als Arbeitnehmerin. Aber leider nicht perfekt für mich. Es dauerte im Rückblick zu lange, aus diesem Hamsterrad herauszukommen. Inzwischen kann ich aber vieles im Leben entspannter und… durchschnittlicher betrachten.
Warum muss ich als Mutter perfekt sein? Was heißt perfekt sein überhaupt? Muss ich meinen Kindern jede mögliche Gefahr wegnehmen, alles aus dem Weg räumen, was ihnen schaden könnte, sie pampern und begleiten, bis es ihnen an den Ohren wieder rauskommt?
Damit meine ich jetzt nicht, dass ich sie einfach von dem leckeren Eisenhut im Garten probieren lasse und sie als Kleinkinder allein in den Straßenverkehr schicke oder so.
Aber es ist doch meine Aufgabe, sie zu selbstständigen Menschen zu erziehen, die eigene, auch schmerzhafte Erfahrungen machen, und dazu gehört doch auch, dass sie erleben: Eltern sind auch mal hilflos, mal überfordert, und trotzdem bekommen wir im Endeffekt (und durch Gemeinschaft) alles mehr oder weniger ins Lot.
Warum muss ich als Hundebesitzerin perfekt sein? Warum bekommen meine Hunde einen Schaden fürs Leben, wenn ich sie nicht barfe, wenn ich kein Agility mit ihnen mache, wenn sie wie (schockierender Gedanke) einfach „nur“ Haustiere nicht im Bett schlafen dürfen, sondern im Flur auf ihren Kissen?
Warum bekomme ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich heute Abend mal ganz ungesund Appetit auf einen sahnelastigen Auflauf oder ein deftiges Essen mit (zu) viel Fleisch habe?
Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich da ja ganz schön fremdgesteuert bin. Und dass ICH das einfach nicht bin, ich bin kein Prototyp, keine Maschine (oder wie ich unseren Mädels immer mal wieder gesagt habe: Ich bin eine Mama und kein Oktopus).
Und nach einigen Jahren des Abnabelungsprozesses stelle ich fest: es geht mir sehr gut damit, durchschnittlich zu sein. Dazu war es als erstes notwendig, zu dem zu stehen, was ich selbst an mir nicht so mag. Meine Defizite nicht nur als solche wahrzunehmen.
An unseren beiden großen Töchtern sehe ich, dass wir sie doch wohl ganz ordentlich groß bekommen haben, sie sind in der Lage, ihr Leben eigenständig zu führen und wissen doch, dass sie immer wieder zu uns kommen können, wenn etwas anliegt.
Unsere Hunde sind mit den meisten anderen Hunden verträglich, und auch wenn sie im Flur schlafen, sind sie trotzdem Familienmitglieder.
Im Allgemeinen ernähren wir uns relativ gesund, Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wir engagieren uns in unserer unperfekten Kirchengemeinde, denn menschliche Gemeinschaft ist nun einmal nicht perfekt! Aber es ist unsere geistliche Heimat, unter anderem weil hier die Menschen sind (oder auch nicht…), die wir auch beim Einkaufen im örtlichen Supermarkt treffen.
Und es wird bei uns im Haus immer irgendwo Staub geben, es wird immer irgendwo etwas rumliegen, was dort nicht hingehört, es wird nie wie in einer „Schöner Wohnen“ oder „Landhaus“-Ausgabe aussehen. Von den Massen an Hundehaaren ganz zu schweigen.
Wie ich im Frühjahr hier geschrieben habe, war ich total enthusiastisch, dieses Jahr meinen Gemüsegarten fertig zu bekommen und überhaupt mehr im Garten zu tun. Bis mir meine Finger einen Strich durch die Rechnung machten, die nach einer halben Stunde Unkraut, sorry: Wildkraut jäten einfach dicke Gelenke bekommen. Seit über acht Wochen habe ich nicht mehr Rasen gemäht. Und es sieht jetzt auch nicht mal mehr nach der „gepflegten Wildnis“ aus, die ich gerne hätte. Dafür weiß ich jetzt aber, was bei uns in der Wiese so von Natur aus wächst, wenn ich sie in Ruhe lasse und nicht irgendwas säe, was da nicht hinpasst. Nämlich neben Gänseblümchen, Spitz- und Breitwegerich, Löwenzahn und Klee auch Gänsefingerkraut, winzig kleiner Storchschnabel, Nachtkerzen, Schafgarbe, Gundermann und Günsel… Außerdem irgendeine Kreuzkrautsorte, da weiß ich noch nicht, was ich davon halten soll.
Es gibt immer noch Tage, da hadere ich mit meinen gedachten oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten, aber ich bin sicher, auch dabei bin ich der absolute Durchschnitt 😊
PS: Ich habe mal gegoogelt, was das Gegenteil von „Perfekt“ ist: da kommen dann folgende Definitionen:
Unperfekt, schlecht, fehlerhaft, dilettantisch, ungenügend, normal, unvollkommen, suboptimal, mangelhaft, miserabel, fehlerbehaftet, minderwertig, unzulänglich, unzureichend, gewöhnlich, einfallslos, beschädigt, wertlos, erbärmlich, grauenhaft, enttäuschend, zweitklassig… oje!
PPS: Den ziemlich perfekten Sonnenuntergang habe ich vor 5 Jahren in der Lüneburger Heide im Oktober-Urlaub fotografiert…
Baumärkte gibt es (nicht nur in Deutschland…) wie Sand am Meer. Heimwerker-Zeitschriften und Renovierungsbücher sind auch ein Dauerbrenner, seit ich in der Buchhändlerausbildung war (in den 80ern des 20. Jahrhunderts). Ganze Verlage haben darauf ihr Geschäftsmodell gegründet.
Heute haben wir YouTube-Tutorials, Dawanda, Etsy, Pinterest….
Einerseits finde ich das gut, da macht man doch etwas Sinnvolles in seiner Freizeit. Ich selbst bin ja auch gern kreativ, es macht Spaß, spart Geld, man verwertet im besten Fall alte Dinge. Andererseits wundere ich mich, dass durch die „Selbermacheritis“ im Großen und Ganzen anscheinend nicht die Wertschätzung für das Handwerk wächst:
Kochen und Essen ist ein totaler Trend, aber niemand will Koch werden. Alle schwärmen von wunderbarem Brotgenuss, aber keiner will zu den Zeiten einer Backstube arbeiten. Bäder als Wellnesstempel werden regelrecht gehypt, aber was gilt der Sanitärinstallateur? Von Dachdeckern will ich erst gar nicht anfangen, ihr ahnt es sicher: kein Nachwuchs in der Branche. Alle nicht schwindelfrei?
In einer Zeit, in der immer mehr Menschen (ja, auch ich mitunter) stolz ihre selbstgemachten Werke und Produkte im Netz präsentieren, will aber kaum jemand ein Handwerk lernen.
Bitte versteht mich nicht falsch, ich freue mich auch, wenn ich ein „Projekt“ in Angriff genommen und zu einem ansehnlichen Abschluss gebracht habe. Ich nähe und koche gern, und ich liebe es, mit meinen Eigenkreationen anderen eine Freude zu machen (oder auch mal nur mir selbst 😉).
Ich bin zum Beispiel auch neugierig, wie man gutes, richtig leckeres handwerkliches Brot backt, wie man Frischkäse oder sogar Gouda herstellen kann ohne Nahrungsmittelindustrie. Weil es eine Kunst ist, weil dabei Menschen mit Hochachtung vor den Lebensmitteln und mit viel Zeit und Liebe zum Detail arbeiten. Aber ganz ehrlich, ich vermute mal stark, ich werde deswegen höchstwahrscheinlich nicht zur passionierten Brotbäckerin werden, die morgens vor Tau und Tag den Teig knetet, damit es um 7 Uhr frische Brötchen gibt…
Und nun kommt das „ABER“: Ich frage mich auch, was passiert, wenn wir als gründliche deutsche Macher diese Kultur des Selbermachens übertreiben. Graben wir nicht eventuell so manchem kleinen Handwerksbetrieb, mancher liebevoll geführten Manufaktur das Wasser ab?
OK. Im großen Stil vermutlich nicht. Es gibt ja auch die große „schweigende Masse“ derer, die keine Zeit zum Tapezieren haben, kein Talent zum Teppichverlegen, keine Lust zum Gardinennähen und bei denen sogar das Nudelwasser anbrennt, ehe die Nudeln auch nur drin sind…. (Diese Menschen haben dann halt andere Begabungen, sie können vielleicht unsere Steuererklärungen machen, Brüche schienen, Blinddärme entfernen oder andere wichtige Dinge, die überhaupt nicht in DIY möglich sind.)
Ich wünsche mir einfach, dass beim Selbermachen nicht nur die Freude über das zustande gebrachte wächst, sondern parallel dazu auch gesamtgesellschaftlich die Wertschätzung für bestimmte Berufe wächst.
Wenn wir es honorieren, dass in einem Restaurant alles etwas länger dauert, ein wenig teurer ist und auch mal gesagt wird „Forelle ist leider schon aus, tut mir leid“ – nämlich dann, wenn in diesem Restaurant echte Menschen frische Kartoffeln schälen (vielleicht sogar Menschen, die sonst keine Arbeit bekommen), weil nicht auf Convenience-Produkte aus dem Großmarkt zurückgegriffen wird, weil der Küchenchef bei der kleinen Forellenzucht bewusst nicht zu viel einkauft, um am Ende des Abends nichts wegschmeißen zu müssen.
Wenn wir uns nicht darüber ärgern, dass eine bestimmte Brotsorte eine halbe Stunde vor Ladenschluss ausverkauft ist – denn es bedeutet, dass dieses Brot nicht nur uns, sondern auch anderen vorzüglich schmeckt und einfach gut gemacht ist.
Wenn wir unseren Handwerkern Kaffee und Kuchen hinstellen, weil wir es zu schätzen wissen, dass sie unser Badezimmer renovieren (und dabei viel unappetitliches zu sehen bekommen, worüber wir froh sind, dass wir es nicht selbst beseitigen müssen) oder weil wir uns freuen, dass es Männer gibt, die auf unseren Dächern herumkraxeln, um den letzten Sturmschaden zu reparieren.
Ich erinnere mich an einen Maurer, der bei unserem Haus einige Fachwerkgefache neu gemauert hat, mit den alten Steinen, die herausgenommen worden waren. Es musste ein Schwellbalken ersetzt werden (das ist beim Fachwerk der bodenebene Balken, auf dem der Rest des Fachwerks steht), Edgar und ich hatten nur noch Fragezeichen im Gesicht und konnten uns das gar nicht vorstellen. Die Fachhandwerker aber wussten genau, was sie taten. Die Zimmerleute bauten Stützen (die das ganze Haus stützten), entfernten den maroden Balken, bauten einen neuen ein, und dann kam der Maurer.
Stein für Stein nahm er sich die 200 Jahre alten Ziegel vor, klopfte den alten Mörtel ab und baute sie wieder ein. Da das Haus vor Jahrzehnten mal mit Kupfervitriol gestrichen wurde, drehte er die Steine um, die Innenseiten kamen nach außen. Und er beschwerte sich nicht einmal über diese Handarbeit, im Gegenteil, er freute sich total über die Möglichkeit, mit diesem alten Material ganz liebevoll etwas Schönes zu schaffen. Wenn ich das Geld dafür hätte, würde ich diesen Maurer ein ganzes Jahr beschäftigen, unser gesamtes Fachwerk auf diese Weise zu restaurieren…. (Auf dem Beitragsbild seht ihr die „schöne“ untere Fachwerkreihe und die darüber mit dem ollen Anstrich)
Wie wäre es, wenn wir zu den Vertreterinnen und Vertretern des Handwerks und auch der ungeliebten Dienstleistungsberufe (Müllabfuhr, Stadtreinigung…) mal öfter raufschauen statt auf sie herabzublicken?
Im Endeffekt geht es doch um gegenseitige Wertschätzung, darum, dass jeder Mensch eine Aufgabe erfüllt, mit mehr oder weniger Talent, mit mehr oder weniger Leidenschaft oder auch einfach nur, um über die Runden zu kommen.
Wenn ich mich beispielsweise freue, dass ich einen großen Bettüberwurf fertiggenäht habe, mit vielen Stunden, in denen ich zugeschnitten, genäht, gebügelt, manchmal auch schiefe Nähte grummelnd wieder aufgetrennt habe – dann kann ich doch nicht guten Gewissens meine T-Shirts beim Textildiscounter kaufen.
Und nein, ich lasse das Totschlagargument nicht zu, dass alles das nur möglich ist, wenn man relativ wohlhabend ist.
Den Satz „Ich habe zu wenig Geld, um mir billige Sachen zu kaufen“ habe ich auch nicht von Anfang an verstanden. Aber ich habe lieber 3 Lieblingsshirts, die ich waschen, anziehen, waschen…. kann und das zwei Jahre lang, als dass ich mich bei 6 Shirts ärgere, dass die Nähte nach ein paar Wäschen statt an meinen Seiten über Bauch und Rücken verlaufen und dann ganz den Geist aufgeben.
Wenn ich jetzt nochmal so über das Geschriebene lese, dann ist für mich das Wesentliche, dass es, selbst gemacht oder nicht, doch einfach schöner und auch produktiver ist für eine Gesellschaft, wenn sie die Fähigkeiten, Talent und Begabungen und das Erreichte Lebenswerk der anderen achtet und wertschätzt. Wenn nicht der Blick voller Neid zum Nachbarn geht, was der (vermeintlich oder real) mehr hat.
Was natürlich auch bedeutet, dass nicht andere Teile der Gesellschaft herablassend auf diejenigen sehen, die (vermeintlich oder real) nicht so erfolgreich, begabt und begütert sind, die nichts auf die Reihe kriegen, die ihr Leben nicht im Griff haben.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.