Was ist mein Platz in der Welt? Oder habe ich vielleicht sogar mehrere Plätze? Wie funktioniert der Wandel? Von einer Minute zur anderen oder ganz allmählich? Wache ich morgens auf und bin eine andere? Oder bleibe ich ICH und alles andere ändert sich? Fragen über Fragen.
In meiner Teenagerzeit war ich nicht Popper (zu wenig Geld), nicht Ted (obwohl die Tellerröcke, Petticoats, Ballerinas und Umschlagsöckchen schon cool waren), nicht Punk (zu dörflich und provinziell). Absoluter Durchschnitt in einer Zeit, wo man alles sein wollte, nur nicht durchschnittlich. Tanzschule mit Mittel- und Abschlussball, zur Feier des Ereignisses die erste Dauerwelle im Vokuhila – eine Frisur wie die Ohren eines Cockerspaniels. Ja, sorry, es waren die 80er Jahre. Inklusive blaumannblauer Satinbluse und Schulterpolster.
Von hinten eine Optik wie Arnies kleine Schwester? Zum Glück habe ich mich nie von hinten sehen können.
Und trotzdem war es eine geile Zeit. Denn es war unsere Zeit! Die Welt wartete nur darauf, von uns erobert zu werden. (Und wer heute auf den Jugendlichen herumhackt, sollte sich das Gefühl mal dringend wieder in Erinnerung rufen!)
Mit schwarzer Baskenmütze und ebensolchem Lidstrich, lila Lippenstift, einer Fledermaus am Ohr und dem alten grellbunten Morgenmantel meiner Oma als Jackenersatz, so versuchte ich zeitweise, mich abzuheben und selbst zu definieren.
Nicht mehr ganz Baby-Boomer (aber wer möchte heutzutage schon gern noch Boomer sein?), aber noch nicht ganz Generation Golf. So ein Zwischending, nach einem Roman von Douglas Coupland Generation X genannt. Die Generation, die zwischen allen Stühlen sitzt.
Wo wir übrigens manchmal heute noch sitzen, wenn ich so in die Welt blicke. Zu jung, als dass uns alles egal ist, wenn die Welt den Bach runtergeht, aber zu alt, um als ernsthaft engagierte Gesellschaftsgruppe durchzugehen.
Nach Einschätzung des Autors des Romans Generation X, Douglas Coupland, ist für jene Generation charakteristisch, dass ihr prophezeit wurde, dass sie sich erstmals ohne Kriegseinwirkung mit weniger Wohlstand und ökonomischer Sicherheit begnügen müsse als die Elterngenerationen, aber andererseits für deren ökonomische und ökologische Sünden büße. Ursprünglich sollte der Begriff Generation X andeuten, dass sich diese Generation bislang erfolgreich der Benennungswut von Werbeindustrie und journalistischem Gewerbe entzogen habe.
Wikipedia:https://de.wikipedia.org/wiki/Generation_X_(Soziologie)
Überraschend hellsichtig, diese Einschätzung. Chapeau.
Wir freuten uns damals noch, wenn die Telefone unserer Eltern ein langes Kabel hatten, sodass wir die Apparate mit in unser Zimmer nehmen und die Tür hinter uns schließen konnten. Wem das nicht möglich war, dem blieb bei heiklen Gesprächen nur der Weg in die nächste Telefonzelle und ein Stapel 20-Pfennig-Stücke.
Wir fuhren Roller Skates in knallbunten Farben und hatten dabei unseren Walkman auf den Ohren. Unsere modernen Medien hießen C 64 oder Atari, wir spielten PacMan oder World Games und kamen uns vor wie Kings. Unsere ersten Partyerfahrungen hatten noch viel mit Bacardi-Cola oder Batida-Kirsch zu tun, mit DJs, die tatsächlich Platten auflegten (da es die ja wieder gibt, warte ich schon sehnsüchtig auf graue Telefone mit Wählscheibe und langem Kabel), mit Jugendfeten in Dorfgemeinschaftshäusern, wo als erster Song Pulstar von Hypnosis ertönte und damit alle vom Hof reinholte.
Die Summe meiner Erfahrungen seither ist vielfältig und bunt: Abitur und Ausbildung. Erster Wegzug von zuhause. Als eine der Ersten geheiratet mitsamt Aussteuer und Hochzeitstisch im Kaufhaus. Spießig, was? Es erscheint mir manchmal so weit weg wie ein anderes Leben. (Ich würde jederzeit wieder denselben Mann heiraten, aber anders, nicht ganz so bürgerlich.)
Erfahrungen als Working Mum, als ständige Tochter (da wir in einem gemeinsamen Haus wohnten) – obwohl ich selbst Mutter war, die leuchtenden Vorbilder anderer Frauen, die mir in regelmäßigen Abständen vor die Nase gehalten wurden. Erfahrungen als Ehefrau eines Außendienstlers, der kaum im Dorf in Erscheinung trat, weil er unter der Woche unterwegs war und am Wochenende Schlaf nachholte. Demzufolge sich manche Leute wunderten, woher ich meine Kinder hatte. Ernsthaft. Dorf halt.
Erfahrungen als selbstständige Geschäftsfrau, die an ihren eigenen Ansprüchen fast kaputtging. Erfahrungen, die im falschen Augenblick immer noch schmerzen. Aber dennoch wichtig waren. Und noch viele weitere Wege und Umwege, Meilensteine und Stolpersteine, Schnellzüge und Bummelbahnen.
Jeder Abschnitt und jede Episode ist nur ein Etappenziel auf einem Weg, von dem ich heute immer noch nicht weiß, wohin er mich letztlich führen wird, auch wenn ich vermutlich inzwischen mehr als die Hälfte meiner Reise hinter mir habe. Was ich mir wünsche für die Zeiten, auf die ich zusteuere? Dass mich meine liebsten Menschen noch möglichst lange begleiten werden, ich ein Mindestmaß an Gesundheit behalte und dass meine Neugier aufs Leben und seine unglaubliche Vielfalt nicht versiegt.
Leben ist, was passiert, während wir andere Pläne machen.
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