Wo soll investiert werden?

Mein heutiger Montagsmotz schließt thematisch fast an die letzte Woche an. Nein, keine Bange, es geht nicht schon wieder um kindliche Kriminalität. Aber ich hatte unter anderem auf den politisch verordneten Sparkurs bei den Themen Familie, Kinder, Bildung hingewiesen.

Und dann überschlugen sich die Ereignisse, denn kaum hatte ich den Text geschrieben, las ich in der Presse folgendes:
„Es fehlt an Unterkünften, funktionierenden Toiletten, sauberen
Duschen, Spinde, Hallen, Sportanlagen, Truppenküchen,
Betreuungseinrichtungen, Munitionslagern und
Waffenkammern und nicht zuletzt auch WLAN.“

Mindener Tageblatt vom 15.3.2023

Okay, ihr habt vermutlich alle schon gemerkt, dass es nicht um Internate oder andere Schulen geht, sondern um die Ausstattung der Bundeswehrkasernen. Aber im Grunde genommen setzt sich hier für die jungen Leute, die das Wagnis eingehen und zur Bundeswehr gehen, nahtlos fort, was sie aus den Schulen kennen. Um einen Beruf zu erlernen, der gesellschaftlich ebenso wichtig wie wenig anerkannt ist. Einen Beruf, der sie im Ernstfall das Leben kosten könnte, um unsere Leben zu schützen. Ob man nun der Meinung ist, dass es so etwas wie Armeen überhaupt nicht geben sollte, ist hier zweitrangig, denn Fakt ist, dass die Realität einfach nichts anderes zulässt.

Wenn ich diese ganzen Dinge lese, dann habe ich bereits Kommentare im Hinterkopf, die reflexartig vor allem aus einer bestimmten Richtung kommen: „Anderen Ländern und Re(li)gionen schieben wir das Geld in den Hintern, aber für unsere eigenen Leute bleibt nichts übrig!“ und ich kann nur den Kopf schütteln. Denn ohne Investitionen in Entwicklungsarbeit stünden die Probleme anderer Länder irgendwann auch vermehrt an unseren Grenzen.

Aber tatsächlich gibt es einige wichtige Überlegungen, wofür denn Geld ausgegeben werden sollte. Und vor allem, wofür nicht:
Steuergeschenke an große internationale Konzerne, die ihre Waren und Dienstleistungen nicht dort versteuern, wo sie stattfinden, sondern dort, wo der Konzern seinen Sitz hat – aus Gründen der Steuervermeidung und Gewinnoptimierung.
Die „Rettung“ von großen Firmen und Banken, die als too big to fail eingestuft wurden. Aus Angst vor wirtschaftlichen Verwerfungen werden Institutionen mit viel Steuergeld gestützt und gehen danach doch pleite. Beispiele: Der Baukonzern Holzmann im Jahr 1999 und neun Jahre später die Bankenrettungen, an vorderster Front die Hypo Real Estate. Hat alles nichts genützt. Aktuell lässt die neue Mega-Monster-Bank in der Schweiz schaudern…
Subventionen, nicht nur im Agrarbereich, werden bisher nach dem Gießkannenprinzip ausgebracht statt passgenau und mit klugen Bedingungen. Noch dazu ist das Hauptkriterium die reine Betriebsgröße, nicht etwa nachhaltiges Wirtschaften.

Ebenso macht mich das Ringen um Karstadt Galeria Kaufhof (der Name allein verdeutlicht schon, was hier schon alles veranstaltet wurde) sehr nachdenklich. Ja, ich kenne auch noch Zeiten, da gab es beim Karstadt in Minden im Untergeschoss Lebensmittel und darüber kam dann etagenweise alles andere, was die Menschen im Leben gebrauchen konnten. Karstadt in Minden ist schon lange Geschichte.
Aber als ich Kind war, da konnte man im größten Kaufhaus Mindens auch noch Rasenmäher, Kinderschaukeln und was man sonst noch im Garten benötigte, im Keller kaufen, darüber ging es weiter mit Büchern auf Wühltischen, Haushaltswaren von ganz einfach bis Bleikristall und Damasttischdecken und an Kleidung kaufte man dort vom Schürzenkittel bis zum Smoking einfach alles ein. Dieses Kaufhaus gibt es immer noch. Aber als reines Modehaus.
Die Bücher haben immer noch einen Ort dort, werden aber von einer Buchhandelskette als Shop-in-Shop verkauft. Es gibt Smoothies, exzellenten Kaffee und Cocktails an verschiedenen Stellen im Haus und vor allem eine Auswahl an Kleidung und Accessoires, die man normalerweise in Düsseldorf auf der Kö vermuten würde. – Aber auch qualitativ gute, günstige Basics für den „normalen“ Geldbeutel. Und: sehr gute Beratung.
Eine Folge davon: Wohnmobilisten aus ganz Deutschland verbringen ihre Wochenenden auf dem Stellplatz Kanzlers Weide, um am Samstag ein schönes Shopping-Erlebnis zu haben. (Übrigens loben viele dieser Leute Minden mehr als die Einwohner. Die fahren dann eher nach Hannover. Verrückt, oder?)

Was ich damit sagen will: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Vor einigen Jahren las ich für meine Wirtschaftsethik-Facharbeit das Buch Arcandors Absturz. Wie man einen Milliardenkonzern ruiniert
von Hagen Seidel. Lesenswert, aber man kommt aus dem Kopfschütteln teilweise nicht heraus. Der Fisch stinkt vom Kopf her, hier zeigt es sich mal wieder.
Die diversen Chefetagen dieses Konzerns – der immer wieder neu sortiert wurde, mit wechselnden Partnern und Allianzen, im Lauf der Jahrzehnte immer wieder von neuen Investoren, vor allem aber auch mit Steuergeld gestützt wurde – verpennten aber ebenso regelmäßig die Anpassung an Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen Entwicklung, es ist ein Trauerspiel. Die sind anscheinend nicht nur zu groß, um zu versagen, sondern vor allem zu groß (oder zu unfähig), um adäquat zu reagieren. Und am Ende sind diejenigen, die in die Röhre schauen, die Arbeitnehmer (vor allem in den unteren Lohnklassen, während das Management weiterzieht) sowie unsere Gesellschaft als Ganzes, weil das Steuergeld futsch ist und nichts gerettet hat…

Manchmal frage ich mich wirklich, was wir aus den ganzen kleinen und großen Verwerfungen und Katastrophen der letzten Jahrzehnte überhaupt gelernt haben.

Es gibt viel zu tun…

A) … lassen wir es liegen
B) … fangt schon mal an
C) … packen wir’s an
D) … schieben wir es auf

Die Millionen-Euro-Frage. By the way: Die Joker sind schon alle verbraucht.

Europaweite Ausschreibung

Aus Gründen ein Montagsmotz 2.0 für heute! Ich bin sowas von auf 180!

Eben las ich den verlinkten Artikel in der Branchenpresse und war entsetzt.

https://www.boersenblatt.net/news/buchhandel-news/drohende-ausschreibung-des-buechereinkaufs-muss-verhindert-werden-278781

Städte, besonders Großstädte und Landeshauptstädte, schmücken sich gern mit ihrer Kulturliebe: Mit Theatern, Museen, und auch mit ihrer lebendigen Buchhandelslandschaft.

Schulen fragen in örtlichen Buchhandlungen an, wenn sie eine Jury für Lesewettbewerbe brauchen und außerdem, wenn man sowieso schon dabei ist, kann man ja auch gleich ein paar Bücher als Preise für den Lesenachwuchs mitbringen. Klar, tut man. Meist sogar sehr gern.
Es wird oft stillschweigend davon ausgegangen, dass die örtlichen Buchhandlungen auch ohne vorherige Ankündigung immer die Lektüren vorrätig haben, die in den Schulen gelesen werden.
Spenden für Schulbibliotheken machen die allermeisten Buchhandlungen gern möglich, nicht nur aus Altruismus, sondern nebenher auch, um im Gespräch zu bleiben und die Kundschaft von Morgen aufmerksam zu machen.
Und Bücher sind preisgebunden. Mit festen Regeln, wann es Ausnahmen von der Preisbindung geben darf. Unter anderem für öffentliche Bibliotheken. Der Rabatt ist vorgeschrieben, der hier gewährt werden darf. Dieses System dient vor allem dazu, dass Bücher in kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen in der hintersten Provinz (wo sie einzeln im Regal stehen oder besorgt werden) zu denselben Konditionen erworben werden können wie in Großstädten, wo sie in den Buchhandelsketten über einen Zentraleinkauf in großen Mengen eingekauft werden und auf Stapeln ausliegen.

Es bringt also keinerlei Vorteile, wenn Buchbeschaffungsaufträge europaweit ausgeschrieben werden. Im Gegenteil. Was soll es für irgendeinen Beteiligten an Vorteilen bringen, wenn deutsche Bücher sagen wir mal aus Erfurt (ein großer Handelsplatz für Buchlogistik) nach Barcelona geliefert und dann wieder nach Deutschland zurückgeschickt werden? Und selbst, wenn der spanische Buchhändler die Bücher direkt an die Bibliothek liefert, was passiert bei Reklamationen? Der örtliche Buchhändler kann das Reklamationsmanagement ohne Sprachbarriere auf „kurzem Dienstweg“ erledigen, international ist das logistisch eher kompliziert.

Ganz davon abgesehen zahlt die deutsche Buchhändlerin in „ihrer“ Stadt Gewerbesteuer. Die dann dem Stadtsäckel zur Verfügung steht und vor Ort reinvestiert werden kann, in die Bibliothek zum Beispiel. Sie bietet Arbeitsplätze in der Region, okay, meist zwar nicht sehr viele, aber immerhin. Sie ist Ansprechpartnerin für alle, die in der Stadt mit Bildung, Literatur und ähnlichem zu tun haben. Der Buchhändler und die Buchhändlerin vor Ort organisieren Lesungen, Büchertische, machen sich in der Leseförderung stark, denn wer nicht gut lesen kann, wird es immer schwerer haben, an gute Informationen zu kommen.

Ich kenne in vielen Städten unglaublich engagierte BuchhändlerInnen, die viel Herzblut in Leseförderungsprojekte stecken. Die nach dem Motto „Unmögliches erledigen wir sofort, Wunder dauern etwas länger“ Einsatz für die Kulturlandschaft ihrer Orte bringen. Die Zeit und knappes Geld investieren, weil sie es gern tun, weil es ihr Leben ist. Diese Menschen werden vor den Kopf gestoßen, abgewatscht und im Regen stehen gelassen!

Und natürlich gilt: Wenn man möchte, dass es den Händler in der Stadt auch in 10 Jahren noch gibt, dann muss man verdammt nochmal auch dort einkaufen! Leider kenne ich einige ganz besonders „pfiffige“ Lokalpolitiker in verschiedenen Orten, die diese ganz simple Tatsache entweder hartnäckig nicht begreifen oder denen sie schnurzegal ist.

Übrigens verweist der Artikel im Börsenblatt auf eine Petition. Auf der Petitionsseite stehen noch mehr wichtige Argumente für die lokale Beschaffung. Es lohnt sich, hier nachzulesen und auch die Petition zu unterstützen. Danke.

Ich habe fertig!

„Die ziehen kleine Verbrecher groß“

Hast du den Spruch schon mal gehört? Vor längerer Zeit, also ungefähr vor 30 Jahren, wurde dieser blöde Satz des Öfteren benutzt, wenn man der Meinung war, Eltern würden ihre Kinder nicht gut und angemessen erziehen. Es bleibt festzustellen: Kein Mensch wird als Verbrecher geboren und auch die beste Erziehung schützt später nicht zuverlässig davor, als solcher zu enden.

Wenn ich also im Jahr 2023 mit Entsetzen in der Zeitung lesen muss, dass in einer benachbarten Stadt eine Bande ihr Unwesen treibt, deren Mitglieder zwischen 12 und 17 Jahren jung sind (und die Jüngsten ganz bewusst vorgeschickt werden bei Straftaten), wenn ich daran denke, dass schon in den letzten zwei Jahren in einem angrenzenden Landkreis zwei jugendliche Brüder in Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen so etwas wie Terror verbreitet haben, wenn ich dann auch noch erschüttert zur Kenntnis nehmen muss, dass zwei strafunmündige Mädchen eine Gleichaltrige mit zahlreichen Messerstichen getötet haben, dann bleibt mir das Motzen gewissermaßen im Hals stecken.
Deswegen heute ein ungewöhnlicher Montagsmotz der etwas anderen Art.

Wenn ich darüber nachdenke, dass vor einigen Jahren bereits in Großbritannien ein ähnlicher Fall mit ein paar kleinen Jungs als Tätern große Wellen schlug, wenn die Schlagzeile auf Seite 1 der Tageszeitung lautet „Mehr kriminelle Kinder im Kreis“ mit dem Untertitel, dass Ostwestfalen stärker von Kinderkriminalität betroffen sei als Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt, dann läuft es mir kalt den Rücken runter. OWL als Heimat derer, die zum Lachen in den Keller gehen, die so dröge sind, dass sie jeden Sturzregen trocken überstehen, das ist der Ruf, der uns hier im äußersten Nordosten NRWs vorauseilt. Aber Hochburg der Kinderkriminalität? No way.

Und während manch ein vorschnelles Urteil gefällt wird, je nach politischem Blickwinkel die „Masseneinwanderung“ oder die „Pandemie mit ihren unausgegorenen Einschränkungen“ als Grund und Schuldiger an diesem Problem ausgemacht wird (beides spielt bestimmt eine Rolle – unter vielen anderen Aspekten), frage ich mich, ob die eigentlichen Gründe nicht eher gesamtgesellschaftlicher Art sein könnten. Ob der Krimi nicht eher ein Trauerspiel ist. Denn ein einzelner offensichtlicher Grund für eine gesellschaftlich bedenkliche Entwicklung hat noch immer zu kurz gegriffen.
So gibt es trotz Egoshootern und anderen menschenverachtenden Videogames zu Beginn der 2000er Jahre doch deutlich mehr Menschen, die zu ganz normalen und anständigen Erwachsenen geworden sind als potenzielle Amokläufer. Auch damals war den Jugendlichen, die solche Spiele cool fanden, eine fast schon zwingende Karriere als Berufskriminelle prophezeit worden. Selbst das Aufwachsen in sogenannten „Ghettos“ lässt sich nicht zuverlässig als Vorhersage eines Erwachsenenlebens heranziehen.

Was aber mit ziemlicher Sicherheit Spuren hinterlässt, das ist ein ganz allgemeiner schleichender Trend: Während Eltern zunehmend gezwungen sind, beide arbeiten zu gehen, um ein Familienleben überhaupt finanzieren zu können, brechen familienfördernde Strukturen weg. Wer keine Familie in der Nähe wohnen hat (oder wo die Großeltern selbst keine Zeit / kein Interesse haben), ist auf Fremdbetreuung angewiesen. Und der Rest der Gesellschaft und auch die Politik haben lange Zeit was gemacht?
Richtig: Eltern und vor allem Müttern ein Gefühl der Minderwertigkeit vermittelt, wenn sie ihre Kinder „weggaben“. (Ganz davon abgesehen, dass man in der alten Bundesrepublik dazu neigte, damit der kompletten ehemaligen DDR-Bevölkerung eine ordentliche Erziehung ihrer Kinder in der Fremdbetreuung abzusprechen.) Das Bild der idyllischen Familie als Ideal hochgehalten. Und im Gegenzug Kindertagesstätten nicht angemessen mit Personal und Mitteln ausgestattet, schulische Infrastruktur kaputtgespart (in meinem ehemaligen Gymnasium, das ich vor über 35 Jahren verlassen habe, sehen die Toilettenanlagen immer noch genauso aus wie Ende der 1980er Jahre, nur älter, kaputter und abgewrackter, wobei sie noch im oberen Level angesiedelt sind), Jugendsozialarbeit und -einrichtungen mit immer weniger Geld versorgt (ohne viele Ehrenamtliche ginge da meist gar nichts, und das liegt nicht daran, dass deren Leitungen nicht mit den knapper werdenden Gelder umgehen können).

Spielplätze wurden geschlossen statt renoviert, wenn die Geräte nicht mehr standsicher waren, weil es ja angeblich immer weniger Kinder in den Siedlungen gab. (Also: Für 15 Kinder „lohnt sich“ ein Spielplatz vielleicht noch, aber für fünf ist er rausgeschmissenes Geld?) Lange Zeit war es kaum sanktioniert, wenn Hundebesitzer ihren Hunden gestatteten, die Sandkästen als Hundeklo zu missbrauchen, stattdessen ärgerte man sich öffentlichkeitswirksam, wenn Jugendliche abends die Spielplätze als Ersatztreffpunkte nutzten (siehe oben) und dort Kippen und Scherben hinterließen.
Später dann wurde es gehypt, wenn Eltern ihre Kinder von vorn bis hinten pamperten, denn die „Zukunft der Gesellschaft“ war Mangelware, man hatte Angst, dass die zukünftigen Rentenzahler ausgehen könnten.
Aber eine vernünftige Infrastruktur und Strategie, wie man gesellschaftlich den Familien ein Leben mit Perspektive bieten kann, egal aus welchem „Milieu“ sie stammen, eine kontinuierliche, zukunftssichernde und wertschätzende Investition in Kitas und Schulen, Jugendzentren, Spiel- und Sportplätze, in die zeitgemäße Ausbildung von Erziehern und Lehrern, das wurde viel zu lange verpennt, auf allen möglichen Ebenen.

Es ist eben nicht genug, ab und zu mit der Gießkanne und im Hauruckverfahren irgendwas anzustoßen. Es ist und bleibt mühsam und kleinteilig, mit „hier eine Sanktion und dort ein Fördertopf“ ist es nicht getan.
Der Spruch „Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen“ kann heute durchaus auf ein Land erweitert werden. Es braucht unter anderem:
– Die Bereitschaft unterschiedlicher Akteure, über den eigenen Tellerrand und das eigene Portemonnaie hinwegzusehen.
– Die Erkenntnis mancher Eltern, dass nicht jeder Tadel eines familienfremden (und öfter mal älteren) Menschen in der Öffentlichkeit übergriffig und gegen ihre kostbaren Kinder gewandt ist (es gibt beides, Wohlwollen und Übergriffigkeit). Sondern dass diese den Kindern vermitteln, dass Freiheiten auch begrenzt sind. Was in manchen Familien leider nicht genügend passiert.
– Senioren, die Familien als Paten unterstützen und ihre Lebenserfahrung empathisch und ohne erhobenen Zeigefinger weitergeben.
– Politik und Institutionen, die nicht nur kurz vor Wahlen auf die Wähler von Morgen schielen. Und damit verbunden kontinuierliche Evaluation der Familienpolitik auf Zeitgemäßheit und Wirksamkeit.
– Mehr „wir“ und weniger „ich“. – Aber trotzdem die Bereitschaft, individuelle Familienentwürfe als gleichwertig zu den gesellschaftlich anerkannten Modellen anzuerkennen.
– Und noch viel mehr, auch Voraussetzungen, die auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich sind. Ausgewogen statt die üblichen Pendelbewegungen. Vor allem brauchen wir alle einen langen Geduldsfaden: Mit uns selbst, miteinander, mit Menschen, die alles ganz anders sehen als wir.

Was wir dagegen eindeutig nicht brauchen, ist eine hetzerische Meute, die in sozialen Medien in solchen Fällen fast schon geifernd nach Details zu Taten lechzt, um einen kranken Voyeurismus zu befriedigen. (Edit im Lauf des Montags: und drakonische Strafforderungen und/oder Selbstjustizdrohungen für die Täterinnen auch nicht! Dass weder Details noch Konsequenzen öffentlich kommuniziert werden, hat auch wichtige Gründe.)

Zum Schluss: Es gibt sicher noch viele weitere Facetten und Puzzleteile, die eine Rolle spielen. Was ich oben geschrieben habe, entspricht meiner persönlichen Wahrnehmung, es muss nicht alles richtig und vollständig sein. Aber was wir wirklich immer und zu jeder Zeit brauchen, ist ein Reflektieren unseres Lebensstiles und der Ziele, die wir persönlich und gesellschaftlich verfolgen. Ehrlich, empathisch und mit der Bereitschaft, Fehlentwicklungen anzugehen. Und das ist eben mühsam und die Erkenntnisse sind nicht immer schmeichelhaft.

Eine gute Sache, die bei uns hier von den Jugendämtern angeleiert wurde, sind da übrigens die „Frühen Hilfen“. Aus dem Budget der Jugendhilfe werden schon frischgebackenen Familien unterschiedliche Maßnahmen finanziert, das kann je nach Einzelfall Hebammenbetreuung oder eine Kinderkrankenschwester sein, die Familien mit kranken Kindern regelmäßig betreut, oder auch vorausschauende sozialpädagogische und sozialpädiatrische Begleitung von Familien, bei denen ein klassisches Familienleben schwierig sein könnte.

Passend zum Thema ist auch der letzte Woche stattgefundene Bildungsgipfel. Es gab mal einen Film mit dem Titel Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam.
Analog dazu könnte man die Veranstaltung nennen:
Die Bildungsministerin, die auf einen Bildungsgipfel stieg und von einem Hügel herunterkam.

Selbstbild / Fremdbild / Körperkult

Mein heutiges Motzthema ist mal wieder eine Bankrotterklärung menschlicher Werte. Verzerrung, Deformation, sich und anderen in die Tasche lügen ist in manchen Bereichen teilweise an der Tagesordnung.

Ich habe einen Newsletter abonniert, vom Chefredakteur unserer Lokalzeitung, der mich oft zum Grübeln bringt (also der Newsletter, nicht der Chefredakteur😉). Vorletzte Woche machte er auf ein Thema aufmerksam, das uns als Familie und mich ganz persönlich zum Glück überhaupt nicht betrifft, weil wir keine leistungssportaffinen Familienmitglieder haben.
Es geht um Leistungssport und speziell um Essstörungen im Umfeld des internationalen Spitzensports. Hier eine sehr interessante Reportage, die teils echt heftig ist, aber sehr nachdenklich macht:

https://www.daserste.de/sport/sportschau/videos/hungern-fuer-gold-102.html

Natürlich gibt es Menschen, die essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen. Dann gibt es andere, die müssen nur mal einen Blick auf den Teller werfen und haben ein Kilo mehr auf den Rippen. Und diejenigen, die von Natur aus dünn sind, sind damit nicht besser als andere und vor allem auch nicht unbedingt gesünder oder glücklicher.
Auch im Leistungssport gibt es so unterschiedliche Menschen. Erschreckend und mehr als übergriffig empfinde ich es, was manche Trainer, Manager oder Sportfunktionäre von den Sportlern verlangen, die sie betreuen. Junge Menschen, die einen Sport zunächst einmal aus Spaß ausüben und dann auch noch Talent und Ehrgeiz zeigen, werden ausgenutzt und ihnen wird zumindest psychische Gewalt angetan, das alles noch dazu in einer äußerst sensiblen Lebensphase. Was ist daran anders als an Doping, gegen das inzwischen auch immer härter vorgegangen wird?
Die Tour de France zum Beispiel hatte nach dem Bekanntwerden der großen Dopingskandale ein massives Zuschauer- und damit auch Einnahmenproblem.
In der Folge wurde mehr und öffentlichkeitswirksam getestet, das Doping ist zwar nicht besiegt, aber erschwert.
Wenn Fernsehzuschauer es verweigern würden, den Fernseher einzuschalten bei Skisprung, Biathlon, Kunstturnen oder anderen Sportarten, die mit Mangelernährung oder Essstörungen als Mittel zum Zweck „arbeiten“, wenn deswegen die Werbung weniger und die Einnahmen zurückgehen würden, könnte es hoffentlich dazu beitragen, hier Änderungen herbeizuführen. Wenn die von Trainern und Funktionären verordnete Unterernährung den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen würde, täte das ein Übriges.
Beim Spitzensport frage ich mich ohnehin schon seit langem, was zum Henker da eigentlich noch alles für Geschütze aufgefahren werden sollen, um immer neue Rekorde aufzustellen. Menschliche Leistungsfähigkeit ist nicht unendlich dehnbar, ohne zukünftige Schäden der Athleten in Kauf zu nehmen. Und auch die Optimierung des Materials ist irgendwann ausgereizt. Ist es nicht eigentlich vollkommen aus der Zeit gefallen, wie hier immer einfach nur weiter so forciert wird? Höher, schneller, weiter?

Eine andere Sache, die wesentlich mehr Menschen, und hier vorwiegend junge Frauen, betrifft, sind Beauty Filter in den sozialen Medien.

https://www.instagram.com/reel/CpVr8SnPz0Y/?igshid=MDJmNzVkMjY=

Auch hier wird mit vermeintlich erstrebenswerten Zielen und Idealen gearbeitet. Statt die wunderbare Vielfalt menschlichen Aussehens zu feiern, wird den Mädels suggeriert, dass die „wahren Schönheitswerte“ in schmalen (Stups-)Näschen, fleischigen und glossigen Lippen, großen (gern katzenartig schräggestellten) Augen und üppiger Oberweite besteht. Dazu hohe Wangenknochen, glänzende mähnenartige Haare und ein makelloser, bronzefarbener Teint.

Die Gesichter werden dadurch immer vergleichbarer, nichtssagender, statischer. Da ist kein Gefühlsausdruck, kein Charakter und keine unverwechselbare Persönlichkeit dahinter.

Unsicherheiten, die viele Mädchen und Frauen – aber zunehmend sind auch junge Männer betroffen – in Bezug auf ihr Äußeres sowieso schon haben, werden dadurch nur verstärkt. Statt den Betroffenen ein gutes Selbstgefühl und Vertrauen in ihre ganz eigenen Werte und Fähigkeiten, auch abseits von Äußerlichkeiten, zu vermitteln, werden sie zu Püppchen gemacht. Und machen das auch noch mit, weil sie denken, es gehört dazu. Sorry, das gehört für mich ebenso ausgemerzt wie Finanzspekulation auf Lebensmittel. Manchmal ist es mehr als abartig, was die Menschheit als angebliche „Krone der Schöpfung“ anstellt.

Reißt euch mal zusammen!

Es wäre zu schön gewesen, wenn ich auch noch eine zweite Woche nichts zu motzen gehabt hätte. Aber anscheinend gibt es „wirkmächtige Kräfte“, die das verhindern wollen.

Heute würde ich gern mal – nein, ich tue es jetzt einfach – diversen Politikern des gesamten Parteienspektrums virtuell die Ohren langziehen.
Wir wissen  zur Genüge, dass es da eine Mittel- bis Altherrenpartei (obwohl sie auch ein paar Ladies hat) gibt, von der man fast schon erwartet, dass sie rhetorisch deftig-heftig zulangt. Vermutlich chronisch zu tief in die Maß geschaut, auch abseits des Oktoberfestes oder des politischen Aschermittwochs.  Und natürlich die unerträgliche blaubraune Alternativpampe für Deutschländer. (Sorry an die Würstchenfabrik)
Es gibt den sauertöpfischen (Ups! Freud’scher Versprecher…) sauerländischen Herrn, der alles besser weiß und ganz gern mal mit Schlagwörtern um sich wirft, die geeignet sind, niedere Instinkte bei den Hörern zu bedienen.
Und da ist die mit sich selbst ringende Partei am linken Rand, die sich (noch) nicht ganz sicher ist, ob sie ihrer Chef-Rhetorikerin die fristlose Kündigung schicken soll.
Aber geschenkt, das ist alles Opposition, die müssen ja schließlich irgendwie zusehen, dass sie wahrgenommen werden.

Doch nun hole ich zum ultimativen Abwatschen aus: Was denkt ihr Hanseln der Regierung euch eigentlich dabei, wie ihr in der Öffentlichkeit miteinander umgeht? Was ihr euch für Schmähungen an die Köpfe knallt? Habt ihr schon mal was von „Vorbildfunktion“ gehört? Die ihr für Jugendliche einnehmen solltet? Für junge Leute, welche die „großen Themen“ sogenannten „Profis“ überlassen sollten? Was für Vorbilder und was für Profis seid ihr denn?

Als erstes solltet ihr Handy-, Twitter- und Instagramverbot bekommen. Und mindestens ein Semester Nachhilfe in Medienkompetenz. Alle miteinander.

Vor allem die Hipsterfraktion im gelben Pullunder (ach nee, der Pullunderträger rotiert vermutlich eher gerade im Grab) macht da echt keine gute Figur. Ein distinguierter älterer Herr aus dem hohen Norden ist auf Dauerkrawall gebürstet (im Küstennebel ver[w]irrt?). Ein jungverheirateter  Mittvierziger macht auf „Geiz ist geil“, vor allem an den Stellen, wo es so marginalisierten Gesellschaftsgruppen wie Kindern, Pflegebedürftigen oder Senioren zugute kommen könnte. Ein sogenannter Minister, der für die gesamte verkehrliche Infrastruktur Verantwortung hat, will auch viel Geld in selbige stecken, nur leider nicht in überfällige Brückensanierungen oder den ÖPNV, sondern in noch mehr Autobahnen und andere Straßen – und in Schnellbahntrassen und Deutschlandtakte, die noch nicht mal ansatzweise existieren (neuesten Infos zufolge werden sie auch noch eine geraume Weile auf sich warten lassen). In Verbindungen, die von den Bürgern in den neu zu erschließenden Gegenden überhaupt nicht gewollt werden (undankbares Pack…).

Was sollen wir mit Verkehrswegen anfangen, die Moore, Naturschutzgebiete, Wälder, wertvolle Grundwasserreserven, besten Ackerboden und andere lebenswichtige Ressourcen zerstören? (Gestern erst las ich, dass auch NS-Gedenkstätten und Truppenübungsplätze nicht sicher vor den Plänen sind.) Autobahnen kann man nicht essen, megabreite Schnellbahntrassentröge nicht trinken und nichts davon verarbeitet Luftschadstoffe. Und: diese Projekte binden knappe Baumaterialien, die nicht für Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur verwendet werden können.

Im vergangenen Oktober wurde zwischen EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten der Ausstieg aus den Verbrennermotoren beschlossen (ich lasse jetzt mal außen vor, ob das ein guter oder DER Weg überhaupt ist, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber darum geht es nicht). Ausdrücklich hat die FDP damals zugestimmt. Und jetzt stellt sich unser Oberverkehrsplaner hin und sagt: „Nö! Mach ich nicht!“ (Was stört mich mein Geschwätz von gestern?)

Quelle: offizieller Instagram-Account von Volker Wissing.

Die spannenden Zeiten sind offensichtlich angespannten Zeiten gewichen. Die Brücken haben anscheinend den Stresstest nicht unbeschadet überstanden. Gemeinsamkeiten kann man mit der Lupe suchen.
Schade eigentlich. Es hätte echt was Großes werden können. Hatte man nicht einen „neuen Politikstil“ ausgerufen? Ich hatte es gehofft und vor allem hätte ich so gern dran geglaubt. Tja, diese Illusion hätten die Ehrlich-Brothers besser aufrecht erhalten. Und vor allem unterhaltsamer.
Aber mehrere verlorene Landtagswahlen lassen wohl dazu neigen, das Profil so lange zu schärfen, bis keiner mehr den Tanz auf der Klinge aushält. Auf die Idee, dass man die Wahlen deswegen verschenkt hat, weil man zu viel auf eigene Klientel schielt und die Lieblingsthemen zu hoch hängt, kommt irgendwie keiner.

Es gab Zeiten, in denen ich fest davon überzeugt war, diese Partei sei, obwohl ich sie nie gewählt habe, ein wichtiges Korrektiv.
Es gab auch Zeiten, da war den Politikern (aller Parteien) bewusst, dass Freiheit ohne festen Rahmen nichts wert ist. Dass eine soziale Marktwirtschaft nur so gut ist wie ihre Ordnungspolitik. Da hieß es noch „ordopolitische Maßnahme“, heute schreit jeder sofort „Verbot“! Ich frage mich, ob die Gurtpflicht oder das FCKW-Verbot aktuell noch Chancen hätten…
Zeitenwende, auch hier.

Und ich bin deprimiert, weil mir weder ein erlösender Schluss noch ein Spontispruch einfallen, die meine Anspannung lösen könnten. Ich mag es gar nicht, so im Sumpf steckenzubleiben und komme mir fast vor wie die weibliche Version von Gernot Hassknecht🙈. Aber es ist halt Montagmorgen und noch nicht aller Tage Abend.

PS: und am allermeisten nervt mich, dass ich in Zynismus abgleite, obwohl ich mich dabei sehr unwohl fühle…

Sendepause

Es ist wieder Montag. Der neunte in diesem Jahr bereits. Wie die Zeit vergeht…

Aber nun kommt’s: Ich habe heute nichts zu motzen. Ich habe

Bestimmt gibt es Themen, über die sich ergiebig meckern lässt, aber ich habe heute keine Lust dazu.
Deswegen wünsche ich euch einfach so eine gute Woche.

Pöbeleien, Drohmails und Ekelbriefe

Heute gibt es ein trauriges und ratlos machendes Phänomen, über das ich fast schon eher trauere als motze. Aber lest mal selbst:

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/anfeindungen-wissenschaft-101.html

Warum, frage ich mich immer wieder. Das Phänomen ist nicht neu, wie ich letztens auch wieder in dem Buch „Post von Karlheinz“ gelesen habe, dessen Autor Hasnain Kazim bereits als Schüler (!) Hassbriefe per Post bekam.

Allerdings ist es durch Formate und Plattformen wie eMail, Facebook, Instagram, WhatsApp und Telegram in den letzten Jahren immer einfacher und bequemer geworden, seine Hassbotschaften und Gewaltphantasien in die Welt zu rotzen. Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, die in exponierten beruflichen Positionen arbeiten (Wissenschaft, Journalismus, Politik…), sind besonders betroffen, wenn auch noch beides zutrifft, Holla die Waldfee!
Der oben erwähnte Journalist sowie seine Kolleginnen Dunja Hayali und Nicole Diekmann haben ihre Erfahrungen literarisch verarbeitet. Andere mit Sicherheit auch.

Auch anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller möglichen Fachrichtungen werden zu Opfern von Hass und Hetze, Vertreter von Religionsgemeinschaften ebenso.
Nicht jeder muss jeden mögen, das tu‘ ich auch nicht. Manchmal meckere ich auch über jemanden, ich denke, soweit ist das auch ganz normal. Aber was Leute umtreibt, anderen persönliche Nachrichten zu schicken, in denen sie beleidigen, Vergewaltigung, Folter und ekelhafte Todesarten androhen, werde ich niemals nachvollziehen können.
Was treibt Leute um, die als Replik auf kontrovers diskutierte Problemstellungen (und noch schlimmer: manchmal sogar auf recht simple Themen) in übelsten Wortdurchfall geraten, ungefiltert Gewaltphantasien in die Welt setzen oder anderen ihre Existenzberechtigung absprechen, für Attribute, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben?
Wieso leiden so viele (und wieder mal: meist Männer) unter so ausgeprägten Impulskontrollstörungen und werden so wenig dafür sanktioniert?
Ja, richtig gelesen, ich schrieb :so viele. Obwohl ich weiß, dass es absolut gesehen eine recht kleine Minderheit ist. Aber jeder Einzelne davon ist einer zu viel.

Vielleicht denkt jetzt die Eine oder der Andere hier „Weiß die Annuschka eigentlich noch, was sie will? Letzte Woche maulte sie über die gefühlten Experten, heute über diejenigen, die die tatsächlichen Experten angreifen…“
Ich kann euch beruhigen: im Allgemeinen weiß die Annuschka das.
Aber erstens überlappen sich die Phänomene und zweitens steigt der Ratlosigkeitslevel bei mir gerade mal wieder schneller als das Thermometer.

Was habe ich eben gelesen? Lieber Gott, mach mich blind, dass ich diese Welt gutfind‘.
Ganz so weit ist es nicht, aber Tendenzen sind dann und wann vorhanden.

80 Millionen Multitalente

Vorbemerkung: der heutige Beitrag fällt eher unter die Kategorie
Nicht ärgern, nur wundern
und dient damit auch ein wenig der Seelenpflege. Immer nur motzen ist etwas anstrengend, selbst wenn man es nur montags rauslässt.

Wir Deutschen sind doch ein putziges Völkchen. Und offenbar ein sehr multibegabtes noch dazu. Dass wir alle paar Jahre, nämlich immer dann, wenn größere Fußballturniere anstehen, zu einem großen Kollektiv von Bundestrainern mutieren, ist ja lange bekannt. Ein über Jahrzehnte eingespieltes Ritual. Umso erstaunter waren manche, die mit universitärer Hilfe in medizinischen und/oder gesundheitsforschenden Berufen tätig sind, dass im Frühjahr 2020 diese ganzen ambitionierten Herbergers, Schöns, Derwalls, Beckenbauers, Vogts‘, Ribbecks, Völlers, Klinsmanns und Löws (Flick war noch Co-Trainer zu Beginn der Pandemie) in Nullkommanix eine Umschulung zu Virologen hinlegten. Und nach dem Nachdruck zu urteilen, mit dem so mancher dieser frisch „Promovierten“ seine Thesen verbreitete, summa cum laude.

Noch mehr verwunderte allerdings die heftig gesunkene Halbwertszeit dieser Zusatzausbildungen, denn bereits relativ kurz, nachdem am 24. Februar 2022 die Zeitenwende in erster Linie über die Ukraine und damit verbunden auch über Europa hereingebrochen war, beschlossen diejenigen, die auch in den Wirren der Viren nicht ihre berufliche Erfüllung gefunden hatten, noch einmal umzuschulen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie noch nicht die erforderliche Anzahl von mindestens 10 Bewerbungstrainings abgeschlossen hatten, und egal, ob sie „gedient“ hatten oder nicht: der neueste heiße Schei* war die Feierabendfortbildung per Fernunterricht zum Verteidigungsminister oder zur Strategieexpertin.

Wenn es nicht so zwiespältig wäre, könnte man fast lachen und sich fragen: Wann werden wir alle die ultimative Befriedigung darin finden, als Verkehrsminister die Zukunft unseres schönen Landes auf die Schiene und in den ÖPNV zu bringen? Bei aller Motzerei über denjenigen, der diese goldene Himbeere des Kabinetts als Aufgabe bekommt, fürchte ich, dass viele potenzielle Bewerber den bisherigen Amtsinhabern zumindest in einer Sache beipflichten würden: Deutschland ist und bleibt Autoland. 80 Millionen Schumachers und Vettels eingeschlossen. Naja, vielleicht auch eher um die 40 Millionen. Bisher hat sich jedenfalls noch keine Frau freiwillig auf den Posten beworben…

80 Millionen Klimaschützer sind vermutlich auch noch für längere Zeit eine Utopie, siehe meinen Beitrag vom letzten Donnerstag über die Freiheit.

Als Abschluss gönne ich euch einen kleinen Wochenanfangsohrwurm, auch wenn er nicht ganz zum Thema passt (oder gerade deswegen, weil er ein anderes Schlaglicht auf die 80 Millionen wirft).
Warum soll ich den denn alleine haben?

Ich parke, also bin ich

Es ist wieder Montag und natürlich gibt es ein Thema, über das ich schon immer mal so richtig Dampf ablassen wollte. Vorweg gesagt: viele Parkplätze und -häuser in Deutschland gibt es schon sehr lange und sie wurden offensichtlich nie an die Dimensionen neuerer Autos angepasst. Warum auch, dann würden ja weniger Autos hinpassen und die Einnahmen in den Keller gehen. Aber das ist nicht unproblematisch (also die mangelnde Größe der Parklücken).

Meist bin ich mit meinem kleinen Fiat 500 unterwegs, der allen möglichen Schnickschnack wie Parkassistent, Rückfahrkamera und so nicht besitzt. Immerhin piept er, wenn ich beim Rückwärtsfahren Gefahr laufe, eine Mauer, ein anderes Auto oder Verkehrsteilnehmer zu rammen. Bei Pollern und Pömpeln sieht es schon diffiziler aus, die müssen dick genug sein und im richtigen Winkel stehen, damit der Sensor sie erkennt.
Das Schöne an dem kleinen, wendigen Auto ist neben dem überschaubaren Verbrauch an Benzin auch die Bescheidenheit beim Parkplatzbedarf. Aber was nutzt mir diese Bescheidenheit, wenn andere um mich herum mit dem knappen, weil für 70er-Jahre-Autos gebautem Parkraum umgehen, als hätten sie alles Recht der Welt, gleich mehrere Parkplätze zu besetzen. Dann kann ich richtig sauer werden. Und da muss ich auch gestehen, dass ich eine mindestens 3-Klassen-Brastigkeitsskala habe.

Wenn ein T5 oder das Äquivalent irgendeines anderen Autofabrikats parkt und gefühlt sechs bis neun Familienmitglieder verschiedener Grobmotoriknuancen, Hund, Katze, Papagei, Buggy, Klapprad und was weiß ich noch ausspuckt, habe ich eher Verständnis dafür, dass die fahrzeugführende Person auf genügend Abstand zu den rundum parkenden Autos achtet. Ebenso, wenn jemand mit offensichtlicher Mühe, seinen Körper aus dem Auto heraus zu entfalten, möglicherweise auch noch mit Hilfsmitteln dabei, umständlich dem Auto entsteigt. Oder wenn ein Elternteil damit rechnen muss, dass der Nachwuchs („Ich bin schon groß, ich kann das selber“) blitzschnell die Türen öffnet, ohne auf irgendwas zu achten.

Biegt aber ein jugendlich-dynamischer Zeitgenosse (zumindest nach meinen Beobachtungen sind es in mindestens 90 % der Fälle Männer) mit seinem AMC oder einer anderen Protzkarosse schwungvoll auf wahlweise die weiße Linie zwischen zwei Parkflächen oder auf einen Sonderparkplatz für Körperbehinderte oder Mutter-Kind-Parkplatz (auf letzteres gibt es ja auch keinen Exklusivanspruch) ein, pfeffert die Pilotensonnenbrille aufs Armaturenbrett und entspringt voller Elan seinem Vehikel, um nur ja keinen Schritt zu viel auf dem Weg zu seiner Besorgung zu machen, dann werde ich innerlich zum Tier. Gern auch mit nicht sehr netten Phantasien, die ich (zum Glück für mich selbst und andere) bisher nie ausgelebt habe. Contenance, bitte!

Ebenfalls nicht sehr angesehen auf meiner Skala sind die Leute, die es nicht mal schaffen, mit einem ähnlich kleinen Töff wie meinem ordentlich in eine Parklücke zu fahren, in der auch ein Hummer (oder beim Längsparken eine Stretch-Limousine) Platz finden würde. Aber vielleicht sehe ich das auch falsch und die letztgenannte Gruppe gehört zu den Menschen, die wie ich einfach davon genervt sind, dass sie mit ihrem kleinen Auto immer so gründlich zugeparkt werden, dass sie zum Ausparken ein Periskop oder Radargerät brauchen, um zwischen den ganzen riesigen SUVs überhaupt zu sehen, wie sie wieder aus der Lücke rauskommen.

Außerdem gibt es, augenscheinlich vor allem bei den immer größeren, teureren und stärker motorisierten Autos offensichtlich beklagenswert viele, bei denen funktionsfähige Blinker fehlen. Oder deren Besitzer sind der Meinung, dass ein beabsichtigter Fahrtrichtungswechsel unter den Datenschutz fällt. Das nervt nicht nur, sondern kann auch sehr gefährlich sein. Negativ aufgefallen ist es mir vor allem wieder bei der letzten Autobahnfahrt, aber auch im Stadtverkehr halte ich das für ein No Go.

Ein letztes, was mir in den vergangenen Wochen wieder täglich begegnet ist: Bei „Grün“ fahren etliche Autofahrer auch in ganz offensichtlich vollgestopfte Kreuzungen ein, wohl wissend, dass bei der unweigerlich folgenden Grünphase des kreuzenden Verkehrs dasselbe passiert und sich die Situation aufschaukelt, bis überhaupt niemand mehr vorankommt. Oder sie fahren dickfellig immer noch, wenn ich auf der gegenüberliegenden Linksabbiegerspur schon „Grün“ sehe und anfahre.

Seit ich zwei Tage vor Weihnachten 2014 einen unverschuldeten Unfall hatte, bei dem mein damaliger knallroter Fiat 500 (mit dem ich mich auf einer Hauptstraße befand und wie zum Teufel sieht man ein feuerwehrrotes Auto nicht kommen?) von einem rechts aus einer Seitenstraße kommenden Mercedes auf die Hörner genommen wurde, bin ich da echt empfindlich. Der Mercedes hatte danach einen kaputten Scheinwerfer und einen etwas eingedetschten Kühlergrill, mein Auto aber einen Totalschaden. Und hinten rechts saß mein Kind!

Quasi als ausgleichende Gerechtigkeit, um nicht nur die „armen“ Autofahrer anzumotzen, noch ein zweckdienlicher Hinweis: Ich kann auch wunderbar auf unbeleuchtete Radler im Dunkeln, geisterfahrende Radfahrer auf der falschen Fahrbahnseite und andere Leute schimpfen, die der Meinung sind, die Straßenverkehrsordnung gelte nur für die Anderen.

Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß. Außer die Schüler einer großen Gesamtschule bei uns im Ort, die aus dem Bus steigen und einfach über die Straße rennen, ohne rechts und links zu gucken oder – Gott bewahre – die Fußgängerampel direkt neben der Haltestelle auch nur eines Blickes zu würdigen.

So. Jetzt habe ich mich abreagiert. Bleibt noch zu sagen: Jedem kann das mal passieren, durch Unachtsamkeit, situationsbedingte Eile, allgemeine Trotteligkeit… da kann und will ich mich selbst auch nicht freisprechen. Aber im Allgemeinen achte ich darauf, platzsparend zu parken, den Blinker zu benutzen, Regeln zu beachten und mich so zu benehmen, wie ich auch gern behandelt werden möchte. Mir geht es bei meiner Tirade nicht um ein allgemeines Niedermachen solcher Vorfälle, sondern einfach darum, dass ich (unter anderem durch Beobachten aus der Buchhandlung heraus, wenn niemand bemerkt, dass da drin jemand steht und guckt) häufiger bemerke, dass manche Leute aus Prinzip so handeln, wie man es mit etwas Rücksichtnahme auf andere nicht tun sollte. Parken auf dem Radweg oder Bürgersteig bzw. im Parkverbot gehört übrigens auch dazu. Eine schöne Woche euch allen. Mit vielen netten Begegnungen.

Vegan- vegetarisch – fleischig

Nun ist er fast schon vorbei, der Januar, der Veganuary. Hast du mitgemacht? Ich nicht. Vegetarisch ist bei uns normal. Für uns Eltern ab und zu durch etwas fleischhaltiges ergänzt. Mal ein bisschen Geflügel, mal etwas vom Biorindfleisch, das wir direkt beim Bauern gekauft und dann portionsweise eingefroren haben.
Aber ganz und gar auf tierische Lebensmittel verzichten, das klappt nicht. Muss auch nicht, finde ich, solange wir bewusst und selten Fleisch konsumieren und nicht alles wahllos in uns reinstopfen. Wir achten im Allgemeinen darauf, woher unsere Lebensmittel kommen und bemühen uns, so zu kochen, dass wenig Reste anfallen, die wir dann möglichst auch noch verwerten können. Natürlich ist noch Luft nach oben, immer kann man es nicht komplett hinbekommen, aber im Großen und Ganzen kriegen wir es immer besser hin, die Ernährung nachhaltig aufzustellen und auf den mengenmäßigen Punkt zu kochen.

So weit, so gut. Als es mir Anfang Januar gesundheitlich noch nicht wieder gut ging, frönte ich einem meiner Hobbies und las Speisekarten. Das geht ja inzwischen meist auch online und ich wollte Inspirationen für die eigene Küche sammeln. Zusätzlich stehen in unserer Tageszeitung immer Anzeigen in einer Übersicht, was es an Tagesgerichten in diversen Supermärkten und gastronomischen Betrieben gibt.

Dabei ist mir mal wieder aufgefallen: Ob beim Italiener, im Dönerladen, beim Inder, Spanier oder Chinesen, überall gibt es vegetarische und vegane Gerichte. Sogar (oder gerade) in den angesagtesten Burgerschuppen gibt es für alle Ernährungsformen sogar mehrere Gerichte zur Auswahl. Mir fällt ein, sogar bereits in den 1980er Jahren gab es bei den Aufläufen im Minchen oder im Känguruh in Bückeburg und im Seriösen Fußgänger in Minden stets mehrere vegetarische Versionen.

Aber wehe, man möchte gutbürgerlich in einem ganz normalen deutschen Restaurant essen. Wenn man Glück hat, gibt es eine Suppe ohne Fleischeinlage. Und Beilagensalat. Das war es dann häufig schon. Ach nee, bei den Desserts könnte man noch fündig werden. Ganz davon abgesehen, dass teilweise sogar das Restaurantpersonal mitunter den Unterschied zwischen vegetarisch und vegan nicht kennt – oder sogar der Meinung ist, Hühnchen sei doch gar kein Fleisch. (Alles schon erlebt.)
Das ist ja fast wie im Mittelalter, als man Biber in der Fastenzeit servierte, weil ein Tier, das im Wasser lebt, als Fisch angesehen wurde.

Wenn wir als Familie essen gehen, dann freut sich mein Mann, wenn er mal etwas essen kann, das ich zuhause nicht koche. Leber zum Beispiel. Unsere Tochter isst fleischlos. Grundsätzlich. Und ich entscheide mich inzwischen meist auch für Gerichte ohne Fleisch. Wir können uns also durch die restliche Welt futtern (aber dann wird es mit der Leber schwierig), oder es gibt zwar Leber, aber ansonsten viel leeren Raum auf den Tellern. Im Extremfall nehmen wir etwas, das eigentlich Fleisch enthält und bitten um das Weglassen des Fleisches. Und im Ultra-Extremfall müssen wir für das Weglassen des Fleisches dann umso mehr für den Rest bezahlen. Das nervt. In Deutschland, dem Land der Schnitzelfetischisten und Bulettenliebhaber könnte es im Jahr 2023 ruhig auch öfter mal Sellerieschnitzel oder Haferfrikadellen auf der Speisekarte geben. Ganz davon abgesehen ist die ständige Verfügbarkeit von fleischhaltigen Produkten eher ein relativ neues Konzept. Ich erinnere nur mal an den Sonntagsbraten. Der hieß ganz gewiss nicht so, weil er mittwochs oder an einem beliebigen anderen Tag auf den Tisch kam.

Oder hat das auch was mit Provinz und Ostwestfalen zu tun? Sind wir hier so hinter’m Berg?

Was mich sonst noch nervt: Die Mangelverwaltung. Mangel an Erziehern, an Lehrern, an Pflegepersonal, an Handwerkern, an Fahrern im ÖPNV… Alles nicht neu. Umso schlimmer, dass ich das Gefühl habe, irgendwie verharrt man beim Jammern, statt Maßnahmen zu ergreifen und Geld in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich dauert es so lange, erst eine Analyse und dann einen Aktionsplan aufzustellen. Uff!

Ratlosigkeit greift um sich. „Ich hatte wohl eine Lösung, allein: sie passte nicht zum Problem.“

Opposition und so

Es ist ganz schön herausfordernd, nur noch montags seinen Frust rauszulassen. So herausfordernd, dass ich schon begonnen habe, die Montage „redaktionell“ zu planen. Zum Glück (naja, das Attribut ist durchaus zweifelhaft in dem Zusammenhang) ist absehbar, dass so manche Aufregerthemen uns länger begleiten werden. Außerdem gilt es zu beachten, dass an dieser Stelle zwar auf Missstände hingewiesen werden soll, aber meine Absicht nicht ist, hier in eine Abwärtsspirale des Beschimpfens zu rutschen. Eher geht es darum, eine Art von Hilflosigkeit einzugestehen, auszudrücken, dass einiges schief läuft, ohne dass eine einzelne Person daran etwas ändern kann.

Uuuund: ACTION!

Was mich schon längere Zeit ziemlich anwidert, ist der grundsätzliche Ton zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Und zwar nicht nur in Bezug auf irgendwelche Parteien an den äußeren Rändern, sondern – und das finde ich viel bedenklicher – auch zwischen potenziellen Koalitionspartnern. Aktuell ganz konkret die bayerische Schwesterpartei derjenigen, die das Christentum im Namen tragen. Es bedarf schon einer gewissen Bigotterie, sich einerseits darauf zu berufen, dass christliche Werte wie Nächstenliebe, der wertschätzende Umgang mit dem Nächsten und ähnliches maßgeblich für den Umgangston sein sollten, aber dann wieder politische oder gesellschaftliche Gegner wahlweise als „Klimaterroristen“ oder „Schurkenstaat“ zu bezeichnen. Dabei habe ich sehr konkrete Bauchschmerzen. Nähmen Politiker einer gewissen Partei am zerfledderten Rand der Demokratie diese Worte in den Mund, würden sie zu Recht gerüffelt, aber wenn man blauweiß kariert ist und einen gamsbartgeschmückten Hut trägt (sorry für das Klischee), ist es in Ordnung? Kann da mal bitte verbal ganz schnell und sehr heftig abgerüstet werden?

In einer Demokratie wie unserer kann es nach der nächsten Bundestagswahl oder auch nach einer Landtagswahl sehr wohl passieren, dass man auf Partner angewiesen ist, die man kurz zuvor noch rhetorisch delegitimiert hat. Ist es nicht viel sinnvoller, durch besonnenes und wertschätzendes Reden und Handeln seine Kompetenz zur Schau zu stellen? Und ganz davon abgesehen, muss sich auch niemand wundern, dass manche Leute aus dem „Wahlvolk“ in Kontroversen jeglichen verbalen Anstand vermissen lassen, wenn selbst die Repräsentanten dieses Wahlvolkes für den schnellen rhetorischen Erfolg die Keulen rausholen.

Es gibt (nicht erst seit Kurzem) ernsthafte Probleme in unserem Land. Sowohl das zukünftige Klima (bezogen vor allem auf langfristiges Wetter – und auch ein bisschen auf die Gesellschaft) und dessen Herausforderungen als auch die vom Verfassungsgericht bereits seit 2009 geforderte Reduzierung des Bundestages auf die festgelegte Größe zählen dazu. Und ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb diejenigen, deren Job Beruf es ist, sich um solche Themen ordentlich und für die Menschen des Landes zu kümmern, hier nicht gemeinsam alles daran setzen, dieses in einer Weise zu tun, dass sie sich auch danach noch mit gegenseitiger Anerkennung begegnen können. Sie sitzen und arbeiten schließlich in Regierungsgebäuden, nicht bei Frau Maischberger oder Herrn Lanz. (Ich ahne oder vermute, warum manche daran kein Interesse haben, aber sie wollten gewählt werden, da müssen sie halt durch. Nichts tun ist keine Lösung und aus dem Kindergarten sind sie eindeutig raus.)

Debattenkultur, das Führen von Diskussionen und Streitgesprächen, rhetorisch sauber, gut recherchiert und respektvoll im Ton, das sollte man ungefähr in der achten Klasse lernen und sinnvollerweise nicht wieder vergessen. Das Ansehen der Demokratie und ihrer Institutionen dürfte auch davon profitieren.

Mein zweites Aufregerthema heute ist die zunehmende Ungleichheit beim Vermögenszuwachs global und in Deutschland. Ich habe mir eine Krücke (simpel, aber anschaulich) gebastelt, um die Dimensionen richtig zu erfassen:

Auch wenn reflexartig betont wird, dass die Einkommen gar nicht unbedingt weiter auseinanderklaffen, tröstet das nur wenig. Wenn ein bestimmtes Vermögen erstmal da ist, arbeitet es von ganz allein weiter. Ein Grund mehr für eine effektive Vermögensbesteuerung. Und nein, bei den genannten Vermögen geht es nicht im entferntesten um die notwendigen Produktionsmittel für mittelständische Betriebe, die besteuert werden sollen. Für solche Fälle können Regeln geschaffen werden. Wenn es denn geregelt werden soll. Zurzeit wird die tägliche Arbeit wesentlich stärker besteuert als das vor sich hin wuchernde Vermögen und es ist kein Ende in Sicht. Ich möchte ganz bestimmt nicht weltweit den Sozialismus oder die Abschaffung des Privatbesitzes propagieren, aber dass gleichzeitig die Vermögen der Superreichen und die Mittellosigkeit der Armen ansteigt, das ist einfach pervers.

Ein drittes Thema macht mich nachdenklich: Vordergründig geht es um die Organspende. Ich weiß, dass es kniffelig ist. Ich möchte auch nicht jemanden, für den es aus unterschiedlichen (ethischen, religiösen oder auch medizinischen) Gründen nicht in Frage kommt, „verdonnern“.
(Persönlich habe ich einen Organspendeausweis und bin typisiert. Sollte mein Knochenmark allerdings tatsächlich als Spende in Frage kommen, müsste ich ebenfalls abwägen, ob ich es verantworten kann, denn ich müsste vor einer Spende erst für ein Vierteljahr meine Rheumamedikation absetzen. Das könnte 1.) für eine Spende zu spät sein und 2.) bei mir einen akuten Schub verursachen, der dann mühselig wieder verarbeitet werden muss. Aber es könnte eben auch ein Leben retten.)
Ich bin der Meinung, dass es erwachsenen Menschen durchaus zuzumuten ist, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen und zu einer persönlichen Entscheidung zu kommen. Und sich auf der anderen Seite auch klarzumachen, was es für Spender und Empfänger bedeutet, wenn man selbst im Ernstfall ein Spenderorgan annehmen würde, aber selbst die Organspende ablehnt. Eine derart reflektiert getroffene Entscheidung ist dann natürlich auch zu akzeptieren. Und kann im Übrigen auch revidiert werden. Wenn diese Entscheidung nicht eingefordert wird, werden viele Menschen in Deutschland weiter auf Organe aus anderen Ländern angewiesen sein, in denen den Bürgern der Entscheidungsprozess zugemutet wird.

Und das reiht sich nahtlos ein in das (typisch deutsche?) Vorgehen auch in anderen Bereichen:
– selber Fracking ausschließen, aber Fracking-Gas aus anderen Ländern einkaufen (wobei hier die Lösung meiner Meinung nach nicht das Fracking in Deutschland wäre, da schaffen wir uns neue, weitere Bergschäden und Ewigkeitsaufgaben der Bergämter)
– Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben, weil in Deutschland keine Bereitschaft für gewisse Jobs vorhanden ist (warum wohl?), die dann aber in ihren Heimatländern als Leistungsträger fehlen
– Das jahrzehntelange Verlassen auf die militärische Macht der NATO, statt die eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhalten

Das sind alles gewachsene Probleme, die allesamt nicht trivial sind und vollen Einsatz brauchen – nicht das volle Aussitzen. Sie lassen sich nur lösen, wenn sie angepackt werden. Nicht durch das Runterzählen bis zum nächsten Wahlkampf oder der Nachfolgeregierung.

Zum Schluss passt ein kleiner Rückgriff auf die Sponti-Sprüche der 1980er Jahre:
Analog zur Werbung (von ESSO)

„Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!“

gab es wahlweise
„Es gibt viel zu tun. Fangt schon mal an!“
oder
„Es gibt viel zu tun. Lassen wir es liegen!“

Manchmal habe ich das (hoffentlich unzuverlässige) Gefühl, die beiden Verballhornungen haben sich bei einigen mehr durchgesetzt als das Original.

Motzen mit System

Es sieht so aus, als ob ich einen Nerv getroffen hätte mit meinem Montagsmotz. Ich kann und will natürlich niemandem verbieten, sich in ähnlicher Weise zu äußern. Ich bitte nur zu bedenken, was ich heute früh las und was mich zum Nachdenken gebracht hat, sowohl über meinen Tonfall, die Rhetorik als auch darüber, was sich für ein „Rattenschwanz“ hinterher ziehen kann:

Vergiss nicht, dass dein Satz eine Tat ist.

Das hat Antoine de Saint-Exupéry gesagt, der als Journalist, Kriegsberichterstatter und Schriftsteller bekannt wurde. In Zeiten des Internets gilt dieser Satz umso mehr, denn was dort einmal irgendwo auftaucht, kann auch durch das Löschen von Posts nicht mehr einwandfrei entfernt werden, da niemand weiß, wer den Beitrag gespeichert oder unter anderem Namen neu verbreitet hat.

*Das Motzen soll zum Nachdenken anregen und einen kleinen Beitrag zu einer positiven Debattenkultur leisten.

*Motzen ja, aber mit Augenmaß, kein pauschales Bashing!

*Keine persönlichen Beleidigungen erkennbarer Personen (durch Fotos, Namensnennung etc.)

*keine Beiträge, die gegen die allgemeinen Menschenrechte verstoßen, rassistisch, homophob, xenophob oder sonstwie menschenverachtend sind!

*Nach Möglichkeit mit einer befreienden Auflösung (Katharsis) am Schluss, um die Spannung zu lockern

Werden diese Regeln nicht eingehalten, behalte ich mir angemessene Schritte vor. Wie einige hier aus eigener Erfahrung wissen, wird WP auch von unangenehmen Zeitgenossen genutzt. Angemessene Schritte können unter anderem sein: Löschung von Kommentaren, Meldung bei WP, bis hin zur Einschaltung von Polizei und/oder Staatsschutz.

Das klingt vielleicht etwas harsch, ist aber nach persönlichen Erfahrungen und zum Selbstschutz leider notwendig.

Montags-Motz

Motiv: Pixabay
bearbeitet von Annuschka

Montag Vormittag und die Woche nimmt kein Ende…

Solche Sprüche waren nie so meins, und eigentlich wünsche ich mir das auch nicht für die Zukunft. Andererseits, so eine kleine Motz-Runde am Montag könnte vielleicht den Rest der Woche frei von Mecker-Tendenzen halten?

In sehr vielen Bereichen haben wir anscheinend nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera, nicht zwischen Paradies und Hölle. Manches Mal habe ich das Gefühl, die Lücke zwischen den realen Gegebenheiten einerseits, dem Anspruchsdenken andererseits und dann noch den Sehnsüchten nach einer vermeintlich übersichtlichen Traum- und Wunschidylle klafft immer weiter auseinander. Obwohl es sehr wahrscheinlich niemals in der langen Menschheitsgeschichte anders war.

Es ist auf jeden Fall zurzeit mental sehr anstrengend, einigermaßen optimistisch durch das Leben zu marschieren. Heute früh hatte ich bereits bei der Zeitungslektüre den ersten akuten Anfall von schlechter Laune, als ich einen Leser-Kommentar las. Ein lokaler Fanboy des blaubraunes Sumpfes bezeichnete alle SPD-Wähler als „IQler unterhalb der Zimmertemperatur“, brüstete sich aber als „IQ 142. Amtlich bestätigt.“ Na Glückwunsch. Mein mir Angetrauter meinte dazu nur lakonisch: „Die Grenzen zwischen Genie und Wahnsinn sind halt fließend“ und ich feiere ihn dafür. Ganz davon abgesehen, dass dieser Typ trotz seines amtlich bestätigten (?) IQs anscheinend den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität nicht kennt.

Vermutlich war es in unserer Welt noch nie gerecht, ausschließlich in Schwarz und Weiß zu malen, wo uns doch so unendlich viele Farben und Schattierungen zur Verfügung stehen. Aber in einer immer schneller und komplexer werdenden Realität sind die vermeintlichen Sicherheiten, mit denen manche Menschen so schlafwandlerisch sicher durchs Leben ziehen, einfach überhaupt nicht vertretbar. Und ich frage mich, warum es scheinbar immer mehr Leuten schwerfällt, zu gestehen: „Ich bin in der Sache xy einfach ratlos. Ich kann es mit meinen Kenntnissen nicht beurteilen, was besser ist.“ Und warum es im Gegenzug immer mehr Menschen zu geben scheint, die erstmal aus Prinzip dagegen sind. Welches Thema, ist vollkommen Banane, nach dem Motto: „Egal wofür, ich bin dagegen!“ Gefolgt von „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Vielleicht ist es eine um sich greifende Hilflosigkeit, wenn man mit einem normal breit gefächerten Allgemeinwissen in immer mehr Bereichen erkennen muss: Ich habe hierzu zwar eine Meinung, aber keine Expertise. Und dann wird dieses Manko eben durch mehr und lautstark vertretene Meinung ersetzt.

Ich bin allerdings überzeugt davon, dass es mehr Mut und mehr Selbstreflexion erfordert, seine persönlichen Grenzen anzuerkennen, als auf etwas zu beharren, was sich als Irrweg herausstellen könnte.
Zum Beispiel, was aktuell das Thema Lützerath angeht. Meine Sympathien sind ziemlich eindeutig auf der Seite derer, die den Ort erhalten möchten. Da gibt es Menschen, die persönliche Risiken eingehen, die Gesundheitsgefahren, Jobverlust, Lücken im Lebenslauf, wirtschaftliche Nachteile und nicht zuletzt viel Komfortverlust in Kauf nehmen für den Erhalt von Natur und Kulturlandschaft. Die aber auch anerkennen, wenn sie am Ende ihres Protestes angekommen sind. Vor diesen habe ich Hochachtung. Es gibt auch andere, vor denen ich Hochachtung habe: Politiker und Polizeikräfte, die vom Bauchgefühl lieber an einer anderen Stelle ständen, als sie es nun mal wegen ihres Berufes tun. Und die mit persönlichem Unbehagen etwas vertreten (müssen), von dem sie in Abwägungsprozessen zu dem Schluss gekommen sind, die Gesellschaft als Ganzes sei mit dem eingeschlagenen Weg einigermaßen gut beraten.
Und es gibt die anderen, die Profikrawallisten und Hardliner auf allen beteiligten Seiten. Die gibt es, auch wenn sie zum Glück zahlenmäßig unterlegen sind.
In dieser Gemengelage muss ich gestehen: Ich für meinen Teil bin mir alles andere als sicher, welcher Weg der richtige ist. Natürlich möchte ich nicht, dass der Braunkohletagbau sich wie ein Krebsgeschwür noch weiter in die Landschaft frisst und Bausubstanz, fruchtbaren Ackerboden, Kulturgüter und Heimatgefilde zerstört. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch, dass ohne den Kohlekompromiss noch weitere Orte gefährdet werden, Orte, die noch bewohnt sind. Und ich sehe leider auch, dass die Bereitschaft vieler Menschen unabhängig von Alter, Gesellschaftsschicht und Bildungsniveau, zugunsten der Natur und nachfolgender Generationen auf Teile ihres (zum Teil nicht mal selbst) erworbenen Wohlstandes zu verzichten, äußerst gering ist.

„Weil ich es kann“ oder „Aber nicht hier“ sind ebenso überstrapazierte wie gesellschaftsschädliche Floskeln.
Und: Es gibt immer noch zu viele – sorry – Männer (es sind meist Männer), die ihr Selbstwertgefühl und ihre Wichtigkeit aus Statussymbolen ziehen: Das beginnt in der Kreisklasse beim doppelten (oder sogar zwei doppelten😱) Auspuffrohr* und endet in der Champions League der toxischen Männlichkeit inzwischen nicht mehr bei der Superyacht inklusive Skipper und Crew, sondern bei der Weltraumrakete (ebenfalls samt Personal). Und auch zu viele Frauen (auch hier hat das Stereotyp eine gewisse Berechtigung), die dekorativ am Arm und Geldbeutel solcher Typen hängen und einen aufgespritzten Schmollflunsch ziehen. (Ich nehme gern Gegenbeispiele an, bei denen eine strotzende Selfmadefrau ein Luxusmänneken hinter sich herzieht, für die ausgleichende Gerechtigkeit. Mir fällt da kein konkretes Pärchen ein.)

Vielleicht wache ich auch gleich auf, schweißgebadet und verwirrt und stelle fest, dass dieser ganze blöde Montagvormittag glücklicherweise ganz anders abläuft und ich nur einen dystopischen und surrealen Alptraum hatte…

*früher gab es den „schönen“ Witz: Was ist ein Opel Manta mit einem Strohballen auf dem Dach? – Extended Memory.
(Der musste jetzt sein, für die kleine Katharsis am Ende des bedrückenden Beitrages.)

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