Was haben Prinz Harry und Georg Gänswein gemeinsam? Der eine ist die Nummer sechs in der britischen Thronfolge, der andere war Privatsekretär des jüngst verstorbenen Papstes a. D. (oder korrekt Emeritus). So weit, so unterschiedlich.
Nun kommt’s jedoch: Beide haben mit ihrem Umfeld anscheinend ein Hühnchen zu rupfen, und beide haben beschlossen, es öffentlich zu tun und dabei die Sensationsgier und das Interesse an möglichst schmutzigen Details vieler Menschen zu befriedigen.
Nun sind sie ja beileibe nicht die ersten prominenten Menschen, die Bücher publizieren (inwieweit sie auch selbst schreiben, sei mal dahingestellt). Es gibt auch wirklich inspirierende Bücher, Titel von Leuten, die mit ihrem Handeln als Vorbilder und Mutmacher unterwegs sind, und es gibt die – ich sag mal – B-Klasse. B als Synonym von „nur das Zweitbeste“ oder B als Anfangsbuchstabe eines deutschen „Poptitanen“, das könnt ihr euch aussuchen. Wenn sie denn meinen, sollen sie ruhig zum Stift, zur Tastatur oder zum Ghostwriter greifen. Jenseits von Kulturanspruch und Kunstbegriff ist das Buch nun mal auch Konsumgut.
Nicht zu vergessen, dass es sich gerade bei Enthüllungsbüchern, ob im Bereich Politik, Wirtschaft oder Yellow Press, oft um „Brotartikel“ handelt, also Titel, die den Verlagen Geld in die Kassen spülen und damit die nächste literarische Neuentdeckung quersubventionieren.
Aber zurück zu den beiden Autoren, die ich oben genannt habe: Auch wenn man getrost davon ausgehen kann, dass sowohl im englischen Königshaus als auch im Vatikan irgendwelche Leichen im Keller liegen (metaphorisch gesehen natürlich, was sonst?😉), wie es einfach überall der Fall ist, wo Menschen und ihre Eitelkeiten, Gelüste und Fehler im Spiel sind. Muss die dreckige Wäsche immer unbedingt öffentlich nicht nur gewaschen, sondern vorher auch noch genüsslich ausgebreitet werden? Ist es dadurch nicht viel schwieriger, wieder in eine Spur hineinzufinden, wo man Dinge aufarbeiten, bewältigen und ins Reine bringen kann? Aber vermutlich ist auch hier nehmen seliger denn geben: Supervision, Mediation, Familienaufstellen… das kostet. Während man durch das ökonomische Ausschlachten seiner Baustellen Geld verdienen kann. Und sich zudem sicher sein kann, aus irgendwelchen Ecken Beifall zu bekommen.
Aber was weiß ich denn schon? Ich bin ja nur eine Durchschnittsbuchhändlerin, der es um das Papier leid tut. Und die Druckerschwärze. Die Zeit der Lektoren, den Klebstoff und die vergeudeten Ideen der Marketingfachleute. So viel Energie, die man in Projekte stecken könnte, die uns voranbringen statt Sensationsgier zu befriedigen.
Trotzdem kann jeder sicher sein: Wenn jemand in den Laden kommt und die Bücher haben möchte, werde ich vielleicht ungewohnt mundfaul sein, aber dennoch das Gewünschte bestellen. Denn ich bin ja nicht die Zensurbehörde, Geschmackskontrolle oder so.
Und Geld verdienen muss ich auch🤷♀️. Luft und Liebe klappt auch in unserer Familie nur so mittelmäßig zum Sattwerden.