
Das ist es doch, was wir immer gehört und auch sehr effektiv verinnerlicht haben. Sogar dann, wenn wir mit dem christlichen Glauben ansonsten so gar nichts am Hut haben.
Denn wenn das der Wille eines Schöpfers ist, den er seinen angeblich intelligentesten Geschöpfen sogar verschriftlicht hinterlassen hat, dann ist das doch ein Freifahrtschein, oder? Die Schlussfolgerung: „Der Mensch ist die Krone der Schöpfung (immerhin steht er am Ende der Schöpfungskette, und das Beste kommt ja bekanntermaßen immer zum Schluss), Gott hat ihm die Verantwortung für dieses ganze wunderbare, gleichermaßen robuste wie fragile Gebilde namens ‚Erde‘ übergeben, wir allein besitzen Intelligenz genug dafür!“ erweist sich immer mehr als Hybris, als Selbstüberschätzung, als grandioser Fehlschluss. Keine andere Spezies setzt alles daran, anderen Lebewesen ihre Daseinsberechtigung so vehement abzusprechen. Keine Tierart lechzt danach, andere auszurotten (und damit die eigene Lebensgrundlage kaputtzumachen). Keine Lebensform rennt so instinktlos ihrem eigenen Untergang entgegen, nicht einmal die viel zitierten Lemminge.
Vögel verstummen, wenn sich ein Unwetter naht. Dschungeltiere suchen Schutz auf Anhöhen, wenn der Monsun mit wassergewaltiger Macht beginnt. Steppentiere flüchten bereits lange, ehe eine Feuersbrunst sie erreicht (solange keine Zäune oder andere Hindernisse diese Flucht verhindern).
Allein der Mensch brüstet sich, mit noch mehr Technologie den Schäden der Vorgängertechnologien begegnen zu wollen. Dafür beutet er die Schätze der nicht zu Unrecht „Mutter Erde“ genannten Mit-Welt aus.

Aber was genau steht denn in der Bibel? Damit fängt es ja schon an. So eindeutig wie Luther sagt es nicht jede Übersetzung:
1. Mose 1,28 Luther 2017: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
Derselbe Vers klingt in der „Gute Nachricht“ jedoch anders: „Und Gott segnete die Menschen und sagte zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz! Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an.“
Oder in der „Hoffnung für Alle“: „Er segnete sie und sprach: »Vermehrt euch, bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz! Ihr sollt Macht haben über alle Tiere: über die Fische, die Vögel und alle anderen Tiere auf der Erde!“
In der Einheitsübersetzung steht wörtlich: „Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“
Nun habe ich weder Hebräisch- noch Griechisch-Kenntnisse. Ich kann daher nicht überprüfen, welche Übersetzung am ehesten wortgetreu ist. Daher ziehe ich auch noch die Basisbibel heran, die sehr nah am Urtext gehalten ist.
Die Basisbibel enthält folgenden Text: „Gott segnete sie und sprach zu ihnen: »Seid fruchtbar und vermehrt euch! Bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz! Herrscht über die Fische im Meer und die Vögel am Himmel und über alle Tiere, die auf dem Boden kriechen!«“
Untertan, herrschen, unterwerfen. Alles nicht die allerfreundlichsten Wörter, aber allesamt durchaus mit Interpretationsspielraum.
Ein Herrscher kann weise und umsichtig herrschen, auf die Bedürfnisse seiner Untertanen Rücksicht nehmen und nur so viel fordern, wie möglich ist, ohne zugrunde zu gehen. Er kann aber auch ohne Rücksicht auf Verluste seine Untertanen ausbeuten, ihre Arbeitskraft ausnutzen, ihnen nur das Geringste zum eigenen Überleben zugestehen, sie unter der Knute halten und unterdrücken. Dann ist dieser Herrscher ein Diktator.
Unterwerfung ist fast schon ein noch härterer Ausdruck. Wenn wir uns jemandem unterwerfen (müssen), dann kapitulieren wir, geben unsere eigenen Ansprüche auf, auch wenn sie noch so berechtigt sind. Wir ducken uns ängstlich unter eine üble, verwerfliche Macht.
Gerade zu der jetzigen Zeit hat wohl jeder von uns quicklebendige Bilder vor Augen, wenn wir an Unterwerfung denken.
Zurück zur Schöpfung: wenn da schon jemand sein muss, der quasi „Das Sagen hat“, dann ist es doch für alle Seiten wesentlich sinnvoller und in jeder Hinsicht nachhaltiger, wenn dieser Jemand den Überblick hat und darauf achtet, dass das gesamte System nicht nur gerade so überlebt, sondern prosperieren kann. Dass es weitergeht, dass nicht mehr entnommen wird als nachwachsen kann, dass alle ihr Auskommen haben. Fürsorgend. Wie anders klingt das?
Es geht noch weiter. Den Vers 28 beanspruchen wir ganz selbstverständlich als „bare Münze“, denn es steht ja dort so geschrieben! Wir übersehen dabei aber nur zu oft, dass in den 27 Versen vorher ganze sechs Male steht „Und Gott sah, dass es gut war“. Das war die belebte und unbelebte Schöpfung ohne den Menschen. Alles zusammen, Natur, Pflanzen- und Tierwelt und den Menschen mittendrin bezeichnete Gott als „sehr gut“. Nur in diesem Gesamtzusammenhang finden wir einen Hauch von Überschwang. Im Umkehrschluss könnte man sagen, ohne alles andere ist der Mensch eben nur „sehr“, ohne „gut“. Und da sind wir wieder bei der Hybris angelangt.
Ohne alles um uns herum, ohne das geschickt aufeinander aufgebaute Miteinander von Kosmos, Naturgewalten, Pflanzen und Tieren, und zwar alle, auch wenn wir sie als „Schädlinge“ betrachten, ist die Schöpfung oder die Welt einfach nicht vollständig. Es läuft nicht rund. Es ist eben keine Um-Welt, sondern eine Mit-Welt.
Und wir gebärden uns in dieser gemeinsamen Welt wie ein Diktator, wie ein Usurpator sogar. Wir sitzen in unserer Sozialisation an vielen Stellen so sehr fest, dass wir uns ein anderes Szenario oft überhaupt nicht vorstellen können. Weniger Strom? Weniger Energie? Weniger Versiegelung? Wie soll das gehen? Das schmälert unseren Komfort.
Solange wir in der Lage sind, uns über einen Mangel an Komfort zu beschweren, sitzen wir noch am oberen Ende des Tisches. Am unteren Ende gehen Menschen, Tieren und Pflanzen die überlebensnotwendigen Ressourcen aus. Heute schon. Sogar gestern schon. Aber noch ist es uns viel zu egal. Manchmal hadere ich. Nicht mit meinem Glauben, sondern mit meiner eigenen Spezies. Mit mir selbst. Mit dem, was auch mir persönlich viel zu häufig wichtiger ist, als es anders, besser zu machen.
Es geht nicht um Perfektion. Wir sind Menschen. Aber ein bisschen lernfähiger sollten wir alle miteinander schon sein, oder?

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