Auch kein sehr gutes Bild gibt es ab, dass sich in letzter Zeit jeder für ziemlich alles als Experte fühlt. Und sei es durch das Anschauen von Youtube DIY-Videos. Ich mag die auch ziemlich gern, aber ich traue, wenn es ans Eingemachte geht, auch sehr gern den Menschen, die einen bestimmten Job gelernt haben oder sich zumindest durch langes Lernen und Ausführen Fähigkeiten ordentlich angeeignet haben. Umgekehrt erwarte ich das ja auch. Hier geht es heute unter anderem um das Thema Baumfällungen. Ehrlich gesagt, die Mitarbeiter in städtischen Betrieben, die sich um Landschaftspflege zu kümmern haben, die sind nicht zu beneiden. Ich finde es natürlich auch schöner, wenn beispielsweise in den Parkanlagen viele grüne Bäume stehen, auch urige, alte mit langer Lebensgeschichte. Aber ich traue mir nicht zu, vom Ansehen und Bewundern der Bäume auf deren Gesundheit zu schließen. Selbst in meinem Garten schaue ich mir Bäume an und überlege, ob sich den einen oder anderen mal ein Experte ansehen müsste. Lässt die Stadt Bäume stehen und es bricht doch mal ein dicker Ast ab und verletzt einen Schüler auf dem Heimweg, ist das Geschrei nämlich auch groß. Also lieber mal einen Schritt zurücktreten, sich etwas aus mehreren Perspektiven ansehen und dem Gegenüber auch mal zutrauen, dass er weiß, was er tut.
Ähnlich sieht es mit der Landwirtschaft aus: Wer hat nicht im Kopf das Bild vom bunten Bauernhofleben der Kindheit, wo die Hühner im Garten scharren, die Kühe von Hand gemolken werden und die glücklichen Schweine im Schlamm suhlen. Ich kenne es (zum Teil) noch, habe beim Bauern gegenüber als Kind auf dem Feld mitgemacht, mit den Ferkeln im Ferkelauslauf getobt und Eier gesammelt. Genauso fasziniert habe ich dabei zugesehen, wie Hühner geschlachtet und ausgenommen wurden. Allerdings kann von dieser Idylle kein Landwirt mehr überleben. Zum Teil verdanken wir das EU-Bestimmungen, über die man trefflich streiten kann und auch muss. Aber ein unbequemer Teil der Wahrheit ist auch: Weil wir Verbraucher immer mehr Lebensmittel zu immer billigeren Preisen haben wollen. Fleisch kommt nicht mehr nur sonntags auf den Tisch, schließlich wollten unsere Eltern ja in den 70ern, dass es ihren Kindern einmal besser geht! Weil sich die Wertschätzung für regional erzeugte, saisonal verfügbare und verantwortungsvoll angebaute Nahrungsmittel drastisch verringert hat. Weil wir vom Rind nur noch das Filet, Vom Schwein das Kotelett und vom Huhn die Brust haben wollen. Weil wir „Superfoods“ aus Übersee als Heilsbringer kaufen (und damit gleich auch noch für ökologische und ökonomische Verschlechterungen in den Herstellerländern sorgen), die alle unsere Gesundheitsprobleme gleich beim Essen lösen sollen. Vor allem in den Städten, aber teilweise auch auf dem Land, ist der Wissensstand über Ackerbau und Viehzucht so geschrumpft, aber wir bilden uns ein, den Landwirten ihren Beruf erklären zu müssen. Wir sind nicht nur überheblich, wir haben uns von unseren Lebensgrundlagen, von der „Scholle“, dem Acker sehr weit entfernt.
Dafür gibt es wieder mehr Anhänger von „Blut und Boden“-Theorien. Die wissen ihrer Meinung nach ganz genau, was „Deutsch“ und was „Fremd“ ist. Gestern habe ich mich eine halbe Stunde auf Instagram mit den hanebüchenen Kommentaren so eines, ich kann ihn nicht anders als „Rotzlöffel“ bezeichnen, herumgeplagt. 23 Jahre, aus dem Ruhrgebiet nach seinem Profil. Ich war einfach neugierig, denn viele User bemühten sich, diesem Bengel mit Argumenten beizukommen und ihm auf diese Weise vielleicht auch einmal einen argumentativen Ansatz zu entlocken. Natürlich kam da nichts. Wenn er offensichtlich keine Ahnung von etwas hatte (und das war erschreckend viel), verlegte er sich darauf, die Leute als „Hund“ zu bezeichnen.
Auch jetzt folgt noch eine Fortsetzung…
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