Es wird immer schwieriger, sie beim Tierarzt in die Praxis zu bugsieren. Schieben, ziehen, gut zureden. Und das arme Tier zittert und fängt vor Stress an zu haaren. Seit letzten September musste sie sich ja auch einiges gefallen lassen, inzwischen heult sie die ganze Praxis zusammen, wenn ich sie auf den Tisch hebe.
Sie hat altersgemäß gute Blutwerte, Herz und Lunge sind auch, wie mit 13 Jahren zu erwarten, Schilddrüse in Ordnung, Nieren auch.
Aber sie leckt sich stundenlang alle möglichen Körperteile und gerät auch dabei immer wieder in Stresszustände, was sich in akuter Atemnot äußert. Sie hätte es am liebsten, wenn sie den ganzen Tag unter dem Küchentisch liegen könnte – aber bloß nicht allein sein dabei. Ich kann allerdings nicht alles von der Küche aus managen. Sie steht vor der Tür und will raus, ist sie draußen, macht sie kehrt und will wieder rein. Oder sie war draußen, hat alles verrichtet und jammert zwei Minuten später wieder vor der Tür.
Sie verliert die Orientierung und vergisst Kommandos. Sie steht mitten im Flur und fiept in den höchsten Tönen, regelrecht hysterisch. Und vor allem nachts. Dann stehe ich auf, geleite sie wieder an ihren Platz und rede ihr gut zu. Bis zum nächsten Mal… Selbst das Essen ist eine merkwürdige Sache geworden. An manchen Tagen kann sie mit dem Inhalt ihres Napfes nichts anfangen, außer den Fußboden damit zu dekorieren. Ganz liebevoll, Bröckchen für Bröckchen. Und dann steht sie daneben und schaut mich groß an.
Inzwischen hat sie auch bereits zweimal nach mir geschnappt (sie mag nicht mehr gebürstet werden und Pfotenpflege lässt sie kaum noch zu), und vor drei Tagen hat sie Kalle heftig gezwickt, so dass er laut gequiekt hat. Dabei ist er eigentlich hart im Nehmen. Zweimal am Tag schnappt sie ihn hinter den Ohren am Fell und schüttelt ihn durch (so wie das bei einem gleichgroßen Hund halt möglich ist). Noch lässt er sich das gefallen, aber auch ihm ist Ungeduld anzumerken.
Das Jammern und Fiepen zermürbt Edgar und mir inzwischen das Nervenkostüm, das aus ganz anderen Gründen recht dünn geworden ist. Das Luftreißen tut uns in der Seele weh. Ihre Tätlichkeiten beunruhigen uns. Ganz offensichtlich fühlt sie sich über weite Teile der Tage nicht wohl. Und seit einer Woche bekommt sie Tabletten, die die Hirndurchblutung fördern sollen, da der Tierarzt inzwischen CDS, eine Hundedemenz, für sehr wahrscheinlich hält. Allerdings habe ich augenblicklich das Gefühl, dass sie noch nervöser und unruhiger wird damit.
Aber dann gibt es immer wieder die Augenblicke, in denen sie sich freut und ihre Rute dabei rotiert wie der Rückenpropeller von Karlsson (vom Dach), Momente, in denen sie uns vertrauensvoll aus ihren großen braunen Augen ansieht.
Ich weiß nicht, wie lange das noch gutgeht. Woran erkennen wir, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dass sie sich mehr quält als alles andere? Und dass ihr Jammern und Weinen nicht einfach eine Macke ist, sondern sie nicht mehr kann? Und ist es egoistisch oder barmherzig, sie irgendwann erlösen zu lassen?
Ich bin ganz einfach ratlos.
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