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2020 dürfte als ein Jahr in die Geschichte eingehen, in der die Spaltung der Gesellschaft einen traurigen Höhepunkt erreicht hat. Und in dem alle, die ihr eigenes Wohl über das der Gesamtgesellschaft stellen, als gnadenlose Egoisten abgestempelt werden, teilweise vollkommen zu Recht.
Offen zur Schau getragener Egoismus nervt uns alle vermutlich. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, versteckt sich auch hinter vermeintlich altruistischen Motiven oft eine ganze Menge Ego-Schmeichlerei. Erik Flügge geht diesem Phänomen nach und stellt fest, dass Egoismus zu uns Menschen einfach dazugehört. Deswegen war ich etwas erstaunt und gleichzeitig erleichtert über seinen Ansatz: es geht ihm nicht (nur) darum, diverse Egoismen abzuschaffen, sondern sie im Gegenteil dazu zu nutzen, einen gesellschaftlichen Vorteil für möglichst viele Menschen zu erzielen. Das ganze hat er aufgeteilt in unterschiedliche Lebensbereiche, mit denen jeder einzelne von uns in Kontakt kommt: zum Beispiel Arbeit, Bildung, Wohnen, Gesundheit…
Aber auch das, was von vielen augenblicklich in Frage gestellt wird (es läuft bei den großen gesellschaftlichen Playern ja auch tatsächlich nicht alles rund), nämlich Parteien und Kirche, nimmt er nicht aus. In einer Zeit, in der Parteienverdrossenheit, Politikmüdigkeit und das Gefühl von mangelnder Relevanz der Kirchen um sich greift, tritt Flügge dafür ein, dass diese Institutionen wichtig sind. Aber er gibt auch Denkansätze, wie die Arbeit der Institutionen mehr an den Menschen ausgerichtet sein könnte, denen sie dienen sollen.
Alles in allem kein Buch, das zu radikalem Umdenken auffordert, sondern das mit den menschlichen Schwächen arbeitet. Dazu kein dicker Wälzer, sondern ein handliches kleines Format, in der Handtasche mitzunehmen, wenn man irgendwo warten muss und diese Zeit sinnvoll nutzen möchte. Das finde ich gut, auch weil vermutlich niemand Lust hat, sich stundenlang darüber zutexten zu lassen, was wir alles so falsch machen und wo wir nur an uns denken. Kurze, knackige Denkanstöße, an denen wir dann Stück für Stück arbeiten können, bei mir zumindest kommt das gut an und es hat mir auch schon wertvolle Impulse gegeben.
Bibliografische Angaben: Erik Flügge, Egoismus, Dietz Verlag, ISBN 978-3-8012-0577-5, € 10,- (Österreich € 10,30)
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