Wenn ich morgens aufstehe und Kaffee koche, halte ich bereits das erste Buch des Tages in der Hand. Zurzeit ist das von Susanne Götze und Annika Joeres
Die Klimaschmutzlobby
und zwar die aktualisierte Ausgabe, erschienen im Januar 2022 (also vor dem Ukraine-Krieg), redaktionell wurde es vor allem in der Zeit der neuen Koalitionsbildung bearbeitet. Das sind kleine, aber nicht unwichtige Details.
Manche/r wird den Kopf schütteln und sich fragen, warum um alles in der Welt ich mir so etwas um 6 Uhr in der Frühe antue. Ganz einfach: ich stehe auf und mein Kopf möchte etwas zu tun haben. Denn morgens ist er noch aufgeräumt und aufnahmebereit. Die leichte Lektüre gibt es abends vor dem Einschlafen.
Heute bin ich über folgenden Abschnitt gestolpert: (Ab hier bitte ruhig und beherrscht weiterlesen, denn ich habe es auch ruhig geschrieben, selbst wenn es sich nicht durchgängig so anhört. Die Wutbrille verzerrt nur alles. Ein wenig Sarkasmus dagegen schadet nicht😉)

Also, kurz zusammengefasst: Da beschäftigt sich jemand sein gesamtes Berufsleben lang mit einem umfangreichen Themenkomplex, forscht, promoviert und habilitiert, gründet ein wissenschaftliches Institut mit internationaler Reputation, führt von Bundesministerien geförderte Studien durch, berät sogar die Bundesregierung. Im Rahmen seiner gesammelten Expertise kommt dieser Mensch zu Schlussfolgerungen, die er den maßgeblichen Akteuren in Politik und Wirtschaft vorstellt, und die kanzeln ihn ab und sagen quasi: „Ist ja alles ganz schön und gut, aber das wollten wir nicht hören. Thema verfehlt, sechs, setzen.“
Witzigerweise (nein, eigentlich traurigerweise) passiert hier dem studierten und erfahrenen Experten dasselbe, was den Aktivisten von FFF und speziell auch Greta Thunberg entgegenschlägt, nur mit dem gegenteiligen Argument. Schließlich kann man diesem gestandenen Mann ja nicht vorhalten: „Geh erstmal lernen und arbeite in einem anständigen Beruf, dann kannst du was dazu sagen.“
Was denn nun? Ob also aus dem Herzen oder aus dem Wissen:
Was die Entscheider nicht hören wollen, wollen sie nicht hören. Da wird Sorge ebenso abgebügelt wie Expertise, wie im Kindergarten kneifen sie die Augen zu, stecken sich die Finger in die Ohren und singen dagegen an „Nana nanana…“
Ach übrigens: Greta hat ja doch auf einmal voll den Durchblick und bekommt wohlwollenden Applaus von denen, die bisher ganz unverdächtig waren, auf sie zu hören.
(Und das, obwohl sie immer noch Schülerin ist und immer noch keine drölfzigtausend Jahre Berufserfahrung hat. Ich denke, das sagt enorm viel über die gespaltene Wahrnehmung der Politiker und Wirtschaftsleute aus.)
Weil sie Atomkraft als das kleinere Übel bezeichnet hat. Für diese Äußerung wird sie gefeiert, von erzkonservativen Journalisten, die vorher kein gutes Haar an ihr ließen, von neoliberalen Politikern, von fossilen Wirtschaftsbossen. Meist Männer, ja, so ist es.
Unter den Tisch fällt dabei aber, dass sie ihre Aussage dadurch relativierte, dass sie Windkraft als noch bessere Lösung ansieht. Und wieder haben die angeblich so plietschen Nadelstreifenträger nur das gehört, was sie hören wollten und vor dem Rest die Ohren verstopft. Ein Schelm …, ihr wisst schon.
Das ganze Interview ist hier zu finden:
https://www.ardmediathek.de/video/maischberger/klimaaktivistin-greta-thunberg-im-exklusiv-interview/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21lbnNjaGVuIGJlaSBtYWlzY2hiZXJnZXIvYTBhNzg3MjItMmVlZC00YWJlLWFhNGQtOGRlNTBhMWQxMWE4
(Ab Minute 9 geht es um die AKWs)
Ich bin der Meinung, niemand hat in diesen ganzen komplexen Fragen allein die Weisheit mit Löffeln gefressen, es braucht viele verschiedene Ansätze, je nach konkreter Problemstellung. Und noch viel mehr braucht es sehr viele und noch mehr Menschen, die mitmachen. Aber es muss endlich ernsthaft losgehen, sonst wird das alles nichts.
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