Passion

Zurzeit öffnen wir unsere Kirche, immer von montags bis freitags jeweils von 17 bis 18 Uhr. Der konkrete Anlass dazu ist die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter in der benachbarten ehemaligen Schule, die noch auf ihre zukünftige Bestimmung wartet (was in der aktuellen Situation ein Segen ist). Denn dort haben die Menschen ein sicheres Dach über dem Kopf, die Möglichkeit zum Kochen und Essen, die Hygiene ist gewährleistet und es gibt engagierte haupt- und ehrenamtliche HelferInnen. Soweit ist alles in Ordnung. Was es dort naturgemäß nicht gibt, ist Ruhe und Privatsphäre, um mit seinen Gedanken und Befürchtungen, seinen Hoffnungen und dem Bedürfnis nach einem stillen Gebet einfach mal allein zu sein.

Vor zwei Wochen wurde daher nach dem Gottesdienst ganz kurzfristig geplant, es fanden sich spontan Ehrenamtliche, die auf- und abschließen, für Licht sorgen und auch bei Bedarf als Ansprechpartner zur Verfügung stehen (schließlich gibt es Englisch und diverse technische Helferlein zur Kommunikation). Der eine oder die andere verbindet mit der Öffnung auch die Hoffnung, dass Einheimische ebenfalls die Gelegenheit nutzen.

Ich bin gern allein in der Kirche. Die Atmosphäre bringt mich zur Ruhe, selbst wenn ich noch so aufgewühlt bin, sie hilft mir, mich zu sammeln und zu fokussieren. Oder sie hilft, einen inneren Tumult aus mir herausfließen zu lassen. Mal bete ich, mal bin ich ratlos, wie oder was ich beten könnte, dann bin ich einfach nur still. Bei meinem letzten Dienst am Donnerstag saß ich einfach nur da, schaute den Altar an und meditierte ein bisschen über die drei ganz unterschiedlichen Jesus-Darstellungen:

Da ist zunächst, zentral und prominent, Jesus leidend am Kreuz. Oder – vielleicht auch schon nicht mehr leidend? Am Fuß des Kreuzes ist eingraviert: „Es ist vollbracht.“ Mit Punkt, nicht mit Ausrufezeichen. Eine schlichte Tatsachenfeststellung. Die Jesusfigur ist sehr detailliert ausgearbeitet:
Ein schlanker, ja hagerer Mann, mit etwas mehr als schulterlangem Haar, auf dem eine Dornenkrone sitzt. Das Gesicht und der Oberkörper wirken asketisch, die Augen sind geschlossen, der Ausdruck des Leidens ist in seinen Zügen noch deutlich sichtbar. Ebenfalls sehr deutlich sichtbar sind die Nägel in den Händen und Füßen, die ihn am Kreuz festhalten. (Die Kreuzigung war eine besonders grausame Todesstrafe, die eigentlich nur an Sklaven oder den übelsten Verbrechern vollzogen wurde.)
Ich setze mich zu Füßen des Altars (aus heimischem Wesersandstein), damit ich das Gesicht genau betrachten kann. Das Gefühl, das ich dabei habe, kann ich nicht in Worte fassen.

Als nächstes sehe ich mir genauer als je zuvor das Altarbild an. Ein sehr düsteres Ölgemälde, ohne Signatur des Künstlers, nur mit einem Hinweis auf den Stifter – damals ein reicher Landwirt aus der Gemeinde. Das Datum lässt vermuten, dass dieses Bild älter ist als das Kirchengebäude, vermutlich hing es schon im Vorgängerbau.
Als ich Konfirmandin war, mussten wir immer in den ersten Kirchenbänken sitzen – die Jungs rechts, die Mädchen links. Damals dachte ich immer, wenn ich pflichtgemäß im Gottesdienst saß: „Was für ein grauenvolles Bild…“
Die offenen Kirchen, die ich damals von Besichtigungen im Urlaub kannte, waren im Rheinland oder in Bayern und ausschließlich katholisch. Immer mit viel Gold, roten und blauen Gewändern bei den dargestellten Figuren und auf den Gemälden, selbst in der Darstellung des Leids war viel mehr bildgewaltige Pracht und Erhabenheit.
Auch heute finde ich das Bild noch nicht wirklich schön, aber ich erkenne, wie liebevoll es die Grablegung Christi darstellt. Zunächst einmal: Im Gegensatz zum Kreuz ist Jesu Gesicht ruhig und friedlich – er hat das Leid überwunden.
Leidend sind die Menschen um ihn herum, die ihn zur (wie sie vermutlich denken) letzten Ruhe betten. Ganz vorsichtig, liebevoll und zärtlich. Mit unverhohlenem Kummer in den Gesichtern. Wer mögen diese Menschen sein? Ich stelle mir vor, dass es Petrus, Johannes und Jakobus sein könnten, die Frauen eventuell die drei Marias (Jesu Mutter, Maria Magdalena und Maria aus Bethanien, die Jesus gesalbt hatte).
Was mir tatsächlich erst jetzt auffällt, obwohl ich schon so oft am Altar beschäftigt war, ist der feine Heiligenschein, der über Jesu Kopf schwebt.
So düster das Altarbild auch ist, es drückt die Stimmung im Grab wunderbar aus. Da ist keine Hoffnung mehr, da ist – zumindest für die beteiligten Menschen – anscheinend das jähe Ende des so hoffnungsvoll begonnenen Weges erreicht.

Aber dann trete ich ein paar Meter zurück. Ich setze mich in die erste Reihe, hebe den Blick und erfasse den Altarraum als Ganzes. Ich sehe das Auferstehungsfenster, das vor allem an den Sonntagmorgen, wenn die Sonne hereinscheint, mächtig und grandios wirkt. Der auferstandene Jesus, mit Purpurmantel und Banner, der Herr des Himmels und der Erde, von drei Engeln flankiert, über den Tod triumphierend. Er steht nicht auf der Mauer, er schwebt über ihr. Er wirkt wahrhaft königlich, mit offenem und selbstbewusstem Blick.
„Bless the Lord, oh my Soul…“ geht mir durch den Kopf.
Was ich übrigens immer wieder total genial finde: Selbst an den grauesten Tagen passiert es häufig, dass ein morgendlicher Sonnenstrahl ganz unvermittelt durch dieses Fenster scheint und die Wände des Altarraumes bunt färbt wie beim Blick durch ein Kaleidoskop. Und es gibt so ziemlich in jedem Jahr einen Schmetterling, der in der Kirche überwintert. Von der Wärme der Kerzen angelockt, fliegt er oft während des Gottesdienstes munter durch die Kirche.

Solche kleinen Begebenheiten und Details sind es mitunter, die mich aufrichten und mir Hoffnung geben. Hoffnung, dass der Tod nicht das Ende ist, dass die Welt überwunden werden kann, auch wenn es uns gerade noch so aussichtslos erscheint.

https://www.youtube.com/watch?v=DXDGE_lRI0E

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