Diese Anzeige in der Tageszeitung verdeutlicht etwas, das schon längere Zeit nicht mehr stimmig ist. Gerade hier im Wesergebiet, aber auch in vielen anderen Gegenden Deutschlands, gibt es guten und fruchtbaren Ackerboden, aber auch Weideland, das (hoffentlich) noch mit bunten Wiesenkräutern für Insekten- und Tiernahrung, letztlich auch für die Lebensmittelversorgung für uns alle, sorgt.
In einigen Metern Tiefe unter diesem wertvollen Boden liegen aber noch ganz andere Schätze: mächtige Kies- und Sandvorkommen, unverzichtbar für die Baubranche. Nicht nur für Wohnungs- und Industriebauten, auch für tatsächlich dringend benötigte Brückensanierungen überall im Land. Darüber hinaus ist deutscher Bausand auch in anderen Ländern sehr gefragt, die auf den ersten Blick zwar sandreich sind, aber mit ihrem glattgeschliffenen Wüstensand nicht bauen können.
Die Landwirte sitzen an einer Schaltstelle, quasi zwischen Baum und Borke: verkaufen sie ihre Flächen, stellen sie zwar einerseits kurzfristig Liquidität her, die ihnen möglicherweise für die Fortführung ihrer Betriebe hilft, andererseits sind die Flächen unwiederbringlich für die ganz oben genannten Zwecke verloren. Denn jeder Hektar kann nur einmal verkauft werden, und irgendwann ist die Restfläche zu klein, um auskömmlich bearbeitet zu werden.
Durch die Porta Westfalica soll möglicherweise eine neue Bahntrasse gebaut werden, alles für den Deutschlandtakt. Der ab 2030 gelten soll, während innerhalb dieser Zeit das Mammutbauprojekt aller Voraussicht nach überhaupt nicht umzusetzen ist (siehe andere Mammutprojekte deutschen Bauwahns…). Welches dafür aber die Ländereien mindestens eines örtlichen Landwirtes so sehr zerschneidet, dass für ihn sehr wahrscheinlich die Betriebsgrundlage wegfällt.
Natürlich ist der Sachverhalt jetzt verkürzt dargestellt, aber trotzdem: Das alles vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen auf eine regionale und nachhaltige Lebensmittelversorgung Wert legen. Finde den Fehler…
Nun ist es ja nicht so, dass solche oftmals widerstreitenden Bedürfnisse wie (bezahlbares) Wohnen, Infrastruktur, Wirtschaftswachstum, Mobilität, sichere und hochwertige Nahrung, erlebbare Natur, Umweltschutz (um weitere Komponenten fast beliebig erweiterbar) neu wären. Und es ist auch nicht so, dass die Lösung dieser Widersprüche einfach wäre. Umso schwerwiegender ist es aber, dass der breite Diskurs, wie eine nachhaltige und auskömmliche Balance der unterschiedlichen Bereiche, die ja auch Investitionen in Klimaschutz beinhalten, aussehen könnte muss, immer wieder in die Zukunft verschoben wird. Und in vier Monaten ist Bundestagswahl. Vier Monate Wahlkampf mit der Aussicht, dass die Aufgaben, die teilweise im letzten Koalitionsvertrag festgeschrieben waren, von der Nachfolgeregierung gelöst werden sollen. Das ist Prokrastination auf allerhöchster Ebene und mit Auswirkungen auf uns alle und vor allem unsere Kinder und Enkel.
Leute! Es. Wird. Nicht. Besser.
PS: Übrigens auch nicht, wenn wir alle nur noch irgendwelche Special-Interest-Kleinstpartien wählen, wie es in den „sozialen“ Netzwerken häufig suggeriert wird. Dann kann der Schuss nämlich auch nach hinten losgehen und kaum eine Partei schafft es über die 5%-Hürde, die Koalitionsfindung wird fast unmöglich und in der Folge werden nur noch Partikularinteressen bedient.
„Verantwortung übernehmen“ heißt für mich nicht unbedingt, dass da jemand rausgeschmissen wird (Ausnahmen bestätigen die Regel. Wer sehenden Auges immer wieder in seinem Ministerium massenhaft Geld verschleudert und die Folgen davon ohne jegliches Schuldbewusstsein vergesellschaftet, ist irgendwann untragbar.). Denn der kann ja dann die Verantwortung auf seine*n Nachfolger*in abwälzen. Verantwortung übernehmen sollte vor allem bedeuten: dazu gezwungen werden, seine Fehler selbst zu beseitigen und in einen breiten gesellschaftlichen Nutzen zu wandeln.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.