Liebe, was du tust

Symbolbild: Pixabay

Der Text ist eine Kurzgeschichte, die ich im Rahmen des Schreibstudiums geschrieben habe. Es handelt sich um eine Einsendeaufgabe, die sich mit der Formgebung der Kurzgeschichte beschäftigt. Ursprünglich war die Geschichte etwas länger und ausgeschmückter, aber die Herausforderung bestand darin, sich auf 6.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) zu beschränken. Gar nicht so einfach. Vor allem konnte ich teilweise die Dinge, die ich in den Lektionen vorher gelernt hatte, in dem gewünschten Umfang kaum umsetzen. Zum Beispiel, Gesichtsausdrücke auszuarbeiten oder ähnliches. Aber auf dieses Problem wurde netterweise vorab hingewiesen. Ich freue mich schon auf die nächsten Lektionen, da geht es um lebendige Figuren😊

Die Vorgaben für die Geschichte lauteten: Hauptperson hat Problem, versucht es zu lösen, scheitert, versucht es anders, Lösung drängt jetzt, Wendepunkt, Ende gern halboffen oder es deutet sich ein neues Problem an.

Ich stelle euch hier die von mir nach der Korrektur bearbeitete Version vor und gebe auch ein paar Erläuterungen ab.

Ein Mann betritt die kleine Bühne. Mittelgroß, eher schmächtig, die Haare hellbraun und kurz, die Kleidung ist ordentlich, aber nichts Besonderes. Das Gesicht wirkt anziehend, wettergegerbt, mit einem freundlichen Ausdruck, der ein wenig Schalk verheißt. Er geht bis vorn an den Rand und verneigt sich leicht.
Der an der Seite stehende Moderator des Regionalsenders kündigt an: „Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich möchte Ihnen jetzt einen Mann vorstellen, der heute sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiert. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum das einen Beitrag im Regionalfernsehen wert ist? – Nun, sehen und hören Sie selbst. Hier ist … Herr Peter Müller!“

(Erste Bemerkung: Ich hatte den Anfang anders herum begonnen und zunächst den Moderator zu Wort kommen lassen. Das wurde – zu Recht – von meiner Studienleiterin moniert, denn es war dadurch nicht klar, wer nun die Hauptperson darstellt. Sie empfahl mir außerdem, den Moderator ganz zu streichen, was ich nach reiflicher Überlegung aber nicht möchte, denn mir ist der Kontrast zwischen den beiden Männern wichtig.)

Der Mann, der zunächst etwas schüchtern blickt, beginnt zu erzählen, dabei wird er zunehmend offener und selbstsicherer.
„Mein Name ist Peter Müller und ich bin Straßenkehrer. Das kam so: In der Schule fiel mir das Lernen nicht leicht und deswegen strengte ich mich auch nicht an. Ich schaffte gerade so den Hauptschulabschluss. Da war an tolle Ausbildungsplätze nicht zu denken. Also fing ich bei den städtischen Betrieben an. Ich bekam die Aufgabe, die Fußgängerzone sauber zu halten. Jeden Wochentag zog ich los, mit der großen Tonne, dem Müllgreifer, verschiedenen Besen, Schaufeln und einem Spachtel – zum Beseitigen von Kaugummis. Immer wieder musste ich mir ansehen, wie die Leute dort, wo ich eben fertig war, etwas hinwarfen: Zigarettenstummel, Snackverpackungen, alles Mögliche. Sie ließen Bananenschalen und anderes einfach auf den Bänken liegen, obwohl daneben Mülleimer standen.
Und die Hundebesitzer, die ihre Tiere überall hinkacken ließen, ohne sich um die Haufen zu kümmern, die nervten ganz besonders. Die meinten, für so etwas wäre ich ja schließlich da.
Ich fühlte mich wie ein Fußabtreter. Meine Laune und auch meine Arbeitsmoral wurden immer schlechter, ich maulte die Menschen an und ich verlotterte sogar selbst. Dieser Job, den ich da machte, zog mich richtig runter. Ich wollte das nicht mehr!“ An dieser Stelle seiner Erinnerung holt Herr Müller tief Luft und blickt griesgrämig.

Der Moderator ergreift das Wort und sagt mitfühlend: „Ah, das ist wirklich schlimm, was Sie da erzählen. Ich muss ja gestehen, dass ich mir bisher wenig Gedanken gemacht habe, was diese Arbeit bedeutet. Und dabei haben Sie es 25 Jahre ausgehalten?!“
Herr Müller nickt bedächtig, sein Gesicht hellt sich wieder auf, als er weiterspricht: „Ich war kurz davor, alles hinzuschmeißen. Ich ging mir sogar selbst auf den Geist. Ich wollte mich nicht mal mehr morgens im Spiegel ansehen und am liebsten wäre ich einfach verschwunden. – Aber dann passierte etwas, das alles für mich geändert hat. Ich hatte mich gerade mal wieder über so einen geschniegelten Sesselfurzer aufgeregt, der irgendwas Buntes auf einer Bank liegengelassen hatte. Es war ein Buch mit dem Titel ‚Liebe, was du tust‘. Ich starrte auf den Titel und dachte: So ein Blödsinn, wie soll ich denn das hier lieben? Als ich aufsah, war der Typ verschwunden. Ich konnte ihn nirgends mehr sehen, also steckte ich das Buch ein. Konnte ja nicht schaden, mal reinzuschauen, was da für Unfug drinstand. Ich meine, schlimmer als es war, konnte es sowieso nicht mehr werden.
Bei den ersten Seiten des Buches musste ich mehrfach nachlesen. Aber je weiter ich mich damit beschäftigte, desto leichter fiel mir das Lesen und dann war ich irgendwann ganz geflasht davon. Wenn ich es schaffen würde, dem ganzen Müll, mit dem ich jeden Tag zu tun hatte, etwas Positives abzugewinnen, könnte ich dann wirklich etwas ändern?
Naja, von einem Tag auf den anderen ging das nicht. Es waren kleine Schritte: wenn ich bemerkte, dass jemand seinen Abfall in einen Mülleimer warf, lächelte ich und grüßte freundlich, manchmal bedankte ich mich sogar. Die Leute fanden das erstmal merkwürdig, aber mit Einigen spielte sich das ein wie ein kleines Ritual. Als ich merkte, dass das Grüßen gut ankam, grüßte ich fast alle Leute. Bei Hundebesitzern, die keine Beutel dabeihatten oder keine Lust, sie zu benutzen, ging ich hin und fragte, ob ich mit einem Kotbeutel aushelfen sollte und ich könnte Ihnen auch gern die Handhabung erklären.“
Hier macht Peter Müller eine kleine Pause und grinst verschmitzt in die Kamera.
„Das war den Meisten dann unglaublich peinlich. Aber ich stellte fest, dass ich auf diese Weise viel mehr Menschen dazu brachte, die Hundehaufen wegzumachen, als wenn ich einfach nur schimpfte!
So ging es bergauf mit mir. Ich begann auch wieder, selbst mehr auf mich zu achten, je mehr Leute mich beachteten und mir auch freundlich begegneten.
Das Thema begeisterte mich inzwischen so richtig, immer wieder nahm ich das Buch zur Hand.
Und ich informierte mich über Themen wie Müllvermeidung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Vorher war mir das auch ziemlich egal gewesen, aber ich hatte es wirklich geschafft, in meiner Arbeit etwas Liebenswertes zu finden. Schulkindern, die Getränkekartons in die Gegend warfen, bot ich eine Challenge an: Ich forderte sie auf, mit gutem Beispiel möglichst vielen Erwachsenen als Vorbild zu dienen. Jugendliche fragte ich, ob sie später in einer total vermüllten oder lieber in einer sauberen Umgebung leben wollten. Ich erzählte von Rattenplagen und verseuchtem Trinkwasser. Und plötzlich hörten mir Leute zu, was ich zu sagen hatte.“
Nun lacht er übers ganze Gesicht.

(Hier bekam ich wieder eine Änderungsempfehlung, nämlich, den letzten Absatz ganz zu streichen. Denn am Ende der Konfliktlösung steht ein noch größerer Konflikt bevor. An der Stelle des Korrekturschreibens dachte ich dann nur: So ein Mist, dass du deiner Intuition nicht vertraut hast. Denn ich hatte den letzten Absatz dazugeschrieben, weil im Lektionsheft der Hinweis auf einen neuen Konfliktstoff so prominent erwähnt wurde. Ursprünglich war ich mit meinem Happy End durchaus zufrieden. Tja, wieder was dazugelernt. Trotzdem will ich euch den nicht so optimalen Schluss nicht vorenthalten, urteilt einfach selbst.)

Wieder übernimmt der Moderator: „Und inzwischen sind Sie, Herr Müller, eine Art Institution hier in der Innenstadt. Aber eine bedrohte, wenn ich es richtig gehört habe?“ Er wendet sich der Kamera zu und spricht direkt hinein:
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, diese Erfolgsgeschichte soll nicht weitergehen! Aus Kostengründen will die Stadt Herrn Müller durch einen Kehr-Roboter ersetzen. Dieser braucht als Begleitung dann nur noch einen geringfügig Beschäftigten, der mitgeht und an manchen Stellen korrigierend eingreift! Wieder eine auskömmliche Stelle weniger!

Nachdem die ersten beiden Aufgaben-Korrekturen „nur“ Lob enthielten, ging es nunmehr in die Richtung, die ich auch von einem Lektorat erwarte. Und vor der ich immer sehr viel Respekt, wenn nicht sogar Bammel hatte. Nach dem Motto: Da wird dein „Baby“ zerpflückt, alles unter die Lupe genommen, geändert und am Ende kennst du deinen Text nicht wieder. Ich würde lügen, wenn ich schreibe, mir macht das alles überhaupt nichts aus. Doch, klar, es macht etwas, das man für sich selbst erstmal annehmen muss.
Aber zwei Dinge sind dabei wichtig und hilfreich: Korrektur und Lektorat soll immer dazu helfen, das Beste aus einem Text herauszuholen, dafür braucht man nun mal auch Leute, die nicht aus Freundschaft oder Verbundenheit alles loben, was man schreibt, sondern auf Schwächen hinweisen. Persönlicher Abstand ist da sogar von Vorteil.

Und am Ende ist es meine Entscheidung, was ich für mich selbst und meinen Text daraus mache. Ob ich mich darauf einlasse, Passagen noch einmal zu überarbeiten, ob ich alles verwerfe oder ob ich sage: Nee, das ist meine künstlerische Freiheit, ich lasse das jetzt alles so. Es gibt ja auch Gründe für die ganz persönliche Art zu schreiben, die der Lektorin nicht bekannt sind. (Demnächst werde ich noch einen Artikel über das Selfpublishing einstellen, wenn ihr den lest, behaltet diesen Absatz im Hinterkopf.)

Eine weitere Herausforderung war die Ausdrucksweise: Ein Mensch, der eine einfache Schulbildung auch nur so mittelmäßig „genossen“ hat, hat natürlich, vor allem nach 25 Jahren Arbeit auf der Straße, eine ganz andere Art zu reden als ich, weiblich, Mitte 50, Bildungsbürgertum. Auf die Dauer wird da mehr Recherche notwendig sein, um die unterschiedlichen Charaktere glaubhaft zu zeichnen. Gut zu wissen.

Sehr gefreut habe ich mich übrigens über folgende Bemerkung:
Peter Müller ist eine ausgezeichnete Hauptfigur, denn er hat einen Konflikt gelöst in seinem Leben.

Das hat mich tatsächlich sehr aufgebaut, denn diese Hauptfigur lag mir wirklich am Herzen, die habe ich sehr bedacht und liebevoll entwickelt. Nun sitze ich am Studienheft 4 und darf mich in das Entwerfen von Figuren so richtig hineinvertiefen. Ich freue mich und bin megagespannt!

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