
|Werbung, unbezahlt|
„Ich stelle mich einmal kurz vor. Mein Name ist Fränzi Kühne, mich gibt es seit 1983, ich habe Jura studiert, habe dieses Studium dann jedoch abgebrochen und bin Mitgründerin der ersten Social-Media-Agentur Deutschlands geworden. Mit dieser Agentur habe ich bis zu meinem Ausstieg 2020 mitgeprägt, wie Digitalisierung, Social Media, neue Geschäftsmodelle und Organisationsformen in Deutschland diskutiert und gestaltet werden. Ich bin Mitglied des Stiftungsrats der AllBright-Stiftung und Mutter zweier Mädchen, geboren 2016 und 2020, die mit mir und ihrem Vater in Berlin-Biesdorf leben. […] Seit der Gründung von TLGG im Jahr 2008 hatten wir – Christoph Bornschein, Boontham Temaismithi, ich und ein hervorragendes Team – uns den Status junger und kluger Vorreiter*innen erarbeitet, die die Sache mit der Digitalisierung einigermaßen verstehen und sie nicht nur ihren Eltern, sondern durchaus auch dem einen oder anderen DAX-Unternehmen erklären können. Wenngleich ich als einzelne Person noch nicht besonders sichtbar war, so war es die Agentur durchaus. Das wiederum war der freenet AG aufgefallen, die für eine Neubesetzung in ihrem Aufsichtsrat eine junge Kandidatin suchte und bei uns fündig wurde. Ich versuche jetzt mal nicht, den ganzen Prozess der Aufsichtsratsneubesetzung detailliert wiederzugeben oder ihn extrem spannend zu machen; zum einen komme ich sicher noch einmal darauf zurück, zum anderen steht das Ergebnis ja schon im Klappentext: Am Ende eines für mich aufregenden Auswahl- und Bewerbungsprozesses hielt ich vor 600 Leuten meine erste Rede auf einer Bühne und wurde Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin eines börsennotierten Unternehmens. Und nicht nur das: Ich wurde ein Medienthema.“ (bei meiner eBook-Ausgabe S. 9 , Kapitel „Das Warten auf das >>Jetzt geht’s los<<„)
So. Nun wisst ihr Bescheid, oder? Was ist daran denn so besonders? Außer natürlich, dass es in Deutschland und nicht nur hier, immer noch nicht an der Tagesordnung ist, dass eine Frau, noch dazu eine junge Mutter, an einer solchen Position ihren Platz einnimmt.
Aber es gibt noch etwas, das besonders ist. Etwas, das mit der Kombination Frau-erfolgreich-Karriere-herausgehobene Position zu tun hat:
Den Fragenkatalog.
Auch Annalena Baerbock machte diese Erfahrung. Eine der am meisten gestellten Fragen: „Wie vereinbaren Sie Karriere und Familie?“ Dicht gefolgt von „Können Sie für andere Frauen ein Vorbild sein?“ oder auch der Fokussetzung auf die mehr oder weniger modischen Outfits (klitzekleiner Spoiler: es gibt einen männlichen Interviewpartner im Buch, dessen Kleidungsstil auch immer mal wieder in den Medien zum Thema gemacht wird. Ob es wohl daran liegt, dass er sich ab und zu mal modisch neu erfindet oder dass er Außenminister ist?).
Fränzi Kühne ist also durch das Frage- und Antwortlabyrinth geschubst worden, und da sie eine wissbegierige Frau ist, hat sie sich männliche Interviewpartner gesucht, die ebenfalls in herausragenden beruflichen Positionen stehen. Von ihnen wollte sie unter anderem wissen, welche Fragen ihnen gestellt wurden, wie sie auf die Fragen antworten würden, mit denen üblicherweise Frauen konfrontiert werden und außerdem noch, wie sie zu den angedachten Quotenregelungen stehen.
Es gibt einige erwartbare, aber auch viele überraschende Antworten in diesem Buch. Was mich ein bisschen überrascht hat (obwohl ich es mir hätte denken können) ist die Tatsache, dass Männer anscheinend relativ häufig eher spontan an neue Posten kommen, ohne dass vorab lange nach Qualifikationen gesucht wird, während Frauen sich immer noch rechtfertigen müssen, wenn sie für einen verantwortungsvollen Job vorgeschlagen werden. Unter anderem auch in den großen und kleinen Medien, die offenbar immer noch keinen aktuellen Fragenkatalog haben, sondern sich munter im 70er-Jahre-des-20.Jahrhunderts-Koffer bedienen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann hatte doch vermutlich auch schon jede/r von uns mal diese Klischees im Kopf, einfach, weil wir damit sozialisiert wurden.
Das Buch war informativ, stellenweise regelrecht amüsant, es stellt Fragen; Nicht nur an die Männer, die interviewt wurden, sondern an die Rollenbilder in unseren Köpfen und auch, ob unsere Gesellschaft insgesamt so offen ist, wie wir es uns gern vorstellen (oder einreden?)
Bibliographische Angaben:
Fränzi Kühne, Was Männer nie gefragt werden (Ich frage trotzdem mal.), Fischer Taschenbuch, ISBN 978-3-596-70582-5, € 14,–
oder Fischer eBook (epub), ISBN 978-3-10-491368-1, € 12,99
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