Spielplatz gesucht

Ich bin beim Lesen über eine Aussage gestolpert, die mich seither beschäftigt: „kindgerechten Verkehr zu schaffen statt ein verkehrsgerechtes Kind

Für sie bedeutet die Idee, ein Kind verkehrsgerecht zu erziehen, Kindern Regeln und ein Verhalten beizubringen, damit sie – drastisch formuliert – den Autos nicht in die Quere kommen. Und das bedeute ja auch, dass wir Flächen im öffentlichen Raum vorgeben, wo sie zu spielen haben, sogenannte Spielplätze.
Quelle: Katja Diehl, Raus aus der Autokratie

Spielplätze sind eingezäunte, fest definierte Gelände, die Bau- und Sicherheitsvorschriften genügen müssen, damit Kinder auf ihnen spielen dürfen.
Und häufig genug stehen nicht einmal diese Plätze den Kindern auch uneingeschränkt zur Verfügung: Sandkästen werden (in den letzten Jahren zum Glück weniger) von Hundebesitzern als Hundeklo genutzt. Junkies treffen sich dort nachts und hinterlassen Joints, Spritzen und andere Utensilien.
Jugendliche, die der Beschilderung am Eingang der Spielplätze nach aus der Zielgruppe herausgewachsen sind, lassen durch Vandalismus ihrem Frust darüber freien Lauf.

Quelle: Pixabay

Das Foto des Spielplatzes sieht auf den ersten Blick gepflegt, ansprechend, sauber, bunt … aus.
Auf den zweiten Blick aber sehe ich: Keine Bäume und Sträucher, die natürlichen Schatten spenden. Boden, der aus Fallschutzmatten besteht statt aus Sand, Erde, Wiese. Weder Regenwürmer noch Ameisen oder andere Krabbeltiere. Keine Pfützen oder Wasserspiele. Aber Plastikelemente, die kein besonders ansprechendes haptisches Erlebnis bieten.
Dieser Spielplatz ist bestenfalls elterngerecht. Keine große Gefahr, sich schmutzig oder gar nass zu machen. Keine Grasflecken auf der schicken neuen Hose. Kein Sand, den man vor der Weiterfahrt nach der Rast aus den Schuhen, Socken und Haaren entfernen muss, keine Ameise, die den Arm anpillert und damit ein Kribbeln verursacht.
Keine Bange, solche Spielplätze können Kindern durchaus für eine begrenzte Zeit Unterhaltung und Bewegung bieten und auch wir haben unsere Kinder auf solchen Plätzen spielen lassen, wenn wir eine Pause auf langen Autofahrten machten.

Natürlich mochte ich als Kind Spielplätze, sie zogen mich magisch an (obwohl sie längst nicht so durchorchestriert waren wie heute), vermutlich unter anderem, weil sie bei uns auf dem Land recht selten und spartanisch waren. Ich werde nie das Würfel-Klettergerüst in Bendorf am Rhein auf dem Spielplatz beim Schiffanleger vergessen, in das zu klettern ich meinen Vater nötigte und der prompt darin steckenblieb (obwohl er ein recht schmächtiger Mann war).
Aber meine allerliebsten Spielplätze waren gänzlich andere:

Als in unserer Nachbarschaft ein neues Haus gebaut und für den Keller eine große Grube ausgehoben wurde, war der aus dem Aushub entstandene Lehm- und Erdberg für ein Jahr unser Kilimanjaro, den wir bestiegen und auf dem wir zahllose Abenteuer erlebten. Ebenso konnte dieser Hügel unser Piratenausguck sein und wir planten Kaperfahrten und Enterungen.
Im Bach am Feldrand, an dem wir einen alten Kochtopf fanden, fischten wir winzige Fischchen, Kaulquappen und anderes Getier, um es zu bestaunen. In dem Kochtopf „kochten“ wir Maiseintopf aus jungen Maiskolben, die wir vom Feld mopsten.
Im Wald am Fuß des Jakobsberges nutzen wir einen natürlichen, runden Erdwall als „Festung“, die wir gegen imaginäre Eindringlinge verteidigten und den Bach, der aus dem Berg klares und frisches Wasser sprudeln ließ, stauten wir auf, um Tiere anzulocken und unsere Füße zu kühlen.
In unserem Garten stand ein kleiner, etwas krüppelig gewachsener Kirschbaum mit ein paar fast waagerechten Ästen. Der unterste Ast diente uns als edler Rappe Iltschi, die oberen waren in unserer Phantasie das Tipi, in dem Nto-Tschi wohnte.
Unser größtes Problem bestand darin, jeden Tag neu auszuhandeln, wer Winnetou und wer Old Shatterhand sein durfte. Ja, sorry, so war das halt Mitte der 1970er Jahre. Übrigens: Leute wie Santer (Mario Adorf, unvergessen) oder andere Übeltäter gab es nicht in unseren Spielen. Wir wollten eben lieber Helden (egal welcher Hautfarbe) sein als Schurken.

An dieser Stelle kommt ihr ins Spiel.
Was waren eure Spielplätze, an die ihr euch heute erinnert? Sind es schöne, zwiespältige oder eher traurige Erinnerungen?
Und kennt ihr heute tolle Spielplätze, die bei Kindern aller Altersklassen Phantasie und Neugier anregen? Was macht diese Plätze aus?
Wie beurteilt ihr die Spielplatzsituation im Umfeld eurer Kinder oder Enkel?

Ich freue mich, wenn ihr ebenso viele Ideen, Erinnerungen oder Wünsche beisteuert wie bei der Auto-Umfrage. Weil es mich erstens wirklich interessiert und weil ich zweitens davon ausgehe, dass es uns allen, egal wie alt oder jung wir sind, den Blick weitet. Auf ein Thema, das diesen weiten Blick braucht.


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

16 Kommentare zu „Spielplatz gesucht“

  1. Die „Spielplätze“ der 60er, 70er Jahre bestanden in der Hauptsache aus rostigen Schaukeln, Rutschen und Einfachstkarussells.

    Die schönsten Spielplätze, die diesen Namen verdienten, waren die steilen Wupperhänge am Oberlauf. Der vermüllte Löschteich in der Nähe, auf dem ein altes Türblatt schwamm. Der Talsperrenwald mit seine zahllosen Relikten aus längst vergangener Zeit. Der verbotene Spänebunker und die ebenso verbotene Vorratskammer der Schreiner-Eltern des Kumpels gegenüber.

    Guten Morgen Dir & Grüße, Reiner

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    1. Guten Morgen, danke für deine Erinnerungen. Auch wenn meine Kindheit ein paar klitzekleine Jahre später gestartet ist als deine, hört es sich sehr bekannt an.
      Liebe Grüße
      Anja

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  2. In den ersten Jahren meiner Kindheit in Hamburg Barmbek haben wir auf der Straße gespielt. Sonntags ging es in den Stadtpark auf einen wunderschönen großen Spielplatz mit Badeteich und Eisdiele.
    Dann sind wir in die Neubausiedlung gezogen. Dort gab es einen Spielplatz, aber am liebsten spielten wir im Gebüsch und auf einer kleinen Wiese. Die wurde eines Tages mit Garagen zugebaut. Der kleine Knick blieb zum Glück.

    Gefällt 3 Personen

    1. Vielen Dank für deine Erinnerungen, die sich zum großen Teil mit Reiners und meinen ähneln: die natürlichen Spielgelegenheiten waren die schönsten. Ich werde in der Richtung einmal meine Archivrecherchen ausdehnen, nicht im Sinn von „Früher war alles besser“, sondern aus Neugier, wie sich Kindheit durch den zunehmenden Autoverkehr geändert hat. Ich finde das gerade sehr faszinierend.
      Liebe Grüße
      Anja

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    2. Ja, da hat sich viel verändert. Wenn ich daran denke, dass wir in der Nachkriegszeit tatsächlich ohne Erwachsene auf der Straße gespielt haben (Marmeln, Rollschuhlaufen, Verstecken, Kippel-Kappel, Oblaten tauschen, Puppen, Fußball, Roller fahren, Springtau springen, Fischer, wie tief ist das Wasser…..ach, mir kommen gerade so viele Erinnerungen. Und wir waren viele Kinder aller Altersgruppen, die sich selbst organisierten. Ab und zu rief ich meine Mutter und wenn sie aus dem dritten Stock aus dem Fenster guckte und fragte, was ich wolle, sagte ich:“ NICHTS!“ Ich denke, ich wollte nur wissen, dass sie da ist. Manchmal gab es statt Mittagessen ein Butterbrot auf die Hand…..
      Vielleicht schreibe ich mal in meinem Blog darüber. Habe lange nicht mehr an diese Zeit gedacht.

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    3. Rollschuhlaufen… das bringt mich auf eine Idee. Als Kind habe ich das noch mit diesen schrecklichen Auszieh-Rollschuhen gelernt, die man sich unter die Füße schnallte und die einen Heidenlärm machten. Als Jugendliche fuhr ich dann mit Rollerskates im angesagten „Xanadu“-Look. Irgendwann kaufte ich mir (da war ich schon Mutter) Inliner, die aber seit meinen Sehnenrissen im Keller zustauben.

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  3. Mein Spielplatz war der Wald, mein Fahrrad, unsere Natur um uns herum, der Knick zum Nachbargrundstück, die Schaukel und Riesensandkiste meines Spielfreundes.
    Der Spielplatz im Dorf…hm außer die Schaukel kann ich mich nicht erinnern oft da gewesen zu sein.
    Keine Ahnung ob der wirklich gut besucht war. Vermutlich nicht. Die Kinder die genau da wohnten hatten bestimmt bessere Spielmöglichkeiten auf den Höfen auf denen Sie wohnten. Zumal die Eltern ja keine Zeit gatten die Kinder zu begleiten.
    Bei uns in der Siedlung hatte fast jeder ne eigene Schaukel auf dem Hof stehen.
    Außer wir. Ich durfte eh überall rumbutschern.
    Mir war am liebsten mein Zimmer und meine Bücher .

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  4. „wie sich Kindheit durch den zunehmenden Autoverkehr geändert hat“

    das spricht mich gerade an. Bei mir zuhause war das nämlich zum Glück nicht. Da ist es immer noch sehr ruhig.

    Bis ungefähr 2006 bin ich eine Weile immer näher Richtung Innenstadt und Großstadt umgezogen. Irgendwann hab ich bei einer Übernachtung im Elternhaus beschlossen, dass ich mich auf einem wohnungstechnischen Irrweg befinde und bin in einen kleinstädtischen Stadtteil gezogen, wo es ähnlich wie zuhause ruhiger zuging.

    Na-tür-lich! kommt immer noch keine Nacht an die nächtliche Ruhe im Heimatdorf ran.

    meine Mutter sagt, dass es viel mehr Verkehr als früher ist – geschenkt, außerdem sollen ja alle mobil und flexibel sein, was irgendwann zulasten der Öffis geht, woraufhin sich noch mehr Leute ein Auto zulegen.

    Abseits der Hauptstraße ist man aber nach wie vor sehr schnell in der Landschaft (die ganze Gegend ist voll davon 😆😆😆), in Wald, Feld und Wiese. Ich habe mich zwar angeblich nie besonders dreckig gemacht, aber wir waren ständig draußen unterwegs und haben Ponyhof gespielt. Da wir mangels echten Ponys zugleich Pony und Reiter spielen mussten, müssen wir ne Hammer-Kondition gehabt haben, denn es gab viel Galopp und eine Menge Turniere.

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    1. Stadt ist nicht wirklich mein Wohlfühlort. Großstadt gar nicht, obwohl ich gern mal Ausflüge nach Hamburg, Köln oder auch Hannover mache. Aber das ist ja immer nur Stippvisite. Und so bin ich ganz froh, dass meine Heimat“stadt“ aus Dörfern besteht😂. Allerdings ist Minden als Mittelzentrum in unmittelbarer Nähe, ich kann in der Praxis also oft das beste von beidem nutzen.

      Dein letzter Absatz hat mich zum Lachen gebracht, ich dachte spontan an „Ritter der Kokosnuss“.

      Danke für deinen Gedanken dazu und ein schönes Wochenende.

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  5. Etwas spät, aber von meinem Handy lässt sich nichts losschicken. Meine Spielplatzerfahrungen waren ambivalent. Meine vermutlich unerfahrene Muter war sehr besorgt und hatte mich die ersten Jahre sehr stark von möglichen Gefahren isoliert. Spielplatzbesuche waren sehr selten.

    Später, als ich Kontakt mit anderen Kindern hatte, war ein Hochbunker ein verbotener, aber unkontrollierter Spieplatz, zusammen mit einem dahinter befindlichen verlassenem Gartengrundstück. Ich war nicht schwindelfrei, bin aber dort ohne Angst bis zu den hohen Wipfeln geklettert.

    Mit meinen Kindern habe ich später immer wieder unterschiedliche Spielplätze aufgesucht, wozu mich wohl die damalige Eintönigkeit veranlasst hat. Ihre Rückmeldungen im Erwachsenenalter waren gottseidank positiv.

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    1. Vielen Dank für deine Erinnerungen. Ich schätze, diese Ambivalenzen kennen wir alle irgendwie.
      Und auch das Gefühl, bei den eigenen Kindern, wenn nicht alles, aber vieles anders machen zu wollen (was manchmal auch grandios scheitert).
      Aber vor allem die Verlockungen, die ein eigentlich verbotener Platz bietet, den Hauch von Abenteuer und Anarchie, der vermutlich allen Kindern eigen ist.

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