Time to say Goodbye

Mittwoch, der 31. August 2022

Es heißt Abschiednehmen. Vom meteorologischen Sommer, das tut mir dieses Jahr überhaupt nicht weh. Er war lang, er war heiß, er war trocken. Unfassbar, dass in Pakistan die Menschen schon wochenlang viel zu viel von dem bekommen, was wir uns hier verzweifelt wünschen. Dort sterben Menschen in den Fluten, hier werden die Lebensbedingungen in der Hitze zur Bedrohung für manche Bevölkerungsgruppen.
Ich selbst freue mich auf den „Altweibersommer“, der morgens und abends willkommene Abkühlung bringt, der sanfte Farben, sanftes Licht und auch sanftere Wärme mit sich bringt. Und hoffentlich auch sanften Regen.

Als ich gestern mit dem Fahrrad nach der Arbeit nach Hause fuhr, stellte ich fest, dass selbst in unmittelbarer Nähe zur Weser sich die ersten Landwirte bereits vom Mais verabschiedet hatten: Der stand so halbtrocken auf den Feldern, dass er schon gemäht wurde, also mindestens zwei Wochen vor dem normalen Beginn der Maisernte (der genaue Zeitpunkt hängt vom Verwendungszweck ab).

Es heißt aber auch Abschiednehmen vom Tankrabatt, das allerdings ficht mich kaum an, ich habe in den letzten drei Monaten nur zweimal getankt (und davon nur einmal voll, nämlich Vorgestern wegen notwendiger längerer Fahrt), und das, obwohl in den Tank meines Cityflitzers wahrlich nicht sehr viel reinpasst. Allerdings ist das ein Abschied auf Raten, denn die Spritpreise steigen ja schon, seit die Ferien vorbei sind.
Traurig bin ich dagegen über den Abschied des 9-€-Tickets, nicht so sehr, weil ich genau dieses Billigangebot auf Dauer installiert haben möchte (dazu habe ich bereits diesen Beitrag geschrieben). Nein, ich hatte mir fest vorgenommen, zu den Menschen zu gehören, die den einen oder anderen Ausflug mit dem Ticket unternehmen. Genutzt habe ich es, keine Frage, aber letztlich doch „nur“, um in den heißen Wochen damit zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, ohne in der Mittagshitze auf dem Fahrrad zu kollabieren. Also vollkommen in des Finanzministers Sinn, ich weiß auch nicht, wie mir das passieren konnte.

Und schließlich heißt es Abschiednehmen von Michail Gorbatschow. Reagan und Kohl sind ihm schon lange vorangegangen, er hat ein gesegnetes Alter erreicht. Und in gewissen Kreisen dürfte man erleichtert sein, dass dieser Mensch nun „weg vom Fenster“ ist. Die Wertschätzung, die ihm in Westeuropa und gerade in Deutschland entgegengebracht wurde, wurde ihm in seiner Heimat oft verwehrt, galt er doch bei vielen als Verräter. Nun sind die drei Männer, die mit der deutschen Wiedervereinigung in die Geschichte eingegangen sind, zu einer himmlischen Skatrunde vereint. Oder wer weiß, vielleicht spielen sie auch „Risiko“ oder singen gemeinsam „Ol‘ man river“, „Kein schöner Land“ und „Kasatschok“. Wenn diese drei sehr unterschiedlichen Staatenlenker 1989 nicht alle an einem Strang gezogen hätten, sähe die Welt heute vermutlich anders aus. Aber nicht unbedingt besser.

Alptraum

Symbolbild: Pixabay

Kennt ihr das, wenn man von einem Traum gefangen gehalten wird, zwischendurch aufwacht, denkt „So ein Schwachsinn“ und dann geht der Traum genau an der Stelle weiter, wo man wachgeworden ist? Als wenn man beim Video die Pausetaste gedrückt hätte. So einen Traum hatte ich letzte Nacht.

Ich war auf der Buchmesse und suchte erst einen bestimmten Verlag und zweitens meine Mitfahrgelegenheit nach Hause. Die Mitfahrgelegenheit war eine Betriebsberaterin (die es vor einem Vierteljahrhundert wirklich gab, bei der wir zu Messezeiten auch öfter übernachteten, die aber leider schon lange Jahre nicht mehr auf dieser Buchhändlerwelt weilt). Der Verlag versteckte sich vor mir, ich entdeckte massenhaft andere dafür, aber genau der gesuchte war nie dort, wo er laut Programmheft sein sollte. Dafür kämpfte ich mich durch Menschenmassen und riesige Stände, die eher wie ein Sammelsurium aus diversen Drogerieketten wirkten, auch von der Artikelauswahl her. Ich fand beim Marvel-Stand lebensgroße Pappfiguren der Avengers, mit denen man Selfies machen konnte (fragt lieber nicht, wieso DIE in diesem Traum auftauchten, ich habe keine Ahnung …).

Es gab zu wenige Toiletten (das ist tatsächlich oft so, gerade bei den Damen) und ich verlor meinen Begleiter, einen entfernten und irgendwie gesichtslosen Bekannten (wieso gerade so jemand dabei war, erschließt sich mir auch im Nachhinein nicht richtig), der mir noch einen Berg Kleingeld in die Hand drückte: ich solle mir ein Eis holen und dann verschwand wie ein Dschinn (aha, vermutlich deswegen: er war einfach unwichtig). Und dann irrte ich durch Parkhäuser und über den Innenhof des Messegeländes, wo ich aber nicht die üblichen fliegenden Händler fand, sondern über halb eingebuddelte, fruchtgummiweiche U-Bahn-Züge stolperte, die farblich gestaltet waren wie das Kostüm von Iron Man. Hilfe!

Glücklicherweise konnte ich meinen Mann anrufen, der zuhause auf mich wartete und über dessen telefonischen Support ich sehr erleichtert und dankbar war – bis ganz plötzlich mein Handy-Akku alle war und mir bewusst wurde, dass ich nun nicht mal mehr ein Zugticket würde kaufen können…

Glücklicherweise war es in diesem Augenblick 5:25 Uhr und mein Wecker ging an. Irgendein ständig im Radio gespieltes Lied katapultierte mich ins Hier und Jetzt. Erleichterung. Wer weiß, sonst irrte ich womöglich als Nervenbündel immer noch in Frankfurt herum und fragte „Haste mal ’n Euro?“

Shitstorm

Ich klappte heute Morgen meinen Laptop auf, loggte mich bei Facebook ein, wählte eine beliebige Hundegruppe aus und postete folgende Frage:
„Ich habe ein Problem mit meinem elf Monate alten Rottweiler. Seit kurzem bellt er alles an, wenn wir im Dunkeln unterwegs sind. Was kann ich dagegen tun?“
Binnen kürzester Zeit entwickelt sich ein Facebook-Krimi, der seinesgleichen sucht…
* 23 Hundehalter fragen, ob ich schon einen Trainer kontaktiert habe.
* 27 HH wissen, dass das Problem immer am anderen Ende der Leine hängt.
* 4 HH fragen, ob der Rottweiler HD hat.
* 9 HH werfen mir vor, dass ich mich wohl im Vorfeld nicht richtig mit der Rasse und ihren Eigenschaften auseinander gesetzt habe, der Rotti schließlich kein Anfängerhund und wahrscheinlich einfach nicht richtig ausgelastet ist.
* 15 HH posten einen Link zu Milan/Rütter/Balser/Bloch/beliebiger Hundetrainer.
* 34 HH betiteln Milan/Rütter/Balser/Bloch/beliebiger Hundetrainer daraufhin als Tierquäler/Komiker/steinzeitlich/Rudelführer/Wattewerfer und es entsteht ein Link-Battle zu Videos und Artikeln.
* 13 HH zweifeln an der Bindung zwischen mir und meinem Hund und geben Tipps, wie ich diese verbessern kann
* 8 HH raten mir dazu „mich mal richtig durchzusetzen und dem Hund zu zeigen, wer der Chef ist“, am besten durch Alphawurf und Anknurren.
* 2 HH setzen ein Lesezeichen, weil sie dasselbe Problem haben.
* 1 HH droht den „Alphawerfern“ mit dem Vet-Amt und empfiehlt mir die intermediäre Brücke auszuprobieren.
* 3 HH fragen nach dem Futter, denn sie haben gehört, dass gebarfte Hunde schneller aggressiv werden.
* 26 HH steigen auf das Futterthema ein und erklären die Vorteile der jeweiligen Kategorie (Trocken, Nass, Roh, Vegetarisch/Vegan)
* 2 HH sagen, dass ihr Hund mit ALDI-Futter 15 Jahre alt geworden ist und nie krank war.
* 1 HH fragt mich, warum ich keinen Hund aus dem Tierschutz habe, mit denen hätte er nie solche Probleme gehabt, da die nur dankbar sind und ein Herz aus Gold haben.
* Dies nehmen 20 weitere HH zum Anlass, über Sinn und Unsinn von (Auslands)Tierschutz und Rassehundzuchten zu diskutieren. Es fallen Worte wie „Tierschutzmafia“ und „Rasse-Nazis“, bis die Hälfte der Diskutanten von den Admins entfernt wird.
* Endlich fragt 1 HH, warum ich meinen Hund nicht einfach kastrieren lasse…
* 5 HH drohen darauf hin mir mit der Kastration.
Der Kaffee ist leer, der Laptop klappt zu. Ich nehme meinen Kater auf den Schoß und kraule ihn hinter den Ohren bis er schnurrend einschläft. Vielleicht frage ich morgen zum Nachmittagskaffee in einer Muttergruppe, wer seine Kinder denn so alles impfen lässt. Manche sehen die Welt echt gerne brennen.

Quelle unbekannt, Netzfund

Als ich heute auf der Suche nach Programmhandbüchern war und bei der Gelegenheit mal ordentlich einige Verzeichnisse auf dem PC durchforstet und auch ein wenig entrümpelt habe, fand ich unter anderem diesen Text, den ich im Jahr 2019 irgendwo aufgegabelt hatte. Und nun lehne ich mich zurück…😉

Gedankenspiel

Unser Finanzminister hat (neben vielem anderen) sinngemäß gesagt, mit dem 9€-Ticket habe es

  • viele unnötige Fahrten gegeben (Freizeit statt Berufspendeln)
  • wenn es weitergeführt werde, müssten Menschen, die ländlich wohnen und kaum ÖPNV haben, diesen für andere Regionen mitfinanzieren und das sei ungerecht
  • Die Forderung nach bezahlbarem ÖPNV sei „Linkes Framing“

Vor allem letzteres empfinde ich als reichlich unverschämt. Es dürfte genügend Leute geben, die nicht in dieses politische Spektrum passen und trotzdem gern einen guten ÖPNV unterstützen oder sogar darauf angewiesen sind.
Und selbst, wenn das alles so sein sollte: Die Fokussierung auf den Individualverkehr mit dem eigenen Auto/SUV/Porsche bringt seit Jahrzehnten

  • viele unnötige Fahrten, wenn Leute am Sonntag 500 Meter zum Brötchenholen, nach dem Frühstück ins Grüne fahren oder viele Menschen allein im Auto sitzen, statt Fahrgemeinschaften zu bilden – und auch ein künstlich gesenkter Spritpreis trägt ja nicht unbedingt dazu bei, das Auto stehen zu lassen.
  • die Aufteilung des öffentlichen Raumes zugunsten des Autoverkehrs: viel zu niedrige Parkgebühren für Dauerparker (im Allgemeinen ist es in deutschen Städten billiger, sein Auto durchschnittlich 90 % der Zeit ungenutzt in der Gegend rumstehen zu lassen als täglich mit dem Bus zur Arbeit zu fahren) ; alle Menschen, die kein Auto fahren (und das sind Viele!), müssen Platz machen, selbst auf zugeparkten Rad- und Gehwegen ausweichen, sind Verkehrslärm, Gestank und Schadstoffen (die Schwächsten unter ihnen, die Kinder im Kinderwagen/Buggy sogar auf Nasenhöhe) ausgeliefert, und
  • „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist kein Verteidigen der jedem Einzelnen zustehenden Freiheitsrechte, sondern staatlich zugelassener Irrsinn für die armen Raser, die nach einem Auslandsurlaub erstmal wieder so richtig Gas geben müssen, weil das Tempolimit in allen anderen Ländern rundum so deprimierend ist.

Übrigens bin ich in meinem Leben erst einmal geflogen: als Teenager hatte ich einen Rundflug über die Porta Westfalica mit so einem kleinen zweimotorigen Hüpfer gewonnen. Aber ich subventioniere seit Jahren fleißig den Flugverkehr und die Billigflieger, weil es auf Kerosin nach wie vor keine Steuern gibt. Ist das etwa gerecht?

Und warum will mir die „Freiheitspartei Deutschlands“ die Freiheit nehmen , für relativ kleines Geld mit dem Zug an die Küste, in die Berge oder gar in den Harz zu fahren? Die Freiheit, einigermaßen umweltschonend meine Freizeit zu genießen? Gibt es etwa Unterschiede bei der Freiheit? Linke Freiheit, rechte Freiheit, bürgerliche Mittelfreiheit oder gar Mittelklassefreiheit, Proletenfreiheit und Upperclassfreiheit? Sinnbefreite Freiheit? Freiheit ohne Verantwortung? Lieber keine Freiheit als falsche Freiheit?

Ich gehe nicht davon aus, dass dauerhaft 9 € der angemessene Preis ist, um einen guten ÖPNV zu gewährleisten, denn davon können weder die Infrastruktur oder der Personalbedarf bezahlt werden. Aber wenn ein einfaches, gut verständliches Tarifsystem nach dem KISS (Keep It Short and Simple) -Prinzip, eine vernünftige Taktung, funktionierende Technik (sowohl Weichen, Ticketautomaten als auch Zug-WCs und alles andere, was in den Bereich fällt), genügend Personal und Material – und als I-Tüpfelchen auch noch die Unterscheidung zwischen regional (nicht unbedingt Bundesland, sondern eher Umkreis von xx Kilometer) und bundesweit – vorhanden ist, dann darf es auch ruhig mehr sein. Nicht zu vergessen natürlich Platz für Familien mit Kindern, für Reisegepäck, Fahrräder und Mobilitätshilfen (Kinderwagen, Rollstühle/Rollatoren…).

NRW von unten

Ein weiteres Kapitel ungewöhnlicher Heimatkunde. Nicht nur, weil ich das Besucherbergwerk und die „Blaue Lagune“ aus den ersten Minuten des Films aus eigener Anschauung kenne und selbst vermutlich auch über Schächten lebe.

Besonders interessant finde ich auch den Abschnitt über die römische Wasserleitung aus der Eifel bis nach Köln. Aha-Effekte am laufenden Band, aber auch bedrückende Einsichten in die unrühmliche Vergangenheit vor knapp 100 Jahren, beides kennzeichnet diese Dokumentation, dazu ein Ausblick in aktuelle und kommende Gefährdungsszenarien.

Mr. Spock würde eindeutig „Faszinierend!“ dazu sagen, und ich habe wieder einiges dazugelernt.

https://www.ardmediathek.de/video/heimatflimmern/nrw-von-unten-eine-expedition-in-geheime-welten/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLThhOTNlN2ViLTBhOWItNDU4Ny1hZmYyLTQ3M2U3YmMxMjZiYw

Des Einen Freud, des Anderen Leid

Bei mir war es Freude, als ich dieses heute Abend filmte. Kind, Hund und ich haben den Regen begrüßt und auf der Terrasse genossen. Der Duft nach nasser Erde, das gleichmäßige Rauschen und Tröpfeln, der lange vermisste Geruch nach „nasser Hund“…

Aber als ich danach die Nachrichten sah, stellte ich schnell fest, dass der Regen nicht überall mit soviel Erleichterung aufgenommen werden konnte, sondern dass auch in manchen Regionen mehr Regen fiel, als versickern und ablaufen konnte. Was bei den ausgetrockneten Böden wirklich kein Wunder ist.

Hatte ich am Nachmittag noch eine „Gewitter und Starkregen“-Warnung nach der anderen aufs Handy bekommen, war es aber fürs Erste mal wieder so, dass beides wieder östlich und westlich um unser Gebiet herumgezogen war. In den Nachbardörfern kann es da schon ganz anders aussehen.

Ich freue mich jedenfalls erstmal, auch wenn es jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, schon wieder aufgehört hat. Man wird bescheiden und Kleinvieh macht auch Mist.

Launisches Temperaturempfinden

Jedes Jahr beobachte ich es wieder: Wenn im Frühjahr die Tagestemperaturen auf 15 Grad ansteigen, sieht man auf einmal viel mehr T-Shirts, weniger Pullover. Übrigens schließe ich mich dabei durchaus ein. Die Freude über das nahende Ende der kalten Jahreszeit wärmt offensichtlich schon ein bisschen mit.

Jetzt gerade, im sehr heißen und trockenen Sommer, schließen wir tagsüber die Fenster und lassen nur morgens, in aller Herrgottsfrühe, die (hoffentlich unter 20 Grad) abgekühlte Nachtluft in unsere Häuser. Treten vielleicht um sechs Uhr aus der Haustür, recken und strecken uns und atmen tief durch. Kühle, mit etwas Glück sogar leicht feuchte Luft flutet unsere Lungen, wir genießen diesen Augenblick.

Im Herbst dagegen kramen viele ihre „Übergangsjacken“, Pullis und Schals schon bei ungefähr 18 bis 20 Grad heraus, je nach persönlicher Einstellung und Empfindung. Auch ich, vor allem, wenn die Optik des Wetters (Wind, graue Wolken…) dazu passt. Abends im Lesesessel gehört eine Decke über die Beine gelegt, so ist es doch gleich gemütlicher. Und der warme Kakao ersetzt das Kaltgetränk.

In den letzten Wochen hatte ich gefühlt den Eindruck, Supermärkte, Autos etc. würden per Klimaanlage auf Kühlschranktemperaturen (damit das Fleisch, auch das eigene lebendige, nicht verdirbt?) heruntergekühlt, aber wenn im Herbst das Beheizen von öffentlichen Gebäuden auf „nur noch“ 19 Grad erfolgen soll, dann gibt es einen Aufschrei, dass so etwas nicht zumutbar sei.

Ganz davon abgesehen, dass man in Schulen, Einzelhandelsgeschäften und Arztpraxen in den letzten zwei Wintern aus Infektionsschutzgründen durchaus zumutbar frieren „durfte“, sogar ohne eine Temperaturbegrenzung nach unten, dafür mit verordneten Öffnungsintervallen der Fenster.

Ebenfalls davon abgesehen, dass vermutlich schon viele Menschen, auch ich, die Erfahrung gemacht haben, es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung. Vorzugsweise im Urlaub, denn dieser teuer erkaufte Freiraum muss ausgenutzt werden, zur Not auch mit Mütze, Schal und Handschuhen, langer Unterwäsche und Regenoutfit.

Ganz klar, im Urlaub bewegen wir uns mehr. Und bei Sauwetter warm eingepackt über den Deich zu stapfen hat ja auch was. Man trotzt den lebensfeindlichen Elementen. Und hat die Aussicht auf eine dampfende Tasse Ostfriesentee mit Kluntje und Wölkje als Belohnung. Und Friesentorte. (Für alle, die lieber in die Berge fahren: Ich bin sicher, dort gibt es entsprechendes…)
Während wir zuhause oder im Büro oft einfach nur stundenlang vor einem Bildschirm hocken, ohne viel Bewegung.

Es gibt Menschen, kleine und große, denen Kälte tatsächlich nicht guttut. Babys, die ihre Körpertemperatur noch nicht gut regulieren können. Kranke Menschen, die zum Beispiel mit rheumatischen Beschwerden zu kämpfen haben. Körperbehinderte, die nicht einfach mal so aufspringen und zehn Kniebeugen machen können. Und zig andere. Ich kann das nachvollziehen und finde es auch nicht gut, wenn wir diesen Menschen vorschreiben, wie sie im Winter zu heizen haben, um es in ihren Wohnungen angenehm auszuhalten.

Was aber auf jeden Fall von (fast) jedem machbar ist: Sich aktiv mit seinen Angewohnheiten auseinanderzusetzen. Zu überlegen, ob und wo es Stellschrauben gibt, an denen wir uns angemessener verhalten können. Denn vieles von dem, was wir als ganz normalen Komfort um uns haben, ist nicht notwendig, sondern anerzogen, wir werden mit jeder Generation softer sozialisiert. Denn wenn wir ganz ehrlich sind, wären wir als Menschheit ansonsten schon vor unzähligen Generationen ausgestorben, hätten uns als überlebensunfähig erwiesen.

Es ist eben so ein bisschen wie mit der Wirtschaft: solange die Kurve immer nach oben geht, ist gefühlt alles in Ordnung. Sobald sie aber eher nach unten schwenkt, haben wir (immer noch wie Kleinkinder) sofort ein diffuses Verlustgefühl, das uns zunächst nur Unbehagen verursacht und sich bei anhaltendem Abwärtstrend bis zur Revolte steigern kann. Da hilft dann auch der Verstand, der das Ganze einordnen möchte, nur begrenzt weiter.

Menschlich? Ja, vermutlich. Wenn wir nicht immer nach Verbesserung streben würden, gäbe es keinen Fortschritt. Aber dann sollten wir eventuell mal neu definieren, was „Verbesserung“ eigentlich wirklich ist.

Analoges Wochenende

Das gesamte Wochenende stand bei uns im Zeichen des Gemeindefestes. Samstag im und ums Gemeindehaus Aufbau, zuhause Kuchen backen und Salat vorbereiten, gestern ausgiebig feiern und anschließend mit vielen fleißigen Helfern wieder „Klar Schiff“ machen. Das tat von Anfang bis Ende gut: Keine Zeit und auch keine Lust für digitale Nachrichten, die Social-Media-Blase und anderen elektronischen Schnickschnack, sondern viele nette Gespräche, Denkanstöße, Leute gesehen, die in den letzten gut zwei Jahren abgetaucht waren oder die man selbst auf dem Dorf oft nur sieht, wenn man sich auf der Straße (meist im Auto sitzend) begegnet. Und meinem heimlichen Ruf als „Karla Kolumna“ habe ich neben Kuchenverkauf, Tische abräumen und so weiter auch alle Ehre gemacht😂.

Es tat sehr gut, ein solches Fest mit vielen ganz unterschiedlichen Gruppen zu feiern, auch die freiwillige Feuerwehr, der Sportverein und eine Trachtentanzgruppe sowie unsere Kindergärten waren beteiligt, es gab ganz unterschiedliche Kirchenmusik für die verschiedenen Geschmäcker, Kirchenführungen, die Jugendarbeit war präsent, Alt und Jung kamen auf ihre Kosten.

Ansonsten bin ich in den letzten Tagen im Haus immer wieder mit leeren Marmeladegläsern unterwegs, die ich inzwischen an strategischen Stellen platziert habe, um Wespen, Nachtfalter und neuerdings öfter mal Heuschrecken und ihre zahlreiche Verwandtschaft nach draußen zu befördern. Immerhin hatten wir dieses Jahr noch keine Meisen im Wohnzimmer und auch keine wildgewordene Jungspatzengang in der Küche.

Übrigens: hatte ich mich am Samstagmorgen noch enthusiastisch über Regen gefreut, kam am späten Nachmittag die Ernüchterung: es hatte mal gerade zweieinhalb Liter auf den Quadratmeter gegeben, danach waren schon wieder alle Wolken verschwunden. In anderen Gegenden kam dafür umso mehr Wasser vom Himmel, wie ich hören und lesen konnte.

Und ich bereite im anscheinend nicht enden wollenden Sommer schon mal die kältere Jahreszeit vor und frage mich angesichts von aktueller Wetterlage und Prognosen, ob ich damit tendenziell eher optimistisch oder pessimistisch handele:

Gut mit Wolle eingedeckt, stricke ich mich zunächst mit Sneakersocken in Form, deren Anforderungen lauten: Kurz, aber trotzdem warm, kunterbunt und immer nur ein Socken von jedem Knäuel. Denn zwei gleiche Socken tragen, das geht gar nicht. Es werden dann noch Babysöckchen fürs Enkelkind dazukommen und wenn meine Schultern (die ich beim Stricken gern mal hochziehe, was natürlich nicht so gut ist) weiter mitmachen, kommen dann auch noch längere Modelle für den Mann und mich auf die Stricknadeln (diese sogar paarweise…).

Mein (zeitweise ehemaliges) Nähzimmer wird in den nächsten Tagen auch wieder zu seiner Bestimmung zurückfinden, mit leichter Modifikation, da auch die Overlockmaschine einen Dauerplatz finden soll. Glücklicherweise habe ich zwei entsprechende Tische, hoffentlich passt es auch vom Platz her. Und dann kann ich warme Hoodies, gequiltete Knie- und Sofadecken und anderes in Angriff nehmen, was uns den Winter über warm hält.

Wieder was gelernt

|Werbung, unbezahlt|

Ja, ich fahre ausgesprochen gern mit der Bahn. Immer noch, allen nicht ganz so schönen Erfahrungen zum Trotz. Klar, dass ich früher oder später auf dieses Buch stoßen würde. Über den Umweg eines Podcasts bekam ich den Impuls, mich bahntechnisch fortzubilden.

Die beiden Autoren sind schon ziemlich nah am Profibahnfahrer, und so liefern sie in diesem Buch ebenso amüsante wie kenntnisreiche Einblicke in all die verschiedenen Bereiche, aus denen vermutlich alle, die jemals in einem Zug saßen, ihre ganz persönlichen Anekdoten und Horrorerlebnisse erzählen können.
Um es gleich vorweg zu sagen: Der ganz normale Lokführer oder die ebenso normale Zugbegleiterin sind zwar oft diejenigen , die alles ausbaden müssen, was schiefläuft, aber sehr oft ist das so, als wenn in altgriechischen Mythen die Überbringer der schlechten Nachrichten geköpft wurden. Aber der bekannte Spruch „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ zeigt sich mal wieder als sehr zutreffend. Wobei der Kopf nicht immer nur der jeweilige Bahnchef ist (wobei es in den letzten Jahrzehnten so viele Luftfahrtvorbelastete gab, dass man sich fragt, ob es da Verträge gibt oder Ein- und Ausflugschneisen), sondern auch jemand anderes sein kann, der für einen bestimmten Bereich Verantwortung trägt, aber nur in der Theorie, weil er die dahinterstehende Praxis nie kennengelernt hat. Fehlplanungen, merkwürdige Investitionspolitik, großkopferte Projekte (vor 4000 Jahren hätten die Verantwortlichen vermutlich Pyramiden gebaut…)

Ein Schelm übrigens, wer dabei einen bestimmten Posten in der Bundespolitik im Hinterkopf hat, oder?

Auf jeden Fall weiß ich jetzt auch, was es bedeutet, wenn der Zug nicht starten kann, weil der Lokführer fehlt: der hat dann nicht etwa den Wecker verschlafen, sondern meistens den Zug zu seinem Einsatzort nicht bekommen. Oder musste bei der Anfahrt per Bahn auf offener Strecke warten, weil ein anderer verspäteter ICE durchgelassen werden musste.
Ich habe mich kopfschüttelnd durch das echt gruselige Kapitel über die Warenwirtschaft in Bordbistros gelesen und frage mich, warum es nicht wenigstens Tomatensaft in ausreichender Menge gibt, weil …, Luftfahrterfahrung, nicht wahr?

Und ich bin masochistisch genug, auch weiterhin auf die deutsche Bahn zu setzen, aber mich vielleicht ein bisschen mehr als bisher auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Weil ich alle diese schrägen Bahnfahrer, die im Buch genüsslich beschrieben werden, auch mal sehen möchte. Denn einige der Stereotypen kenne ich noch nicht aus eigener Anschauung. Ob ich weiß, was ich mir da zutraue -mute, werde ich dann irgendwann mal berichten.

Bibliographische Angaben: Mark Spörrle/Claas Tatje, Tschusing Deutsche Bahn today, Lübbe Verlag, ISBN 978-3-431-05015-8, € 14,90

Entdeckungen am Mittwochmorgen

Beim allmorgendlichen Auffüllen von Vogelhaus und -tränke entdeckte ich heute diese wunderschöne Weinbergschnecke, die sich einen schattigen Platz zwischen wild wachsenden Erdbeeren und Günsel ausgesucht hatte. Sie dürfte auch davon profitieren, dass ich seit mehreren Wochen einfach alles wachsen lasse, was überhaupt noch wachsen kann und will. Ruhig und gelassen ließ sie sich von mir aus allen möglichen Blickwinkeln fotografieren. Schön, dass sie mich offensichtlich nicht als Bedrohung wahrnahm und in ihr Haus zurückzog.

Auch Kalle hatte zwischenzeitlich eine Entdeckung gemacht, die ihn faszinierte und beschäftigte, aber das kleine Spitzmäuschen vermutlich an den Rand eines Herzinfarktes trieb.

Es piept in der Kiste. Da muss doch ein Mäuschen sein.

Mal von der anderen Seite versuchen…

Ich weiß, wie Kalle sich Vögeln gegenüber verhält, nämlich staunend und beobachtend, aber nicht mit Jagdabsichten (er hütet lieber alles kurz und klein, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist), deswegen gehe ich nicht davon aus, dass er versucht, ein potenzielles Frühstück aufzustöbern. Im Gegenteil, seit er allein ist, ist er zum mäkeligen Esser geworden und liebt „betreutes Fressen“, bei dem ihm die Bröckchen einzeln zugeworfen oder auf der flachen Hand gereicht werden. Aber da ich die winzigen Spitzmäuse in unserem Garten auch mag, beschließe ich nach kurzer Zeit, dem kleinen Stalkingopfer zur Freiheit zu verhelfen.

In der Ecke der Kiste gibt es eine schmale Lücke. Dorthin musste sich die Maus erstmal trauen, sie hatte unter dem alten Napf Zuflucht gesucht. Aber immerhin breit genug, um durchzuschlüpfen. Für ein besseres Foto zu posieren, dazu hatte das Mäuschen keine Lust mehr. Verständlich.

Inzwischen ist wieder Büroarbeit angesagt, verbunden mit dem Warten auf hoffentlich bald mal erfrischenden, ausgiebigen und langsam fallenden Regen…

Schon wieder die Weser

97 cm!

Das ist der aktuelle Pegelstand in Porta. Die letzte Wasserstandsmeldung hier auf dem Blog war am Samstagnachmittag noch 10 cm mehr.
Es geht bergab. In mehrerer Hinsicht übrigens. Denn als ich heute Vormittag mit dem Rad zur Arbeit fuhr, natürlich nicht zwischen Bundesstraße und Eisenbahnlinie entlang, sondern mit einem kleinen Umweg durch die Weserwiesen, zwischen zwei ehemaligen Kiesteichen, da sah ich dieses:

Am Freitag, als ich das letzte Mal dort entlang fuhr, lag der Krempel dort noch nicht. Wenn ich bedenke, dass die Straße nicht öffentlich, sondern durch Schranken an allen Zufahrten gesichert ist, macht mich das ganz schön sauer. Aber eine der Schranken steht leider die meiste Zeit offen. Die ehemaligen Kiesteiche sind Pachtgewässer des Angelvereins. Überall stehen Schilder, dass dort nur Befugte hindürfen, dass Grillen, offenes Feuer, Bootfahren und Schwimmen in den Teichen verboten ist. Das mag man gut finden oder auch nicht. Es ist aber leider so, dass das Verbot erstens notwendig zu sein scheint (ein paar Flusskilometer aufwärts sind vor drei Wochen zwei junge Leute in so einem Teich ertrunken und erst nach einer Woche gefunden worden, denn diese Baggerteiche haben äußerst heimtückische Strömungen und Strudel!) und zweitens sowieso eher nicht befolgt wird(ratet: es liegen dort auch immer wieder Einmalgrills😡 in der Gegend herum, samt Kohletüte und Resten von Fleischverpackungen und leeren Bierflaschen), dort wird auch mit Luftmatratzen, SUPs und Gummibooten herumgefahren und sogar geschwommen.

Ein Stück weiter stromaufwärts dokumentierte ich den sinkenden Flusspegel:

Der Kanuanleger in Barkhausen liegt nun ganz auf dem Trockenen und auch der Anleger für die Fahrgastschiffe schwimmt nicht mehr, sondern liegt auf Grund. Und der Wald südlich des Kaiser-Wilhelm-Denkmals wird mit jedem Tag herbstlicher anzusehen vor lauter Trockenheit.
Als ich heute Mittag wieder nach Hause fuhr und mir der Fahrtwind in die Nase blies, roch es nach einer typisch spätsommerlichen Mischung aus trockenem Boden, überreifen Brombeeren (die dort überall reichlich wachsen), trockenem Laub und Rinde.

Die Luftfeuchtigkeit ist seit gestern leicht gestiegen, da es innerhalb von 24 Stunden sage und schreibe einen ganzen Liter Wasser auf den Quadratmeter getröpfelt hat, aber die zunehmende Schwüle macht die Hitze nicht unbedingt erträglicher.

Heute Nachmittag hüte ich also im Büro das Telefon und kriege überhaupt nichts so richtig auf die Reihe, weil der Morgen in der Buchhandlung mental sehr anstrengend war. Drölfzig mal erklären, dass Schulbücher, die erst jetzt (nachdem die Schule vor einer Woche angefangen hat) bestellt werden, sehr wahrscheinlich ein paar Tage bis Wochen Lieferzeit haben, weil sie bei den Grossisten ausverkauft sind, manche sogar nachgedruckt werden müssen. Ungefähr die Hälfte von diesen Gesprächen unter Zuhilfenahme des Übersetzers der Tante Gugel (Aber woher soll ich den Damen ansehen, ob sie ukrainisch oder doch eher russisch sprechen? Das sieht man ja nicht an der Nasenspitze.) Immerhin, gut, dass es dieses Feature gibt, ansonsten bleiben Hände, Füße, ein paar Brocken Englisch bei meinen Gesprächspartnerinnen und immer das diffuse Gefühl, die Namen nicht richtig verstanden zu haben. Und ich frage mich, warum die Schulen dafür keine Sammelbestellungen aufgeben. Wenn ich mir vorstelle, in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht kenne, zu wildfremden Menschen in die Läden zu gehen und etwas Benötigtes kaufen zu müssen, gruselt es mich doch auch, warum sollte das für die Ukrainerinnen anders sein?

Ehe der Hitze-Brei in meinem Hirn überhand nimmt, schaue ich mir dann lieber einen Film an. Und zwar diesen hier, den ich euch vorstellen möchte, weil – ja, weil er sehr schön meine Heimatgegend ins Bild setzt:

https://www.ardmediathek.de/video/heimatflimmern/mit-dem-kanu-ueber-die-weser/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLWY0MTc3OTQ5LTRlZWQtNDdlYy1hNTdhLWFmYWQyZDU2OTNkNg

Eine Lanze für den Einzelhandel

Foto von Pixabay

Heute möchte ich ein paar Gedanken über den (Fach-) Einzelhandel loswerden. Anlass dafür waren die Twitterperlen, die sich gestern unter anderem durch einen Thread über die Unfähigkeit oder den Unwillen des Einzelhandels hervortaten. Obwohl ich dieses Format eigentlich mag und gern lese, habe ich mich ehrlich gesagt etwas geärgert.

Klar, außer in dem einen Laden, in dem ich arbeite, bin auch ich ansonsten Kundin. Und selbstverständlich komme ich auch in Situationen, wo ich denke: „Menschenskind, wenn dich das alles so anwidert, was du hier gefragt wirst, dann hast du eindeutig den Beruf verfehlt!“ Ich kenne Geschäfte, in die ich nicht (mehr) gehe, weil ich dort mehrfach angemault wurde, unzureichende Informationen bekam oder auch schlichtweg ignoriert wurde. Und es gibt einige Dinge, die ich online bestelle, weil ich genau das, was ich suche, vor Ort aus welchem Grund auch immer nicht bekommen kann.

Das muss aber nicht zwingend so sein, weil alle Einzelhändler keinen Bock haben, mir das zu besorgen. Das kann auch tatsächlich mal daran liegen, dass ich gern „karierte Maiglöckchen“ erwerben möchte, die von den Großhändlern, mit denen der fragliche Laden arbeitet, nicht im Programm geführt werden. Kein Geschäft arbeitet mit allen Herstellern oder Grossisten zusammen, die es am Markt gibt. Das wäre schlicht nicht auskömmlich, also finanziell darstellbar. (Ein stationärer Händler muss schließlich seine Miete, Nebenkosten, die Löhne der Mitarbeiter und on top sein eigenes Einkommen sowie die Altersvorsorge erwirtschaften.)

Oder ich möchte gern in Oberbayern etwas kaufen, das normalerweise in den Urlaubsorten an der Küste zuhauf in den Regalen liegt, aber eben in Bayern sonst ein Ladenhüter wäre. Servietten mit „Moin“ und einem Seehund darauf zum Beispiel. An der Küste werde ich dagegen den Filzhut mit Gamsbart vergeblich suchen…
Es kann passieren, dass eine bestimmte Ware nicht lieferbar ist. Weil die Teile für die Herstellung aus Fernost kommen, aber die „Ever Given“ quer im Suezkanal liegt. Weil ein Buch ganz plötzlich auf Platz 1 der Bestsellerliste steht, nachdem die Autorin spontan bei einer Talkshow am Freitagabend das besagte Buch hochgehalten hat und am Samstag alle Leute die Buchhandlungen stürmen.

Ich weiß selbst andererseits auch noch sehr gut, dass ich mich schon 1993 (also vor dem Onlinehandel) geärgert habe, wenn meine kleine Tochter im November Stiefel brauchte und mir im Schuhgeschäft gesagt wurde: „Da hätten Sie aber eher kommen müssen, jetzt sind die schon alle ausverkauft.“ Ich kann doch für ein Kleinkind, dessen Füße mitunter wachsen wie mit Kunstdünger gebadet, nicht schon im September Stiefel kaufen, die im Winter dann am Ende nicht passen! Trotzdem muss ich den Schuhhändlern zugestehen, dass sie den Einkauf für den kommenden Winter bereits im vergangenen Frühjahr tätigen mussten (vielleicht sogar noch früher). Denn die Schuhe müssen ja auch produziert werden. In welchen Mengen, welchen Farben, welchen Größen, damit sie dann auch tatsächlich verkauft werden?

Hier kommt dann spätestens auch die Verbraucherin oder der Endkäufer ins Spiel: Ware, die letzten Winter übrigblieb, will kaum noch jemand haben. Es gibt andere Farben, neue Disneyfilme, deren Protagonisten auf die Schuhe gedruckt werden (ob das wirklich sein muss, ist noch eine ganz andere Frage, meine Töchter fanden das allesamt total ätzend). Und je öfter ich die Erfahrung gemacht habe, dass kurz vor Eintritt einer bestimmten Situation die benötigte Ware nicht verfügbar ist, desto eher schätze ich als Mutter oder Vater tollkühn die Entwicklung der Körpergröße meiner Sprösslinge…
(Außer bei Schulbüchern. Da weiß ich recht zuverlässig, dass jedes Jahr dieselben Familien sich darüber beschweren, wenn drei Tage vor Schuljahresbeginn die gefragtesten Bücher nicht lieferbar sind. So lange, bis auch das jüngste Kind die Schule hinter sich hat…)

Also: es ist nicht so einfach, und es ist nicht schwarz-weiß. Es gibt unendlich viele Kombinationen von „es geht einfach gerade nicht“ und „ich will nicht“, die da zusammenkommen können. Das kann auch mal eine durchwachte Nacht mit zahnendem Baby, eine geprellte Schulter oder eine schlechte Nachricht im privaten Umfeld sein. Also Dinge, bei denen sich jeder und jede Betroffene etwas Verständnis wünscht.
Manchmal ist es tatsächlich eine grundsätzliche Inkompatibilität von Verkäufer und Käufer, auch das gibt es. Aber einfach zu behaupten, dass im deutschen Einzelhandel nur blöde Tussen arbeiten, die in Angst um ihre Raubtierfingernägel verharren, rechthaberische Ignoranten, die noch nie etwas von Kundenorientierung gehört haben oder ähnliches, das geht gar nicht.
Nicht mal so selten sind es zunehmend auch Kunden, die sich nicht wie Könige, sondern wie Despoten oder schlecht erzogene Rotzlöffel verhalten. Oder die sich nicht zu schade sind, jemandem seinen Beruf erklären zu wollen, der ihn schon seit Jahren erfolgreich und mit viel Herzblut ausübt.
Im Endeffekt möchte doch niemand von uns, dass vollkommen fachfremde Menschen uns erzählen, wie wir unseren Job auszuüben haben, egal ob wir im Einwohnermeldeamt, in der Sparkassenfiliale, beim Sanitärinstallateur, einem Medienunternehmen oder bei der Müllabfuhr arbeiten. Oder? Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es meist heraus.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu einem amerikanischen Gemischtwarenkrämer, der angeblich alles immer sofort und in Superqualität liefern kann: Der ist erstens nicht darauf angewiesen, mit genau einer Branche auskömmlich zu arbeiten, hat außerdem wenig gut eingearbeitetes Fachpersonal, sondern verlässt sich statt auf persönliche Beratung lieber auf Kundenrezensionen (die dann auch noch häufig gefaked sind) und genießt eine Marktmacht, die es ihm erlaubt, auf Großhandelslager allerorten zurückzugreifen, deren Betreiber ihm das Erstverkaufsrecht einräumen (müssen oder katzbuckeln, darüber kann man geteilter Meinung sein), so dass der Fachhandel schon allein deswegen mitunter in die Röhre guckt.
Wie gesagt, auch ich habe mich schon das eine oder andere Mal durchgerungen und dort etwas bestellt, was ich sonst nirgends bekam. Aber man muss wissen, worauf man sich einlässt und darf nicht denken, dass dort die pure Menschenfreundlichkeit herrscht.
Onlineshops findet man spätestens seit Corona übrigens auch bei kleinen lokalen Händlern. Und statt sich darüber lustig zu machen, dass diese, die oft aus der Not geboren, etwas unbeholfen daherkommen, kann man ja auch einfach mal sagen: „Schön, dass ihr diesen Service bietet. Wenn ihr den jetzt noch um … erweitern könntet, wäre es super.“

Ach übrigens: Ihr habt vermutlich schon vom Papiermangel im Buchhandel gehört. Der hat unter einigem anderem als Grund, dass es Papierfabriken gibt, die während der Pandemie auf Verpackungsmaterial (Kartonnagen) umgerüstet haben für den boomenden Onlinehandel. Kein Witz.

Wo die Liebe Urlaub macht

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Das Cover sprach mich an, als ich durch Netgalley stöberte. Es sieht so wunderbar idyllisch aus. Außerdem gestehe ich, ich habe auch schon Filme nach Katie-Fforde-Romanen im ZDF Sonntagskino gesehen. Dabei kann man ganz entspannt Sudokus machen oder Socken stricken, die netten Landschaftsaufnahmen von neuenglischen (warum spielen die Filme eigentlich immer in den USA, wenn ihre Bücher in England beheimatet sind🤔?) Wäldern, Hügeln oder Häfen genießen und muss sich nicht allzu sehr auf den Plot konzentrieren. Und ich brauchte die absolute, größtmögliche Abwechslung, nachdem mich die Lektüre von Countdown so heftig in einen Abwärtsstrudel gezogen hatte.
Also sagte ich mir „Why not?“ und buchte die literarische Auszeit in die Cotswolds, die wildromantische Gegend im Herzen Englands, die ich bereits historisch aus den Rebecca-Gablé-Romanen kenne und liebend gern auch mal „in Echt“ kennenlernen würde.

Ich brauchte eine Zeit, in die Handlung hineinzufinden. Auf zwei Ebenen wird von Mutter und Tochter erzählt, das heißt, es gibt nicht nur eine Protagonistin, sondern zwei. Die Mutter Gilly führt ein kleines, aber feines B&B, die Tochter Helena ist Kunsthandwerkerin. Beide eint nicht nur ihr gutes Verhältnis zueinander, sondern auch eine möglicherweise notwendige Suche nach einem neuen Dach über dem Kopf. Helena hat Wohnung und Weberwerkstatt auf einem Gehöft mit neuem Besitzer, der dort umbauen will; Gilly soll auf den dringenden Wunsch ihres Sohnes (also Helenas Bruder) ihr Haus verkaufen, damit er und seine Frau in ein herrschaftliches Anwesen investieren können, wo er seiner Mutter eine kleine Einliegerwohnung samt Nanny-Pflichten anbietet. (Ach nee…) Und dann tritt ein windiger Immobilienbewerter auch noch gerade im richtigen Moment auf die Bühne. (Ein Schelm, wer böses dabei denkt!) Im ersten Drittel des Buches wusste ich nie so recht, auf welchen der männlichen Darsteller ich am meisten sauer sein sollte.

Wie das so ist bei dieser Art Bücher, alles klärt sich beizeiten, nicht ohne zu Herzen gehende Umwege und tragische Ereignisse. Ah, ich merke gerade, dieser Satz hört sich abwertender an als er gemeint ist. Das Buch lässt sich durchaus flüssig lesen, nur kam mir persönlich so manches sehr konstruiert vor (naja, war es ja auch) und es hat mich auch gut abgelenkt von allem, was mir im Real Life auf den Keks ging, es hat also den Zweck, zu dem ich es gedacht hatte, erfüllt.

Bibliographische Angaben: Katie Fforde, Wo die Liebe Urlaub macht, Bastei Lübbe Verlag, ISBN 978-3-404-18771-3, € 10,99

Nachts im Kanzleramt

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Koalitionsverhandlungen, Klimawandel, Corona-Krise: Politik ist überall. Wer aber Zusammenhänge verstehen, den täglichen Nachrichten folgen oder gar das Geschehen beeinflussen will, muss wissen, wie Politik funktioniert, was sie bewirkt, wo sie scheitert und warum. Die bekannte ZDF-Nachrichtenmoderatorin Marietta Slomka kennt sich mit dem deutschen Politikbetrieb bestens aus. Viele politische Ereignisse begleitet sie journalistisch aus großer Nähe. In diesem Buch erklärt sie die wichtigsten Grundlagen der Politik. Was sind die Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie? Warum wird um politische Entscheidungen so oft bis in die frühen Morgenstunden gerungen? Welchen Nutzen hat die Europäische Union? Was für Wechselwirkungen gibt es zwischen Politik und Wirtschaft? Und welche Rolle spielen bei all dem die Medien? Marietta Slomka zeigt, wie Politik gemacht wird und was man wissen muss, um sie zu verstehen. Sie erklärt, was Politikerinnen und Politiker tun, wie politische Institutionen arbeiten und verbindet dies mit spannenden Einblicken in den politischen Alltag. Schnell, kenntnisreich und mit jener Prise Ironie, die man auch aus ihren TV-Interviews kennt, bietet sie Gedankenfutter für alle Generationen. Ergänzt wird das Buch durch die witzigen Cartoons von Mario Lars.

Marietta Slomka, Nachts im Kanzleramt, Über dieses Buch

Ein Buch, das nehme ich gleich vorweg, das sich Politik- oder Gesellschaftskundelehrende ganz oben auf ihre Leseliste setzen sollten. Und natürlich dann auch lesen, nicht liegen lassen😉. Herrschaftssysteme, von der Demokratie bis hin zur Diktatur, Parteienlandschaften, Aufgabenverteilung und vieles mehr erklärt sie quasi ganz im Vorübergehen. Auf eine sympathische, manchmal augenzwinkernde und selbstverständliche Weise, ohne große Verständnisbarrieren. Und damit vermutlich einprägsamer als in der Schule!

Gleich zu Beginn erläutert sie zum Beispiel den sperrigen Begriff „Aufmerksamkeitsökonomie“ kurz und knackig. Und endet bei ihrer Erklärung mit

Wer besonders laut schreit, wird eher gehört. […] Solche Verzerrungen in der Wahrnehmung gibt es im Internet noch stärker. Wer extrem sauer ist oder zumindest extrem überzeugt und engagiert, postet viel auf Social Media oder in Kommentarspalten und nimmt gerne an Shitstorms teil. Wer nicht so leidenschaftlich angetrieben wird, hat dazu meist keine große Lust. Radikale Minderheiten bekommen so sehr viel mehr Raum …

dto, in meinem eBook S. 17/293

Joa. Isso.

Was mir übrigens auch sehr gut gefällt am Buch, sind die wahnsinnig treffenden kleinen Cartoons (von Mario Lars), als kleinen Teaser zeige ich euch hier einmal den zum Thema Demokratie, der das demokratische Dilemma sehr schön zeigt:

Aber auch Vor- und Nachteile anderer Staatsformen wie Sozialismus und Kommunismus (und den Unterschied zwischen den beiden, die so häufig in einen Hut geworfen werden), Autokratie oder Diktatur erklärt Frau Slomka so sachlich wie anschaulich. Auch eine klare Definition des augenblicklich von verschiedenen Seiten inflationär eingesetzten Begriffes des Faschismus liefert sie, die man sich dringend merken sollte, um nicht auf irgendwelche Bauernfänger hereinzufallen, die jedes ihnen missliebige Handeln mit diesem Kampfbegriff betiteln.

Herzhaft lachen musste ich beim Abschnitt „Parteien: Braucht man die oder können die weg?“ Warum? Verrate ich nicht, das wäre spoilern und ich möchte doch so gern, dass ihr das selber lest…😁

Insgesamt gibt es einen unterhaltsamen und gleichzeitig lehrreichen Rundumschlag zu vielen Themen, die uns alle, jung oder alt, konservativ oder progressiv, in allen Spektren der Gesellschaft, angehen.
Wer mitreden – und noch wichtiger – mitentscheiden möchte, kann sich hier die Grundlage des Handwerkszeuges holen. Differenzierend, abwägend und zum Nachdenken anregend, so empfinde ich das Buch. (Und wer Spotify nutzt, kann es sich dort auch anhören, im O-Ton der Nachrichtenfrau, wie von ihr gewohnt leicht ironisch und mit einem Augenzwinkern.)

Ein besonderes Schmankerl: Schlagworte und Fachbegriffe, über die man bei der täglichen Nachrichtensendung oder in der Presse mitunter ein bisschen stolpert, werden als „Insider“-Einschübe gesondert erklärt.

Der Inhalt für Wissbegierige kurz angerissen…

Wer noch ein Geschenk für Studien- oder BerufsanfängerInnen sucht, ist hiermit gut bedient. Aber es eignet sich ebenso als Wink mit dem Zaunpfahl für Leute, die ihre Halbbildung gern in alle Richtungen verschleudern😎 oder aber zur Befriedigung der eigenen Neugierde, wie das nochmal alles so funktioniert mit Politik und Gesellschaft. Von mir volle Punktzahl.

Bibliographische Angaben: Marietta Slomka, Nachts im Kanzleramt, Verlag Droemer Knaur, ISBN 978-3-426-27871-0, € 20,- (oder bei Argon als Hörbuch)

Wasserstandsmeldung Weser

Gestern früh las ich in der Tageszeitung einen Artikel, dass der Weser langsam das Wasser ausgeht. Laut „Pegelonline“ war zu der Zeit am Pegel Porta noch ein Wasserstand von 126 cm. Auf der Oberweser war bereits der Schiffsverkehr eingestellt, bei uns hier profitieren wir (noch) von der Staustufe in Petershagen, der Rückstau sorgt unter anderem dafür, dass die Versorgung des Mittellandkanales aus der Weser noch gewährleistet ist (Ja, auch der Kanal verliert Wasser. Nicht so viel wie die Weser, aber auch dort findet Verdunstung statt.) In Hameln sah das schon ganz anders aus, dort waren es gestern früh 66 cm. Werra und Fulda, die Quellflüsse der Weser, sind schon ziemlich flach, aber auch die Diemel- und die Edertalsperre können nicht mehr viel Wasser abgeben.

Der Zeitungsartikel inspirierte mich, auf dem Weg zur Arbeit mit dem Rad einen Abstecher an die Kanueinsetzstelle am Porta Bahnhof zu machen. Es sieht noch nicht so spektakulär aus wie am Rhein, aber viel Wasser ist da definitiv nicht:

Bild 1: Blick auf die andere Weserseite nach Barkhausen. Kanuten haben dort schon Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen.
Bild 2 und 3: Der Schiffsanleger für die Fahrgastschifffahrt sieht noch gut versorgt aus, aber das täuscht. Bis hier kann die „weiße Flotte“ nicht mehr fahren, es ist zu flach.
Bild 4 und 5: Mein Standpunkt ist eine Kanueinsetzstelle. Normalerweise geht das Wasser mindestens bis an die unterste Stufe heran, manchmal sogar etwas mehr. Aktuell ist von der Oberkante des Brettes bis an die Wasseroberfläche mehr als ein halber Meter Platz, Kanus einsetzen klappt nicht, denn wie man auf Bild 6 und 7 sieht, ragen die Steine teilweise aus dem Wasser.

Jetzt, wo ich dieses schreibe, ist der Pegel Porta auf 107 cm gesunken. Nennenswerte Regenfälle werden uns nicht angekündigt. Und ich bin gerade ganz froh, dass ich in meinem Garten die Brennnesseln und Disteln stehengelassen habe. Nicht, dass diese Absicht dahintergestanden hätte, aber es ist hier immer noch relativ viel Grün zu sehen, weil der Boden fast flächendeckend beschattet wird. Wind und Sonne kommen jedenfalls nicht zum Zug. Und das, obwohl ich nur die Tomaten, Chilis und Paprika an der Hauswand relativ sparsam mit dem restlichen Regenwasser aus dem Tank versorge.

Macht euch die Erde untertan?

Ich habe mir eine nachdenklich machende Dokumentation angesehen, eine Auswirkung dessen, was dieser Spruch auslösen kann.

Wer kennt sie nicht, die Geschichten über die Eroberung des wilden Westens, möglicherweise auch den einen oder anderen modernen Cowboyroman, in dem die Männer hart und schweigsam sind und immer die richtige Entscheidung treffen, in dem nimmermüde Frauen sich um das Gemeinwohl verdient machen und Kuchen backen bis der Arzt kommt. Klar, da ist überall viel Kitsch und Verklärung dabei, aber ganz abwegig sind die Klischees eben auch nicht.

Respekt vor dem Land und der Kraft der Natur; Abbitte leisten für den Landdiebstahl an den First Nations; um seinen Grund, Boden und Lebensstil kämpfen; der Zivilisation entfliehen; das alles gibt es heutzutage noch. Auf der anderen Seite allerdings auch diejenigen, die für viel Geld die Idylle zerstören, nach der sie sich sehnen (aber nicht genug, auch die Schlichtheit dieser Idylle anzunehmen), die mit ihrem Reichtum ein Disneyland, einen faden Abklatsch dessen erschaffen, was den Gründungsmythos der USA ausmacht.

https://www.zdf.de/dokumentation/gebirgswelten/gebirgswelten-rocky-mountains-100.html

Eine beeindruckende Dokumentation über Menschen, die mit der Natur leben und sie zu schätzen wissen, aber auch über Konzerne, die immer noch nicht begriffen haben, dass man Geld, Dividenden und Marktmacht nicht essen, trinken und atmen kann.
Über die Auswirkungen, die unsere Lebensart und unsere Technologienutzung auf die gesamte belebte und unbelebte Welt hat. Die Gedankenlosigkeit, mit der manche Menschen Lebensräume zerstören ebenso wie über die Beharrlichkeit derer, die nicht aufgeben, menschliches Leben mit der Natur in Einklang zu bringen.

Sehenswert.

Wertekanon

Im Oktober werden wir zum ersten Mal Großeltern. So weit, so schön. In den letzten Tagen habe ich allerdings bei der täglichen Zeitungslektüre einige Male schlucken müssen: So bei der Meldung, dass in Ostwestfalen junge Eltern keine Kinderärzte finden, die noch neue Patienten aufnehmen.
Dass Eltern 50 km fahren müssen, um mit den Babys unterzukommen. Wie macht man das, wenn man kein Auto hat? Termine nach der Erreichbarkeit mit den Öffis buchen? Eventuell mit dreimal umsteigen? Wenn denn überhaupt eine adäquate Anbindung da ist…
Oder dass man erst nach mehreren Monaten ärztliche Versorgung findet. Während sich zuhause die bösen Briefe der Krankenkasse stapeln, dass man die Termine zur Vorsorgeuntersuchung und zu den Grundimpfungen hat verstreichen lassen.

Aber selbst wenn man das Glück hat, rechtzeitig eine Hebamme, einen Geburtsvorbereitungskurs (inzwischen gehört sogar regional eine offene Geburtsstation im Krankenhaus zu den Unwägbarkeiten) und auch noch eine kompetente kinderärztliche Versorgung zu finden, dann scheitert man möglicherweise beim ersten Fieberanfall am Mangel an Fiebersäften für Babys und Kleinkinder. Ich mag nicht spekulieren, aus welchen Gründen es passiert, aber immer weniger Hersteller produzieren diese recht simplen, aber wichtigen und effektiven Medikamente.

Und nicht zum ersten Mal frage ich mich, was da eigentlich genau schiefläuft. Werden vielleicht von den Krankenkassen zu viele „Behandlungen“ bezahlt, die zwar nice to have sind, aber mehr als haarscharf an einer sinnvollen Grundversorgung vorbeischrammen?
Warum ändert sich nichts an dem Schlüssel, der für die Zuteilung von Praxis-Standorten herangezogen wird, wenn seit vielen Jahren mehr Kinder betreut werden müssen, sich die Häufigkeiten der Pflichtuntersuchungen mehren, mehr Impfungen durchgeführt werden müssen, immer mehr Kinder auch mit psychischen Problemen Hilfe brauchen?
Was läuft schief in der Medizinerausbildung, wenn erstens immer noch zu viel Wert auf den Abi-Durchschnitt gelegt wird und zweitens fertige Ärztinnen und Ärzte nicht in die Versorgung ländlicher Gebiete wollen oder gar ganz ins Ausland abwandern? Meiner Meinung nach auf allen beteiligten Seiten zu viel. Aber das wäre einen eigenen Beitrag wert.

Irgendetwas in unserem Wertekanon sorgt dafür, dass auf der einen Seite anscheinend immer mehr Kinder zu kleinen Prinzen und Prinzessinnen erzogen werden, deren Eltern ihren Lebenssinn darin finden, ihre Kids bis zum Abi zu pampern (ich übertreibe hier bewusst ein wenig) und auf der anderen Seite immer mehr Kinder von Armut – bis hin zur Obdachlosigkeit – oder gesundheitlicher Vernachlässigung bedroht oder betroffen sind.

Oder kommt mir das nur so vor, weil es nur die Extremfälle in die Medien schaffen, wir überhaupt so sehr von Medien und Meinungen umgeben sind und weil das ganz normale Mittelmaß ganz gern unterschlagen wird? Ich hoffe schon fast, dass der Grund darin liegt.
Ich gestehe, ich bin ratlos.

NIMBY und andere Kurzsichtigkeiten

Den Ausdruck, der sich dahinter verbirgt, kannte ich, die Abkürzung bisher nicht: Not in my Back Yard – Nicht in meinem Hinterhof (oder auch Zuständigkeitsbereich, vor meiner Haustür oder ähnliches).

Wir möchten bequem von A nach B reisen, wir erwarten ausreichend Strom, Wärme, Wasser, Benzin, Schweinenackensteaks und was das Leben sonst noch angenehm macht, natürlich zu „vernünftigen“ (eigentlich eher unvernünftigen, aber billigen) Preisen und unbegrenzt verfügbar. Aber was dafür an unschönen Begleiterscheinungen notwendig ist, doch bitteschön nicht in unserer Sichtweite. Dass diese Unannehmlichkeiten wie Kraftwerke, Verkehrstrassen, Mastställe, Raffinerien damit automatisch den Menschen in den Nachbarorten oder gar in unserer liebsten Ferienregion vor die Türen gewünscht werden, daran denken wir dabei lieber nicht. Dass es den Menschen, die wir statt unser selbst an die vorderste Umweltzerstörungsfront wünschen, ebenso geht wie uns, bloß anders herum, das unterschlagen wir gleich komplett. Hannemann, geh du voran…

Nächste Baustelle: Technologie heißt das Zauberwort, nicht „Expecto Patronum“ oder „Wingardium leviosa“. Denn wenn wir das NIMBYtum ausgereizt haben und nichts mehr weiterschieben können, dann setzen wir auf den Einsatz von Technologie. Ist ja auch sehr reizvoll, denn wenn man mit Technologie alles Übel beseitigen kann, dann muss man nicht sparen, kann die Welt verschmutzen, bis der Arzt kommt, und Simsalabim ist alles weg.
Auch bei dieser Denkweise sind wir kurzsichtig wie Maulwürfe. Was hat die Menschheit schon alles an Technologie eingeführt: Dampfmaschine, Druckwalze, Otto- und Dieselmotor, AKWs, chemische Volldünger, das Internet … und ein paar Jahrzehnte später haben sich bisher noch bei allen derartigen Innovationen die Risiken und Nebenwirkungen gezeigt, teilweise mit katastrophalen Auswirkungen. Was zum Henker sollte die Hoffnung stützen, dass es zukünftig anders aussehen könnte?

Und das alles nur, damit wir möglichst selten uns selbst reflektieren und ebenso angestrengt wie ernsthaft überlegen müssen, wie wir unseren Konsum von Ressourcen und unsere persönliche Komfortzone reduzieren können.

Natürlich ist dieser Trieb unterschiedlich stark ausgeprägt, es gibt ganz unterschiedliche Sichtweisen und Schmerzpunkte, ab wann Verzicht wehtut, wie ausgeprägt die Empathie zu Mitwelt und Mitmenschen ist, es gibt unendlich viele Abstufungen von Egoismus einerseits und Altruismus andererseits. Aber jeder und jede Einzelne von uns lebt in diesem Spannungsfeld, mal mehr, mal weniger.
Manchmal wünsche ich uns dorthin, wo die Dinosaurier schon sind. Ob dort wohl auch Pfeffer wächst?

…Wasser…

Immerhin. Vier Liter Wasser auf den Quadratmeter in 24 Stunden. Das war gestern.
Heute haben wir eine Mädelstour mit Quoten“mann“ Kalle durchs Hiller Moor gemacht.

„Großes Torfmoor und Altes Moor bilden mit der Bastauniederung wesentliche Kerngebiete im Biotopverbund zwischen Weserniederung und dem Bastau-Hunte-Korridor und sind diesbezüglich von herausragender Bedeutung. Für den Naturraum der DümmerGeest-Niederung stellt es den typischen Lebensraum eines Hochmoores dar, der neben den eigentlichen Hochmoorbereichen mit einem äußerst strukturreichen Vegetationskomplex auch noch Birken-Moorwald und ausgedehnte Feuchtheiden aufweist. Das Gebiet bietet zahlreichen Tier- und Pflanzenarten – darunter viele seltene und gefährdete Arten, z. B. BekassineKrickente und Knäkente sowie Moorfrosch – einen Brut-, Nahrungs-, Durchzugs- und Siedlungsraum ersten Ranges. Sowohl ornithologisch als auch pflanzensoziologisch darf dieses Moor sicher in die Reihe der international wichtigsten Feuchtgebiete eingestuft werden. Aus diesem Grund wurde das Große Torfmoor 1980 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das Kerngebiet, das eigentliche Hochmoorgebiet, umfasst eine Fläche von ca. 3,5 km², (davon 2,3 km² auf Lübbecker und 1,2 km² auf Hiller Stadt-/Gemeindegebiet). Das gesamte Naturschutzgebiet umfasst dagegen mittlerweile rund 20 km² Fläche. Zur Fauna gehört unter anderem auch der Weißstorch, der innerhalb Westfalens im Kreis Minden-Lübbecke seinen Verbreitungsschwerpunkt hat.

Nah beim Moor liegt bereits der Naturpark Wiehengebirge (im Süden), die Naturschutzgebiete Altes Moor und Freimoor (im Norden) und die entlang des Kanals gelegenen Naturschutzgebiete Gehlenbecker MaschRauhe Horst – SchäferwiesenEllerburger Wiesen und Bastauwiesen. Insgesamt liegt das Große Torfmoor daher in einem großräumigen Biotopverbund.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fes_Torfmoor

Wo letztes Jahr im Bruchwald noch Tümpel waren, in denen Enten herumplantschten, bekommen die Schwarzerlen augenblicklich trockene Füße und Brombeerhecken breiten sich aus.

Ein Moorteich, auf dem Teichrosen normalerweise schwimmen, sah ebenso traurig aus, die Blätter der Wasserpflanzen werden schon gelb und rollen sich ein.

Kalle fand trotzdem in einem unaufmerksamen Augenblick den einzigen Pfuhl mit brackigem Wasser direkt am Weg, in den er mit einem lauten „Platsch“ einen Köpper machte…

Den Modder an seinen Beinen kann man aus der Perspektive nur vage erahnen…

Ein größerer Moorsee war immerhin noch nicht ausgetrocknet, so dass Enten und Gänse sich noch wohlfühlen können, aber der Wasserstand ist deutlich niedriger als sonst. Auch die Heideblüte ist farblich leicht ausgeblichen und eher verhalten.

Immerhin freuen die Wildbienen und Hummeln sich über die ausgiebige Distelblütenpracht. Immerhin etwas…

Insgesamt waren nur wenige Menschen im Moor unterwegs, auch die Schafe der Moorschäferei haben wir nicht gesehen.
Aber etwas hat mich so geschockt, dass ich es gar nicht erst fotografiert habe:
Es gibt eine Moortretanlage, ähnlich wie ein Kneippbecken, wo man seine Runden durch den Mutt drehen kann und dann die Beine unter einer Schwengelpumpe mit teebraunem Moorwasser wieder abwaschen. Was soll ich sagen: knochentrocken!

Ein solches Moor kann keine vernünftige CO2-Senke sein. Eher im Gegenteil. Und die moortypischen Pflanzen und Tiere verlieren ihren Lebensraum, der in den letzten 30 Jahren mit viel Geduld, Geld und Arbeitseinsatz renaturiert wurde und immer noch wird.

Etüdensommerpausenintermezzo

Hier geht es zur Beschreibung auf Christianes Blog Irgendwas ist immer.

Mal sehen, was mir zu dieser Herausforderung einfällt. Als erstes kommt

Eine Urlaubserinnerung

Wir brauchten noch nie einen Flughafen, nicht einmal eine Regionalbahn, um in den Urlaub zu starten. Ein Wohnwagen genügte uns, um unsere Sommerpause ganz entspannt zu starten. Vor allem mit kleinen Kindern habe ich es immer als Vorteil empfunden, für jede Wetterlage und verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten die liebsten Kleidungsstücke und Utensilien einpacken zu können. Ich brauchte nicht so sehr auf Höchstgewichte achten und ob alles in den Koffer passt. Was andererseits aber nicht heißt, dass es keine Obergrenzen gab. Auch ein Wohnwagen hat ein zulässiges Gesamtgewicht, aber es passt eben ziemlich viel hinein, was man auf einer Reise mit seinem ganz privaten Flohzirkus namens Familie so braucht.
Der Komfort, fast alle Lieblingssachen der Familienmitglieder immer griffbereit zu haben, auf dass uns niemand würde nachsagen können, wie wenig wir einander kennen, entschädigte mich auch so manches Mal dafür, dass meist ich diejenige war, die in aller Herrgottsfrühe aufstand, um den ersten Spaziergang mit dem ausgeschlafenen Hund zu machen. Dafür hatte der Mann den Part mit dem Fahren übernommen, eine Sache, die ich mir mangels Überblick bis heute nicht zutraue.
Auf dem Campingplatz angekommen, suchten wir uns einen schönen Platz im Kiefernwald. Wie wichtig Schatten ist, erfuhren wir vor allem in dem Sommer, als ich zum dritten Mal schwanger war. Es gab eine Hitzewelle, wie sie uns bislang eher unbekannt war, wir hatten die höchste Waldbrandwarnstufe im Müritz-Nationalpark, es gab sogar Pläne für eine Wasserrationierung, und das mitten zwischen den vielen klaren Seen. Tagelang verbrachten wir damit, im Laufe der Tage mitsamt Stühlen, Tisch und Tischtuch von einem Schattenplätzchen zum nächsten rund um den Wohnwagen umzuziehen. Und obwohl niemand von uns eine ausgesprochene Wasserratte ist, genossen wir morgens und abends das Baden im See. Unsere großen Töchter stellten in diesem Sommer die bange Frage, was denn passiere, wenn mitten in der Nacht ein Feueralarm käme. Die Schranken waren von 22 bis 6 Uhr geschlossen, die Zufahrt zum Platz führte einen Kilometer durch den Wald und jeder Wohnwagen hatte ein bis zwei Gasflaschen. Sie fanden es aufregend bis etwas gruselig, kamen aber auch selbst auf eine Lösung: Viele Camper hatten Kanus dabei – wir auch – und am Platz gab es weitere zum Ausleihen. Also: Alle in die Kanus und ab auf den See.
Glücklicherweise musste bisher nie ausprobiert werden, ob dieser Plan funktioniert hätte.

Biografie und Fiktion treffen in dieser Episode aufeinander. Eine sehr willkommene Schreibübung, um sich „warmzuschreiben“ für längere Texte. Etwas Mühe hatte ich mit dem Satz, den Christiane gern lesen möchte, deswegen entschuldige ich mich für den umgebenden Bandwurmsatz, der eindeutig nicht barrierearm ist. Leider (vielleicht auch zum Glück für die Konzentration😉) hat mich beim Schreiben niemand mit Kulleraugen angesehen und Milonga konnte ich noch nie tanzen. Das wäre auch bei dem holperigen Untergrund im Wald sicher sehr schwierig gewesen. Die Ukraine konnte und wollte ich in dieser Etüde nicht unterbringen, erstens, weil sie damals keine Rolle spielte und zweitens, weil ich denke, dass es auch im Jahr 2022 krisenarme Orte geben muss, und sei es „nur“ in Geschichten.

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