Wert-Schätzung

Symbolbild: Pixabay

Bei einer Auktion in England ist eine Uhr des reichsten Passagiers der „Titanic“ für umgerechnet 1,4 Millionen Euro unter den Hammer gekommen […]
Die goldene Uhr gehörte dem US-Geschäftsmann John Jacob Astor. Zum Zeitpunkt des „Titanic“-Unglücks 1912 galt er als einer der reichsten Männer der Welt.

Quelle: https://www1.wdr.de/nachrichten/titanic-uhr-versteigerung-fundstuecke-100.html

Mit dieser Meldung in den Nachrichten um 05:30 Uhr wachte ich heute früh auf. Irgendwie merkwürdig, wofür manche Menschen bereit sind, sehr viel Geld auszugeben. Auch wenn ich bedenke, dass die Titanic einen Mythos darstellt und Astor zu seiner Zeit das war, was heute Elon Musk ist. Und mir zudem bewusst ist, dass Kunstgegenstände noch zu wesentlich höheren Preisen über die Auktionstische gehen.
Es gibt also Menschen, denen sind symbolische Gegenstände ohne einen praktischen Nutzen sehr viel wert. Ich möchte das nicht bewerten, weder in die eine noch in die andere Richtung. Obwohl, so ein kleines bisschen dekadent finde ich es schon, denn mit diesen Summen, die teilweise ohne mit der Wimper zu zucken den Besitzer wechseln, könnte einer Menge Menschen in prekären Verhältnissen ganz pragmatisch geholfen werden.

Sei’s drum. Nur weil mir das spezielle Gen oder was auch immer fehlt, das für Spaß an solcherlei Auktionen und der Jagd nach verlorenen Schätzen oder auch dem goldenen Schnatz verantwortlich ist, mag ich es anderen nicht absprechen.

Aber zur selben Zeit, bei einem bekannten Online-Kleinanzeigenportal, finden bei absolut brauchbaren, gesuchten und benötigten Dingen aller Art Feilschereien statt, bei denen jeder Basarhändler im Orient blass wird.
Die berühmt berüchtigte Frage „Was letzte Preis?“ treibt vor allem die Anbieter mit Festpreisen auf die Palme, „Geht auch (hier Preis einsetzen, der höchstens die Hälfte des gewünschten Erlöses ausmacht)?“ oder gern auch „Kannst du bringen?“, wenn dort explizit Abholung vermerkt ist. Die unvollständige Nutzung von Sprache lässt mir die Fußnägel hochklappen, aber vor allem nervt mich etwas anderes.
Hier kommt ein gegensätzliches Interesse zum Schatzjäger zum Vorschein: Der Schnäppchensammler. Ich freue mich auch, wenn ich ganz unverhofft mal eines ergattere, aber grundsätzlich gehe ich meist davon aus, dass Leute ihre Gründe haben, wenn sie für ihre gut erhaltenen Dinge auch angemessenen Erlös erzielen möchten. Zum Schnäppchenangebot bedrängt zu werden, hat für mich in dieser Form etwas von Nötigung.

Denn auch Online-Marktplätze haben etwas mit Wertschätzung zu tun:
Ein über 100 Euro teures Kleid, das zu einem Anlass getragen wurde, ist auch nach diesem Tag mehr wert als 10 Euro, sonst ist es nicht mehr als Fast Fashion.
Aber das ist nur meine bescheidene Meinung, es kann und darf gern anders gesehen werden.

Zum Glück gibt es aber auch hier nette Zeitgenossen, mit denen man nicht nur Ware gegen Geld tauscht, sondern auch noch nette Mailwechsel führt, und das entschädigt mich jedenfalls für manchen Ärger.

Frühlingsgefühle

im kleinen Friesencafé

Langsam ist der Punkt erreicht, an dem ich zu (fast) keinem Buch mehr „nein“ sagen kann, das Wasser, Strand, Friesenkaten, Muscheln oder ähnliches auf dem Cover hat. Gut konditioniert, oder🤔? Es funktioniert fast schon wie ein Pawlow’scher Reflex.
Während also mein Mann Anfang April mit zwei Freunden über die Ostsee zu den dänischen Inseln schipperte, ging ich lesend fremd und besuchte Föhr auf der westlichen Seite Schleswig-Holsteins. Auch gut.

Bisher hatte ich die Bücher von Janne Mommsen nur so halb auf dem Schirm, weil ich mit einem seiner ersten Titel nicht so gut klarkam. Aber als ich auf Netgalley stöberte und das Titelbild sah, fingen meine Meerliebe-Nerven an zu sabbern. Ich kann nichts dazu, es passiert einfach so.
Ich will auch nicht verhehlen, dass ich eine Zeit brauchte, um in das Geschehen hinein zu tauchen, aber es hat sich gelohnt, dranzubleiben.

Erstens geschieht es nicht allzu häufig, dass ein leichter Wohlfühl-Roman mit dem Motiv Friends to Lovers aus männlicher Perspektive geschrieben werden. (Ich glaube, damit spoilere ich nicht zu sehr, das war von Anfang an absehbar. Amüsant sind die teils urkomischen Umwege zum Ergebnis.)
Zweitens hat mich die Situationskomik mitunter laut lachen lassen, zum Beispiel wenn mit allen Nordseewassern gewaschene und sturmerprobte Fischer sich wegen Rücken klammheimlich zum Yoga treffen, damit sie ihr Image nicht gefährden…😂.

Zur Geschichte: Gonzo (ich hatte aus unerfindlichen Gründen immer den gleichnamigen Muppet als Kopfkino) ist Krabbenfischer und einsam. Gesine möchte ihm gern helfen, eine Herzdame zu finden, aber ihre Nachhilfe in Sachen Online-Dating erweist sich als Flop. Dabei ist es ja nicht so, dass auf Föhr keine Singles unterwegs wären. Allein, die Auswahl überzeugt weder Gonzo noch Gesine. Und dann passiert auch noch eine Beinahe-Katastrophe, die verschiedenen Leuten den Boden unter den Füßen wegreißt.

Mein Fazit: Ein schöner Schmöker, um die Zeit bei Sonnenschein im Strandkorb mit einem Cocktail oder bei Schietwetter im Schaukelstuhl bei Tee und Keksen zu verbringen. Harmlos genug, um die reale Welt eine Weile komplett auszublenden und lustig genug, um sie auch noch ein bisschen zu vergessen. Für alle, die sich ein bisschen mehr Meer in ihrem Alltag wünschen.

Bibliographische Angaben: Janne Mommsen, Frühlingsgefühle im kleinen Friesencafé, Rowohlt Verlag, ISBN 978-3-499-00961-7, 17,- €

Zwei Geschichten

Heute habe ich zwei Geschichten für euch, die ich nicht selbst geschrieben habe, nur selbst aufgestöbert.
Wiedergefunden habe ich sie, als ich damit beschäftigt war, meine Recherchedateien, die ich seit einigen Jahren schon sammele, in eine sinnvolle Struktur zu bringen.

Quelle: Pixabay

Es handelt sich um Parabeln, die uns zum Nachdenken anregen. Aber lest selbst:

ARBEITSLOS
Ein Arbeitsloser bewirbt sich um die Stelle eines Klo-Reinigers bei Microsoft. Der Personalchef lädt ihn zu einem Gespräch ein und lässt ihn einen Test machen.
Anschließend sagt er ihm:
Du bist eingestellt, gib mir deine eMail-Adresse und ich werde dir deinen Vertrag schicken sowie den Tag und die Uhrzeit nennen, wann du anfangen kannst.
Der verzweifelte Mann antwortet, dass er keinen Computer habe und somit auch keine eMail.
Der Personalchef sagt ihm, aber wenn er keine eMail-Adresse hätte, würde er virtuell nicht existieren, und weil er nicht existieren würde – keinen Job.
Der Mann geht, verzweifelt, ohne zu wissen, was er mit den letzten 10$ in seiner Tasche tun solle.
Schließlich entscheidet er sich, in den Supermarkt zu gehen, und eine Kiste mit 10kg Erdbeeren zu kaufen.

Er beginnt mit «Klinken-Putzen», um die Erdbeeren kiloweise zu verkaufen.
Er schafft es, in 2 Stunden sein Kapital zu verdoppeln.
Er wiederholt die Sache 3mal und kommt mit 60$ nach Hause.
Er begreift, dass er auf diese Weise überleben könnte.
Er beginnt jeden Tag früher und kommt später nach Hause, und so verdreifacht und vervierfacht sich sein Geld jeden Tag.

Kurze Zeit später kauft er eine Schubkarre, dann tauscht er sie gegen einen Lastwagen ein, und später ist er Besitzer einer kleinen Flotte von Lieferwagen.
5 Jahre vergehen…
Der Mann ist jetzt Besitzer eines der größten Lebensmittel-Handelsketten der USA. Nun denkt er an die Zukunft seiner Familie und entscheidet sich für eine Lebensversicherung.
Er bestellt einen Makler und wählt einen guten Vertrag. Am Ende des Gesprächs bittet der Makler um seine eMail-Adresse für die Bestätigung der Vereinbarungen.
Der Mann sagt ihm, dass er keine eMail habe! Seltsam sagt der Makler, Sie haben keine eMail und trotzdem dieses riesige Imperium aufgebaut. Stellen Sie sich vor, wo Sie wären, wenn sie eine eMail besitzen würden!
Der Mann überlegt und antwortet: ICH WÄRE SCHEISSHAUSREINIGER BEI MICROSOFT!

Quelle unbekannt

Quelle: Pixabay

Die zweite Geschichte beginnt ähnlich, findet aber eine ganz andere Auflösung:

Die Geschichte vom Fischer und dem Geschäftsmann

In einem sonnigen Fischerdorf legt ein Fischer mit seinem kleinen Boot am Pier an. Er hat einen großen Thunfisch gefangen. Ein Berater, der gerade Urlaub macht, beobachtet den Fischer bereits seit einigen Tagen. Er gratuliert ihm zum heutigen Fang und fragt: „Wie lange warst Du auf See, um diesen Fisch zu fangen?“

Der Fischer antwortet: „Nur ein paar Stündchen.“

Daraufhin fragt der Berater: „Warum bleibst Du nicht länger auf See, um mehr Fische zu fangen?“

Der Fischer erwidert: „Dieser Fang reicht mir, um meine Familie für ein paar Tage zu versorgen.“

Der Berater ist verwundert: „Was tust Du denn mit dem Rest des Tages?“

Der Fischer erklärt: „Ich fahre nach Hause. Nach dem Mittagessen gehe ich mit meiner Frau spazieren und mache eine Siesta. Dann spiele ich mit meinen Kindern. Abends kommen Freunde, wir genießen den Fisch, trinken Wein und philosophieren über Gott und die Welt. Wie Du siehst, habe ich einen gut ausgefüllten Tag.“

Der Berater antwortet: „Ich habe studiert und kann Dir helfen. Wenn Du den ganzen Tag fischen gehst, fängst Du mehr Fische. Dann kannst Du die übrigen Fische verkaufen. Von dem Erlös kannst Du bald ein größeres Boot kaufen. Für dieses Boot heuerst Du zwei, drei Fischer an. Ihr werdet so viel fischen, dass Du schon bald mehrere Boote kaufen und eine eigene Flotte aufbauen kannst. Statt an einen Händler verkaufst Du die Fische direkt an eine Fischfabrik. Bald wirst Du soviel verdienen, dass Du eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen kannst. So sparst Du Geld und kannst die Produktion und den Vertrieb selbst kontrollieren.“ Der Berater wurde ganz euphorisch bei diesen Gedanken.

Der Fischer erwidert unbeeindruckt: „Und wie lange wird das dauern?“

„So etwa 15 bis 20 Jahre“, erklärt der Berater.

„Und was ist dann?“, fragt der Fischer.

„Dann kommt das Allerbeste“, antwortet der Berater: „Wenn die Zeit reif ist, verkaufst Du Dein Unternehmen und kannst aufhören zu arbeiten. Du kannst morgens ausschlafen, zum Spaß noch ein wenig fischen gehen und den restlichen Tag mit Deiner Familie und Deinen Freunden genießen.“

„Aber genau das tue ich doch jetzt schon“, sagt der Fischer, „nur dass meine Kinder dann aus dem Haus sind.“

Quelle: https://einfachachtsam.de/die-geschichte-vom-fischer-und-geschaeftsmann/

Was für den Erdbeerverkäufer die Rettung war, aus seiner Misere herauszukommen, wäre für den Fischer eine Horrorvorstellung.
Wachse oder weiche? Oder gibt es einen Mittelweg?
Ist der eine Weg besser als der andere? Oder ist er einfach nur anders?

Wir Menschen sind unterschiedlich. Nicht nur äußerlich, sondern von unseren Begabungen her, von dem, was uns wichtig ist im Leben, von dem, worin wir unsere Energie und unser Herzblut investieren.

Ja, es lohnt sich, GROß zu denken. Aber denkt der Fischer in der zweiten Geschichte weniger groß? Oder hat er einen anderen Zugang zu den großen Themen des Lebens als der Erdbeerverkäufer? Setzt andere Prioritäten?

Als Eltern machen wir uns stets Gedanken über die Zukunft unserer Kinder.
Mein Mann und ich beispielsweise haben unserer ältesten Tochter vor 12 Jahren abgeraten, eine künstlerische Laufbahn direkt nach dem Abi einzuschlagen.
Ich kann bis heute nicht abschließend beantworten, ob das eine richtige oder falsche, eine gute oder schlechte Beratung war. Ich vermute, so einfach ist die Antwort nicht.
Wir taten es nicht, weil wir ihr die künstlerische Begabung absprachen, ganz bestimmt nicht, denn sie ist in verschiedenen Bereichen eine sehr kreative Persönlichkeit.
Aber zu der Zeit gab es eine Menge Bewegung in der Künstlersozialkasse, nicht immer zum Vorteil der dort Versicherten. Wir wünschten ihr von Herzen ein auskömmliches Leben, keine Durststrecken, bei denen sie sich von Nudeln mit Ketchup ernährt und auf das nächste Engagement hoffen muss.

Zugegeben: In vielerlei Hinsicht waren wir als Eltern zu der Zeit noch stärker in Konventionen verhaftet. Ganz werden wir da vermutlich auch nicht herauswachsen, schon wegen unserer eigenen Biographien nicht. Und sie war die Erste von Dreien, die wir in die ungnädige Welt entließen. Aber auch Eltern entwickeln sich weiter.

Heute würde ich persönlich möglicherweise (ganz sicher bin ich mir nicht) eher sagen:
Tu, was sich für dich richtig anfühlt.
Ob du als Schauspielerin oder Malerin den Menschen Freude schenken willst, ob du Gäste bewirten und ihnen in einer liebevoll geführten Frühstückspension den Urlaub versüßen möchtest, ob es dich in die Wissenschaft zieht oder ob du Kindern Wärme, eine fundierte Elementarbildung und einen guten Start ins Leben ermöglichen willst.
Und trotzdem würde ich es ganz sicher mit den Bauchschmerzen einer Mutter tun, die sieht, wie schwierig es für die unterschiedlichsten Lebensmodelle ist, ihr Auskommen zu haben.

Wir sehen die Stars der Schauspielerei, der Musikbranche, der Wissenschaft, der Medizin, Literatur, Wirtschaft, selbst der Politik. Wir eifern ihnen nach, was auch gut und ein Ansporn ist.
Aber verdrängen wir dabei nicht diejenigen ihrer jeweiligen Zunft, die sich von Engagement zu Engagement hangeln, von einer befristeten Stelle zur nächsten, die Klinken putzen, auf den Durchbruch ihrer Idee warten, Firmen in den Sand setzen, scheitern?

Wichtig ist bei alledem vor allem, dass „Erfolgreiche“ nicht mehr wert sind als „Erfolglose“, die wir oft als „Looser“ brandmarken.
Und dass „Erfolg“ für jeden von uns anders aussieht, anders definiert wird und auch unterschiedlichen Stellenwert hat.
Ob man nun mit Erdbeeren als Ausgangsware ein Lebensmittelimperium gründet oder mit der Gewissheit, dass ein Thunfisch ein paar Tage den Lebensunterhalt sichert, mit seinen Kindern den Sonnenuntergang genießt.

Ich wüsste da ein paar bundesweit bekannte Adressaten, denen ich diesen Beitrag gern mal zur Kenntnis schicken würde…

Wunderschöne Überraschung

Gestern bei der Arbeit fand ich im Lager ein Päckchen vom DuMont Verlag, adressiert an die Buchhandlung, aber direkt an mich als Ansprechpartnerin. Erstmal war ich geplättet, weil: „Woher wissen die denn, dass ich hier arbeite?“
Die Lösung fiel mir aber bald ein, denn bei Netgalley habe ich meine Arbeitgeberin angegeben. Und ich hab‘ ja schon einige Bücher des Verlages besprochen.
Die nächste Frage lautete folgerichtig „Und was schicken die mir persönlich?“
Das hier:

Es war auch noch ein Päckchen sehr leckeres Shortbread dabei, das ich mir mit meinem Mann aber schon geteilt habe, als ich ihm begeistert vom Päckchen erzählte😋

So sieht ein Manuskript aus. Ein vollständiges Autorinnenmanuskript, das vom Verlag angenommen wurde. In diesem Fall auch übersetzt.

Ganz selten mal (zumindest kann ich persönlich mich nicht an mehr als eine gute Handvoll solcher Leseexemplare erinnern) kommt es vor, dass Verlage solche Rohmanuskripte verschicken, wenn sie überzeugt sind, einen kleinen Schatz gehoben zu haben, der es auch ohne fertige Aufmachung schafft, Aufmerksamkeit zu erregen. Mitsamt Empfehlungsschreiben direkt aus dem Lektorat.
Natürlich ist das Werbung und es wird ganz bewusst als Marketinginstrument eingesetzt. Aber es ist auch viel mehr als das, eine Wertschätzung sowohl der Autorin als auch der Buchhändlerkollegen, die das Manuskript zu lesen bekommen. Wie ein Rohdiamant, der sein Potenzial bereits vor dem Schliff andeutet.

Innenansicht der Normseiten: das ist professionelle Manuskriptoptik

Dem Werk und auch den Lesern wird zugetraut, dass kein Schutzumschlag mit kunstvoll dramatischer Illustration, kein Label namens „Spitzentitel“ in der Verlagsvorschau und erst recht kein Farbschnitt (sorry, der kleine Seitenhieb musste sein😉) notwendig ist, um zu überzeugen.

Die einzige Herausforderung wird es sein, das etwas unhandliche und schlabberige Format beim abendlichen Lesen im Bett zu bändigen.
Aber hey, das Leben besteht nun mal aus Herausforderungen.
Wäre ja gelacht!

Und so ist das Wochenende gebucht für einen literarischen Ausflug nach Irland.
Ich bin dann mal weg, Reisebericht folgt.
Die Recherche-Arbeiten haben kurze Pause.

Kurioses

Tulpenstrauß in unserer Küche

Leute, kauft Tulpen! Oder wenn die Tulpenzeit vorbei ist, andere Blumen. Macht euren Kommunen Komplimente. Und wenn es für das einjährige Jubiläum einer Mini-Baustelle ist.
Gestern schmunzelte ich in unserer Zeitung über diese kuriose Meldung. In einer Nachbarstadt hinterlegte ein anonymer Bürger an einer Warnbake, die seit einem Jahr eine Stolperfalle auf einem Bürgersteig markierte, ohne dass etwas repariert wurde, einen Tulpenstrauß und ein Glückwunschschreiben.

Einen Tag später war die Stolperfalle repariert und Kinderwagen, Rollatoren und alle anderen konnten wieder den Gehweg ohne Einschränkungen benutzen.

Vielleicht sollte jeder von uns eine Patenschaft für eine Baustelle übernehmen?

Edit: Dieses ist der kuriose 1.111te Beitrag🎉.

Müde

Der Kulturkampf tobt. Im und um den Buchhandel. So nehme ich es in der letzten Zeit wenigstens teilweise wahr:

Selfpublisher vs. Verlagsautoren
Unbekannte Neu-Autoren vs. etablierte Bestsellerschreiber
Indie-Verlage vs. Großverlage mit Konzernbindung
Unabhängige Buchhandlungen vs. Ketten
gedrucktes vs. eBook
Tolino vs. Kindle
Farbschnitt vs. „Hauptsache Buch“
Der Rest der Buchwelt vs. Amazon
Klein vs. Groß

Und alle, die bei TikTok, Instagram, Threads, Twitter, in Autorengruppen, Leserforen und wer weiß noch wo verbal aufeinander eindreschen, haben in gewissen Punkten durchaus Recht. Egal, wo sie sich selbst verorten.
Aber häufig beachten sie nicht, dass andere Akteure in diesen Debatten auch ihre Punkte machen und mit ihren Argumenten berechtigte Interessen vertreten. Oder es ist ihnen vielleicht auch egal – und das ist noch schlimmer.

Was ich in den 1980er Jahren während meiner Ausbildung schon nicht mochte, das Auseinandernehmen von Literatur in den hochliterarischen Zirkeln, damals namentlich Reich-Ranicki und Karasek mit ihren Gästen, die sich aber meist auf hochgelobte Literaten aus den renommierten Verlagen Suhrkamp, Hanser und Co. konzentrierten, hat sich inflationär ausgebreitet.
Es wird über den grünen Klee gelobt, verrissen, was das Zeug hält, über den Gegenpart der wirtschaftlichen Beziehung hergezogen, gehypt, verdammt und teilweise wird sich gegenseitig die Existenzberechtigung abgesprochen.

Es kotzt mich an.

In Buchhandlungen, Verlagen, literarischen Agenturen etc. arbeiten Menschen, die für Bücher brennen, egal in welcher Form. Sie haben ihre Berufe oft von der Pike auf gelernt, haben vielfältigen Wandel innerhalb ihrer Branche erlebt und Erfahrungen mit ganz unterschiedlichen Autorenpersönlichkeiten gemacht, verbringen nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Freizeit und ihre Urlaube mit Büchern, sie haben Spaß daran, für ihre Kunden die richtigen Manuskripte oder fertigen Bücher zu finden, zu publizieren und zu verkaufen. Denn jeder dieser Berufszweige lebt davon, dass die Kunden zufrieden sind und wiederkommen.

Autor:innen jeder Alters- und Lebenserfahrungsphase bringen Herzblut ein, um ihre Themen an die Leser zu bringen. Die einen mit (hoffentlich) Lebensweisheit (manche auch mit reaktionärem Gedankengut, geschenkt), die anderen mit dem „Überschwang der Jugend“, wenn man es so nennen möchte. Es gibt Nischen, in denen jeder ein Eckchen zum Wohlfühlen finden kann, aber es wird dadurch auch immer unübersichtlicher und zerfledderter. Es ist schwierig, bei der Vielfalt den Überblick zu behalten, so dass sich mancher Leser, manche Autorin, manche Verlagsmenschen nur noch in ihrer jeweiligen Bubble bewegen. Was in Ordnung sein kann, solange man anderen ebendieses auch zugesteht.

Wenn ich allerdings in „sozialen“ Medien lese und höre, wie munter aufeinander eingedroschen wird, dann werde ich müde, es deprimiert mich und zeigt mir symptomatisch, woran unsere Gesellschaft insgesamt krankt.
Denn was im Kleinen in der Bücherwelt geschieht, passiert täglich überall.
Man versucht sich gegenseitig die Butter vom Brot zu nehmen statt Energien zu bündeln.
Statt aufeinander zuzugehen, wird sich abgeschottet und gegen den Rest der Welt gewettert.
Das ist doch krank.

Nur eine Sache bitte ich immer zu bedenken:
Wenn ihr Bücher kauft, ob in der kleinen Buchhandlung um die Ecke, im Autorenwelt-Onlineshop, bei einem regionalen Filialisten, im (Online-)Antiquariat oder in den Läden der großen deutschen Ketten: der Erlös generiert Umsatzsteuern in Deutschland und Gewerbesteuern in inländischen Kommunen. Diese werden unter anderem benötigt, um Bibliotheken, Theater, Schwimmbäder und andere städtische Einrichtungen für Kultur und Freizeit zu finanzieren.
Bei großen multinationalen Konzernen dagegen findet dieser Effekt nur in sehr bescheidenem Maß statt. Wer sich also über den Rückgang kultureller Angebote in der eigenen Stadt beschwert, sollte bitte zunächst das eigene Konsumverhalten überdenken.

Gilt nicht nur für Bücher, so wie alles in diesem Beitrag:
Wir schaffen es nur miteinander, nicht gegeneinander!

Welttag des Buches

Der 23. April ist der UNESCO- Welttag des Buches. Seit 1995 bereits wird das Lesen, die Vielfalt der Literatur, die Neugier auf das lesende Weltentdecken gefeiert.
Shakespeare und Cervantes starben an einem 23. April, die Bücher und die Lust an Geschichten lebt aber unverdrossen weiter. Und selbst wenn jemand mehr mit visuellen Bildern, also Filmen oder Serien, anfangen kann, kommt man mit Büchern im weiteren Sinn in Kontakt: Ohne gute Drehbücher keine Blockbuster, keine Serien, die man atemlos verfolgt, weder Weltuntergangsszenarien noch „Herzkino“.
Funfact: Wer so gar nichts mit allem anfangen kann, für den ist der parallel stattfindende Welttag des Bieres vielleicht eine Alternative?

Grund genug also, Bücher zu feiern. In Deutschland tut das vor allem die Stiftung Lesen, die mit wirtschaftlicher Unterstützung mehrerer Partnerunternehmen (steht alles auf der Website) jedes Jahr eine große Buchschenkaktion für Kinder auf die Beine stellt.
Zahlreiche Buchhändlerinnen und Buchhändler sorgen gemeinsam mit engagierten LehrerInnen dafür, dass Kinder Buchhandlungen entdecken.

Wem schenkst du heute eine Geschichte?

Earth Day 2024

Unter dem Motto Planet vs. Plastik findet heute der Earth Day 2024 statt.
Das Thema ist zu ernst, um einfach nur zu motzen.

Ich gestehe, dass bei mir auch noch Luft nach oben ist.
Die Frischhaltedosen, die ich eigentlich beim Einkaufen immer dabei haben möchte, um mir Aufschnitt und Käse direkt hineinfüllen zu lassen, stehen immer noch zu häufig in der Küche, statt nach dem Einsatz gereinigt sofort wieder im Einkaufskorb zu landen.
Immerhin ist dieser Korb aber mein täglicher Begleiter. Oft liegt auch noch eine Baumwolltasche drin, falls der Einkauf umfangreicher wird.
Und einen Thermo-Carrybag habe und nutze ich auch, der Milch- und TK-Produkte zuverlässig kühl hält, wenn die Temperaturen draußen höher sind als am vergangenen Wochenende😉.

Quelle: Nature.com

Der Ganges ist nur ein Beispiel, wie vielfältig, aber auch verstörend unser Umgang mit Wasser ist. Der Ganges ist einerseits ein heiliger Fluss, an und in dem religiöse Waschungen und andere Zeremonien stattfinden. Er ist lebenswichtiges Trinkwasserreservoir, dient den Menschen auf seinem Weg zum indischen Ozean als Nahrungsquelle (Fischfang), aber man wäscht auch Wäsche im Uferwasser oder benutzt den Fluss sogar als Abort.
Und es schwimmen Unmengen Müll, vor allem Plastikabfälle, darin. Menschen, die sich rituell reinigen wollen oder auf dem Fluss Lichter und Blüten als Opfergaben schwimmen lassen wollen, kämpfen sich durch Plastikflächen, um ans offene Wasser zu gelangen.

Gestern Abend bei Terra X wurde gezeigt, wie selbst an absolut einsamen Stränden (in dem Fall in Gabun) ohne Fremdenverkehr oder Infrastruktur große Mengen an Plastikmüll angeschwemmt werden, die dann von Wildtieren mit Nahrung verwechselt werden.

Fische aus dem Ozean enthalten Mikroplastik. Wir konsumieren sie aber weiterhin relativ unbekümmert und in zu großer Zahl.
In meiner Jugend gab es eine Zeit, zu der in vielen Fischbeständen ein außergewöhnlich starker Nematodenbefall grassierte. Die Verkaufszahlen von Fischprodukten brachen massiv ein, weil alle Welt sich vor Nematoden und ihren schädlichen Folgen ekelte.
Vor Plastik scheinen wir uns weit weniger zu fürchten, vermutlich, weil es sich nicht parasitär verhält oder schmarotzend in unseren Organen niederlässt.
Dabei sind die Auswirkungen von Mikroplastik für unsere Gesundheit noch nicht abschließend erforscht. Stichworte hierbei sind unter anderem hormonelle oder karzinogene Wirksamkeit, also der Einfluss auf menschliche/tierische Reproduktionsfähigkeit oder die Entstehung von Krebsformen.

Ich halte es für utopisch, dass die Menschheit willens und in der Lage ist, ihr Verhalten sofort so umzugestalten, dass auf jegliche Kunststoffprodukte verzichtet werden kann. Denn (nicht nur, aber auch) Kunststoffverpackungen sorgen zum Beispiel für längere Haltbarkeit und Schutz vor Schädlingen und damit weniger Lebensmittelverschwendung. Sie wiegen relativ wenig und erlauben auch Menschen mit eingeschränkter Körperkraft, ihren Einkauf selbst zu erledigen, weil sie ihn transportieren können. Es ist also auch bei diesem Thema weder alles Schatten noch alles Licht.

Aber die Nutzung von Kunststoffen muss überdacht werden.
Einwegplastik gehört geächtet. Bei veganen Textilien wird viel Plastik verwendet, das gern das Label „Ozeanplastik“ nutzt, um nachhaltig zu wirken, allerdings steckt da bis heute oft noch mehr Greenwashing dahinter als echte Innovation.
Neues Plastik aus Erdöl herzustellen ist immer noch billiger als das Recycling von vorhandenen Plastikprodukten, weshalb die Nutzung von Recyclaten nicht so recht in Gang kommt.

Es sind nur ein paar wenige Beispiele, die ich hier nennen kann. Aber man kann jederzeit unzählige weitere finden.
Wir haben fast alle Kinder, Enkel, Nichten, Neffen, Patenkinder…, deren Zukunft uns am Herzen liegt.

Oder doch nicht so sehr, dass es sich für uns „lohnt“, vor dem Konsum mehr nachzudenken und gewisse Bequemlichkeiten zu überwinden?

Information overflow

Ganz so schlimm ist es noch nicht, aber ich merke jetzt schon, dass mich die Recherchen zu meinem Projekt „Montags motze ich“ anders fordern als wenn ich einfach Just for Fun im Internet Informationen zusammensammele.
(Ich heiße ja auch nicht Ken Follett. Der hat rund 20 Mitarbeiter, die für ihn die Recherche übernehmen.)

Digitale Pressesammlung

Ich habe das RND abonniert, ich speichere mir gehörte Podcastfolgen und ihre Faktenchecks mitsamt Material- und Gedankensammlung dazu ab, ich notiere mir, wann ich welche Website abgerufen habe, wenn es um die Themen des Projektes geht.
Schon dieses Vorgehen muss ich sehr bewusst machen, denn es unterscheidet sich vom intuitiven, bienenähnlichen Herumsurfen (hier ein bisschen, dort ein Tröpfchen…).

Ist ganz schön was zusammengekommen im Lauf der Zeit

Dann sind da die digitalen Leseexemplare, die hilfreich sind, da ich in ihnen gezielt nach Stichwörtern suchen kann, auch ohne das ganze Buch zu lesen (meist bleibe ich aber doch dran hängen).

Uff😲

Dazu die gedruckten Quellen, die mir neben den schlauen Gedanken der Verfasser:innen auch weitere Quellen erschließen.

In den nächsten Tagen besteht meine Arbeit also darin, mir einen Überblick zu verschaffen, welche der vielen Quellen ich nutze, auch, um nicht einseitig zu werden. Schließlich habe ich mir den Perspektivwechsel als Anspruch auf die Fahnen geschrieben.
Ich verrate aber vermutlich nicht zu viel, wenn ich staunend (nein, eigentlich nicht wirklich) feststelle, dass meist diejenigen, die positiv gegenüber Veränderungen agieren, die für die stete Weiterentwicklung von Denk- und Lebensmodellen plädieren, auch wesentlich umfangreichere Quellen und Studienergebnisse aufweisen als jene, die sich auf ein „… war schon immer so und kann auch so bleiben …“ berufen.

Wenn ich also hier in den kommenden Wochen eher weniger schreibe und auch weniger andere Beiträge like und kommentiere, dann ist es kein Desinteresse, sondern meine Nase steckt samt dem, was zwischen meinen Ohren klemmt, in irgendwelchen Büchern, Dokumenten oder Websites und hat schlicht keine Kapazität frei.
Oder ich bin auch einfach mal im wirklichen Leben mit irgendwas beschäftigt. Familie, Haushalt, Garten, meine beiden Hauptberufe und etwas Freizeit sollen auch weiterhin nicht zu kurz kommen. Es wird fraglos ein Spagat, aber trotzdem freue ich mich darauf.

Ins Handeln kommen

Fast eine Fortsetzung

Der Beitrag über die Krise hat euch beschäftigt wie mich auch, das konnte ich an den Reaktionen erkennen. Was hilft aber gegen die Resignation?

Genau: Handeln. Sich eine Betätigung suchen, die einem persönlich Sinn gibt. Das kann aktivistisch sein, ein soziales Feld betreffen, konkrete Hilfestellungen in der Nachbarschaft, aber auch ein Hobby.
Sinnvollerweise ein Hobby oder eine Tätigkeit, die sich von dem abhebt, was man normalerweise beruflich tut. Also für Kopfmenschen etwas Handwerkliches (sofern man nicht zwei linke Hände hat) und für Handwerker etwas, das die grauen Zellen beansprucht.

Ein Paar Socken. Ein ungleiches zwar, aber ein Paar.
Gewünscht ungleich übrigens.

Bei mir ist es Gartenarbeit (die mir aber wegen des Rheumas zurzeit sehr schwerfällt), Kochen und Backen, Nähen (in der Pipeline befinden sich gerade neue Küchenpolster aus alten Jeans) oder Stricken.
Letzteres hilft mir erstaunlicherweise im Augenblick, meine Finger einigermaßen beweglich zu halten. Die Verspannung in der Schulter ignoriere ich deswegen großzügig😅.

Und was hilft euch, euer inneres Gleichgewicht zu bewahren oder wiederzufinden?

Ich krieg‘ die Krise?

Vom Montagsmotz inspirierter Mittwochstalk.

Quelle: Duden.de

Wir rennen nicht mehr nur von einer Krise zur anderen, wir leiden auch nicht mehr unter diffusen Multikrisen, nein. Die Krisen haben zum Gegenangriff geblasen und überrennen uns. So fühlt es sich jedenfalls oft an.
„Don’t call us, we call you!“ Danke, auf diesen zweifelhaften Service können wir sehr gut verzichten.

Allerdings habe ich heute (nach zwei Wochen Podcastabstinenz und stattdessen Hörbücher über Jugendliche, die sich in den Träumen anderer herumtreiben) zwei (!) Podcasts gehört, die mich ein wenig zum Nachdenken brachten.
Inzwischen bin ich fast sicher, dass wir mit vielem besser umgehen könnten und es auch würden, wenn wir nicht mit Klischees und Stereotypen überfrachtet würden. Von Social Media Heroes aka Influencern, von Propheten des Untergangs, von Politiktreibenden und auch von seriösen Medien, die ohne schrille Töne leider auch nicht mehr durchdringen.

Ob es ums Gendern oder dessen Verbot geht, ob Stereotype wie rückwärtsgewandte, intolerante arabische Antisemiten genutzt werden, ob Missbrauchsfälle in den Kirchen als der ultimative Grund zum Kirchenaustritt forciert werden, es gibt in der großen Diskussion fast nur Schwarz oder Weiß.
Sogar unser Verkehrsminister, der sich zwei Jahre lang beharrlich weigerte, moderate Anforderungen im Straßenverkehr zum Klimaschutz einzuführen, wollte so gern mit der Keule des Fahrverbots in diese blödsinnige Art der „gesellschaftlichen Debatte“ einstimmen.
Sehr häufig – eigentlich immer – kommen mir diese Diskussionen zu kurz gegriffen vor.

Wer inflationär Apostrophe an alle möglichen Wörter hängt, wem es egal ist, wann „als“ oder „wie“ benutzt wird und andere grammatikalische Gruselkabinettstückchen, dem geht es beim Verteufeln des Sternchens nicht um korrekte, verständliche oder „unverfälschte“ Sprache.
Wer Antisemitismus nur bei Muslimen sucht, der blendet bewusst aus, dass es schon immer und auch aktuell überall, in allen Religionen, sämtlichen Gesellschaften und in jeglicher politischen Richtung auf der Welt Antisemitismus gab und gibt.
Wer die Kirchen auf sexuellen Missbrauch reduziert und sexuellen Missbrauch auf die Kirchen, der will nicht sehen, dass die allermeisten Missbrauchsfälle innerhalb von Familien durch Angehörige stattfinden und dass jede Institution, in der Kinder und Jugendliche betreut werden, eine große Anziehungskraft auf Täter ausübt. Auch Sportvereine, freiwillige Feuerwehren, Pfadfinder, ja sogar Kitas und Schulen.
Und schließlich geht es auch denen, die in allen Maßnahmen zum Schutz unserer Lebensgrundlage nur Gängelei statt Chancen sehen, nicht um sinnvollen Klimaschutz.

Die Liste lässt sich beliebig um Themen erweitern, euch fällt bestimmt etliches ein. Mich macht stutzig, dass alle diese Diskussionen Nebelkerzen oder Ablenkungsmanöver sind. Oder Whataboutismus in Reinkultur: „Schaut erstmal auf die Anderen und überhaupt, haben wir keine anderen Probleme?“ Gar nicht mal immer nur absichtlich und aus bösem Willen, manchmal auch aus Hilflosigkeit oder Überforderung.

Aber wenn man ein gesellschaftliches Problem einer klar definierten Gruppierung zuweisen kann, dann hat der Rest, der nicht zu dieser Gruppe gehört, seine Verantwortung abgewälzt.
Dann muss man sich nicht damit auseinandersetzen, dass es eben nicht so einfach ist, mit den Herausforderungen unserer Zeit klarzukommen.
Oder dass die eigentlichen Probleme genau darin liegen, dass viele Leute einfach nicht mehr bereit sind, sich mit unübersichtlichen Gemengelagen zu beschäftigen.
Dass die Verantwortung für das gelingende gesellschaftliche Miteinander nicht nur bei „denen“ (wahlweise Politiker, Journalisten, Immigranten, Queeren… auf jeden Fall immer bei den anderen), sondern bei jedem einzelnen Menschen liegt.

Ein lesenswerter Beitrag ist hier zu finden. Schon die Analyse, dass der permanente Krisenmodus ebenso wie das klischeehafte Wegschieben nur den falschen Akteuren nutzt, sollte Ansporn genug sein.
Wenn es nicht immer so mühsam wäre. Umso wichtiger, dass sich möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft dafür einsetzen.

Zum Schluss eine gute und trotzdem ratlos machende Frage unserer jüngsten Tochter:
„Heißt Erwachsenwerden nicht, sich selbst besser zu reflektieren? Welchen Sinn sollte das denn sonst haben?“

Meine Podcast-Tipps der Woche (ja ja, linksgrün versifft, aber trotzdem😉):
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-04/lamya-kaddor-politikpodcast-ehrlich-jetzt
https://www.zeit.de/politik/2024-04/gendern-genderverbot-bayern-was-jetzt-livesendung
https://www.zeit.de/politik/2024-04/kriminalitaet-anstieg-straftaten-was-jetzt-livesendung

Happy End und Tiefe Trauer

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es nicht das Ende.

Den Spruch kennen wir vermutlich alle. Und er ist ein richtiges Chamäleon, scheint mir. Manchmal tut es gut, diesen Satz zu hören. Er richtet uns auf und spendet Zuversicht. Manchmal empfinden wir ihn aber auch als Kitsch oder Binsenweisheit. Vielleicht sogar als übergriffig.

Oder wer liebt nicht Bücher oder Filme mit der beruhigenden Aussicht: das war es jetzt an Dramatik. Ab jetzt geht das Leben schön seine geordneten Bahnen und es gibt keinen Zank, keine Trennung, kein Leid, das einfach mal so dazwischengrätscht. Obwohl oder gerade weil wir zu häufig die Erfahrung machen, dass es „in Echt“ nur selten so schön aufgeht.

Aber ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen? Ja, wir wünschen es uns mitunter: Prinz und Prinzessin (wahlweise auch zwei Prinzen oder zwei Prinzessinnen…) reiten gemeinsam auf dem weißen Pferd (oder dem Drahtesel) in den Sonnenuntergang und leben bis ans Ende ihrer Tage in vollendeter Harmonie💖.
Echt jetzt?
Vielleicht will das Traumpaar Kinder haben. Ich wage mal die Prognose: Spätestens beim Zahnen, der Trotzphase und in der Pubertät des Nachwuchses ist Harmonie ein absolutes Wunschkonstrukt. Da sind eher Nerven wie Drahtseile angesagt.
Oder eine der beteiligten Personen bekommt DIE Karrierechance am anderen Ende der Welt, die andere kann sich aber überhaupt nicht vorstellen, den eigenen Landkreis zu verlassen.
Oder was auch immer der Harmonie ins Handwerk pfuscht. Schließlich gibt es auch noch Konstellationen, wo der Begriff „Happy End“ bedeuten kann, dass sich herausstellt: Für ewige Liebe reicht es nicht, aber wir können eine Freundschaft bewahren, die viel wertvoller ist.

Wir wissen das alles, so rein vom Verstand her. Trotzdem tut es gut, sich ab und zu glückselig seufzend den Illusionen hinzugeben, auch wenn sie zerplatzen werden wie Seifenblasen. Ich denke, wir brauchen beides: die Bodenständigkeit und den Pragmatismus einerseits, den Kitsch und die Romantik andererseits.
Den Blick darauf, dass es sich oftmals um Klischees handelt, sollten wir uns jedenfalls nicht vernebeln lassen, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Sonst droht Bruchlandung in der Realität.

Ähnlich, nur in Schwarzweiß statt Regenbogenbunt, verhält es sich bei der Trauer. Auch da haben wir oft Bilder im Kopf, wie sie auszusehen hat.
Obwohl es in sehr vielen Fällen ausgedient hat: die Vorstellung der trauernden Witwe in schwarzer Kleidung zum Beispiel. (Mir ist übrigens auch früher nicht aufgefallen, dass Witwer ein Jahr im schwarzen Anzug verbrachten. Hm. Oder habe ich einfach nicht darauf geachtet?)
Überhaupt, das Trauerjahr.
Fing eine verwitwete Person zu früh wieder an, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wurde sie schief angeguckt, war da etwa schon vor dem Tod etwas im Argen? Das gehörte sich doch nicht.
Trauerte sie (oder er) über das offizielle Trauerjahr hinaus öffentlich wahrnehmbar, wurde ebenfalls gemunkelt. Man solle sich doch nicht so in seiner Trauer vergraben, das Leben gehe schließlich weiter…

Die institutionalisierte Trauer gibt sicher manchem Menschen Halt, kann Unsicherheiten minimieren, eine Art Leitplanke darstellen. Aber im Grunde genommen ist Trauer eine sehr individuelle Sache. Wenn ein frischer Witwer in Gedenken an seine langjährige Ehefrau zwei Monate nach ihrem Tod die Karibikkreuzfahrt macht, auf die beide gemeinsam jahrelang gespart haben, weil er sich ihr dabei nah fühlt, ist das für ihn die richtige Bewältigungsstrategie.
Wenn eine noch recht junge Frau sich auch fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes nicht auf eine neue Beziehung einlassen mag, weil ihr Seelengefährte nach wie vor die wichtigste Rolle für sie spielt, ist es für sie vermutlich keine Verweigerung der Tatsache, dass er nicht wiederkommt.
Im Einzelfall kann ein Todesfall auch dazu führen, dass eine Person aus einer Abhängigkeit oder einer toxischen Beziehung endlich entkommen kann und gar nicht lange trauert, sondern bald erleichtert ist.

Sowohl auf der Sonnenseite des Lebens, im Überschwang der rosaroten Gefühle als auch auf den Tiefpunkten und in den schwärzesten Stunden, gibt es allerdings auch Menschen, die Schwierigkeiten haben, von der Wolke herunter oder aus dem tiefen Tal herauszukommen.
Das herauszufinden, ist knifflig und erfordert Empathie und Menschenkenntnis. Vor allem aktives Zuhören hilft. Oder auch stilles Beobachten. Signalisieren, dass man da ist, wenn es not tut. Diese drei Grundsätze machen eine gute Seelsorge aus. Man sollte jedenfalls nicht mit ungebetenen Warnungen oder Ratschlägen die Mitmenschen verbal erschlagen.

Wir haben eine so breitgefächerte Klaviatur an Gefühlen, an Möglichkeiten der Teilnahme, der geteilten Freude und des miteinander Aushaltens, dass wir uns unnötig klein machen, wenn wir uns nur auf die beiden Pole einlassen.

Diese Überlegungen gehen mir seit Tagen durch den Kopf, weil es im Studium derzeit schwerpunktmäßig um Figuren geht. Wie gestalte ich lebensechte Figuren, die Ecken und Kanten haben, positive und negative Charakterzüge? Die mit allem, was sie ausmacht, nicht zweidimensional bleiben, sondern uns beim Lesen in ihren Bann ziehen oder auch mal abstoßen. Die wir gern kennenlernen würden oder um die wir am liebsten einen großen Bogen machen möchten. Und dazu gehört auch der Umgang mit den ganz großen Gefühlen des Lebens.
Es geht um den Unsympathen, der aber in einem bestimmten Thema ordentliche Ansichten hat und um die beste Freundin, deren Macke uns trotz aller Freundschaft auch mal zum Ausrasten bringen kann.

Es geht um Leute wie dich und mich.
Ich teile meine Überlegungen mit euch, weil ich mir neben mehr Klarheit im Denken auch erhoffe, dass sich in den Kommentaren ein wenig Lebensweisheit ansammelt😊.


Auf den Punkt gebracht

Heute früh aufgewacht mit der Radiomeldung des Angriffs des Irans auf Israel. Diverse Kriege, Krisen und Katastrophen rollen anscheinend ungebremst von mehreren Seiten auf uns zu. Was erreicht wen zuerst?
In der Online-Tageszeitung habe ich eben darüber gelesen, wie viele KommunalpolitikerInnen sich ernsthaft Gedanken über ihren Ausstieg aus der Lokalpolitik machen, weil sie nicht nur für alles verantwortlich gemacht werden, was in „ihren“ Orten schiefläuft, bepöbelt oder persönlich verfolgt werden, sondern weil sich handfeste Drohungen von Sachbeschädigung, Brandstiftung, Vergewaltigung bis zu Mord inzwischen sogar gegen ihre Familien richten.

Den Artikel von puremyself, den ich euch hier mit freundlicher Genehmigung verlinke, habe ich dementsprechend leicht kopfnickend gelesen, denn ich fühle es selbst, dieses ungute Gefühl, dass man nirgends mehr sicher ist. Nicht immer zum Glück, aber ich ertappe mich immer häufiger, dass ich mich eher frage „Wohin wird uns das alles noch führen?“ als zu hoffen, dass die Menschheit noch mal die Kurve kriegt.

Trotzdem bin ich immer noch überzeugt, dass ein Einigeln, Cocooning oder wie immer man es nennen will, nicht hilft, diese Angst und auch die nicht mehr nur abstrakte Gefahr dahinter zu überwinden.

Ja, ich habe mitunter Angst vor dem, was in meinem Land und in der Welt passiert. Aber ich will mich nicht davon überwältigen lassen, ich stehe zu dieser Angst und gleichzeitig will ich ihr mutig entgegengehen.

Meistens jedenfalls. Manchmal bin ich auch einfach nur müde…

Fragen und Antworten

Vielleicht ist es eine müßige Überlegung. Heute früh saß ich allein am Frühstückstisch (Kalle lag drunter, der zählt also nicht) und war also auf meine eigenen Gedanken als Gesellschaft zurückgeworfen.
Wie eine Sternschnuppe tauchte urplötzlich ein Impuls aus dem Nichts auf:

Gibt es eigentlich mehr Fragen oder mehr Antworten?

Einerseits müsste es doch zu jeder Frage eine Antwort geben, oder? So ganz vom logischen Standpunkt her: Actio – Reactio. Wie Yin und Yang. Positiv und Negativ. Nordpol und Südpol. Oben und Unten.

Aber da gibt es Fragen, auf die uns partout keine Antwort einfallen will. Wir zermartern uns den Kopf, aber die Frage behandelt ein Thema, zu dem wir uns außerstande sehen, Stellung zu beziehen. Was gemäß dem Motto: Wenn man nix weiß, einfach mal Klappe halten eigentlich ganz schlau ist.

Es gibt Fragen, die mehrere Antworten haben. Weil es mehr als eine legitime Sichtweise gibt, weil unterschiedliche Erfahrungshorizonte der Antwort zugrunde liegen, weil Menschen nun mal keine homogene Masse sind, sondern Individuen.
Diese Fragen mag ich, denn ihre Antworten regen an oder zwingen auch manches Mal, über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Gleichermaßen zeigen mir diese Fragen aber auch, dass es Leute gibt, die sich genau diesem weiten Blick verweigern. Aus den unterschiedlichsten Gründen, und nicht alle davon haben einen fragwürdigen Hintergrund. Manchmal stecken auch schlechte Erfahrungen dahinter.
Mit Geschichten oder Erfahrungsberichten lohnt es sich oftmals, diesem Verhalten auf den Grund zu gehen.

Und schließlich gibt es die besonders herausfordernde Art von Fragen, deren Beantwortung einen ganzen Blumenstrauß neuer Fragen aufwirft. Oft sind es existenzielle Fragen.
Oder die Fragen von Kindern im Vorschulalter, die ganz unbefangen ihre Umwelt entdecken und zu begreifen versuchen. Kleine Kinder haben überhaupt keine Scheu, durch Fragen ihr „Unwissen“ zuzugeben, sie wollen dazulernen, ihren Horizont erweitern. (Deswegen hat die Buchreihe „Erklärs mir, als wäre ich 5“ von Petra Cnyrim so viel Erfolg, auch und gerade bei Erwachsenen.)

Das ist die Art von Fragen, die zwar nerven können, wenn man die Person ist, von der Antworten erwartet werden, aber gleichzeitig sind es die Fragen, die echtes Interesse bezeugen:
An dem, was außerhalb der eigenen Bubble, der eigenen Erfahrung und des bekannten Umfeldes geschieht. Fragen, die zeigen, dass auch dieser „fremde“ Bereich wert ist, sich damit zu beschäftigen.

Mein Wunsch an diesem Freitag ist es, dass wir nie aufhören zu fragen. Und ebenfalls nie beim Versuch resignieren, nach Antworten zu forschen.

So. Nun lebt damit, was mir für merkwürdige Gedankengänge kommen, wenn Mann und Tochter mich mit dem verständnisvoll unter dem Küchentisch blinzelnden Hund allein lassen. Der hat nämlich keine Gegenargumente, er fragt auch nicht „Warum?“, sondern fordert nur sein eigenes Frühstück ein.

Besser spät als nie

Symbolbild: Pixabay
(Nicht wirklich) erstaunlich: Die meisten Aktentaschenbilder sind mit Männern…

„Guten Tag, Erika. Schön, dass du es einrichten konntest, deine Freistunde zu opfern. Lasse von der Schülerzeitung kennst du ja. Bitte, setz dich doch.“
Einladend weist Frau Hartmann auf den Platz am großen Besprechungstisch, auf dem eine kleine Flasche Wasser und ein Glas stehen.
Ein junger Mann, der bereits am Tisch gesessen hatte, steht auf und begrüßt seine Lateinlehrerin respektvoll. Niemandem aus der Schülerschaft käme es in den Sinn, ihr anders zu begegnen, das ist Erika bewusst und sie weiß es zu schätzen. Denn Erika Bolzig ist streng, aber immer gerecht. Damit hat sie sich den Respekt in langen Jahren ehrlich erworben. Selbst das gemunkelte „Frau General“, das ihr manchmal hinterhergeraunt wird, ist davon geprägt.

Nun setzt Frau Bolzig sich, nachdem sie ihre Chefin und Lasse, den Redakteur der Schülerzeitung, begrüßt hat. Unbehaglich rückt sie Glas und Flasche zurecht, ehe sie sich schließlich etwas eingießt. Sie seufzt.

„Gabriele, ich weiß das zu schätzen, aber ernsthaft, so ein Gewese um meine Pensionierung muss doch nicht sein. Viel wichtiger ist doch, habt ihr einen Nachfolger in Aussicht? Es kann doch nicht angehen, dass die Schüler der Oberstufe ihr Latinum nicht machen können.“

Frau Hartmann lacht: „Aber natürlich ist deine Pensionierung ein einschneidender Punkt. Denn wir hätten ohne dich schon viel früher Probleme beim Lateinunterricht gehabt. Wir feiern auch nicht, dass du gehst, sondern dass du immer da warst, und zwar die letzten 35 Jahre. Bitte nimm uns diese Freude nicht. Aber erst gibst du Lasse jetzt noch ein paar Antworten.“

Der Angesprochene räuspert sich umständlich. Er nimmt seinen Block in die Hand, dreht den Bleistift zwischen den Fingern und sucht einen Anfang.
„Frau Bolzig, Sie wissen ebenso gut wie ich, dass Latein niemals Priorität für mich hatte, es muss halt sein, wenn man bestimmte Fächer studieren möchte. Und ich nehme an, Sie wissen auch, dass wir Sie hinter Ihrem Rücken gern Frau General nennen. Weil Sie immer so ein Muster an Disziplin darstellen … “
Er reibt sich nervös mit einer Hand den Nacken und sucht weitere Worte.
Frau Bolzig schmunzelt leicht und ermuntert ihn: „Ja, Lasse, das weiß ich alles. Auch wenn es vielleicht so wirkt, als ob ich nur aus Leistung und Disziplin bestehe, solltet ihr doch in eurem Jahrgang bereits wissen, dass viele Menschen eine Fassade vor sich hertragen, oder?“
Lasse klappt der Unterkiefer herunter. Er legt seine Schreibsachen an die Seite.

Frau Hartmann hat sich leise zurückgezogen. Das verspricht spannend zu werden. Sie beobachtet still, was sich anbahnt: ein ehrliches Gespräch auf Augenhöhe.

Lasse schaut wieder zu Frau Bolzig, es scheint ihr, als ob er sie mit anderen Augen ansieht als zuvor.
„Und Sie, Frau Bolzig, tragen Sie auch eine Fassade? Wenn hier an der Schule jemand auf uns Schüler überzeugt wirkte, dann waren Sie das immer, das weiß ich aus vielen Gesprächen. Sie betreten morgens die Schule im Stechschritt, Ihre Aktentasche tragen Sie wie die Rekruten der Bundeswehr ihr Sturmgewehr, Sie wirken immer unbestechlich und selbstsicher. Nein, das kann doch nicht alles ein Fake sein!“

Frau Bolzig ist es, die nun eine Weile auf die Tischplatte starrt und mit sich zu kämpfen scheint. Schließlich atmet sie tief durch, richtet sich auf und sagt dann leise, wie zu sich selbst: „Ich wollte immer Lehrerin sein. Schon in der Schule war das mein Ziel, weil wir so viele Lehrer hatten, die noch im dritten Reich ihre Laufbahn begonnen hatten. Die hatten nie wirklich mit dieser üblen Zeit abgeschlossen. Ich wollte anders sein, anders unterrichten. Gerecht sollte es zugehen, nicht opportunistisch. Und mein sehnlichster Wunsch war es, Englisch zu unterrichten. Aber in der Zeit, als ich studierte, zeichnete sich ab, dass sehr viele angehende Lehrer Englisch als Hauptfach wählten, während Latein als verstaubt galt und kaum Zuspruch fand.“

Sie blickt Lasse offen an und fährt fort: „Aber ich ließ mich nicht von meinem Berufswunsch abbringen. Also tat ich, was ich dachte tun zu müssen. Ich schwenkte von Englisch auf Latein über. Es fiel mir unendlich schwer, aber ich arrangierte mich schließlich damit. Meine starre Art, den Lateinunterricht in die Schule zu tragen, ist das Ergebnis eines dauernden Kampfes mit mir selbst. Pflichtbewusstsein nennt man das wohl.“

Frau Hartmann und Lasse blicken sich verblüfft an. Sprachlos.

Frau Bolzig erwacht aus ihrer verkrampften Haltung, schüttelt die Erinnerungen ab und klatscht in die Hände, als ob sie lästige Fliegen vertreiben will. Dann lacht sie unvermittelt laut auf und klopft energisch mit dem Finger auf den Tisch: „Lasse, was du über mich schreibst, bleibt dir überlassen. Aber ich bitte dich, schreib eines dazu: Meinen Wunsch, dass ihr immer auf eure Herzen hört. Wenn ihr etwas wirklich wollt, mit ganzem Herzen und allem, was euch ausmacht, dann schafft ihr das auch. Selbst wenn es Umwege braucht oder Zeit. Ihr seid die Zukunft, also liegt es an euch, sie zu gestalten. Und selbst mit Mitte 60 ist es nicht zu spät. 
Ich werde nach meiner Verabschiedung für drei Monate durch England reisen und dann an der VHS einen Englischkurs für Senioren übernehmen.“

Eine vollkommen fiktive Geschichte. Oder?
Ist es nicht vielmehr so, dass wir häufiger als es uns bewusst ist, geprägt sind von dem, was aus irgendwelchen Gründen nicht möglich war? Dass diese Einschränkungen, die uns auferlegt wurden, von anderen oder sogar uns selbst, unsere Sicht auf viele Bereiche des Lebens beeinflussen? Und wir das dann auch voller Überzeugung an unsere Kinder weitergeben?

Könnte es zum Beispiel sein, dass viele Menschen sich gegen Veränderungen wehren, weil ihnen nie zugetraut wurde, selbst Teil der Veränderung zu sein?
Daran werde ich noch eine Weile nachzudenken haben.

Besser spät als nie!

Ein bisschen dies, ein bisschen das …

… und ein bisschen Irritation, weil der Editor von WP verrückt zu sein scheint. Also, verrückt im Sinne von: mehr nach links gerutscht. Wo ist die Mitte hin, wenn man sie braucht? Eine Frage, die ich mir übrigens in mehreren Zusammenhängen stelle. Aber ich schweife ab.

Der zweite Socken mit der neuen Signature der West Yorkshire Spinners aus dem Woolhouse ist in Arbeit. Weil die Tochter grundsätzlich zwei unterschiedlich bekleidete Füße bevorzugt, dieses Mal in feurigen Farben. Auch schön.

Da der Herr des Hauses immer noch in der dänischen Südsee unterwegs ist, erledigt die Herrin verschiedene Sachen, was so anliegt um diese Jahreszeit. Allerdings in kleinen Dosen, da die Hände zuverlässig, aber lästig nach einer halben Stunde mit der Rosenschere oder beim Krauten anschwellen, fast wie Bärenpranken. Selbst der Ehering geht nicht vom Finger. Nicht, dass ich ihn dauerhaft entfernen wollte (obwohl es sinnvoll sein könnte, ihn an einer Kette um den Hals zu tragen), aber ich hätte mir gern die Hände eingecremt, ohne den Ring mit einem Fettfilm zu versehen. Na ja, ein bisschen Verlust ist immer…

Das Hochbeet habe ich neu befüllt und auch gleich zwei Reihen Spinat und eine Reihe Radieschen gesät. Und eine Knoblauchknolle, die zu keimen begonnen hatte, habe ich in Zehen aufgeteilt und dazwischen gepflanzt. Nun warte ich mal ab, was daraus wächst.

Die Forsythie, die zwar zuverlässig dazu taugt, mir den Zeitpunkt für den Rosenschnitt anzuzeigen, aber ansonsten nur reine Deko ist (kein Bienchen wird dort satt) habe ich heute mal komplett auf den Stock gesetzt. Wenn der Boden darunter und rundherum gelockert ist, werde ich Wildkräuter aussäen, die alles bedecken, blühen und nicht nur schön aussehen, sondern auch Nektar spenden. Aber erstmal müssen meine Finger wieder abschwellen. Tippen geht gerade noch. Eine dicke Fliege sucht hyperaktiv den Ausgang aus dem Büro und nervt.

Gestern habe ich die dreizehnte Einsendeaufgabe abgeschickt und heute bin ich über einen Literaturwettbewerb für Debütanten gestolpert, an dem ich vermutlich teilnehmen werde. Ich habe mir alle Unterlagen ausgedruckt und sogar schon eine Idee zum Thema. Beizeiten mehr dazu, heute nicht.

Gottesdienstplanungsbedingt geht mir das Thema „Leid, der Umgang damit und wie finde ich Hoffnung in der Verzweiflung?“ nicht aus dem Kopf. Das muss aber noch ein paar Tage vor sich hin gären, ehe ich dazu etwas schreiben kann.

Ein ganz normaler Apriltag also. Alles im grünen Bereich.
Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss? Manchmal schon.
Calm down. Wir lesen uns.

Volo … was?

Das war mein erster Gedanke, als ich las, dass die Firma Volocopter in den Genuss von 150 Millionen Euro Fördergeldern aus dem Verkehrsministerium kommen soll. (Gefordert hatten sie übrigens das doppelte!)
Es geht um Flugtaxis, eine Mobilitätsart, die bei mir als erste Assoziation stets den Film Das fünfte Element vor die innere Leinwand befördert.

Weshalb ist dieses Zukunftsthema überhaupt ein Fall für den Montagsmotz?
Ist es nicht eigentlich eine gute Idee?
Kurze Frage, lange Antwort: Es kommt darauf an. Was (oder wer) transportiert werden soll, wo es transportiert werden soll und vor allem: Was man bereit ist, dafür zu investieren. Und eine nicht ganz unwesentliche Fragestellung ist meiner Meinung nach auch, welche Art Unternehmen stützt man mit derart hohen Fördersummen?

Ich fange mal mit der Kapazität an: In ein Flugtaxi passen zwei Personen. Ein Pilot und ein Passagier. Damit ist es schon mal ein Transportmittel, das eher nicht in Metropolen mit hoher Verkehrsdichte zum Einsatz kommen wird, um Personen in größerer Stückzahl von A nach B zu transportieren. Gerade das ist aber ein Problem, das zurzeit durch ÖPNV nicht unbedingt überall ordentlich abgedeckt wird oder durch die Massen der zu befördernden Passagiere den herkömmlichen Bus- und Bahnverkehr nicht ersetzen kann.
Gut einsetzbar sind Flugtaxis eher im Kurierdienst, um zum Beispiel Medikamente oder auch Organe schnell und zuverlässig zu transportieren, ohne die ständige Gefahr, im Stau steckenzubleiben.

Als zweites frage ich mich, warum das Verkehrsministerium oder der zuständige Minister nicht die Fördersumme auf die verschiedenen in Deutschland ansässigen Unternehmen verteilen will, die in dem Sektor arbeiten, damit alle die Möglichkeit haben, sich mit der Qualität ihrer Produkte hervorzutun.
Davon, dass diese Millionen im Augenblick besser angelegt wären, die bereits bestehende Infrastruktur bei Bahn und Straßen instandzusetzen, damit nicht immer mehr Brückenbauwerke gesperrt und lange Umwege (= mehr Emissionen) für Personen und Güter in Kauf genommen werden müssen, gar nicht erst zu reden…

Vor allem aber bitte ich euch, die von mir unten verlinkten Quellen einmal anzusehen. Mir ganz persönlich fehlt einfach der Glaube, dass ein Unternehmen, das seit mehr als 10 Jahren horrende Summen einsammelt und es nicht schafft, damit etwas Belastbares auf die Beine zu stellen, mit den Fördergeldern des Ministeriums nun den Durchbruch schaffen soll.
Engagierte Kleinanleger, die meinten, in etwas Zukunftsträchtiges und Nachhaltiges zu investieren, wurden statt mit einem rentablen Börsengang mit Minizinsen abgespeist, große Investoren streckten hohe Beträge vor, eine vorbörsliche Bewertung als „Unicorn-Status“ hob das Unternehmen in den Börsenhimmel, der dann über dem ganzen Konstrukt einstürzte. (Ich weiß nicht, ob das vertrauenswürdig sein sollte. Einhörner sind hübsch und bunt und fast jeder mag sie – aber sie sind halt nicht real🙄.)

Die Wirtschaftsprüfer von PwC raten jedenfalls dem Ministerium dringend von der Förderung ab, und ich traue ihne zu, die Lage dieser Firma (die zudem nicht durch eine nachhaltige Personalpolitik glänzt) besser einzuschätzen als die Leute im Ministerium.
Es scheint mir, wenn ich mir den Fachterminus der Heute Show ausleihe, eher ein besonders schwerer Fall von Technologieoffenheit zu sein.

Wird das jetzt etwa nach dem Maut-Desaster das nächste Millionengrab dieses Ministeriums?
Wie war doch der Werbespruch der Gelben Seiten: Vielleicht sollte man jemanden fragen, der sich damit auskennt…

Der QR-Code verweist auf eine Petition, die sich gegen die geplante Förderung einsetzt. Wer mag: bitte teilnehmen.
Wie gesagt: ich bin nicht fundamental gegen eine weitere Entwicklung solcher Systeme für bestimmte, sinnvolle Anwendungen. Aber nicht auf diese Weise.

QR-Code scannen für Petitionsseite

Quellen:
https://www.businessinsider.de/gruenderszene/business/trotz-warnungen-volker-wissing-will-flugtaxi-startup-volocopter-mit-150-millionen-euro-foerdern/
https://www.businessinsider.de/gruenderszene/automotive-mobility/volocopter-unicorn-a/
https://www.next-mobility.de/boersengang-abgeblasen-chef-wackelt-volocopter-geraet-in-turbulenzen-a-1084746/?cmp=nl-99&uuid=4516842932c51ffbd52c087c41291010
https://winfuture.de/news,141906.html

Heimatkunde

Ausflug mit Tochter zwecks besserem Kennenlernen der näheren Umgebung. Ich fürchte, sie kennt Neustrelitz, Waren und Heiligenhafen besser als Minden. Denn in der Heimatstadt schlendert sie nicht einfach so herum, sondern geht zielgerichtet ins Wollgeschäft, den Klamottenladen oder auf den BÜZ-Flohmarkt. Während also unser Mann und Vater auf der Ostsee in Richtung Bagenkop unterwegs ist, machen wir einen ausführlichen Spaziergang durch das Mindener Glacis.

Übrigens ohne auch nur ein einziges Foto zu machen. Dafür erzähle ich ihr viel über die ganzen Sportstätten an der Weserpromenade, wo man von Boule über Drachenboot und Minigolf bis zum Schwimmen alles mögliche machen kann. Und über die Pflanzen im Glacis. Sehr viel Aronstab übrigens. Und leider viele abgestorbene Bäume, was man in dieser Jahreszeit gut beobachten kann.
Dann kommen wir nacheinander an altehrwürdigen Gymnasien und der nicht so alten Gesamtschule vorbei, die alle am Glacis liegen. Und biegen schließlich in die Innenstadt ab, um als Mittagsmahlzeit die ersten Eisbecher des Jahres zu verdrücken. Und genau dort, im Außensitzbereich des Eiscafés, entsteht das einzige Foto des Ausfluges:

Unten ist noch eine Ladentür und ein Schaufenster,
beides verrammelt und mit Maklerwerbung nicht sehr ansehnlich…

Denn wir beide schauen beim Eisessen genau auf dieses schmale Haus, gerade mal ein Zimmer breit.
Bei uns beiden rattert unabhängig voneinander das Kopfkino los, was man aus diesem Haus wohl alles machen könnte: Oben drin eine klitzekleine Wohnung, darunter ein Lese- und Handarbeitscafé, eine Stoffgalerie oder ein Atelier, also ein Ort, an dem man sich treffen und gemeinsam kreativ sein kann…

Wieder zuhause angekommen, schaue ich aus reiner Neugier beim Makler, dessen QR-Code auf der Ladentür prangte, auf der Homepage, aber das Gebäude kann ich nicht finden. Vielleicht hat sich ja schon ein Liebhaber gefunden. In den nächsten Monaten sehen wir sicher beide genauer hin, ob sich dort etwas tut, wenn wir durch die Fußgängerzone in Minden gehen😉.

Mit einem Gang durch die Fischerstadt mit ihren verwinkelten Kopfsteinpflastergassen und windschiefen Häuschen, an der alten Stadtmauer und der Weserpromenade entlang beenden wir den Weg rund um die Mindener Innenstadt.

Farbschnitt

Ihr habt bestimmt auch den Hype um Bücher mit Farbschnitt mitbekommen. Inzwischen geht es anscheinend so weit, dass manche Leserinnen eher auf das komplette Buch als auf den Farbschnitt verzichten.
Was ich ziemlich drüber finde, ehrlich gesagt.

Eine Umfrage von Netgalley hat mir netterweise ein paar Kindheitserinnerungen ins Gedächtnis gerufen.

Eine sehr alte (um 1800) Buchpresse, so eine ähnliche gab es in der Buchbinderei

Mein Vater war Buchbinder, und zwar Handwerksbuchbinder.
Als Kind liebte ich die Werkstatt. Sie befand sich im ersten Stockwerk der Firma, man kam nur über eine uralte und ausgetretene Außentreppe aus Holzbohlen dorthin.
Im Erdgeschoss gab es ein Papierlager, das Büro und die Kartonagenverarbeitung, sprich: dort wurden Kataloge und Kalender mit Spiralbindung versehen, alles in Handarbeit mit kleinen Maschinen.

Wenn ich mit meinem Vater oder dem angestellten Buchbinder in die Werkstatt gehen durfte (allein durfte ich nicht die Treppe benutzen), freute ich mich jedes Mal. Der vermischte Duft nach Papier, Pappe, Buchbinderleim und altem Gebäude, dazu das Knarzen des Fußbodens aus groben Holzdielen begleitete mich einige Jahre, bis der Häuserblock (für eine Einkaufspassage) abgerissen wurde und die Buchbinderei in ein Industriegebäude umzog. Ich empfand Ehrfurcht vor den großen Schwungrädern der Schneidemaschinen und dem Hebel der Pappschere, die ich allerdings nie anfassen durfte und liebte die vielen kleinen Gerätschaften.

So eine hatten wir und eine größere auch noch

Diese Maschinen sind so einfach und doch so ausgeklügelt. Und sie funktionieren ohne Strom und WLan😄. Bis heute halte ich sie für sehr faszinierend.

Etliche Anwälte der Umgebung ließen ihre NJW (Neue Juristische Wochenzeitung) jedes Jahr einbinden. Die Schornsteinfeger bekamen „Kehrbücher“ und auch Buchhaltungsjournale wurden damals oft noch sehr schön und individuell eingebunden.

Auch damals war Farbschnitt „in“. Je nach Geschmack und manchmal auch nach offizieller Vorgabe wurden meist die oberen Schnitte einfarbig oder auch in einer Marmorierung gebeizt.
Mein Vater setzte dafür Holzbeize in den benötigten Farben an (die kann man bis heute im Baumarkt kaufen). Ehe die Schnitte gebeizt werden konnten, mussten die Buchblocks ganz fest zusammengepresst werden, damit die Farbe nicht die Seiten selbst färbte.

Diese Presse war schon etwas moderner als das Holzmodell ganz oben😀

In die Presse kam zunächst ein stabiles Buchenholzbrett, dann der Buchblock und schließlich noch ein Brett. Die Bretter mussten immer größer als die Buchblocks sein und dienten der gleichmäßigen Druckverteilung. Erst wenn die Presse ganz fest zugedreht war, konnte die Farbe je nach Muster mit einem Rundpinsel aufgestupft oder mit einem Schwamm (gröbere oder feinere Poren) gleichmäßig verteilt werden. Dann musste der Buchblock in der Presse trocknen. Erst danach konnten die Buchblocks mit den Einbanddecken verbunden werden, denn die sollten ja keine Farbe abbekommen. Aber darüber erzähle ich ein anderes Mal.

Der Farbschnitt heutzutage wird natürlich maschinell aufgebracht. Aber es ist immer noch eine ordentliche Mehrarbeit, denn es können nicht so viele Buchblocks auf einmal bearbeitet werden wie beim herkömmlichen Schnitt.
Es verbraucht zusätzliche Zeit und natürlich Material, auch wenn es „nur“ Farbe ist. Dafür ist die Erstellung/Programmierung der Druckvorlagen aufwendig.
Und ehrlich gesagt, ich kenne niemanden, der sich die Bücher mit dem Schnitt nach vorn ins Regal stellt. Aber ich erinnere mich, wie wir als Jugendliche unsere Lieblingsbücher mit eigenen „Farbschnitten“ versehen haben, mit Buntstiften oder Stabilos😅🖍📚.

Wie steht ihr zu Büchern mit Farbschnitt? Ja, nein, vielleicht…

Die Fotos für diesen Beitrag habe ich bei diversen Portalen gefunden, die alte Handwerksmaschinen anbieten. Sollte sich ein Anbieter nicht einverstanden erklären, bitte einmal kurz im Kommentar melden, dann entferne ich das Bild sofort. Danke.

Abendbrot

Mein persönlicher Neustart der abc.etüden bei Christiane, nachdem ich eine ganze Weile damit beschäftigt war, mein Leben zu reorganisieren.
Wer noch die älteren Windows-Versionen kennt, weiß Bescheid, wie lange es oft dauert, bis die bunten Klötzchen beim lustigen Umherspringen alle ihre neuen Plätze gefunden haben😉.
Da es mit dem Schreiben zunehmend ernsthafter wird, die Ideen zu Texten aus meinem Kopf immer schneller auf Papier, in Dateien und auf den Blog purzeln, das analoge Leben nicht zu kurz kommen soll und dazu noch gesundheitliche Baustellen die Familie auf Trab hielten, fehlte mir Energie, Zeit und Muße.
Die Wörter von puzzleblume boten sich allerdings so charmant an, dass ich keine Mühe hatte, eine Etüde in meine Freischreib-Zeit zu integrieren.

Abendbrot – allein dieses schlichte Wort bedeutet mir so viel.
Es hat einen Klang von Heimat, von Familie, von Geborgenheit. Denn unser Abendbrot war ziemlich einzigartig. Gar nicht mal die Speisen, die waren konventionell: Brot, am liebsten backfrisches Bauernbrot mit knuspriger Kruste. Wir Kinder zankten uns halb im Spaß um den begehrten Knust, das Endstück.
Dazu Butter, dick draufgeschmiert. Von Mama eingelegte Gewürzgurken, die wir dazu aßen, sogar als Wettbewerb. Gewonnen hatte immer, wer die kleinste Gurke aus dem Weckglas fischte, denn die kleinen hatten den intensivsten Geschmack. Im Winterhalbjahr gab es frische Wurst vom Bauern nebenan, der damals noch Hausschlachtung durchführen ließ. Schinken, Leberwurst, aber auch Brühwürste – und Blutwurst, die wir aber stets verschmähten.
Was unser Abendbrot auszeichnete, waren die Gespräche. Zuverlässig jeden Abend unter der Woche fragte Papa nach unseren Erlebnissen in der Schule. Nicht nach den Noten, die sahen die Eltern ja bei jeder Klassenarbeit, die sie unterschrieben, sondern nach unseren Freunden, ob wir uns wohlfühlten oder es mit Lehrern Stress gab.
Wenn wir dieses Thema zu seiner Zufriedenheit durchgesprochen hatten, suchte er jeden Abend eine aktuelle Schlagzeile aus der Zeitung und diskutierte sie mit uns. Er erklärte uns Hintergründe, fragte nach unserer Meinung dazu und forderte uns heraus, uns mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zu beschäftigen.
Erst viel später begriff ich, was er meinte, wenn er uns ein ums andere Mal darauf hinwies, dass wir nie dem ersten Impuls folgen, sondern die aufgeworfenen Fragen und Thesen von verschiedenen Seiten betrachten sollten.
„Und vor allem: fallt nicht auf die dicken roten Schlagzeilen der BILD-Zeitung herein. Diese Art des Journalismus zielt nur auf Verkaufszahlen. Wer dort arbeitet, ist ein heimatloser Geselle. Obwohl die sich so volkstümlich geben!“ Diese Mahnung krönte er stets mit den ironischen Worten:
„Mutter drehte Kind durch den Fleischwolf. BILD sprach als erstes mit dem Klops.“

Obwohl sich die Geschichte autobiographisch anhört, ist sie es nicht wirklich. Inspiriert hat mich unser damaliges Familienleben allerdings schon ein bisschen.
Mein Papa sprach mit mir immer auf Augenhöhe über politische und gesellschaftliche Themen, aber ein „wir Kinder“ gab es bei uns nicht, denn mein Bruder war zu der Zeit, als ich alt genug für diese Gespräche war, bereits selbst verheiratet und Vater.
Unsere Nachbarn schlachteten im Winter tatsächlich in der Futterküche, ihre Wurst lag bei uns öfter auf dem Tisch. Und meine Mama weckte Gurken in Mengen ein, die das halbe Dorf versorgen konnten…

Kleiner Ausflug, große Begeisterung

Werbung – unverlangt und unbezahlt, aber ernsthaft begeistert

Im Beitrag über das Buch Der kleine Strickladen in den Highlands hatte ich es schon erwähnt, in Vlotho gibt es ein 1A-Wollgeschäft: Das Woolhouse.

Gestern war es endlich so weit, mit einer lieben Freundin, unserer jüngsten Tochter und zwei ihrer Freundinnen fuhr ich dort hin. Wir wollten uns umsehen, eventuell ein wenig Wolle einkaufen und vor allem einen Gutschein erwerben. Der ist in den Wirren der Begeisterung leider komplett untergegangen, so dass ich nochmal hinfahren werde😅. Kein großes Opfer…

Das ist nur ein Teil der Ausbeute…

Die Damen sind sehr herzlich, es herrscht eine kreative, äußerst einladende Atmosphäre dort. Und es gibt eine riesige Auswahl an britischer und finnischer Wolle. Für jedes Handarbeitsprojekt ist etwas passendes dabei.
Daniela und ich schwelgten vor allem in Sockenwolle, während die Mädchen sich für diverse Häkelprojekte eindeckten. Und in jedem der Räume (jeder Hersteller hat einen eigenen Raum) gibt es so viele Kleinigkeiten zu entdecken…

Ich habe zwar noch zwei andere Strickprojekte auf den Nadeln (eines davon liegt mir sehr am Herzen, aber ich verzähle mich dauernd bei dem Lace-Muster🙄, dafür muss ich erst wieder den Kopf ein bisschen freier haben), aber ein Spiel Sockennadeln war frei. Und Socken gehen immer, ganz nebenbei, auch ohne viel Zählerei. Also habe ich direkt heute früh beim Zeitunglesen den ersten Socken angeschlagen.

Geht ratzfatz und ist sehr angenehm griffig

Wenn ihr zufällig mal auf der A2 unterwegs seid, es dazu noch Dienstag oder Donnerstag und zwischen 10 und 17 Uhr ist, dann fahrt in Exter ab, macht den kleinen Umweg über die Weserstraße in Vlotho und fahrt in Bad Oeynhausen wieder auf die Autobahn. Wenn ihr in Richtung Westen unterwegs seid, funktioniert das natürlich auch andersrum. Es lohnt sich.

Ostersonntag

Symbolfoto: Pixabay

Nicht das Übliche, oder? Aber auch den Gedanken, die so gar nichts mit bunten Eiern, Tulpen, Schokohasen und begeistert suchenden Kindern zu tun haben, gilt es, Raum zu geben.

Ich sitze im Ostersonntagsgottesdienst. Meine Blickrichtung geht gen Süden, wo dicke und dunkle Wolken den Himmel verhüllen. Es wirkt, als hätte jemand mit einem dicken, weichen Bleistift alles andere übermalt. Aber vor diesem unheilvollen Horizont leuchtet im Pfarrgarten ein Kirschbaum (oder vielleicht ist es auch eine Felsenbirne, das lässt sich durch die milchigen Fenster nicht recht erkennen) in voller Blütenpracht.
Eine Explosion in weiß!
Unwillkürlich beginne ich, über dieses Bild nachzudenken, das sich mir bietet.

Häufig ist es so: es ist nicht alles gut, aber auch nicht alles schlecht.
Vor dem Hintergrund des Bösen und Bedrohlichen passieren lauter kleine schöne Episoden, für sich allein genommen vielleicht so unscheinbar wie eine einzelne Kirschblüte. Aber in ihrer Gesamtheit haben sie eine hoffnungsvolle Wirkung: Sie bringen die Dunkelheit zum Leuchten und verdrängen sie damit in den Hintergrund.
Das Dunkel ist deswegen nicht verschwunden, aber es zieht nicht mehr unsere gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Wir konzentrieren uns vor der Drohkulisse auf die Helligkeit, das Leuchten, den süßen Duft der Kirschblüten, auf die vielen schönen Kleinigkeiten, die uns das Leben schön und lebenswert machen.

Wie zum Beispiel die Geburt eines Kindes mitten im Krieg, ein neues Leben, das den von den Gefahren des Krieges erschöpften Eltern neuen Mut und neue Kraft gibt.
Oder wie eine Vergebung, die nach langen Jahren des Streits eine Beziehung zwischen zwei (oder mehr) Menschen heilt.
Wie eine unverhoffte Perspektive, die sich nach langer Hoffnungslosigkeit auftut und Mut spendet.

Auch das ist Ostern: Der Blick durch den ganzen unübersichtlichen Wust, der unser Leben beschattet, in die reale Möglichkeit einer gelingenden Zukunft.

Sauerkraut im Kopf

(Rein?) fiktionale Schreibübung, könnte aber Realität sein😉

In diesem Augenblick lesen Sie diese Worte.
Ja klar, was sonst? – Butter!
Ich muss unbedingt noch Butter auf den Einkaufszettel schreiben. Ich stehe auf, gehe in die Küche, notiere die Butter.
Gehe zurück ins Büro, setze mich an den Schreibtisch, sehe wieder ins Lernheft. Wo war ich? Ach ja, hier: In diesem Augenblick lesen Sie diese Worte.
Hä? Das hatte ich doch schon, oder? Ich starre den Satz an. „Was sollen mir diese Worte sagen?“ geht mir durch den Kopf, frei nach dem großen ostfriesischen Philosophen Otto Waalkes. Entnervt schließe ich für einen Moment die Augen. Ich atme tief durch, lasse die Schultern kreisen …
Stehe auf, öffne das Fenster, blicke hinaus in den Regen.
Ein schöner Regen, ganz weich, leicht und duftend. Frühjahrsregen halt.

Die Wäsche! Die Wäsche steht noch draußen. Ich spurte los, wuppe den Wäscheständer samt Klamotten ins Haus. Geschafft. Zum Glück war sie noch nicht trocken, das hätte mich dann wirklich geärgert.
Zurück an den Schreibtisch. In diesem Augenblick lesen Sie diese Worte.
Ich seufze. So wird das nichts. Warum habe ich heute solche Mühe … ?

Was war das noch, das Inga mir letzte Woche erzählt hat? Wir trafen uns beim Einkaufen, da war sie gerade vom Hautarzt gekommen. Ein wucherndes Muttermal sah auffällig aus. Nach der Entfernung war eine Probe an die Pathologie geschickt worden. Die Ärmste. Sie hatte noch kleine Kinder und machte sich mehr Sorgen um ihre Familie als um sich selbst.
Hm. Mal googeln. Welche Auswirkungen hat Hautkrebs? Wie sieht die Behandlung aus, wie stehen die Chancen?

Pling! Eine neue Nachricht im Messenger. Von Inga:
„Entwarnung😌🎉! Kein Hautkrebs. Alles gut und danke fürs Zuhören😘“
Ich antworte ihr auf die Schnelle mit einem Herz-Emoji, denn ich muss jetzt endlich mal weiterkommen hier. Wie lautete noch mal die Frage?

Ach ja, genau:
Hatte ich eigentlich schon die Butter auf den Einkaufszettel geschrieben?

Alles aus?

Mutterseelenallein in einer gottverlassenen Gegend unterwegs sein. Wenn man dann noch ein vaterlandsloser Geselle ist, dann ist man von allen guten Geistern verlassen.

Dieses Extrembeispiel unseres Sprachgebrauchs stellt die Diagnose:
Wir wollen alles, nur nicht allein und verlassen sein, selbst wenn es lediglich ein gefühltes Alleinsein ist.

Eli, Eli, lema sabachthani?*
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Nach Matthäus 26,46 sind das die letzten Worte Jesu am Kreuz, ehe er starb.

Wie kann das sein? Er war stets mit seinem himmlischen Vater in Kontakt, noch im Garten Gethsemane betete er „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“*
Er wusste, dass sein Opfer notwendig war. Dass die Trennung der Menschen von Gott mit seinem Tod aufgehoben wird.
Und doch musste auch er dieses einsamste aller einsamen Täler durchschreiten.
Er war wahrer Gott, aber auch wahrer Mensch, nichts, wirklich gar nichts Menschliches war ihm fremd. Selbst Verlassenheit und Schuld nicht, obwohl er selbst frei davon war. Dieses Mysterium fällt uns so schwer zu begreifen, weil es für unseren Verstand zu hoch ist. Wir können es nur für uns als Bekenntnis annehmen, staunend, demütig und dankbar. Oder eben nicht.

Jesu Tod ist nicht das Ende. Im Evangelium des Matthäus heißt es als nächstes, dass im Tempel die Vorhänge zerrissen. Und das waren keine normalen Gardinen, sondern große, schwere Vorhänge aus dickem Stoff, die das Allerheiligste verhüllten. Hinter diesen Vorhang durften nur die Hohepriester, um einen Blick auf das Innerste ihres Glaubens zu werfen. Durch Jesu Tod sollte allen Gläubigen dieser Blick ermöglicht werden. Nichts würde mehr so sein wie vorher. Alle Menschen sollten teilhaben können an der Erkenntnis, an der Gemeinschaft, an der Erlösung.

Am Mittwochabend führte RTL+ die Passion live in Kassel auf. Durch die ganze Stadt wurde sie inszeniert, in modernem Outfit, mit Popmusik, die so genial ausgewählt war, dass sie die Botschaft eindringlich rüberbrachte. Eher nichts für Puristen und Traditionalisten, aber für Menschen, die neugierig, auf dem Weg, auf der Suche sind, eine sehr nachdenklich machende (und Fragen stellende) Interpretation dieser zeitlosen Ereignisse:

https://plus.rtl.de/video-tv/shows/die-passion-847528/2024-3-993740/episode-1-die-passion-936649

Auch wenn es eine Binsenweisheit zu sein scheint: Jedes Ende bedeutet auch einen neuen Anfang. Nach der Trauer des heutigen Tages, die wir uns aber bewusst vor Augen halten, in ihr eine Zeit innehalten und sie aushalten sollten, ist nicht Schluss.
Nach der bitteren Erkenntnis, dass unser bis heute nicht schuldfreies Leben ein solch ultimatives Opfer erfordert hat, dürfen wir weitersehen und weitergehen, in die Osterfreude hinein. Doch das ist eine andere Geschichte** und soll an einem anderen Tag erzählt werden.

*Texte aus der Lutherbibel 2017, diese Texte sind so elementar, dass ich keine moderne Übersetzung gewählt habe.
** „Geschichte“ ist nicht (ab)wertend gemeint. Geschichten sind keine Märchen. Geschichte heißt eben nicht nur Story, sondern auch History.
Und Geschichten sind seit Alters her eine probate Methode, (nicht nur) den nachwachsenden Generationen das Leben zu erklären.

Frühreife Tulpe

Szene aus meinem Garten

„Guck mal, ich blühe jetzt auch. Und ich bin noch viel bunter als du!“

„Du bist noch viel zu klein. Du hast ja nicht mal einen richtigen Stengel. Und überhaupt bist du auch noch gar nicht dran!“

„Aber ich WILL! Jetzt! Sofort!“

YouGov-Umfrage

Vor ein paar Wochen habe ich mich bei YouGov angemeldet. Meinungsforschung finde ich interessant und wollte mal sehen, wonach die Leutchen so fragen. Gestern bekam ich keine neue Umfrage angeboten (die kommen ungefähr einmal pro Woche), sondern Ergebnisse präsentiert.
Und die haben einen großen Unterhaltungswert:

Ich habe dieses Jahr überhaupt nicht gebastelt. Daher: Dank an Pixabay …

Es geht um Ostern, was wohl sonst in dieser Woche. Erstmal war ich erstaunt, dass auch in diesen säkularen Zeiten 63 % der Deutschen Ostern für ein aufrichtiges Fest halten. Spontan fragte ich mich, was das denn sein könnte, ein aufrichtiges Fest.
Die Lösung: ein Fest, das noch eher die Traditionen bedient und nicht so durchkommerzialisiert ist.

Gut, wenn ich die Werbung im TV und anderswo sehe, vermute ich stark, dass zumindest die Süßwarenindustrie Ostern sehr stark ausschlachtet.
Bei einigen Leuten, die durch das Einkaufszentrum mit Spielwarenmarkt ihre Wagen schieben, scheint der Kommerz ebenfalls voll zugeschlagen zu haben. Aber im Großen und Ganzen stimmt es schon, Ostern ist nicht wie Weihnachten das klassische Geschenkfest.
Was vermutlich ein Grund dafür ist, dass 60 % der Befragten Weihnachten bevorzugen. Wobei eigentlich ja Ostern für die Christenheit bedeutsamer ist als Weihnachten.
Gut, okay, Jesus musste erstmal überhaupt geboren werden, um sterben und auferstehen zu können. Aber seine Hauptaufgabe, die Übernahme unseres Versagens und unserer Schuld, war nun mal erst erledigt, als er mit diesem Riesen-Rucksack an menschlichem Schrott auferstand und ihn dann auch noch zu seinem Vater brachte.

Wirklich amüsant wird die Umfrage aber bei den wirklich harten Glaubensfragen:
Nur 24 % der befragten Menschen färben ihre Ostereier selbst. Echt jetzt?
Was machen die denn alle am Karfreitag, wenn sie nicht Färbetabletten in leere Marmeladen- oder Wurstgläser legen, mit Essig beträufeln, kochendes Wasser aufgießen und die sorgfältig im Suppentopf hartgekochten Eier liebevoll in die Farbbäder tunken? Und vielleicht sogar nach dem Färben noch zärtlich mit einer Speckschwarte abreiben, damit sie schön glänzen?
Und vor allem: wie kommen die an bunte Ostereier?
Nun, eine mögliche Antwort gibt es hier, denn wer wüsste besser Bescheid als die Maus, die bewährte Ratgeberin in allen Lebenslagen?

Aber ehrlich gesagt habe ich davon trotz aller technischer Raffinesse nie sehr viel gehalten, denn wer weiß am Ende so genau, wie frisch diese Eier sind? Brrr!

Mein vollstes Verständnis haben dagegen die 30 % antwortenden Personen, die den Schoko-Osterhasen als erstes die Ohren abbeißen. Klar, was denn sonst? Das Hinterteil etwa? Also, ich bitte euch!

Noch (Um-)Fragen?

Anspannung – Entspannung

Aus dem relativ entspannten Modus: Ich habe Urlaub und bewegen kann ich mich auch noch nicht wieder richtig unbeschwert (ganz simples Hinknien zum Beispiel muss ich planen wie eine komplizierte Choreographie und selbst das heißt nicht, dass es gut klappt) bin ich seit gestern in den Strategiefindungsmodus gewechselt.
Der enthält bei mir erfahrungsgemäß folgende Zutaten: jede Menge Listen, wildes Herumsuchen, den Versuch, daraus eine einigermaßen logische Abfolge von Tätigkeiten zu erstellen und viel Kuddelmuddel im Kopf.
Schon den Sonntag hatte ich (da ich ja bereits ahnte, was auf mich zukommen wird, immerhin lebe ich schon mein ganzes Leben mit mir zusammen) mit meditativem Brötchenbacken begonnen.

Nicht scharf, aber zenmäßig meditativ, das Foto😉

Nachdem ich also (um Bewegungsenergie in produktive Bahnen zu lenken) gestern erstens im Nähzimmer mit dem frühjährlichen Entsorgen alter Materialien (was ich 12 Jahre nicht benutzt habe, werde ich wohl im 13. auch nicht beachten) und Wiedererkennen unverwirklichter Ideen (ach ja, daraus wollte ich doch … machen) begonnen hatte, war irgendwann wieder Schluss mit herumlaufen.
Am Schreibtisch ging es ebenso rastlos weiter. Wie schreibe ich ein gutes Exposé? Da muss ich doch schon etwas haben, ach, das ist eher für Romane geeignet, hm …
Also das weltweite Gedächtnis anzapfen. Erstaunlich, wie viele Anbieter:Innen von Schreibworkshops, Autorenschulungen, Marketingstrategien etc. es so gibt. Bei Zweien davon, deren Referenzen mir seriös erschienen, habe ich Newsletter abonniert.

Was mich prompt zu der Frage führte: Was erwarten Menschen eigentlich von Newslettern? Wenn ich zu den Angeboten, vor allem bei Instagram oder auf Threads (ja, da habe ich mich angemeldet, um mit Luther dem Volk aufs Maul zu schauen: teilweise gruselig, aber durchaus manchmal inspirierend), Kommentare lese, dann wundere ich mich immer wieder.
Es scheint nicht wenige Leute zu geben, die einen Newsletter mit passgenauer Anleitung für das eigene Leben lesen möchten, mitsamt Blaupause, wie man alle seine Probleme in Nullkommanix lösen kann. Oder diejenigen, die diesen Anspruch haben, nutzen einfach nur überproportional die Kommentarfunktion, um ihren Frust rauszulassen, dass sie selbst aktiv werden müssen, um ihr Leben auf die Reihe zu kriegen.

Ich sehe Newsletter eher als Flohmärkte des Wissens, als Ideenbörsen, als Märkte der Möglichkeiten. Ich picke mir nach einem uralten Tipp von Paulus (ja, der aus der Bibel, der das Christentum nach Europa gebracht hat, übrigens Zeit seines Lebens schwer fußkrank und trotzdem immer unterwegs) meine persönlichen Rosinen heraus:
Prüfet alles, das Gute aber behaltet.

Ich schaue mir generalstabsmäßig alle Video-Tutorials zu Papyrus Autor an, das ich seit zwei Jahren eher rudimentär nutze. Das Ding ist eine eierlegende Wollmilchsau, ich bin schwer begeistert. Aber alles davon werde ich gar nicht nutzen können. Na ja, besser haben und nicht brauchen als umgekehrt.

Heute brauchte ich allerdings schon am Morgen eine meditative Pause von der gedanklichen Schwerarbeit. Nicht, indem ich einen Newsletter verbal in der Luft zerriss, eine Meinungsäußerung über die Schlechtigkeit der Welt hinausrotzte (obwohl es dazu einiges zu Schreiben gäbe), sondern indem ich Dinkelvollkornseelen backte.

Erstmal die Basisvariante ohne Gestreu oben drauf.

Ich weiß zwar nicht, warum im Schwäbischen diese länglichen, rustikalen Brötchen Seelen heißen, aber ich stelle fest, dass diese Bezeichnung durchaus ihre Berechtigung hat. Das Teigkneten, die Einhaltung der Ruhephasen jenseits jeder Eile, das Zuschauen beim Backen und der Duft, wenn man den Ofen öffnet, das alles rückt die eigene Seele (wieder) zurecht.

Das Rezept ist ganz einfach: aus 500 g Dinkelvollkornmehl der lokalen Mühle, 20 g Frischhefe (ganz profan aus dem Supermarkt oder vom Bäcker um die Ecke, den es bei uns nicht so ganz um die Ecke gibt), 10 g Salz (woher auch immer), 8 g Honig vom Imker des Vertrauens und 350 ml lauwarmem Wasser aus der Leitung knetet man einen lockeren Teig (per Hand oder Maschine ist egal, wie es sich gut anfühlt). Den lässt man zugedeckt an einem warmen Ort (unter der Bettdecke zum Beispiel) eine Dreiviertelstunde gehen.
Den Teig auf ein bemehltes Backbrett (Küchentisch tut’s auch) geben, rundum jeweils einmal zur Mitte falten, dazwischen immer wieder ein wenig dehnen. Acht längliche Brötchen formen und auf ein Backblech legen (mit Backpapier oder gefettet). Noch einmal eine Viertelstunde abgedeckt gehen lassen. Meine Version heute: mit Dinkelmehl bestäuben (oder nach dem Formen direkt in Mehl wälzen), schräg einschneiden und ab in den auf 220 Grad Umluft VORGEHEIZTEN (ist bei Brötchen wichtig!) Backofen. Ich heize auf der untersten Schiene die Fettpfanne mit auf und gieße 250 ml Wasser hinein, nachdem die Brötchen im Ofen sind. Nach 10 Minuten wird die Temperatur auf 200 Grad reduziert und dann noch 20 Minuten gebacken. Bei den fertigen Brötchen klopfe ich einmal höflich an. Wenn sie sich hohl anhören, sind sie gar.
Die Rohlinge kann man aber auch mit Wasser bestreichen und dann mit Salz, Saaten nach Wahl (Sesam, Mohn, Kümmel oder Kürbiskerne) oder Reibekäse bestreuen.

Natürlich kann man sie aber auch backen, wenn es nichts zurechtzurücken gibt. Hat bestimmt auch präventive Wirkung😉.

Neues vom Montagsmotz

Na, die Bildqualität wird auch nicht wirklich besser, je öfter ich das Motiv bearbeite. Sei’s drum, die Botschaft ist wichtig, nicht das Symbol.

Es ist nicht so, dass ich nichts zu motzen hätte am heutigen Montag. Im Gegenteil, die Tageszeitung vom Samstag hat mir einen Mega-Motz frei Haus geliefert. Aber da es ein Thema ist, das wirklich jeden von uns angeht und um das niemand einen Bogen machen kann, möchte ich auch entsprechend sorgfältig recherchieren und schreiben.

Zukünftig wird die sorgfältige Recherche sowieso einen größeren Platz einnehmen, denn ich werde das letzte Jahr seit dem offiziellen Motzstart noch einmal aufarbeiten und auch durch zusätzliche Informationen bereichern. Allerdings nicht hier auf dem Blog. Denn, Überraschung:

Am Samstag bekam ich außer dem Thema, dem ich für den nächsten Motz nachgehen will, auch meine letzte Einsendeaufgabe des ersten Studienjahres zurück😊. Ich hatte ganz am Rand in diesem Beitrag erwähnt, welches Thema ich für die ESA bearbeitet habe. Ich glaube, im abgelaufenen Studienjahr habe ich noch nie so mit fast angehaltenem Atem auf die Antwort gewartet…

Liebe Frau Scharf,
haben Sie herzlichen Dank für die Zusendung Ihrer Einsendeaufgabe GRKU12, dem Konzept zu einem erzählenden Sachbuch, die ich mit viel Interesse gelesen habe. [ … ]
Während der BELL-Stufe werden Sie nicht mehr nur kürzere Geschichten schreiben, sondern vor allem mit dem Schreiben längerer Textformen (Roman, längere Erzählung) vertraut gemacht. Ich kann Ihnen nur empfehlen, an dieser Idee während der BELL-Stufe weiter zu schreiben.
Sie dürfen nach der GRKU12 Arbeit den Lektoratsdienst der Schule des Schreibens nutzen und Ihre Texte und Projekte dort prüfen lassen. Bitte fügen Sie für jedes Projekt, das Sie prüfen lassen möchten, ein Exposee bei.
[ … ]
Die Recherche ist der wichtigste Punkt, wenn man als Autor/in über Themen schreiben möchte. Je weiter etwas zurückliegt (bzw. je komplexer das Thema ist), desto intensiver muss recherchiert werden. [ … ] Auf die Recherche kommt es in der Regel immer an.
Die Leseprobe spricht wichtige Aspekte des Themas an, z.B. den Umstand, dass für Kinder und Jugendliche wenig Geld ausgegeben wird.

Ja, diese Sachbuch-Idee können Sie auf jeden Fall während der BELL-Stufe weiterschreiben.

Aus der Bewertung der Einsendeaufgabe (ESA)


Um mir künftig viel Nacharbeit zu sparen, werde ich also von vornherein alle Quellen und Infos verzeichnisgerecht abspeichern, wenn ich meinem Unmut freien Lauf lasse.
Und neben dem laufenden Studium und allem, was sonst noch so zu einem (Familien-)leben gehört, ein Exposé erstellen, die Quellen seit Januar 2023 nachschauen und die Texte insgesamt ein wenig glätten. Die Beiträge selbst habe ich schon in die Papyrus-Schreibsoftware übertragen, da wird mir viel Sortierarbeit, eine Stilanalyse und die Wörterzählerei schon vom Programm abgenommen.
Und dann ab damit ans Lektorat. Ich freue mich und bin ein ganz winziges bisschen aufgeregt🤭.

(Und dann sind da ja auch noch die anderen Ideen für Manuskripte, die in meinem Kopf wie in einem großen Gärtopf vor sich hin reifen…)

Frühling

Am Mittwochabend schrieb ich in eines meiner vielen Notizbücher:

Frühlingsanfang. Sonne, Wärme, alles, was dazugehört. Schon früh am Morgen zwitscherten die Vögel, die auch bereits mit dem Nestbau beschäftigt sind. Und mit anderen Aktivitäten…
Insgesamt herrschte den ganzen Tag über eine fröhliche und verheißungsvolle Atmosphäre. Die ersten Sonnenstrahlen durften die bloßen Arme warmkitzeln, das gesamte Dasein richtete sich optimistisch auf.
Aber so richtig überwältigt war ich, als ich abends in der Dämmerung noch einmal vor die Haustür trat. Die Sicht war bereits sehr eingeschränkt und automatisch die anderen Sinne geschärft.
Der unvergleichliche Duft des Frühlings, leicht feucht, erdig, schwer und voller Aromen, flutete meine Nase regelrecht. Und so stand ich eine Weile ruhig unter dem samtig blauen Abendhimmel und genoss einfach nur diesen ersten Frühlingsabend.

Am Donnerstag startete ich immer noch optimistisch in den Tag. Die Frühnotizen lauten:
Die Vögel stimmen unbeschwert ihr morgendliches, gestaffeltes Konzert an. Das erdige Aroma liegt immer noch in der Luft wie am Abend zuvor.
Zarte, luftige Nebelschleier steigen aus der kühlen Nachtluft empor. Ich atme durch, blicke Richtung Osten, wo die Sonne erwacht.
Erst langsam, dann unaufhaltsam schneller, reckt und streckt sie sich, dehnt ihre Präsenz aus und steigt dann plötzlich wie ein Flummi über den Horizont.
Farben, die kein noch so begabter Maler anmischen kann, wie sorgfältig und phantasievoll er seine Pigmente auch einsetzt.
In meinem Kopf addieren sich die unterschiedlichen Sinneseindrücke zu einer Melodie:

So schön dieser Tag beginnt, ich vergesse nicht, dass es auch andere Tage gibt.
Tage, an denen ich Schwierigkeiten habe, die Schönheit des Lebens um mich herum zu sehen. Tage, die regenschwer herabtropfen und gefühlt schwammig bis unterkühlt vor mir liegen. Die aber auch zum Leben dazugehören, ihre Berechtigung haben und ihren Platz einfordern.

Während ich diese Zeilen am Samstag schreibe, kommt Wind von Westen auf, dunkle Wolken schieben sich über den Himmel, es beginnt zu regnen und es donnert sogar. Aber weil die Sonne und die Wärme bereits viele Pflanzen bezaubert haben, bildet die leicht bedrohliche Stimmung des Wetters einen reizvollen Kontrast zu den erwachenden Farben der Natur.

Sechste Fastenwoche

Fast schon Endspurt, wenn auch mit etwas Verspätung …
Das Motto der vorletzten Fastenwoche lautet Mit den Anvertrauten

Symbolbild: Pixabay

Bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und ihre Schwester, außerdem Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala. Als Jesus nun seine Mutter sah und neben ihr den Jünger, den er sehr lieb hatte, sagte er zu ihr: »Das ist jetzt dein Sohn!« Und zu dem Jünger sagte er: »Sie ist jetzt deine Mutter.« Von da an nahm der Jünger sie zu sich in sein Haus.

Joh. 19,25-27 (HfA)

Ehe er stirbt, regelt Jesus seine Angelegenheiten. Die Szene lässt vermuten, dass sein (irdischer) Vater inzwischen nicht mehr lebt, denn es ist ihm ein Bedürfnis, seine Mutter versorgt zu wissen. Aber auch den Jünger, „den er sehr lieb hatte“, will er nicht allein zurücklassen.
In der damaligen Zeit waren unverbrüchliche Familienbande lebenswichtig. Wer keine Verwandten hatte und allein übrigblieb, dem fehlte Altersvorsorge, Hilfe in Krankheit und Not, gar nicht mal so selten auch das Dach über dem Kopf. Einfach alles, was heute durch Sozialsysteme aufgefangen wird.
Jesus ist dieses bewusst, noch in der größten Folter und Pein ist es ihm ein Bedürfnis, seine Lieben nicht allein zu hinterlassen. Deshalb macht er dieses ungewöhnliche Adoptionsangebot.
Wer sich heute mit seiner eigenen Endlichkeit beschäftigt, kennt Gedanken dieser Art vielleicht. Das Gedankenexperiment, die Sorge: Wenn ich jetzt sterben müsste, was würde aus meinen eventuell noch minderjährigen Kindern? Oder im höheren Alter: Wer kümmert sich um meinen pflegebedürftigen Partner, meine Partnerin?
Diese Gedanken halte ich für nachvollziehbar, denn wir sind es gewohnt, mehr oder weniger die Kontrolle über unser Leben zu haben. Die Perspektive der Sterblichkeit ist dagegen maximaler Kontrollverlust.

Trotzdem möchte ich mich heute nicht in erster Linie mit der menschlichen Sterblichkeit beschäftigen. Ich habe mich beim ersten Lesen des Wochenmottos etwas verguckt und „Mit dem Anvertrauten“ gelesen.
Denn nicht nur Menschen sind uns anvertraut. Uns ist die Mitwelt anvertraut, die Sorge (nicht im Sinn von Sorgen machen, sondern eher als Sorgen für) für unsere Umgebung. Für den Boden, aus dem wir Lebensmittel wachsen lassen oder den wir für die Produktion von Waren, die nicht sättigen, versiegeln. Für die Luft, die wir atmen, aber zu häufig so verpesten, dass wir vom Atmen krank werden. Für das Wasser, das unsere Lebensgrundlage bildet, aber auch in tosender Flut Zerstörung mit sich bringt. Auch für das Feuer, das Wärme und Gemütlichkeit ebenso spendet wie es in rasender Wucht alles vernichtet, was ihm in den Weg gerät. Und doch auch alles wieder für das Wachstum neuen Lebens so wichtig ist.

Viel zu häufig nehmen wir das alles als selbstverständlich hin, als gottgegeben. Wir verbrauchen die Ressourcen, statt sie zu gebrauchen und auf ihre Erhaltung zu achten.
Ein Beispiel nur: Statt die Infrastruktur, die unser öffentliches Leben braucht, zu pflegen und zu erhalten, ersinnen wir lieber neue Projekte, versiegeln neues Land, benutzen neue Rohstoffe. Wir forschen daran, unsere menschliche Lebensdauer zu verlängern, aber nehmen es mehr oder weniger achselzuckend hin, wenn Bauwerke nach 50 Jahren angeblich das Ende ihrer Nutzungszeit erreicht haben. Gut, dass Baumeister früherer Zeiten anders dachten. Wie arm an Erinnerung, an Kultur, an Schönheit, aber auch an Abenteuer wäre unsere Welt ohne Pyramiden, ohne Burgen, ohne Aquädukte, ohne chinesische Mauer und vieles mehr, das bis heute Besucher anzieht, fasziniert und inspiriert?

Mit dieser Frage und hoffentlich Impulsen zum Weiterdenken wünsche ich allerseits ein schönes erstes Frühlingswochenende mit offenen Augen und Ohren für das, was uns anvertraut ist.

In eigener Sache

Leider hat sich einmal mehr aus dem außereuropäischen Ausland ein Troll eingeschlichen. Jetpack sei Dank bisher im Verborgenen.
Trotzdem werde ich für einige Zeit ein wenig restriktiver agieren. Ich scheue keine Diskussionen, aber bei begrenzter Zeit und Kraft möchte ich wenigstens steuern können, mit wem ich diskutiere.

Vom Glück und der Zufriedenheit

Zwei Berichte in der Tageszeitung haben mich heute beschäftigt. Auf den ersten Blick haben sie nicht unbedingt etwas miteinander zu tun, aber bei genauerem Hinsehen ist da mehr Gemeinsamkeit als gedacht.

Grafik: Pixabay

Der erste Artikel, den ich las, hatte die Schlagzeile
Weltglücksbericht: Sieger Finnland, Deutschland rutscht ab
Sieben mal in Folge steht Finnland nun schon ganz oben auf dem imaginären Siegertreppchen des Weltglücksberichtes.
Ein Land, das nicht durch übermäßig viele Autobahnverbindungen und ein breites Netz an Bundesstraßen besticht (stechen tun da höchstens die Mücken). Dafür gibt es jede Menge Saunen (was hier oder in den USA in Firmen Kicker und Obstkorb ist, ist dort die Firmensauna😉) . Ein Land, in dem mit Sicherheit mehr Mückenschutzmittel als pflanzliche Einschlafhilfen verkauft werden, in dem es im Winter nicht ganz hell und im Sommer nicht richtig dunkel wird.
Ich frage mich prompt, wie wir Deutschen das Leben in diesem Land bewerten würden, wenn wir dort dauerhaft leben sollten. Keine achtspurig ausgebauten Fernstraßen, aber dafür jedem Körperteil sein eigenes Folterinsekt. Und durch die Lichtverhältnisse ein permanent verschobener Biorhythmus.
Mir schwant Böses…

Überhaupt, Skandinavien. Warum sind die Leute dort so zufrieden?
Laut Auswertung der Forscher hat viel davon mit sozialer Gerechtigkeit und Unterstützung, auskömmlichem Einkommen, Freiheit und der Abwesenheit von Korruption zu tun. Und mit Vertrauen, das man einander grundsätzlich entgegenbringt – auch den Regierungen. Denen in den skandinavischen Ländern übrigens sehr viele Einwohner ein effektives Funktionieren attestieren.
Oh-ha!?
Abwesenheit von Korruption sieht bei uns ja auch noch ganz gut aus. Bei allen anderen Punkten tun wir uns nicht so musterschülerartig hervor, obwohl das Schlagwort „Freiheit“ von unterschiedlichen Seiten lauthals in die Gegend gekräht wird.

Zwei Dinge erscheinen mir bedenkenswert: Ruhe und Gelassenheit. Einer der Forscher wird so zitiert:
„Jetzt gucken wir uns das erst mal in aller Ruhe an, trinken mal einen Kaffee und essen eine Zimtschnecke. Und dann machen wir einen Beschluss, der von der Mehrheit der Bevölkerung gedeckt ist.“
Am Kabinettstisch (oder sogar im Bundestag?) bitte ab sofort Kaffee und Zimtschnecken für Alle!
Das zweite Rezept besteht im Anspruch, „unglückliche Menschen zufriedener zu machen statt bereits zufriedene noch glücklicher zu bekommen“.
Auch das ist ein wichtiger Faktor, den in Deutschland vor allem Anhänger des Neoliberalismus noch nicht ansatzweise verstanden haben.

Was uns Deutsche aber auch an unserem Glück oder der Zufriedenheit zweifeln lässt, sind ungesunde Einstellungen, die sich in vielen verschiedenen Milieus breitmachen.

Der zweite Artikel in der Zeitung, der darauf hinweist, ist so betitelt:
Bielefelder Umwelthistoriker: „Mehr Wertschätzung für unser Land“
Joachim Radkau, Umwelthistoriker aus Bielefeld, wurde interviewt.
Ich stimme nicht in allem mit seiner Analyse überein, aber er hatte ein paar bedenkenswerte Punkte in seinen Antworten.

Der erste Punkt betrifft die Glorifizierung der „guten alten Zeit“, gemeint ist meist die Wirtschaftswunderzeit. Er bemerkte hier ganz richtig, dass diese Zeit aber auch geprägt war von großen Unsicherheiten in all der Aufbruchstimmung, denn die Furcht, dass der kalte zu einem sehr heißen, einem Atomkrieg eskalieren könnte, war groß.
Außerdem fällt mir dazu ein: wünschen wir uns im Ernst, eine niederschmetternde und im wahrsten Sinn des Wortes zerstörende Erfahrung zu machen, um anpacken und aufbauen zu können?

Der zweite Punkt betrifft die Sichtweise vieler auf dieses unser schönes Land. Mal abgesehen von „Made in Germany“, das immer noch auf die Überlegenheit deutscher Ingenieurskunst setzt (die heute gar nicht mehr so da ist, weil oft ausgebremst [erneuerbare Energien] oder in die falsche Richtung geleitet [Autoindustrie]) wird gerade von der intellektuellen Oberschicht das Land gern in Grund und Boden geredet.
Wenn die Wertschätzung der eigenen Heimat den rechtsaußen agierenden Kräften überlassen wird, muss man sich auch nicht wundern, wenn diese Wertschätzung irgendwann in der Schmuddelecke landet.
Da ist was dran, finde ich. Wir brauchen mehr Augenmerk auf das, was gut läuft als auf die Mängelliste, auch wenn sie etwas länger ist.

Und drittens weist er darauf hin, dass wir schon jungen Menschen vermitteln müssen, kritisch zu hinterfragen, zu forschen und zu diskutieren. Ich füge hinzu: anstelle ihnen klarzumachen, dass sie ohne Schul- und Berufsabschluss und mit fehlender Lebenserfahrung erst mal gar nichts zu melden hätten, ehe sie darüber verfügen.

Ich fordere nicht, jetzt sofort die Glückspille einzuwerfen und dann HalliGalli zu machen wie unsere Tochter just jetzt in ihrer Mottowoche.
Aber weniger meckern und mehr mit offenem Blick das Gelingende wahrnehmen und würdigen sollte drin sein.
Und den Misserfolg nicht immer auf eine ominöse Menge namens

abwälzen…

Ein Jahr Schreibstudium

Fast auf den Tag ein Jahr, nachdem ich mich entschlossen habe, das Studium durchzuziehen, ist ein Meilenstein geschafft. Heute habe ich die letzte Aufgabe des Grundstudiums eingesendet.

Meilenstein von Pixabay

Jetzt warte ich ein paar Tage gespannt darauf, was meine Fernlehrerin davon hält. Von der Lösung der Aufgabe und eventuell überhaupt von der Möglichkeit, meine Montagsmotze in Buchform zu bringen. In mir drin vibriert es, ein wenig Mulmigkeit ist auch dabei.

Vor allem bin ich allerdings überrascht über mich selbst, denn …

Bei der Großen Schule des Schreibens kann man das dritte, das Schwerpunktjahr, auswählen zwischen Kinder- und Jugendliteratur und Sachbuch.
Für mich war sofort klar, dass ich den Sachbuchteil mache, weil ich seit ein paar Jahren gut gemachte und unterhaltsame Sachbücher zu schätzen gelernt habe.
Außerdem habe ich einen Mordsrespekt vor Kinderbüchern.
Ich könnte die Krise kriegen, wenn Herr Habeck zum Beispiel als „nur ein Kinderbuchautor“ betitelt wird. Gerade bei Kinderbüchern gilt es nicht nur, spannende Geschichten zu erzählen, sondern viele Einzelheiten zu beachten. Die Sprache muss dem Alter des Publikums angemessen sein, der Inhalt sowieso, die Sinnschritte müssen für Kinder mit unterschiedlicher Leseerfahrung nachvollziehbar sein, der Inhalt, und sei er noch so phantasievoll, muss eine Logik aufweisen und vieles mehr.

Was für mich aber immer mehr oder weniger „abgebrochene Literatur“ war, das sind Kurzgeschichten. Innerhalb des letzten Jahres habe ich da ungefähr eine 180-Grad-Drehung hingelegt. Seit ich weiß, wie genau und sorgfältig auch Kurzgeschichten erarbeitet werden wollen, wenn sie ihr Publikum faszinieren sollen, habe ich nicht nur Hochachtung vor dieser „kleinen“ Gattung gewonnen, sondern richtig Spaß daran, selbst welche zu schreiben.

Und ich wäre ja nicht Ich, wenn ich nicht schon ein bisschen „gespickt“ hätte, auf die nächsten Arbeitshefte geschaut (und vor allem hinein😁).
So freue ich mich nun darauf, mich die nächsten drei Monate in die Feinheiten der Kurzgeschichte zu vertiefen…

Freiheit III

Der Blogstatistik sei Dank weiß ich, dass ich schon zwei Beiträge mit dem Titel Freiheit veröffentlicht habe. Im Januar 2022 und im Februar 2023. Heute kommt nun der dritte Artikel im März 2024. Alle 13 Monate also.
Und heute auch noch als Motz-Thema.
Obwohl, so richtig heftiges Motzen ist das vermutlich nicht, was ich heute schreiben möchte (wenn nicht gerade irgendwas mit mir durchgeht…). Eher eine kritische Bestandsaufnahme dessen, was weite Teile der Gesellschaft so sehr beschäftigt, ohne aber in irgendeiner Weise klar definiert zu sein.

Ich habe nur nachgeschaut, wann ich schon über die Freiheit geschrieben habe, ohne mir die Inhalte durchzulesen. Und so wird dieser Beitrag auch eine Überraschung für mich, wenn ich im Anschluss alles einmal lese und feststelle, ob und wie sich mein Begriff von Freiheit in den letzten Jahren gewandelt hat. Allerdings wage ich die Prognose, dass sich meine Grundeinstellung nicht wesentlich verändert hat, aber vermutlich mit den Jahren mehr Nuancen dazukommen. Na, mal sehen.

Heute früh in der Freischreibzeit gingen mir folgende Gedanken durch den Kopf:
Freiheit ist zum Schlagwort geworden, teilweise sogar zum Kampfbegriff. Allerdings zu einem sehr schwammigen, hinter dem sich alles und nichts verbergen kann. Es etabliert sich teilweise eine Sichtweise, dass Freiheit aus der Abwesenheit von Regeln besteht, als mehr oder weniger unbegrenzte Möglichkeit, eigene Bedürfnisse über die berechtigten Interessen anderer zu stellen.

Egal, ob es sich bei den Regeln um Gesundheitsschutzmaßnahmen handelt, die primär gesundheitlich angeschlagene Menschen vor Komplikationen schützen sollen oder um Regeln, die Ausbeutung von Natur und Umwelt begrenzen, zum Nutzen zukünftiger Generationen. Um eine gerechte Aufteilung des öffentlichen Raumes für Junge und Alte, Gesunde oder Menschen mit Behinderung, unterschiedliche Vehikel nutzende Verkehrsteilnehmer, Mehrheitsgesellschaft und marginalisierte Gruppen…

Egal, ob es sich um ordnungspolitische Maßnahmen handelt, die eine Höchstgeschwindigkeit auf den Straßen definieren, leistbare Mieten für Familien, Studenten und ärmere Menschen allgemein garantieren, eine Einschränkung von gesundheitschädlicher Werbung (z.B. Zucker, Alkohol, Tabak, in der Hinsicht bin ich gespannt auf die Auswirkungen der irgendwann kommenden Cannabis-Legalisierung…) oder die schlichtweg ganz unterschiedlichen Akteuren eine Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen und ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zwischen verschiedenen Anspruchsgruppierungen schaffen soll.
Ich stelle nicht in Abrede, dass sich jemand, der gern schnell fährt und den Rausch der Geschwindigkeit liebt, gegängelt fühlt. Im Bereich der Werbung frage ich mich aber schon, ob unsere Bedürfnisse nach gewissen Waren oder „Genüssen“ nicht sowieso schon eher künstlich erzeugt waren und es uns viel mehr stört, dass wir bei Werbeeinschränkungen das Gefühl haben, uns wird ein Spiegel vorgehalten, der uns zeigt, wie fremdgesteuert unser Freiheitsbedürfnis teilweise ist?
Hat sich im Ernst jemals jemand wie ein Cowboy gefühlt, wenn er sich eine Zigarette einer bestimmten Marke anzündete? Oder ist irgendeine Frau zu einem verführerischen Vamp im roten Seidenkleid geworden, wenn der Sekt eingeschenkt wurde? Welche Frau möchte eigentlich Bier im Bauchnabel haben, egal wie es prickelt? Und Eltern sind mit ziemlicher Sicherheit nicht auf einmal tiefenentspannt, wenn sie den Kindern die süße Zwischenmahlzeit aus dem Kühlschrank weggegessen haben. Höchstens so lange, bis der Zuckerschub den nächsten Heißhunger verursacht, was übrigens für die Kinder ebenso gilt.

Freiheit wird so zum inflationären, billigen Ramschartikel.

Die vermeintliche Freiheit, für die manche Menschen, Lager oder Fraktionen so vehement votieren, führt aber sehr oft zur Ausgrenzung derer, für die sogar ein kleines bisschen persönliche Freiheit bereits Luxus bedeutet, weil sie gesellschaftlich nicht repräsentiert sind.
Freiheit, die ich mir „gönne“, führt im Gegenzug zur Freiheitseinschränkung anderer, die allerdings häufig so weit weg sind, dass ich sie nicht wahrnehme. Was kümmert es uns in Deutschland, wenn Tuvalu absäuft. Das hat doch mit unserer Art zu leben nichts zu tun…
Leute, die in anderen Zusammenhängen gern verschwörerisch raunen „Alles hat mit allem zu tun, du wirst schon sehen…!“, erkennen hier so gar nichts übergreifendes. Hauptsache, unsere Freiheit wird nicht beschnitten.

Freiheit ohne Grenzen ist gar nichts. Sie ist nur ein leerer Raum, eine menschenfeindliche Wüste. Erst durch Begrenzung bekommt die Freiheit einen Wert. Ohne Grenzen dagegen ist sie eine Selbstverständlichkeit, die man irgendwann nicht mehr zu schätzen weiß. Wenn ich es gewohnt bin, jeden Morgen Kaviar zu frühstücken, dann ist es so normal wie für Andere das Butterbrot. Den Luxus, den ich jeden Tag serviert bekomme, nehme ich dann nicht mehr wahr.

Freiheit ist mehr als die Abwesenheit von Regeln und Begrenzungen. Freiheit bedeutet auch nicht: Ich nehme mir, was ich will. Den fünften Wohnsitz, das neueste fette Auto, die Luxusyacht mitsamt Besatzung, den wöchentlichen Shopping-Trip per Learjet in die Metropolen der Welt.

Menschen in der Ukraine (aber auch in Russland, wie das „Wahl“-Wochenende deutlich gemacht hat), im Iran, in Syrien und in vielen anderen Regionen der Erde können bestätigen, dass Freiheit ein kostbares Gut ist, für das mehr getan werden muss, als wohlfeile Reden zu schwingen und durchklingen zu lassen, was man angeblich alles nicht mehr sagen darf.

Freiheit ist – wie Frieden – mehr als die Abwesenheit von Krieg, das sehen wir sehr eindrücklich im Nahen Osten. Große Teile der Bevölkerungen Israels und des Gaza-Streifens sehnen sich nach Freiheit und Frieden. Beide sind aber auch Geiseln der unheilvollen Geschichte ihrer Heimat. Sowie auch Geiseln uneinsichtiger Machtbewahrer auf beiden Seiten der Grenze/Front. Dieser Konflikt, der sehr lange mehr oder weniger vor sich hin schwelte und seit dem letzten Oktober so vernichtend zutage getreten ist, zeigt jenseits von Ursachenforschung und Schuldfragen, wie tödlich das störrische Verharren auf dem jeweils eigenen Freiheitsbegriff werden kann.

Am Ende dieses Beitrages komme ich zu dem Schluss, dass Freiheit nicht zum Kampfbegriff taugt, aber trotzdem immer wieder erkämpft werden muss.
Nicht mit Waffen, sondern mit genauem Hinsehen, sorgfältigem Abwägen, empathischen Handeln. Und manchmal auch mit dem bewussten Zurücktreten von dem, was wir gern als unser Anrecht ansehen, als etwas uns Zustehendes, koste es, was es wolle.

Ich bin jetzt schon gespannt, ob ich mich im April 2025 auch wieder auf das Thema einlassen werde. Ob wir der Freiheit näher kommen werden und wenn ja, welcher Art von Freiheit. Oder ob es ganz anders kommt…

Und ich habe mich entschlossen, die Montagsmotz-Serie für das Buchprojekt der Aufgabe Grundkurs 12 des Studiums zu benutzen. Mal gucken, wohin mich das führt.

Fremd

Das heutige Kalenderblatt des Fastenkalenders stellte mir die Frage
Wo beginnt für mich die weite Welt?

Während ich also Kaffee kochte, dachte ich über diese Frage nach. Mit der ersten Tasse, die ich morgens stets allein in Ruhe trinke, setzte ich mich zur zehn-Minuten-Freischreibzeit. Das Wort Fremd kam mir in den Sinn.

Fremd sind wir alle – in den allermeisten Gegenden der Erde. Nämlich überall dort, wo wir nicht zu Hause sind. Wenn wir auf Reisen sind und ein Lieblingsziel haben, wo es uns immer wieder hinzieht, lernen wir es immer besser kennen und nach einer Weile ist es wie „nach Hause kommen“, wenn wir im Urlaubsort ankommen.

Quelle: ebay

Fremdenzimmer. So nannte meine Mutter früher unser Gästezimmer, das stets bezugsbereit war, weil meine Tanten und Onkel immer mal wieder zu Besuch kamen. Als Kind wunderte ich mich immer über das komische Wort, waren es doch niemals Fremde, die dort übernachteten.
Erst eine ganze Weile später erfuhr ich, dass es etwas damit zu tun hatte, wie Tourismus in den Jahren des Wirtschaftswunders anfangs funktionierte:
In den Orten, in denen Menschen Urlaub machten, räumten die Einheimischen im Sommer ihre Schlafzimmer und zogen in den Keller oder den Schuppen. Die Schlafzimmer wurden als Fremdenzimmer vermietet.

Fremd ist also das Gegenteil von bekannt. So weit, so sachlich. Fremd ist aber auch immer eine Art von Klassifizierung: anders, exotisch, nicht zugehörig zu … was auch immer.
Etwas Fremdes ist also auch meist etwas Trennendes. Und für viele Menschen entweder etwas Verlockendes oder zumindest eine Notwendigkeit, in die Fremde zu ziehen, das Fremde kennenzulernen und mit Glück eine zweite oder neue Heimat zu finden. Im besten Fall durch Integration in die bestehende Gesellschaft, wenn es nicht ganz so gut läuft, durch Badetücher auf Strandliegen, im schlimmsten Fall durch brutale Eroberung.

Es zieht uns unwiderstehlich in die Fremde (aus irgendeinem unerfindlichen Grund fällt mir ein Lied ein, das meine Mutter früher öfter sang: „Hinaus in die Ferne, mit Butterbrot und Speck, das ess‘ ich ja so gerne, das nimmt mir keiner weg. Und wer das tut, der kriegt eins auf die Schnut‘, einen auf die Nase, dass sie blut‘!“ Ich weiß bis heute nicht, ob das ein echtes Lied war oder ob sie es erfunden hat🤔).
Als Abenteuer, Freizeitbeschäftigung oder als Kick. Einmal im Leben wie Kolumbus, Cook oder Humboldt fühlen.
Mitunter ist es auch einfach die Sehnsucht nach einem gelingenden Leben, ohne Diskriminierung oder gar Verfolgung durch autoritäre Regimes, ohne Hunger und Not oder um in seinem Leben eine Perspektive für die Zukunft zu finden.

Aber wehe, das Fremde kommt zu uns, möchte an unserem Leben teilhaben, sich hier wohlfühlen. Dann wird das Fremde allzu leicht bedrohlich. Es scheint uns etwas abspenstig zu machen, unsere Heimat zu verkleinern oder unsere Ansprüche zu beschneiden.
Was wir oft relativ gedankenlos und selbstverständlich in Ordnung finden, wenn wir es in der Fremde tun, sehen wir als No-Go in unserer Umgebung. Können die Fremden denn nicht woanders fremd sein?

Könnten wir das auch ganz anders sehen? (Um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen: Die meisten von uns tun das bereits.)
Fremde sind Freunde, die man noch nicht kennengelernt hat.

Die Schreinerei von Kirkby

Ein Roman aus der Reihe Highland Happiness

Was macht frau, wenn ihr wichtigstes Körperteil auf einmal ihre „vier Buchstaben“ sind und sie auf das mehr oder weniger stille Herumsitzen zurückgeworfen wird? Richtig, sie freut sich einen Wolf, dass eines ihrer liebsten literarischen Ausflugsziele einen neuen Titel bei Netgalley zur Verfügung stellt.
Zumindest das passte wie Faust aufs Auge und so konnte ich die ersten Tage der erzwungenen Ruhepause wenigstens im Kopf eine kleine Reise in mein schottisches Herzensdorf Kirkby unternehmen. Ich glaube, ich erwähnte bereits, dass ich dorthin sofort eine Auswanderung in Erwägung ziehen würde, oder?

Was soll ich sagen, mit jedem Buch fühlt es sich ein bisschen mehr nach einem zweiten (oder eher dritten, da ist schließlich auch noch Heiligenhafen) Zuhause an. Zusehends füllt sich das Dorf mit den Geschichten der Bewohner. Mit jedem Buch kommt mal jemand dazu oder ist auf der Durchreise, eine Person (oder auch zwei) aus vorhergehenden Bänden rückt in den Mittelpunkt, während die Protagonisten der älteren Bände eine immer lebendigere und buntere Kulisse bilden. Dabei bleibt der dörfliche Charakter trotz der vielen Innovationen und Projekte, für deren Verwirklichung Bürgermeister Collum ungeahnte Energien aufbringt, immer gewahrt.

Ja, es ist definitiv Eskapismus, der mich so gern in Kirkby verweilen lässt. Es ist auch die tiefe Sehnsucht nach Problemen, die (durch das Zusammenwirken von verschiedenen Personen, die zwar sehr unterschiedlich ticken, aber das beste für ihr Dorf wollen,) gelöst werden. Stichwort Selbstwirksamkeit. Mal kreativ, mal pragmatisch, aber eben gelöst:
Es gibt Drama, es gibt Streit, es gibt Missverständnisse, aber am Ende entscheiden sich die Leute aktiv für das konstruktive Miteinander. Und allein für das Gefühl, das sich beim Lesen einstellt: Siehst du, geht doch! lohnt sich jede Reise nach Schottland. Finde ich zumindest.

Im vorliegenden Buch geht es um Susan, die eine gefeierte Profi-Fußballerin war, aber durch einen Unfall (?) ihre Karriere an den Nagel hängen musste. Sie lebt in Kirkby und ist befreundet mit Davie, der als begnadeter Schreiner alles baut, was sich irgendjemand im Dorf nur wünschen kann. Und wer weiß, vielleicht steckt ja noch mehr in ihm?
Beide haben ihre Päckchen aus der Vergangenheit zu tragen, Päckchen, die beim Lesen einen Schauder über den Rücken rieseln lassen, und zwar keinen angenehmen. Aber auf ihre Freundschaft können sie sich verlassen.
Oder etwa doch nicht?

Und dann sind da natürlich noch die heimlichen Hauptfiguren: 29 süße Welpen, drei liebevolle Hundemamas, ein stolzer Hundepapa – und ein adoptiertes Schweinchen🥰.

Mehr möchte ich nicht verraten. Nur so viel: wenn ihr euch auf das Abenteuer Kirkby einlasst, dann erwartet euch eine warmherzige Dorfbevölkerung, die den Spagat zwischen Tradition und Aufbruch wagt, die zwischen Klatsch, Tratsch und gegenseitiger Unterstützung vieles auf die Beine stellt und die sich sicher manche von uns ganz dringend so oder ähnlich in der Realität des Jahres 2024 wünschen. Geschrieben von einer sehr humorvollen Autorin, es lohnt sich auch, ihre Internetpräsenz, die Autorinnen-WG, zu besuchen.

Liebe Carin, falls du dieses hier liest: Pass bitte gut auf Collum auf. Ich fürchte, der Gute wird irgendwann in einen Burnout steuern, wenn er in dem Tempo das Dorf weiterentwickelt😉.

Lese-Ecke mit überbehütendem Hütehund😊

Bibliographische Angaben: Charlotte McGregor, Highland Happiness – Die Schreinerei von Kirkby, Talos Verlag, ISBN 978-3-910843-01-1, € 14,99
Erscheinungsdatum: Montag, 18. März 2024
Wenn du heute Vormittag deinen bevorzugten Buchdealer (vor Ort natürlich) anrufst, kannst du es druckfrisch abholen.

Intervallgärtnern

Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt…

Während andere versuchen, ihre Ernährungsprobleme mit Intervallfasten zu bewältigen, habe ich mich zum Intervallgärtnern entschlossen.
Erstens muss ich immer noch auf das Knie achten, nicht zu stark und nicht zu viel auf einmal belasten. Und zweitens schwellen meine Fingergelenke und der Mittelhandknochen am Zeigefinger spätestens nach einer halben Stunde mit der Rosenschere oder beim Jäten an.

Dann heißt es Pause, was anderes machen. Der Schreibtisch lockt dann wieder, denn Tippen geht, ebenso wie Lesen und Recherchen zusammentragen für ein angedachtes Schreibprojekt, das mich die nächste Zeit beim Studium begleiten soll.

Zwischendurch Spülmaschine ausräumen, Staubsaugen, Toilette putzen, alles immer schön im Wechsel mit etwas Theorie im Büro. So geht es, auch wenn es für Außenstehende vermutlich chaotisch erscheint. Hier mal ein bisschen, da mal ein bisschen. Anscheinend ohne Plan und Struktur, aber für mich persönlich im Augenblick der Weg, bei allem notwendigen Tun weiterzukommen, wenn auch in kleinen Schritten.

Auf die Gartenarbeit bezogen habe ich es heute so formuliert: ungefähr vier Quadratmeter sind gelockert, teilweise neu bepflanzt und gemulcht. Schön, dann fehlen ja nur noch 2.440 Quadratmeter und ich bin durch😁. Zum Glück nicht alles Beete.
Trotzdem werde ich mir für ein paar kraft- und zeitraubende Arbeiten professionelle Hilfe suchen. Den Punkt „Aber die machen das bestimmt nicht so, wie ich es haben will“, kann ich mir nicht mehr leisten. Manchmal muss man Abstriche machen, auch wenn es Überwindung (und Geld) kostet.

Zwischen Baum und Borke

Politische Farbenlehre

Grafik: Pixabay

Obwohl ich politisch sehr interessiert bin, konnte ich mich noch nie durchringen, einer Partei beizutreten. Es gibt Gründe, die mich zur SPD hinziehen, es gibt welche, die für die Grünen sprechen.
Ich kenne CDU-Leute mit (meines Erachtens) sehr vernünftigen und bodenständigen Ansichten und war bisher der Meinung, auch wenn ich die FDP nicht wähle, hat sie ihre Berechtigung (seit einiger Zeit tut deren Erste-Reihe-Personal allerdings alles, um mich vom Gegenteil zu überzeugen).
Einzig zu den Rändern der Parteienlandschaft hat es mich noch nie hingezogen, weil ich weder in der einen noch in der anderen Richtung der Einseitigkeit erkennen kann, wie eine solche Politik Wähler vereinen und Interessenausgleich betreiben kann. Ganz davon abgesehen, dass ich in der menschenverachtenden Ideologie am rechten Rand die größte Gefahr für die Gesellschaft sehe.

Mich zugunsten einer Partei einschränken zu müssen, wie ich im Einzelfall Sachverhalte bewerte und Wahlentscheidungen treffe, hat mich abgehalten. Ich habe vor ein paar Jahren mal zu meinem Mann nur halb im Scherz gesagt, ich sei eine wandelnde ganz große Koalition.
Trotzdem denke ich in der letzten Zeit wieder vermehrt darüber nach, weil ich das Gefühl habe, im wahrsten Sinn des Wortes „Partei ergreifen“ zu müssen für die Werte, die mir wichtig sind.

Das bedeutet ja nicht, an der Tür zur Parteienzugehörigkeit alles auszublenden, was besser laufen könnte in der jeweiligen Partei. Denn auch hinter einem Logo, einer Farbe, versammeln sich ganz unterschiedliche Leute mit verschiedenen Erfahrungen und Biographien, die sie im besten Fall einsetzen, um für die Gesamtheit eine breite Wissensbasis zu schaffen und viele Stimmen zu Wort kommen zu lassen.

Im schlechtesten Fall blockieren sie sich jedoch auch gegenseitig, vergessen das Gesamtbild und die hohe Kunst des Kompromisses (Ja, einen guten Kompromiss zu schließen, ist hohe Kunst!) zugunsten von Teilinteressen oder sogar widerstreitenden Zielen.

Da dieses unproduktive Vorgehen zurzeit nicht nur in Parteien und ihren Flügelkämpfen (unsägliches Wort) stattfindet, sondern sich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – nicht nur in Deutschland – Bahn bricht und zumindest von der Lautstärke her die Oberhand hat, bleibe ich doch noch eine Weile in der Deckung oder beobachte vom Spielfeldrand, wie sich die Lage entwickelt. Das ist zwar sicher nicht die beste Wahl, aber ich muss mit meinen mentalen Kräften haushalten und habe schon genug Themen an der Backe.
So schade und unbefriedigend es ist, im Augenblick weiß ich viel sicherer, was ich nicht will (auf gar keinen Fall!) als alles andere.

Auf der Sachebene gibt es Themen, die bearbeitet werden müssen, eher heute als morgen. Das ist auch den meisten Menschen klar.
Aber auf der Gefühlsebene stehen wir wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Und weil das Gefühl ein viel unmittelbareres Empfinden darstellt (Bauch statt Kopf), bewegen wir uns lieber überhaupt nicht als falsch.
Zuversicht geht anders.
Und ich vermute, ich bin nicht allein mit dieser Einschätzung, wenn ich die Kommentare der Menschen in den Medien sowie in meinem persönlichen Umfeld beobachte…

Ich freue mich über jede Wortmeldung, die hilft, unsere Zuversicht wiederzufinden. Wann, wenn nicht jetzt, kurz vor Ostern, dem Fest, das uns wahlweise bunte Ostereier suchen und finden lässt oder durch den alten Glaubenssatz „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ die ultimative Zuversicht schenkt.

Ostwestfälische Küche

Etwas abgewandelt: Vegetarisch

So sieht „es“ fertig aus

Auch wenn mein Mann meist nur mäßig begeistert ist (der ist ja auch „zugezogen“😉) und unsere Tochter „lange Zähne“ kriegt (Verräterin…), einmal im Winter muss es sein. Das zweite Ostwestfalengericht, das die Region im kalten Halbjahr wärmt.
Wobei mich zunächst interessiert: Wofür haltet ihr das, was auf dem ersten Foto zu sehen ist?

Ich muss allerdings zugeben, dass meine Variante dieses Eintopfes optisch nicht viel mit der Originalversion gemeinsam hat. Es fehlt das Fleisch, je nach Vorliebe wird normalerweise Schweinebauch, Speck, Rauchendchen (als Kind dachte ich immer „…entchen“🦆😂) oder Kotelett verwendet.
Meine Mutter kochte „es“ mit Koteletts, was den Nachteil hatte, dass im fertigen Essen immer kleine Knochensplitter herumschwammen, an denen ich mich gern mal verschluckte. Aber wenigstens war das Essen nicht so fettig wie mit Bauchfleisch.

Ich löse auf:

Es handelt sich um eine schöne, hellgelbe Steckrübe. Und da ich sie vegetarisch zubereite, koche ich sie auch ziemlich anders als von Mama gelernt.

Ich schäle die Rübe und schneide sie in mundgerechte Stifte, die ich in einer Mischung aus Butter und etwas Ahornsirup andünste. Dazu kommen ungefähr ebenso viele Kartoffeln (gern mehligkochend) in Würfeln und zwei bis drei Möhren in dünnen Scheiben. Und ein Esslöffel voll Zwiebelpaste (im Mixer mit Olivenöl und Salz pürierte Zwiebel) sowie etwas Rauchsalz für die Würze. Mit Gemüsebrühe gieße ich alles auf, bis das Gemüse bedeckt ist und lasse es ungefähr 20 Minuten köcheln. Abgeschmeckt wird es mit einer ordentlichen Prise gemahlenem Pfeffer für die gewünschte Wärme.

Mein Mann und ich mögen es gern, den fertigen Eintopf noch mit frischen Zwiebelwürfeln zu bestreuen und wenn ich vorher daran denke, hole ich ihm noch aus Nachbars Hofladen ein paar Pfefferbeißer.

Guten Appetit!

Fünfte Fastenwoche

Mit der weiten Welt

Quelle: Pixabay

Nur eines von 195 anerkannten Ländern als Beispiel:
Peru, in den letzten Monaten durch die Medien gewabert als angebliches Zeichen verfehlter Entwicklungspolitik bzw. Geldverschwendung der deutschen Regierung.

Unser Kopfkino, wenn es um Peru (oder auch die angrenzenden Länder Chile, Ecuador oder Bolivien beispielsweise) geht, ist in weiten Teilen immer noch: Exotik, Panflöten, farbenfrohe Ponchos, Machu Picchu, Nasca, Titicacasee, Lamas und Alpakas. Mit dem Soundtrack von Simon & Garfunkel El Condor pasa.

Quelle: Pixabay


Aber Peru ist so viel mehr. Ein Land mit grandioser Natur in drei unterschiedlichen Zonen: die unwirtliche Küste, die meist ebenso unwirtlichen Anden und eine große Regenwaldregion, die wiederum selbst aus unterschiedlichen Subzonen besteht. Eine große Vielfalt an Pflanzen, Tieren und hier vor allem Vögeln gehört zu diesem Staat, der diese auch als schützenswertes Naturerbe in die Landesverfassung aufgenommen hat!

Umso bemerkenswerter, weil es ein starkes soziales Gefälle gibt, gerade indigene Bewohner des Landes leben überdurchschnittlich häufig unterhalb der Armutsgrenze. Trotzdem ist den meisten Menschen bewusst, dass ihre Natur, ihre Biodiversität und die Ökosystemleistungen unverzichtbar sind für die Kultur, die Zukunftsfähigkeit, aber natürlich auch die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Heimat. Und wiederum im krassen Gegensatz zu dieser Erkenntnis, die wir uns hierzulande oft viel stärker berücksichtigt wünschen, steht der hohe Korruptions- und Misswirtschaftsgrad.
Kurz gesagt: alle Länder dieser Erde haben ihre Baustellen, mehr oder weniger ausgeprägt.

Peru erlangte im Januar hierzulande traurige Berühmtheit, als von verschiedenen Seiten kolportiert wurde, Deutschland habe kein Geld für „unsere Landwirte“, weil „die Ampel“ unter anderem 315 Millionen Euro in Radwegeinfrastruktur in Peru investiere. Diese Zahl ist nicht nur blanker Unsinn, wie man hier nachlesen kann, es handelt sich außerdem auch nicht um Geld, das von der aktuellen Regierung eben mal so rausgehauen wurde, sondern um eine langfristige Zusammenarbeit. Die fragliche Maßnahme wurde übrigens während der letzten Groko 2020 beschlossen.
Darüber hinaus gibt es valide Gründe dafür, dem Land für die Entwicklung einer Fahrradinfrastruktur unter die Arme zu greifen.
Ich greife mal ganz gezielt einen Punkt heraus:

Die Industriestaaten des hochentwickelten Westens haben lange Zeit hervorragend von der Ausbeutung ihrer (ehemaligen) Kolonien gelebt – und tun es noch. Auch wir hier in Deutschland und sogar „unsere Landwirte“ (Stichwort Dünger).
Bodenschätze wie fossile Energien, Edelmetalle, seltene Erden und Minerale, aber auch landwirtschaftliche Produkte wie Fisch, Avocados, Weintrauben oder Mais (gern als Kraftfutter für europäisches Mastvieh). Nicht zu vergessen, dass des Deutschen liebste Feldfrucht und (nicht nur nett gemeinter) Spitzname, die Kartoffel, aus Peru stammt. Oder dass wir sehr viel peruanischen Kaffee trinken. Seit etwa 40 Jahren haben peruanische Landwirte außerdem Spargel im Anbau, weil die Europäer zu ungeduldig sind, auf die recht kurze Spargelsaison in ihren eigenen Ländern zu warten.
Schaut einmal im Januar in die Prospekte eures Lebensmittelhändlers, wie viele Produkte aus Peru in unsere Supermärkte kommen, obwohl wir selbst sie auch anbauen, nur halt nicht im Winter.

Ich halte es für gerecht(fertigt), wenn wir unsererseits dort mithelfen, dass die Verkehrsinfrastruktur in den Ländern, von denen wir wirtschaftlich profitieren, mit der Entwicklung der Länder mithalten kann. Und das auf eine nachhaltige, umweltschonende und inklusive Weise. Inklusiv deswegen, weil sich auch wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen, oft Indigene und/oder Frauen, ein Fahrrad (im Gegensatz zum Auto) leisten können und damit unabhängiger werden. Teilhabe darf kein hohles Schlagwort ohne Füllung bleiben.

Das berühmte Über-den-Tellerrand-schauen hat keineswegs ausgedient. Auch und vielleicht sogar erst recht nicht in einer Zeit, in der wir uns die ganze Welt aufs Smartphone holen.
Just my 2 Cents.

Es geht bergauf

… und weil bergauf noch nicht so schnell funktioniert wie mit zwei gesunden Beinen, hatte ich die Gelegenheit, für ein Viertelstündchen Touristin vor der eigenen Haustür zu spielen.

Infotafel an der Fußgängerbrücke, Weserglacis Minden

Aber der Reihe nach.

Montag Vormittag: Fast zwei Stunden Wartezimmer (gut genutzt mit Lektüre), dann hörte ich die erlösenden Worte: „Keine Indikation für eine OP. Ihr Körper hat schon den Selbstheilungsmodus aktiviert.“ (Letzteres ist ja auch kein Wunder, nach vier Wochen…). Meine Therapie soll aus Spaziergängen bestehen. Radfahren darf ich auch, eBike sei dank, in niedrigen Gängen und mit etwas mehr Motorunterstützung als sonst.

Montag Nachmittag: Kind samt Saxophon von der Schule abgeholt, nach Minden gefahren, weil es ihr an Wolle fehlte. Geparkt auf Kanzlers Weide, ich soll ja spazieren gehen.
Aber mit ihrem Tempo (das normalerweise auch meins ist) komme ich nicht mit, vor allem nicht die Fußgängerbrücke hoch. Also schlage ich ihr vor, dass sie vorgeht, ich weiß ja, wohin. Und wenn sie mit ihrem Wollkauf schneller ist als ich ankomme, treffen wir uns auf ihrem Rückweg.
Also konnte ich bummeln und alle paar Schritte ein Foto machen, das bewahrte mich vor zu viel Belastung.

Wettertechnisch war es eher gedämpft, aber der nahende Frühling ist allerorten zu sehen, wo Schneeglöckchen, Krokusse und auch Narzissen leuchten. Und vor allem ist die Freude über die beginnende Jahreszeit bei den zahlreichen Singvögeln im Glacis deutlich hörbar.

Innenansichten im Weserglacis. Die Hochwasserschäden sind fast komplett beseitigt, denn um den Jahreswechsel stand hier alles unter Wasser. Einige Bäume haben es leider auch nicht überlebt, ihre Wurzeln wurden aus dem Boden ausgespült und sie kippten. Platz für Neues.
Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass ich nicht mehr bis in die Innenstadt gehen musste. Aber wer weiß, wofür es gut ist…

Stromparadox

Dass in Schleswig Holstein zwar der meiste Ökostrom produziert wird, die Strompreise dort aber keinesfalls günstig sind, ist überregional bekannt. Windstrom, der dort ins Netz gelangt, ist in Bayern billiger als am Produktionsstandort. Merkwürdig, sollte man doch meinen, es sei genau umgekehrt.

Aber auch bei uns hier in Ostwestfalen, ebenso in Südwestfalen und dem Münsterland, ist das der Fall. Ich weiß nicht, ob es heute immer noch so ausgeprägt ist, aber unsere rheinländischen Bundeslandsgenossen spotteten immer ein bisschen über das bäuerliche und etwas rückständige Westfalen.
Nun hat die Region Westfalen aber in den letzten Jahren enorme Standortvorteile entwickelt: In ganz Westfalen werden Windräder gebaut, die nicht nur die ansässigen Haushalte und auch die „Hidden Champions“ der Industrie, die in unserem Landstrich angesiedelt sind, mit Strom versorgen. Auch ins Rheinland wird „unsere“ Windenergie per Kabelanbindung geschickt.

Und ebenso wie im Norden ist unser eigener Strom hier teurer als in Bonn, Köln, Düsseldorf oder Aachen…
Das Zauberwort heißt Netzentgelt. Wie erkläre ich das? Ach, ich spare Energie und leihe mir mal die sehr gute Erläuterung des NDR:

Hintergrund sind die aktuellen Regelungen zum Ausbau der Stromversorgung in Deutschland. Egal welche Stromquelle gebaut wird – sei es ein Windrad, eine Photovoltaikanlage oder ein Kraftwerk – müssen die Anschlusskosten von den Menschen in den Gemeinden bezahlt werden, in denen etwa die Windräder stehen. Vereinfacht gesagt geht es dabei um das Kabel, das vom Windrad bis zur nächsten Steckdose führt. Diese Kosten werden regional umgelegt und erscheinen als sogenannte Netzentgelte auf der Rechnung – egal, ob der Strom vor Ort genutzt oder in andere Teile der Republik geschickt wird.

https://www.ndr.de/nachrichten/info/Netzentgelte-sorgen-im-Norden-fuer-hoehere-Stromrechnungen,strompreis200.html

Ehrlich gesagt, halte ich das System nicht nur für ungerecht, sondern auch für wenig schlüssig. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund:
Wenn ich Strom beziehe, was ja so ziemlich jeder von uns irgendwie tun muss, dann entscheide ich mich für einen Lieferanten. Dazu kann ich den Preis als maßgebliches Kriterium heranziehen, ich kann die Regionalität des Versorgers in den Vordergrund stellen (ein Versorger vor Ort zahlt auch hier seine Steuern und stellt Leute aus meiner Gegend ein) oder ich schaue bevorzugt auf den Strommix (Anteile von fossil, atomar oder ökologisch produziertem Strom), den der Versorger einkauft und weiterliefert.

Moooment mal! Wenn ich einen Stromversorger habe, der seinen Strom beispielsweise aus norwegischen Wasserkraftwerken bezieht, wie kann ich denn dann sicher sein, dass auch nur der bei mir ankommt? Wird dieser Strom blau eingefärbt und dann zielgenau auf die Reise zu den Haushalten geschickt, die ihn auch bezahlen? Kommt bei meinen Nachbarn dann auch nur der gelbe Atomstrom an? Bei denen drei Häuser weiter der matschfarbene aus der Biogasanlage und so weiter?
Natürlich funktioniert das so nicht. Die Geheimnisse der Physik mag jemand anderes erklären, aber ganz vereinfacht gesagt gilt der abgedroschene Satz „Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose“ eben doch. Denn alle diese Stromarten werden gemeinsam in ein Netz eingespeist und flutschen an den Häusern und Firmen vorbei, wo sie dann nach Bedarf abgezapft werden.

Und trotz der Physik und der Naturgesetze zahle ich den Strom, den mein Versorger einkauft, nicht den, der mehr oder weniger zufällig gerade in meinem Kabel unterwegs ist.
Sollte man dann nicht einfach das Netzentgelt gleichmäßig auf alle Haushalte in Deutschland, die Strom beziehen, umlegen können? Ich denke, das wäre doch die logische Schlussfolgerung. Denn irgendwo muss jede einzelne Kilowattstunde in die Kabel gelangen.

Ich bin mir relativ sicher, es kommt schneller als ich bis drei zählen kann, ein Einwand, warum das so nicht geht. Ein Gesetz, eine Durchführungsverordnung, ein Gerichtsurteil oder einfach nur eine bürokratische Hürde. Oder sonst ein fadenscheiniger Grund.

Weiß eigentlich irgendjemand, ob der bayerische Wirtschaftsminister immer noch bereit ist, seine Energieuntertanen an den Kosten für norddeutschen Strom zu beteiligen?

Moorhexe – Mittelteil

Wo ich an diesem Wochenende schon thematisch in der Mitte bin… ich schulde euch noch den Mittelteil meiner Geschichte Moorhexe. Und zum Fastenwochenmotto „Mit der Schöpfung“ passt sie auch. Nach längerem Überlegen setze ich auch tatsächlich nur die Mitte, die ich als Einsendeaufgabe geschrieben habe, hier ein. Erstens kennt ihr den Anfang und das Ende bereits, zweitens müsste ich alles gemeinsam noch ein wenig bearbeiten, dazu fehlt mir aber gerade die Ruhe und drittens stehen bei mir Überlegungen für einen Geschichtenband im noch sehr nebulösen Raum. Die müssen sich aber noch konkretisieren.

Hiller Moor, September 2021

Wir sind also wieder mit Frau Schäfer und Hannes an der kleinen Moorkate am Rande des Moores…

Frau Schäfer umrundete das Haus. Hannes folgte ihr durch den Garten, an dessen Ende ein Tor in der dichten Hecke aus Schlehen, Holunder und Wildrosen den Weg freigab.

Neugierig sah er sich um. So sah Moor aus? Ein Fußweg führte durch struppiges Strauchwerk. Nach etwa 100 Metern machten die Sträucher einem Wäldchen Platz. Nichts Sumpfiges weit und breit. Das hatte er sich anders vorgestellt.
Frau Schäfer, die einige Schritte vor ihm ging, drehte sich um. „Das hatten Sie sich sicher anders vorgestellt, oder? Keine Bange, den meisten Stadtmenschen geht es so. Sie haben dramatische Bilder im Kopf, ob durch Annette von Droste-Hülshoff oder die Herr der Ringe-Filme.“

Sie begann in gedämpfter, dramatisch verstellter Stimme zu proklamieren: „O schaurig ist’s, übers Moor zu gehen…Gollum!“

Hannes blieb der Mund offenstehen. Woher wusste sie, was ihm durch den Kopf ging? Hatte sie außer einem offensichtlich schrägen Humor auch übersinnliche Gaben? Ach was. Aberglaube. Hallo! Er war schließlich Theologe!

Er blickte seine Begleiterin an, räusperte sich und meinte unsicher: „Na ja, ehrlich gesagt kenne ich Moore bisher vorwiegend aus den Medien. Ich wüsste nicht, wo es im Ruhrgebiet Moore gibt…“

„Ach, die gibt es ganz bestimmt. Abgetorft und trockengelegt, möglicherweise sogar überbaut. Zumindest am Rand, im südlichen Münsterland, gibt es noch Moore. Allerdings nicht so große Flächen wie hier.“ Sie breitete die Arme aus.

Unvermittelt öffnete sich das Wäldchen und gab die Aussicht auf eine Landschaft frei, die Hannes so noch nie gesehen hatte. Staunend blieb er stehen und Frau Schäfer tat es ihm gleich. Ein paar Minuten nahmen sie still die Eindrücke auf.

Hiller Moor, September 2023

„Auch dieses Moor wurde lange missbraucht. Vor ungefähr 11.000 Jahren begann es sich zu bilden, als ein altes Flussbett der Weser verlandete. Vor ungefähr 100 Jahren begann man mit der Abtorfung und Trockenlegung. Der Torf wurde zunächst als Brennstoff genutzt, später in den Gärten. Auch meine Mutter heizte in meiner Kindheit noch mit Torfbriketts. Und die Bauern brauchten Land für ihr Vieh und für Getreide, damit die Ernährung der nach dem Krieg ausgehungerten Bevölkerung wieder in Gang kam. Beides nachvollziehbare Gründe, aber dieser wunderbare Lebensraum, der so karg aussieht und doch so viele Tiere und Pflanzen beheimatet, die nirgends sonst leben können, der wäre beinahe draufgegangen. So lange Zeit hatte es sich entwickelt, und so schnell zerstörte man es…“

Zur Bestätigung ihrer laut geäußerten Gedanken nickte Frau Schäfer Hannes energisch zu, dann fuhr sie fort: “Auch zu Heilzwecken nutzt man Torf, wussten Sie das? Überall hier in der Gegend gibt es immer noch sogenannte ‚Bauernbäder‘, kleine Anbieter für Kuranwendungen in den Dörfern. Während die Stadtmenschen ihre Zipperlein in mondänen Badeorten kurierten, konnten die Bauern nach Feierabend in diesen Einrichtungen ihre müden Knochen in Holzbottiche mit warmen Moorbädern tauchen.“

„Ah, das erklärt Vieles.“ Hannes ging ein Licht auf. „Ich habe ein Schild im Nachbarort gesehen, konnte mir aber keinen Reim darauf machen.“

Einvernehmlich machten beide die ersten Schritte auf dem federnden Pfad. Der Boden war nachgiebig und doch fest, er duftete leicht nach Holz und auch ein wenig nach Vergänglichkeit. Hannes blickte sich um.
„Aber ist das nicht Heide dort drüben? Ich wusste nicht, dass die auch im Moor wächst.“

Hiller Moor, September 2023

„Gut beobachtet, junger Mann. Die Heidefläche dort hinten ist noch sehr trocken. Es sind Bereiche, die im Rahmen der Wiedervernässung noch nicht erreicht wurden. Die Besenheide stammt noch aus den Zeiten, als dem Moor das Wasser im wahrsten Sinn des Wortes abgegraben wurde. Hier vorne, wo das Wollgras wächst, mit den weißen Puscheln“, Frau Schäfer zeigte Hannes das charakteristische robuste Gras, „sehen Sie auch Wasserflächen, kleine Tümpel und den Moorsee, der von einem Torfstich übrigblieb.“

Während dieses Gespräches gingen sie langsam weiter. Frau Schäfer stoppte dann und wann, um Hannes auf Insekten, einen Moorfrosch und ein paar unscheinbare Pflanzen hinzuweisen.
Nach ein paar Kilometern machten sie eine Pause auf einem der Aussichtstürme und Frau Schäfer teilte die Zwischenmahlzeit aus ihrem Rucksack mit Hannes. Andächtig blickte der auf die Landschaft rundum.

„Mir wird jedes Mal das Herz weit, wenn ich wieder ein Stück der faszinierenden Schöpfung kennenlerne“, flüsterte er. „Es ist alles so gut durchdacht. Eines greift ins Andere. Wie kann man bei einem solchen Anblick an Gott zweifeln?“

„Vielleicht, weil Gott auch die Menschen geschaffen hat, die sich für so unendlich überlegen halten und dabei diese Schöpfung mutwillig zerstören?“ mutmaßte Frau Schäfer. „Aber ich weiß, was Sie meinen. Geht mir auch so, vor allem frühmorgens oder vor dem Sonnenuntergang.“

Am Rande eines kleinen Tümpels neben dem Weg bedeutete Frau Schäfer Hannes, sich auf den Boden zu legen. Sie legte den Finger über den Mund, deutete auf die Vögel, die sich in der Nähe niedergelassen hatten, zückte ihre Kamera und machte konzentriert ein paar Aufnahmen. Zwischendurch raunte sie Hannes zu: „Ganz großes Kino. Das sind Bekassinen, sehr seltene Vögel. Ihr oberster Chef möchte Ihnen heute offensichtlich etwas Besonderes bieten.“

Ehrfürchtig beobachtete Hannes die ulkigen Bodenbrüter mit den langen Schnäbeln. Ein Blick nebenher auf seine Uhr ließ ihn stutzen. Wo waren nur die letzten drei Stunden geblieben?

Mir sind leider noch keine Bekassinen und auch keine Moorfrösche vor die Linse gekommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Einen schönen Sonntag wünsche ich euch. Und hört euch ruhig mal um, wo es in eurer Gegend Moore gibt. Es sind absolut faszinierende Landschaften.

Weitere Geschichten aus dem Moor:
Düsteres Moor
Wanderung am Morgen
Moor am Montag

Rechts, links, geradeaus?

Quelle: Pixabay

Rechtsprechung. Jemand hat das Rechte (= Richtige) getan oder ist ein rechtschaffener Bürger. Eine andere Person wird als „linke Bazille“ bezeichnet, weil man sich auf ihre Zusagen nicht verlassen kann oder sie opportunistisch handelt. Linkisch bedeutet ungeschickt.
Und wenn jemand ungeschminkt seine Gedanken herausposaunt, ist er „geradeheraus“. „Wahlen werden in der Mitte gewonnen.“
Während man denen, die in eine oder andere Richtung tendieren, immer eine zweifelhafte Agenda unterstellt, je nach Perspektive.

Wann bezeichnen wir etwas als rechts oder links? (Historisch geht das Schema auf die französische Revolution zurück und hat tatsächlich noch etwas mit Sitzplätzen – in der Nationalversammlung – zu tun.)
Und warum ist immer diejenige Person, die auf der anderen Seite steht, falsch abgebogen und überhaupt einfach doof?
Warum halten wir die Mitte einerseits für erstrebenswert, aber andererseits für langweilig?

Zurzeit gilt mit einiger Berechtigung die Annahme, dass uns rechtsradikale Kräfte am meisten bedrohen. (Mal von einigen unverbesserlichen Großrednern abgesehen, die in bewährter Manier Feindbilder … ach lassen wir das für den Augenblick.) Der Grund ist offensichtlich, die Parallelen zu einer Zeit vor 100 Jahren sind augenfällig, wenn auch nicht 1:1 vergleichbar.
Nun könnten die Linksterroristen, die lange Zeit untergetaucht waren und mehr oder weniger unter dem Radar der Behörden vor sich hin lebten, die Beine von sich strecken und ihren Lebensabend genießen, weil alle in die andere Richtung blicken. Sollte man meinen.
Allerdings gibt es für Polit-Extremisten, egal welcher Couleur, vermutlich keine Rentenkasse. Das sollte bereits aus den 1950er und 60er Jahren eine Lehre sein, lebten und lehrten doch damals viele Altnazis heimlich, still und manchmal auch gar nicht so leise weiterhin an deutschen (Hoch-)Schulen, sprachen Recht in Gerichten, lebten ihr unauffälliges Familienleben.
Und so ist es vielleicht auch nicht weiter verwunderlich, dass gerade jetzt, wo sich ganz langsam auch erzkonservative Personen der Rechtsaußenproblematik unangenehm bewusst werden, die Seniorengangs der RAF irgendwie wieder an die Oberfläche gespült werden: Guckguck, wir sind auch noch da. Samt denjenigen, die sie heute mit Demos und eigenen militanten Aktionen unterstützen. Und so wird auch die wohlfeile Hufeisentheorie wieder aktuell.

Ich kann beiden Polen der gesellschaftlichen Bandbreite absolut nichts abgewinnen. Wenn jemand, egal aus welcher Richtung, versucht, anderen mit Gewalt seine Sichtweise aufzuzwingen, kann das niemals legitimiert werden.
In jüngeren Jahren habe ich schon mal argumentiert: Besser Gewalt gegen Sachen als gegen Menschen. Allerdings ging es dabei auch eher um Teile der Antifa, denn zu der Zeit des sogenannten Deutschen Herbstes war ich noch zu jung, um auch nur ansatzweise von den Geschehnissen etwas zu begreifen. Heute sage ich eher (über mich): denn sie wusste noch nicht, was sie im Lauf der Jahre erfahren hat.
Heute sage ich: Gewalt geht für mich gar nicht. Gewalt ist immer zerstörerisch. Auch Dinge sind Werte, sie wurden erbaut, es wurden Ressourcen verbraucht, Menschen haben Zeit und Geld für Entwicklung, Bau und Erwerb investiert.

Die Mitte mag langweilig erscheinen. Aber sie ist ein Stabilitätsanker, um sie kreist alles andere, sie sucht den Ausgleich der Interessen und Ansprüche. Sie hört zu und antwortet. Sie diskutiert, statt niederzubrüllen. Sie ist inklusiv. Sie erkennt andere an.
Ähm. Moment. Was schreibe ich denn da? Ist das (noch) die Realität? Oder ist es Wunschdenken, Utopie oder gar ein Märchen?
Ich schätze mal, es ergeht vielen Menschen ähnlich wie mir. Wir bevorzugen die Mitte. Nicht, weil wir entscheidungsscheu sind oder keine eigene Meinung haben. Sondern weil uns die Tugenden der Mitte erstrebenswert und wichtig sind. Weil wir wissen oder zumindest eine starke Ahnung haben, dass nicht wir der Nabel der Welt und die einzigen Anspruchsberechtigten sind. Deswegen tauchen wir auch oft gar nicht sichtbar auf, denn die Mitte ist viel leiser als die Ränder. Das ruhige Auge im Zentrum des Sturms.

Wer genau hinschaut, sieht auf diesem Foto drei Kurse auf den unterschiedlichen Messinstrumenten. Obwohl der Bug nur in eine Richtung ausgerichtet ist.

In der aktuellen unübersichtlichen Gemengelage scheinen aber manche Kompasse nicht mehr richtig zu funktionieren. Sie haben eine Missweisung, werden abgelenkt von störenden Magnetfeldern, verlieren ihre Wegweisungskraft und erscheinen unzuverlässig.

Und was machen wir dann? Wir gehen nicht voran, weder geradeaus noch rechts oder links, sondern wir bleiben stehen. Bevor wir uns falsch bewegen, bewegen wir uns lieber gar nicht und hoffen auf eine Erleuchtung, jemanden mit dem untrüglichen und unausweichlich einzig richtigen Weg. Aber wir wissen eigentlich ja auch alle, dass selbst Google Maps nicht immer die beste Wahl für den richtigen Weg ist.

Keine Rechtfertigung. Nur einer von vielen Erklärungsversuchen.
Immer noch irgendwie ratlos.

Internationaler Frauentag

Alljährlich im März. Für mich selbst habe ich den Tag bisher noch nie als etwas Besonderes angesehen. Vermutlich, weil ich mit meinem Frausein recht selbstverständlich lebe. Denn meistens empfinde ich mich weder als besonders privilegiert noch benachteiligt.
Aber diese Woche bin ich trotzdem darauf aufmerksam geworden, weil erstens in der Lokalpresse ein Artikel erschienen ist und zweitens im Prospekt des örtlichen Edeka-Marktes eine Sonderseite dazu einlädt, dass Männer ihre Frauen verwöhnen. Mit Rotkäppchen-Sekt oder „Fruchtsecco“, mit Süßigkeiten (alle von dem großen Konzern mit dem „N“ als erstem Buchstaben), mit Primeln, Hornveilchen und Hortensien zum Einpflanzen oder Blumensträußen…
Oder mit Erdbeeren aus Griechenland oder Spanien🙁.

Süppeln, schlickern und an Blümchen schnuppern. Kann man gut finden oder nicht, ich möchte das nicht bewerten. Für mich persönlich muss so etwas nicht sein. Ich nähme lieber einen Besuch im Baumarkt…😂.
Aber ich bin nicht alle und ich kann mir vorstellen, dass frau sich auch sehr über solche Aufmerksamkeiten freut.
Bis auf die Erdbeeren im März, da fehlt mir einfach jede Phantasie, was man mit Erdbeeren anstellen soll, die beim Reinbeißen knacken wie ein Granny Smith. Nun gut.

Vielleicht ist es aber gerade aus meiner Sicht als Frau, die einfach Frau sein kann, ohne dafür viele Nachteile in Kauf zu nehmen (außer den einen oder anderen schlüpfrigen Flachwitz auf Frauenkosten eventuell und eine unschöne Erfahrung vor über 30 Jahren, die ich meistens überhaupt nicht auf dem Schirm habe, weil ich beschlossen habe, dass diese Zeit mich nicht mehr ausmacht), an der Zeit, mich für die Lage anderer Frauen zu interessieren.

Viel wichtiger als Prosecco schlürfen, Blumen bewundern und Pralinen genießen (das alles ist eher Nice to have) ist aber etwas ganz anderes:

Wertschätzung. Ganz selbstverständlich. Nicht, „weil“ oder „obwohl“ man eine Frau ist. Sondern weil man Mensch ist. So simpel das klingt, so vertrackt ist es auch. Denn es beinhaltet so viele unterschiedliche Dinge.

Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation. Ist zwar schon ein wenig kleiner geworden, die Lücke, aber von Gerechtigkeit kann noch immer nicht die Rede sein. Ebenso dann später bei der Rente. Altersarmut ist großenteils weiblich.
Gleichberechtigung auch bei der Care-Arbeit. Hier sind ausnahmsweise die Männer nicht gefragt, den Frauen etwas vom Kuchen abzugeben, sondern ein großes Stück anzunehmen. Haushalt, Versorgung von hilfsbedürftigen Angehörigen und alles das, was ein ehemaliger Bundeskanzler als „Gedöns“ bezeichnete. Zurzeit übernehmen Frauen immer noch im Allgemeinen dreimal soviel Care-Arbeit wie Männer (selbst dann, wenn sie Vollzeit arbeiten).

Angstfreies Leben. Gewalt gegen Frauen findet auch in einer reichen Gesellschaft wie Deutschland immer noch statt. Und zwar sehr oft nicht durch irgendwelche fremd(ländisch)en Männer, sondern durch Lebenspartner, unabhängig von Herkunft und Kultur.
Kein Sexismus. Ja, ich bin noch damit aufgewachsen, dass Frauen und Mädchen hinterhergepfiffen wurde oder wir angeblich witzige Anmachsprüche über uns ergehen lassen mussten. Das können manche von uns achselzuckend abtun, anderen ist es unangenehm, wieder anderen macht es große Angst. Alle diese Reaktionen sind in Ordnung.
Aber allen Männern sollte klar sein: das sogenannte „Catcalling“ ist kein Ausdruck von Anerkennung, sondern der Versuch, uns auf unser Äußeres und unsere Sexability zu reduzieren. Und Typen wie Andrew Tate, die mit ihrer toxischen Männlichkeit protzen, haben eben nicht den Durchblick.

Frauen haben es als Gründerinnen schwerer, an Kredite zu kommen. (Stattdessen werden von Männern entwickelte pinkfarbene „Menstruationshandschuhe“ gehypt, die dann bei den potenziellen Nutzerinnen – wen wundert’s – durchfallen.)
Sie sind in Wirtschaft und Politik unterrepräsentiert. Im Spitzensport schaffen sie es nie, zu den Bestbezahlten zu gehören und auch Sportfunktionärinnen sind rar gesät.

Wir wollen nicht die Weltherrschaft übernehmen. Wir wollen die Männer nicht dominieren. Wir wollen einfach unseren gerechten Anteil an allem.
Und jetzt komme mir niemand mit „dann müssen Frauen aber auch genauso in den Krieg ziehen“. Das tun sie bereits – dort, wo es ihnen die Männer erlauben.

In diesem Jahr halte ich es für wichtig, auf die selbstverständliche Gleichberechtigung (nicht Gleichmacherei) der Frauen hinzuweisen, weil es weltweit immer mehr Bewegungen gibt, die uns Frauen die Teilhabe in weiten Bereichen wieder aberkennen wollen. Die uns als Heimchen am Herd mit einer Kinderschar am Rockzipfel und dekoratives Beiwerk sehen möchten und sonst nirgends. Dazu sage ich entschlossen NEIN!

Als „Bonustrack“ (falls ihr eine halbe Stunde Zeit und Nerven wie Drahtseile habt) empfehle ich euch ein Interview, das nicht mehr ganz neu ist, aber eindrücklich belegt, wie ein Journalist versucht, einer erstklassigen Wissenschaftlerin die Expertise abzusprechen. Das beginnt mit der Frage „Waren Ihre Eltern Hippies?“ , führt weiter über „Warum lächeln Sie nicht auf dem Buchcover?“ und endet nicht damit, dass er versucht, ihr zu erklären, was Wissenschaft ist und was nicht. Der Showdown am Ende (bitte durchhalten, auch wenn es zwischendurch schwierig ist) lässt ihn dann aber doch recht kleinlaut kapitulieren…
https://www.youtube.com/watch?v=RIO6Dl2wO9I

Demnächst hier: Rezension des Hörbuches „Beklaute Frauen“ von Leonie Schöler.

Vierte Fastenwoche

Oktoberstimmung am Useriner See, Oktober 2013

Das Motto der Woche: Mit der Schöpfung

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
1. Mose 2,15 (Luther 2017)

Die unterschiedlichen Bibelübersetzungen sind sich an dieser Stelle bis auf Kleinigkeiten ziemlich einig in der Wortwahl. Aus der Reihe tanzt die Gute Nachricht-Übertragung*. Dort heißt es „Gott, der HERR, brachte also den Menschen in den Garten Eden. Er übertrug ihm die Aufgabe, den Garten zu pflegen und zu schützen.“
Der Grundtenor ist aber sowohl bei „bebauen und bewahren“ als auch bei „pflegen und schützen“ eindeutig: Unsere Aufgabe als Menschen soll es sein, für die Erde zu sorgen. So zu sorgen, dass sie erhalten bleibt, ihre Schönheit auch zukünftig entfaltet und den Menschen als Schutz, Wohnung, Speisekammer und lebenswerter Freizeitort zur Verfügung steht. Diese Aufgabe ist nicht zeitlich begrenzt. Sie endet nicht im 20. Jahrhundert nach Christus. Auch wir sind weiter Hüter der Erde.

Sonnenuntergang am Pilsensee, Oktober 2018

Nicht besonders erfolgreich, kann man sagen. Unsere Aufgabe ist uns zu Kopf gestiegen und nicht selten glauben wir, wir allein hätten den Überblick. Wir betrachten die Dienstleistungen, die uns unsere Umwelt zur Verfügung stellt, als etwas, das uns selbstverständlich zusteht. Immer mehr und immer schneller. Und immer exklusiver.

Seeufer am großen Weserbogen, Porta Westfalica. August 2015

Aber es gibt Lichtblicke. Immer mehr Menschen erkennen, dass es so nicht weitergehen kann. Dass unsere Ansprüche uns auffressen, dass wir unseren Kindern und Enkeln die Schönheit der Erde rauben, wenn wir nicht einen Schritt zurücktreten. Nicht immer geschieht das freiwillig, mitunter auch „nur“ pragmatisch, weil wir merken, dass uns ganz konkret in einigen Situationen das Wasser bis zum Hals steht. Oder weil Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Weil Ressourcen fehlen oder Arbeitskräfte.

Trotzdem, egal aus welchem Motiv: Wichtig ist, dass es geschieht. (Und wenn die Schritte noch so klein aussehen mögen.) Dass wir uns der Einzigartigkeit dieser großen blauen Murmel im dunklen All bewusst sind und gut mit ihr umgehen. So gut, wie wir mit einem geliebten Menschen umgehen, wenn wir ihn bewirten. So gut, dass sich auch zukünftige Generationen noch an ihr freuen können.

Auch die Erdmännchen und andere Tiere. Tier- und Freizeitpark Thüle, Juli 2017

*Was es mit dieser Übertragung ins heutige Deutsch auf sich hat, kannst du hier nachlesen.

Kollateralschäden?

Gerade gestern las ich, dass in Westrussland ein Tanklager brennt, offenbar nach einem Drohnenangriff. Mit dem etwas zynischen Zusatz (der russischen Nachrichtenagentur) unter der Meldung „Gefahr für die Anwohner bestehe aber nicht.“

Im roten Meer sinkt ein Frachter mit 21.000 Tonnen Ammoniumphosphat-Sulfat-Dünger. Auch wenn dieses Düngemittel anscheinend (Produktdatenblatt) zu den weniger problematischen Düngern gehört, ist ein Eintrag in dieser Menge für das Ökosystem vor Ort trotzdem eine ökologische Katastrophe.

Kaum jemand denkt noch an Syrien, wo seit 2011 ein brutaler Bürgerkrieg herrscht. Syrien war bis dahin ein reiches Land, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Mehrere Religionen lebten in relativ guter Nachbarschaft miteinander, das Schul- und Hochschulsystem war hoch angesehen, auch über die Grenzen des Landes hinaus. Und nun?

Egal, wo auf der Welt Krieg herrscht, die Opfer jedes Krieges sind nicht nur die Menschen, die unmittelbar an den kriegerischen Handlungen sterben oder an Körper und Seele verletzt werden. Nicht nur das militärische Personal oder die Wehrpflichtigen.
Opfer sind auch in hohem Maße die Kinder und Jugendlichen der betroffenen Regionen, denen nicht nur ihr Urvertrauen genommen wird, sondern auch das unbefangene Aufwachsen. Opfer sind die Alten, die ihren Lebensabend nach Jahrzehnten der Erwerbstätigkeit nicht in Sicherheit genießen können. Opfer sind, selbst wenn sie sich im Ausland in Sicherheit bringen können, die Angehörigen der Kämpfenden. Bis heute in den meisten Fällen Frauen: Ehefrauen, Mütter, Schwestern. Angst und Ungewissheit über das Schicksal ihrer Männer, Söhne und Brüder begleiten sie stets.

Die Natur leidet unter Kriegen. Wenn schon nicht auf Menschen geachtet wird, wie viel weniger erst auf die Ressourcen, die uns unsere Mitwelt zur Verfügung stellt.

Fossile Brennstoffe werden in großem Stil verbrannt, ob im Kriegsgerät oder in den Raffinerien, die in Brand gesetzt werden. Diese fehlen später beim zivilen Aufbau und verseuchen die Regionen auf lange Zeit.
Stahl, Aluminium und andere Metalle sind ebenfalls keine unendlich verfügbaren Materialien. Sie verbrauchen wahnsinnig viel Energie bei der Herstellung und werden in Kriegen im wahrsten Sinn des Wortes verheizt.

Ernten werden vernichtet. Ganz unmittelbar durch Plattwalzen mit schweren Fahrzeugen, mittelbar durch das Verrotten auf den Feldern, wenn keiner da ist, der erntet. Und auf Jahre hinweg, weil der Ackerboden oft auf lange Zeit durch Minen, Bomben etc. eine potenzielle Todesfalle darstellt.

Gebäude, Straßen, Brücken, Energieversorger, alles, was der Mensch an Infrastruktur benötigt, wird zerstört. Oft so gründlich, dass die Trümmer nicht recycelt werden können. Jede Menge Baustoffe sind verloren. Auch das verursacht immense Kosten für die Menschen, die irgendwann einen Wiederaufbau angehen müssen, aber auch für die Umwelt, weil noch einmal ungeheure Mengen an Rohstoffen und Energie verwendet werden müssen.

Teils uralte kulturelle und künstlerische Werte werden zerstört, oftmals aus ideologischen Gründen. Die Geschichte der Menschheit verliert wichtige Zeitzeugen früher Hochkulturen, wie die assyrischen Baudenkmäler im Irak, die vom IS dem Boden gleich gemacht wurden.

Diese Aufzählung ist unvollständig, weil es vermutlich kaum möglich ist, jede Auswirkung der Kriege auf dem Schirm zu haben. Aber alles sind wichtige Details, die es zu bedenken gilt. Am schlimmsten ist in der heutigen Zeit allerdings meiner Meinung nach der Verlust an Vertrauen auf allen Seiten. Vertrauen darin, dass andere Menschen (auch solche aus der Bevölkerung des „Feindes“, die ja auch nicht ausschließlich kriegslüstern ist) einen guten Plan für die Zukunft haben. Vertrauen, dass die meisten Menschen nicht das Schlimmste für ihre Mitmenschen im Sinn haben. Vertrauensverlust, weil viele Leute sich getäuscht und hinters Licht geführt fühlen; weil sie in der Folge nicht mehr unterscheiden können oder wollen, wer es gut mit ihnen meint und wer sie anlügt.

Während ein gegenseitiges Mindestmaß an Vertrauen in unserer Zeit das ist, was wir am dringendsten brauchen, um mit den vielen unterschiedlichen Herausforderungen klarzukommen, wird es an vielen Orten der Welt regelrecht verballert.

Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich ratlos bin. Dass ich nicht weiß, wie der beste Weg aussieht, einen umfassenden Frieden zu erzielen. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass die Autokraten und Diktatoren der Welt zu friedlichen Lämmern werden, wenn man ihnen kein Kontra mehr gibt.
Diplomatie ist ein wichtiger – wenn nicht sogar der Wichtigste – Weg. Aber nicht zu den Bedingungen von Unterdrückern.

Lasten tragen

Foto: Pixabay

Der letzte Tag der dritten Fastenwoche mit dem Motto Mit denen da drüben.

Heute früh schlug ich den Fastenkalender um und blieb gedanklich sofort hängen an dem Spruch, der mir entgegensprang. Ja, er sprang tatsächlich. In meinen Kopf und von da hüpfte er direkt weiter ins Herz.

Du weißt nicht, wie schwer die Last ist, die du nicht trägst.

So ein kurzer, unscheinbarer Satz. Und er trägt so vieles in sich, das uns Tag für Tag passiert. Nicht einmal mit böser Absicht (okay, es gibt öffentlich bekannte Ausnahmen, da hat wohl jeder von uns jemanden im Blick…), sondern weil wir mehr oder weniger unbewusst unsere eigene Lebenserfahrung und Situation auf andere übertragen.

Persönlich fällt mir eine konkrete Situation ein, als ich Anfang letzter Woche beim Radiologen im Wartebereich saß. Ein steinaltes Paar kam herein, kurz nacheinander. Erst die Frau, sie hängte ihre Jacke auf, setzte sich und wartete. Zwei Minuten später kam ihr Mann angeschlurft, setzte seine Schiebermütze ab, zog die Jacke ebenfalls aus und ging zur Garderobe. Seine Frau stand auf, nahm die Jacke und hängte sie ordentlich auf den Bügel, wo er sie schon ziemlich schräg drapiert hatte. Bei der Gelegenheit steckte sie auch gleich die Mütze zusammengerollt in den Jackenärmel.
Zu meiner Beschämung war mein erster Gedanke nicht: „Ach wie schön, die Frau ist so fürsorglich und hilft dem Mann, der hat bestimmt Probleme dabei.“
Schön wär’s. Nein, mir ging der Gedanke durch den Kopf, wie lebenstüchtig dieser Mann denn wohl sein könne, wenn er von seiner Frau selbst beim Jackeaufhängen so gepampert würde (hier fehlt mir ein vor Scham erröteter, im Boden versinkender Smiley).
Was war passiert? Relativ kurze Zeit vorher hatte ich einen Bericht darüber gelesen, dass alte Männer, wenn sie ihre Frauen überleben, meist eine recht kurze Restlebensdauer haben, jedenfalls kürzer als wenn der umgekehrte Fall eintrifft. (Literarisch ist dieses Thema sehr gut in „Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky verarbeitet).
Obwohl ich auch aus dem eigenen Umfeld weiß, dass man das nicht verallgemeinern kann und es so einfach nicht einteilbar ist, hatte mich die Beschäftigung mit den teilweise fatalen Folgen der früher üblichen Trennung Der Mann schafft das Geld ran und die Frau macht den Haushalt offensichtlich noch im Griff. Und so übertrug ich ohne nachzudenken das Gelesene auf die beiden alten Leute.
Das gedankliche Korrektiv folgte zwar recht schnell und mir fiel siedend heiß ein, dass mein Mann und ich uns nicht viel anders verhalten, wenn es einem von uns beiden gerade nicht gutgeht. Obwohl wir jünger sind. Und dass so eine gegenseitige Rücksichtnahme etwas total Schönes ist, nichts zum darüber lästern.

Wie oft passiert es, dass wir so handeln?

Ein paar Beispiele finden sich auch in der Debatte um Geflüchtete. Wie oft werden da Fragen gestellt:
Warum haben die alle ein Handy? (Gegenfrage: Warum nicht? Weil sie erstens meist nicht aus irgendwelchen total unterentwickelten Gegenden kamen, zweitens nicht mit einem Stapel ADAC-Straßenkarten quer durch Europa gelaufen sind und drittens Kontakt zu ihren Familien halten wollen, genau wie wir. Viertens haben sie in ihrem Smartphone als App einen polyglotten Übersetzer in der Tasche. Und fünftens: Ist euch mal aufgefallen, dass diese Frage bei den Ukrainern nur selten gestellt wird? Offenbar haben wir eine total veraltete, koloniale Sicht auf die Lebenswirklichkeit des nahen und mittleren Ostens …)
Warum kommen da junge Männer? (Weil die oft bessere Chancen haben als junge Frauen mit zwei bis drei kleinen Kindern, weil Familien so lange Geld zusammenlegen, bis es wenigstens eine Person schaffen kann, auch von der körperlichen Konstitution her.)
Warum rotten die sich hier immer so „bedrohlich“ zusammen? (Weil sie hier in der Fremde sind. Da sind ein paar Kontakte mit Leuten, die einen ähnlichen Hintergrund haben, einfach wichtig.)
Das fremdländische Aussehen, dunkle Haare und Haut (was schon bei den alten Volksmärchen immer bedrohlich war), eine Sprache, die für uns rau und hart klingt, eine komplett andere Sozialisation (ja, teilweise leider noch patriarchalischer als hier) und leider auch Personen aus dem Milieu, die sich danebenbenehmen, sorgen für reichlich Vorurteile.

Auch Menschen, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, die möglicherweise schon in der zweiten oder dritten Generation auf Transferleistungen angewiesen sind, werden so beurteilt. Dabei sind es häufig Krankheitsgeschichten, die im Hintergrund lauern. Körperliche oder mentale Probleme, Suchterfahrungen (auch das sind Krankheiten), die ein geregeltes Erwerbsleben sehr schwierig machen. Auch solche Probleme schlängeln sich von den Eltern auf die Kinder oder sogar die Enkel weiter. Reine Faulheit zu unterstellen, sagt möglicherweise manchmal mehr über denjenigen aus, der solche Stereotype nutzt als über die Betroffenen.

Viele weitere Beispiele könnte ich aufzählen. Wir alle kennen sie auf die eine oder andere Weise. Deswegen schenke ich mir die Energie.

Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?
(Mt 7,3; Die Bibel, Übersetzung: HfA)

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