(Selbst-)Vergewisserung

Symbolbild: Pixabay

Psalm 103

Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Gott, ich feier‘ dich, von meinen Zehenspitzen bis zum Scheitel.
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
Ich danke dir für alles, was mir in der letzten Zeit gelungen ist, für meine Familie, Freunde und alles, was mich stärkt.
der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,
Echt jetzt? Alle anderen halten mir meine Fehler vor, aber du nicht? Und du kannst mir Gesundheit geben?
der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
Das ist mal ein Tauschgeschäft! Ich kann dir meine Sorgen überlassen und du schenkst mir Freundlichkeit und Mitgefühl. Deal!
Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.  
Und weil ich so ungeduldig bin, kann ich noch viel von dir lernen😅.
Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Du bist nicht nachtragend und du zahlst auch nicht mit gleicher Münze heim.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
Bis zum Mond und wieder zurück, so lieb hast du uns, Gott!
So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Meine Vergehen sind so weit von dir entfernt wie mein Verständnis von Mathematik. Und das ist ganz schön weit weg!
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.
Ich gehöre zu dir und bin dein geliebtes Kind!

Amen!

Die fettgedruckten Zeilen sind der Psalmtext in der Luther-Übersetzung. Die kursiven habe ich als meine eigenen Zwischenrufe dazugeschrieben.
Heute, am 16. Juni 2024 beten wir diese Form des Psalms zu zweit im
Einmal Anders-Gottesdienst.

Der Psalm wird dem israelitischen König David zugeschrieben. Dieser König David, der Gott schon fast „über den grünen Klee“ lobt, ist keineswegs ein Musterknabe. Ja, er gehört zweifellos zu den großen Königen, er ist Vorfahre Jesu und er ist das Paradebeispiel eines sozialen Aufstieges: Vom Schafhirten und jüngsten Sohn einer Familie zum mächtigen König.

Er hat viel Gutes für sein Volk getan. Als schmächtiger, halbwüchsiger Junge hatte er mit einer Steinschleuder den riesenhaften Philister Goliath besiegt. Er hat zu einem friedlichen Miteinander aufgerufen. Er hat für Gerechtigkeit gesorgt.
Aber: er ist mit zunehmender Macht auch zum Getriebenen seiner Begierden geworden. Blut klebte an seinen Händen, nachdem er seinen Armeehauptmann in den sicheren Tod geschickt hat, weil er sich in dessen Frau verliebt hatte und sie unbedingt besitzen wollte.

Dieser David war ein Mensch wie wir, zwiegespalten in mancher Hinsicht. Er tat Dinge, die er anders von den Mitmenschen einforderte. Er unterließ manches, was er sich vorgenommen hatte. Er scheiterte an seinen eigenen Ansprüchen. Aber Gott hatte trotz allem Großes mit ihm vor. Und das vergaß David nicht.
Ich weiß nicht, in welcher Situation David den Psalm schrieb. Ob es in einer Phase war, in der er sicher war, „das Richtige“ zu tun? Oder ob er ihn in tiefer Beschämung verfasste, nachdem ihm klargeworden war, welchen Preis er dafür zahlen musste, um Bathseba zu seiner Frau zu machen?

Vielleicht war er wirklich zu der Zeit fest davon überzeugt, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, gesegnet zu sein, gut zu regieren.
Vielleicht musste er sich aber auch nach seinem tiefen moralischen Fall vergewissern, dass er nicht der ewigen Verdammnis zum Opfer fallen würde. Dass er trotz aller Fehler, trotz seiner Verfehlungen, immer noch im Grunde ein liebenswerter Mensch sein konnte. Jemand, der von Gott geliebt und anerkannt wurde, selbst wenn seine Mitmenschen ihn möglicherweise gerade zum Mond wünschten.

Ein paar Dinge muss ich erläutern, damit wir heute den Psalm nicht komplett missverstehen.
Zum Beispiel den Punkt mit der Gesundheit:
Zur Zeit des alten Testaments bestand der feste Glaube der Menschen, körperliche Gesundheit habe etwas mit dem moralischen Lebenswandel zu tun. Wer mit Krankheit, egal ob körperlich oder seelisch, geschlagen war, der hatte entweder selbst schwere Sünde auf sich geladen oder war das Kind von Sündern.
Gesundung bedeutete also in erster Linie Sündenvergebung.
Der andere Punkt ist das „fürchten“. Hier ist nicht Furcht im Sinn von Angst oder Grauen gemeint, sondern Ehrfurcht. Heute würden wir „Respekt“ sagen.

Was ich an diesem Psalm bemerkenswert finde:
Er spricht mir Gnade zu in Zeiten, in denen ich mit mir selbst und anderen nicht gnädig sein mag.
Er versichert mich in Augenblicken, in denen ich mich ungeliebt und wenig liebenswert fühle, der unverbrüchlichen Liebe Gottes [und das phantasischerweise ohne zu fordern „wenn du … (hier beliebige Forderung einsetzen: heterosexuell bist, Kirchensteuer zahlst, jeden Tag betest, regelmäßig in den Gottesdienst gehst…)“]. Der einzige „Gegenwert“, den Gott sich wünscht, ist unser Respekt. Verständlich, denn Respekt gehört zur Liebe dazu.
Er ruft mir ins Gedächtnis, dass es da jemanden gibt, der mir immer zuhört, auch wenn ich mich von der ganzen Welt unverstanden fühle oder den größten Stuss rede. Und der Geduld mit mir hat, wenn alle weltliche Geduld aufgebraucht ist.

Besonders eindrücklich gibt mir der Psalm all dieses in den schweren Augenblicken, in denen ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe. In denen alles über mir zusammenbricht und ich im Chaos kein Bein mehr an die Erde kriege.
Es ist allerdings nicht garantiert, dass damit alles sofort wieder gut ist oder dass ich jeden Wunsch erfüllt bekomme, wie ich mir das vorstelle. Denn manchmal hat Gott ganz einfach anderes für mich im Sinn als ich selbst.
Die Stärke des Psalms liegt darin, mir einen Perspektivwechsel zu erlauben, mir einen Ausweg aus der Abwärtsspirale zu ermöglichen.
Hoffnung und Zuversicht zu geben.


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

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