Alles aus?

Mutterseelenallein in einer gottverlassenen Gegend unterwegs sein. Wenn man dann noch ein vaterlandsloser Geselle ist, dann ist man von allen guten Geistern verlassen.

Dieses Extrembeispiel unseres Sprachgebrauchs stellt die Diagnose:
Wir wollen alles, nur nicht allein und verlassen sein, selbst wenn es lediglich ein gefühltes Alleinsein ist.

Eli, Eli, lema sabachthani?*
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Nach Matthäus 26,46 sind das die letzten Worte Jesu am Kreuz, ehe er starb.

Wie kann das sein? Er war stets mit seinem himmlischen Vater in Kontakt, noch im Garten Gethsemane betete er „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!“*
Er wusste, dass sein Opfer notwendig war. Dass die Trennung der Menschen von Gott mit seinem Tod aufgehoben wird.
Und doch musste auch er dieses einsamste aller einsamen Täler durchschreiten.
Er war wahrer Gott, aber auch wahrer Mensch, nichts, wirklich gar nichts Menschliches war ihm fremd. Selbst Verlassenheit und Schuld nicht, obwohl er selbst frei davon war. Dieses Mysterium fällt uns so schwer zu begreifen, weil es für unseren Verstand zu hoch ist. Wir können es nur für uns als Bekenntnis annehmen, staunend, demütig und dankbar. Oder eben nicht.

Jesu Tod ist nicht das Ende. Im Evangelium des Matthäus heißt es als nächstes, dass im Tempel die Vorhänge zerrissen. Und das waren keine normalen Gardinen, sondern große, schwere Vorhänge aus dickem Stoff, die das Allerheiligste verhüllten. Hinter diesen Vorhang durften nur die Hohepriester, um einen Blick auf das Innerste ihres Glaubens zu werfen. Durch Jesu Tod sollte allen Gläubigen dieser Blick ermöglicht werden. Nichts würde mehr so sein wie vorher. Alle Menschen sollten teilhaben können an der Erkenntnis, an der Gemeinschaft, an der Erlösung.

Am Mittwochabend führte RTL+ die Passion live in Kassel auf. Durch die ganze Stadt wurde sie inszeniert, in modernem Outfit, mit Popmusik, die so genial ausgewählt war, dass sie die Botschaft eindringlich rüberbrachte. Eher nichts für Puristen und Traditionalisten, aber für Menschen, die neugierig, auf dem Weg, auf der Suche sind, eine sehr nachdenklich machende (und Fragen stellende) Interpretation dieser zeitlosen Ereignisse:

https://plus.rtl.de/video-tv/shows/die-passion-847528/2024-3-993740/episode-1-die-passion-936649

Auch wenn es eine Binsenweisheit zu sein scheint: Jedes Ende bedeutet auch einen neuen Anfang. Nach der Trauer des heutigen Tages, die wir uns aber bewusst vor Augen halten, in ihr eine Zeit innehalten und sie aushalten sollten, ist nicht Schluss.
Nach der bitteren Erkenntnis, dass unser bis heute nicht schuldfreies Leben ein solch ultimatives Opfer erfordert hat, dürfen wir weitersehen und weitergehen, in die Osterfreude hinein. Doch das ist eine andere Geschichte** und soll an einem anderen Tag erzählt werden.

*Texte aus der Lutherbibel 2017, diese Texte sind so elementar, dass ich keine moderne Übersetzung gewählt habe.
** „Geschichte“ ist nicht (ab)wertend gemeint. Geschichten sind keine Märchen. Geschichte heißt eben nicht nur Story, sondern auch History.
Und Geschichten sind seit Alters her eine probate Methode, (nicht nur) den nachwachsenden Generationen das Leben zu erklären.


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

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