Dass in Schleswig Holstein zwar der meiste Ökostrom produziert wird, die Strompreise dort aber keinesfalls günstig sind, ist überregional bekannt. Windstrom, der dort ins Netz gelangt, ist in Bayern billiger als am Produktionsstandort. Merkwürdig, sollte man doch meinen, es sei genau umgekehrt.
Aber auch bei uns hier in Ostwestfalen, ebenso in Südwestfalen und dem Münsterland, ist das der Fall. Ich weiß nicht, ob es heute immer noch so ausgeprägt ist, aber unsere rheinländischen Bundeslandsgenossen spotteten immer ein bisschen über das bäuerliche und etwas rückständige Westfalen.
Nun hat die Region Westfalen aber in den letzten Jahren enorme Standortvorteile entwickelt: In ganz Westfalen werden Windräder gebaut, die nicht nur die ansässigen Haushalte und auch die „Hidden Champions“ der Industrie, die in unserem Landstrich angesiedelt sind, mit Strom versorgen. Auch ins Rheinland wird „unsere“ Windenergie per Kabelanbindung geschickt.
Und ebenso wie im Norden ist unser eigener Strom hier teurer als in Bonn, Köln, Düsseldorf oder Aachen…
Das Zauberwort heißt Netzentgelt. Wie erkläre ich das? Ach, ich spare Energie und leihe mir mal die sehr gute Erläuterung des NDR:
Hintergrund sind die aktuellen Regelungen zum Ausbau der Stromversorgung in Deutschland. Egal welche Stromquelle gebaut wird – sei es ein Windrad, eine Photovoltaikanlage oder ein Kraftwerk – müssen die Anschlusskosten von den Menschen in den Gemeinden bezahlt werden, in denen etwa die Windräder stehen. Vereinfacht gesagt geht es dabei um das Kabel, das vom Windrad bis zur nächsten Steckdose führt. Diese Kosten werden regional umgelegt und erscheinen als sogenannte Netzentgelte auf der Rechnung – egal, ob der Strom vor Ort genutzt oder in andere Teile der Republik geschickt wird.
https://www.ndr.de/nachrichten/info/Netzentgelte-sorgen-im-Norden-fuer-hoehere-Stromrechnungen,strompreis200.html
Ehrlich gesagt, halte ich das System nicht nur für ungerecht, sondern auch für wenig schlüssig. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund:
Wenn ich Strom beziehe, was ja so ziemlich jeder von uns irgendwie tun muss, dann entscheide ich mich für einen Lieferanten. Dazu kann ich den Preis als maßgebliches Kriterium heranziehen, ich kann die Regionalität des Versorgers in den Vordergrund stellen (ein Versorger vor Ort zahlt auch hier seine Steuern und stellt Leute aus meiner Gegend ein) oder ich schaue bevorzugt auf den Strommix (Anteile von fossil, atomar oder ökologisch produziertem Strom), den der Versorger einkauft und weiterliefert.
Moooment mal! Wenn ich einen Stromversorger habe, der seinen Strom beispielsweise aus norwegischen Wasserkraftwerken bezieht, wie kann ich denn dann sicher sein, dass auch nur der bei mir ankommt? Wird dieser Strom blau eingefärbt und dann zielgenau auf die Reise zu den Haushalten geschickt, die ihn auch bezahlen? Kommt bei meinen Nachbarn dann auch nur der gelbe Atomstrom an? Bei denen drei Häuser weiter der matschfarbene aus der Biogasanlage und so weiter?
Natürlich funktioniert das so nicht. Die Geheimnisse der Physik mag jemand anderes erklären, aber ganz vereinfacht gesagt gilt der abgedroschene Satz „Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose“ eben doch. Denn alle diese Stromarten werden gemeinsam in ein Netz eingespeist und flutschen an den Häusern und Firmen vorbei, wo sie dann nach Bedarf abgezapft werden.
Und trotz der Physik und der Naturgesetze zahle ich den Strom, den mein Versorger einkauft, nicht den, der mehr oder weniger zufällig gerade in meinem Kabel unterwegs ist.
Sollte man dann nicht einfach das Netzentgelt gleichmäßig auf alle Haushalte in Deutschland, die Strom beziehen, umlegen können? Ich denke, das wäre doch die logische Schlussfolgerung. Denn irgendwo muss jede einzelne Kilowattstunde in die Kabel gelangen.
Ich bin mir relativ sicher, es kommt schneller als ich bis drei zählen kann, ein Einwand, warum das so nicht geht. Ein Gesetz, eine Durchführungsverordnung, ein Gerichtsurteil oder einfach nur eine bürokratische Hürde. Oder sonst ein fadenscheiniger Grund.
Weiß eigentlich irgendjemand, ob der bayerische Wirtschaftsminister immer noch bereit ist, seine Energieuntertanen an den Kosten für norddeutschen Strom zu beteiligen?