Fast schon Endspurt, wenn auch mit etwas Verspätung …
Das Motto der vorletzten Fastenwoche lautet Mit den Anvertrauten
Bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und ihre Schwester, außerdem Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala. Als Jesus nun seine Mutter sah und neben ihr den Jünger, den er sehr lieb hatte, sagte er zu ihr: »Das ist jetzt dein Sohn!« Und zu dem Jünger sagte er: »Sie ist jetzt deine Mutter.« Von da an nahm der Jünger sie zu sich in sein Haus.
Joh. 19,25-27 (HfA)
Ehe er stirbt, regelt Jesus seine Angelegenheiten. Die Szene lässt vermuten, dass sein (irdischer) Vater inzwischen nicht mehr lebt, denn es ist ihm ein Bedürfnis, seine Mutter versorgt zu wissen. Aber auch den Jünger, „den er sehr lieb hatte“, will er nicht allein zurücklassen.
In der damaligen Zeit waren unverbrüchliche Familienbande lebenswichtig. Wer keine Verwandten hatte und allein übrigblieb, dem fehlte Altersvorsorge, Hilfe in Krankheit und Not, gar nicht mal so selten auch das Dach über dem Kopf. Einfach alles, was heute durch Sozialsysteme aufgefangen wird.
Jesus ist dieses bewusst, noch in der größten Folter und Pein ist es ihm ein Bedürfnis, seine Lieben nicht allein zu hinterlassen. Deshalb macht er dieses ungewöhnliche Adoptionsangebot.
Wer sich heute mit seiner eigenen Endlichkeit beschäftigt, kennt Gedanken dieser Art vielleicht. Das Gedankenexperiment, die Sorge: Wenn ich jetzt sterben müsste, was würde aus meinen eventuell noch minderjährigen Kindern? Oder im höheren Alter: Wer kümmert sich um meinen pflegebedürftigen Partner, meine Partnerin?
Diese Gedanken halte ich für nachvollziehbar, denn wir sind es gewohnt, mehr oder weniger die Kontrolle über unser Leben zu haben. Die Perspektive der Sterblichkeit ist dagegen maximaler Kontrollverlust.
Trotzdem möchte ich mich heute nicht in erster Linie mit der menschlichen Sterblichkeit beschäftigen. Ich habe mich beim ersten Lesen des Wochenmottos etwas verguckt und „Mit dem Anvertrauten“ gelesen.
Denn nicht nur Menschen sind uns anvertraut. Uns ist die Mitwelt anvertraut, die Sorge (nicht im Sinn von Sorgen machen, sondern eher als Sorgen für) für unsere Umgebung. Für den Boden, aus dem wir Lebensmittel wachsen lassen oder den wir für die Produktion von Waren, die nicht sättigen, versiegeln. Für die Luft, die wir atmen, aber zu häufig so verpesten, dass wir vom Atmen krank werden. Für das Wasser, das unsere Lebensgrundlage bildet, aber auch in tosender Flut Zerstörung mit sich bringt. Auch für das Feuer, das Wärme und Gemütlichkeit ebenso spendet wie es in rasender Wucht alles vernichtet, was ihm in den Weg gerät. Und doch auch alles wieder für das Wachstum neuen Lebens so wichtig ist.
Viel zu häufig nehmen wir das alles als selbstverständlich hin, als gottgegeben. Wir verbrauchen die Ressourcen, statt sie zu gebrauchen und auf ihre Erhaltung zu achten.
Ein Beispiel nur: Statt die Infrastruktur, die unser öffentliches Leben braucht, zu pflegen und zu erhalten, ersinnen wir lieber neue Projekte, versiegeln neues Land, benutzen neue Rohstoffe. Wir forschen daran, unsere menschliche Lebensdauer zu verlängern, aber nehmen es mehr oder weniger achselzuckend hin, wenn Bauwerke nach 50 Jahren angeblich das Ende ihrer Nutzungszeit erreicht haben. Gut, dass Baumeister früherer Zeiten anders dachten. Wie arm an Erinnerung, an Kultur, an Schönheit, aber auch an Abenteuer wäre unsere Welt ohne Pyramiden, ohne Burgen, ohne Aquädukte, ohne chinesische Mauer und vieles mehr, das bis heute Besucher anzieht, fasziniert und inspiriert?
Mit dieser Frage und hoffentlich Impulsen zum Weiterdenken wünsche ich allerseits ein schönes erstes Frühlingswochenende mit offenen Augen und Ohren für das, was uns anvertraut ist.
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Schöner Eintrag, danke
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Gern geschehen🙂
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Tapfer!
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Jesus? Ja, ultimativ tapfer.
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