Düsteres Moor?

Moorwanderung 3. September 2021

O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Die Meisten werden erkannt haben, es ist die erste Strophe von Anette von Droste-Hülshoffs „Der Knabe im Moor“.

Durch die Literatur und den Volksmund sind wir mit Romanen, Gedichten, Sagen und Mythen über das schaurige Moor bestens versorgt. Arthur Conan Doyle, Emily Brontë, Rainer Maria Rilke oder Anette von Droste Hülshoff sind hier nur die bekanntesten Vertreter. Krimis profitieren (inspiriert von den faszinierenden Moorleichen) ebenso von der morbiden Stimmung wie erzieherisch genutzte Volkssagen.
Malerinnen und Maler fühlten sich dem Moor ebenfalls künstlerisch verbunden und schufen beeindruckende Werke. Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker zum Beispiel, auch Vincent von Gogh nutzte das Moor als Inspirationsquelle und Motiv.

Aber auch einen schlechten Ruf haben Moorlandschaften sich erworben: Gegen Ende der Romantik etablierte sich ein regelrechtes Verächtlichmachen des Moores. Wo Romantiker noch eine schwermütige, aber inspirierende Natur sahen, nahmen andere zwei Jahrzehnte später nur noch rückständige Muffigkeit, Tod und Ödnis wahr.

Während des dritten Reiches wurden in Niedersachsen, an der Grenze zu den Niederlanden, gezielt Konzentrationslager in ausgedehnten Moorgebieten eingerichtet. Aus der Sicht von Hermann Göring boten Moore gleich zwei unschlagbare Vorteile: Man hatte einerseits billige Arbeitskräfte, um Torf zu stechen und Moore trockenzulegen und andererseits waren die Gegenden so abgelegen und unübersichtlich, dass Fluchtbewegungen fast ausgeschlossen werden konnten. Ein absoluter Tiefpunkt für die Landschaften, die einfach nur das Pech hatten, mit einem schlechten Ruf ausgestattet zu sein.
Wer mehr erfahren möchte, der schaue sich einmal diesen Link an.

Moorwanderung am 3. September 2021

Das leicht gruselige, moderig riechende, wassertropfende und nebelverhangene Moor kenne ich auch. Die Feuchtigkeit kommt aus allen Richtungen, von oben tropft es von Bäumen und wabert als Nebel, von unten blubbert es aus Moortümpeln oder den Senken des Bruchwaldes, sie umhüllt den Menschen, der in ihr Reich eindringt, wie ein unbequemer Umhang.
Diese Feuchtigkeit spüre ich mit allen Sinnen, ich sehe, fühle, rieche, höre und schmecke sie. Sie ist omnipräsent, schluckt viele Geräusche und verstärkt andere auf geheimnisvolle Weise. Auf dem Weg durch diese mystische Landschaft sind die Sinne deswegen geschärft. Wohlig rinnt ein Schauder den Rücken herab und ich frage mich nur halb im Scherz: werde ich jederzeit den Weg finden? Komme ich hier heile wieder raus?

Moorwanderung mitten im heißen August 2022

Das Moor kann aber auch anders. Nicht aus freien Stücken, sondern weil wir Menschen unsere Ansprüche über alles andere stellen.
Wurde jahrzehntelang abgetorft und entwässert, um Heizmaterial zu gewinnen, die Gärten zu düngen, Gräber auf Friedhöfen „optisch ansprechend“ zu gestalten oder intensive landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen, geraten auch wiedervernässte Moore in den letzten Jahren wieder zunehmend in Trockenstress.
Die heißen und trockenen Jahre 2018-2022 ließen den Grundwasserspiegel sinken und brachten damit Niedermoore in Bedrängnis. Der Regen fehlte, was den Hochmooren zum Verhängnis wurde. 2023 brachte eine Pause zum Luft- oder besser gesagt Wasserholen. Wie es weitergeht, hängt auch davon ab, wie wir alle unsere Zukunft gestalten wollen:

Lassen sich Landwirte auf alternative Konzepte wie extensive Wasserbüffelhaltung und Paludikultur ein?
Macht sich die Erkenntnis breit, dass wir genug Autobahnen haben und Durchquerungen ökologisch wertvoller Feuchtgebiete nicht verwirklicht werden sollten?
Entfernen wir Truppenübungsplätze aus Mooren (und am besten aus Heiden auch), damit es nicht mehr zu Bodenverdichtungen und Moorbränden kommt, die kaum löschbar sind?
Weisen wir keine Neubaugebiete mehr dort aus, wo Bebauung nur durch intensive Entwässerung möglich ist?
Sind wir Sonntagsausflügler bereit, uns an Wege zu halten, unsere Hunde an der Leine zu führen, unseren Müll wieder aus den Schutzgebieten mitzunehmen?
Stimmen wir zu, weitere, dringend notwendige Schutzgebiete in unseren urbanisierten Lebensraum „eindringen“ zu lassen?
Diese Liste lässt sich sicher fortsetzen.

Ich habe festgestellt, dass mich die Landschaft fesselt, inspiriert, sogar festhält, als wenn ich in einen Sumpftümpel geraten wäre.
Ganz real als Freizeitort, aber auch kreativ, als Inspiration für Fotos und Texte.

Seid gespannt…


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

11 Kommentare zu „Düsteres Moor?“

    1. Leider bestätigt sich die exponentielle Wachstumskurve: Bis vor relativ kurzer Zeit war ich noch optimistisch. Das geht in den letzten Monaten so rapide in den Keller, hätte ich nie gedacht. Ein Trauerspiel.
      Morgenkaffeegrüße zurück. Leicht müde, der Sturm hat mich wachgehalten🌪…

      Gefällt 1 Person

    2. Solange es Menschen wie dich gibt, liebe Anja, die bereit sind, sich Gedanken um die Umwelt zu machen, und auch dementsprechend zu handeln (und das nicht aus Profilierungsgründen, sondern aus echter Sorge heraus), glaube ich an die Vernunft in Menschen 💖.
      Herzliche Grüße von mir zu dir
      Maren

      Gefällt 2 Personen

    3. Vielen Dank für die Blumen, ich hoffe sehr, du überschätzt mich und andere da nicht. Schön wär’s auf jeden Fall. Nicht meinetwegen, sondern um der späteren Generationen willen.

      Gefällt 1 Person

  1. Ich schätze die derzeitige Bereitschaft der Landwirte, sich auf nur irgendwas, was über „weiteres Nitrat in den Boden einbringen“ hinausgeht, derzeit als recht überschaubar ein.

    Was die Autobahnen angeht, mag sich herumsprechen, dass wir davon genügend haben, für Bahnstrecken scheint das nicht zu gelten, denn nur so kann meines Erachtens erklärt werden, warum die Bahn immer noch nicht ausschließt, eine Neubaustrecke durch die Bückeburger Niederung zu ballern, nur um 30 Minuten schneller von Hannover nach Bielefeld zu kommen. So als ob da jemand hin wollte …

    Die Einsicht der Bundeswehr bezüglich der Truppenübungsplätze würde ich, ganz besonders derzeit, irgendwie im Bereich der Einsicht der Landwirte einordnen …

    Insgesamt hab ich da wenig Hoffnung, um ehrlich zu sein.

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    1. Deine Zweifel kann ich in allen Punkten nachvollziehen. Mir fällt es auch teilweise immer schwerer, gegen meine eigenen anzuschreiben.

      Die Bahn wäre meines Erachtens besser beraten, erstmal auf den bestehenden Strecken für mehr Zuverlässigkeit zu sorgen, ehe sie neue Strecken plant. Dann wären die Allermeisten Bahnkunden sicher schon sehr zufrieden. Aber mich fragt ja niemand🤷‍♀️.

      Trotz allem ein schönes Wochenende.

      Gefällt 1 Person

  2. Nahe des Chiemsees gibt es eine ausgedehnte Moorlandschaft, die Filzn, die zum Glück seit vielen Jahren schon unter Naturschutz steht. Die Geschichte meiner Familie ist ein wenig mit diesem Moor verbandelt. Als meine Großmutter mit ihren sieben Kindern aus Sudetendeutschland vertrieben wurde, wies man ihr als Unterkunft eine baufällige ehemalige Gefängnisbaracke am Rande der Filzn zu. Sie lebten zusammen mit anderen Vertriebenen viele Jahre dort. Und mit den Eltern wanderten mein Bruder und ich mehrmals im Jahr durch die Filzn, um Preisel- und Moosbeeren zu sammeln. Als Kinder hatten wir schon manchmal den Eindruck, dass dieser ungewöhnlichen Landschaft durchaus etwas Unheimliches inne wohnte.

    Gefällt 1 Person

    1. Ich muss ergänzen: mit „schön“ meinte ich nicht die Lebensumstände deiner Großmutter, sondern die Wanderungen mit Eltern und Bruder. Was die Flüchtlinge damals erleben mussten, obwohl die ja eigentlich „Binnenflüchtlinge“ waren, ist kein Ruhmesblatt. Da waren die Alteingesessenen in den jeweiligen Regionen nicht besser als so mancher Zeitgenosse heute.

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