Zwischen Baum und Borke

Politische Farbenlehre

Grafik: Pixabay

Obwohl ich politisch sehr interessiert bin, konnte ich mich noch nie durchringen, einer Partei beizutreten. Es gibt Gründe, die mich zur SPD hinziehen, es gibt welche, die für die Grünen sprechen.
Ich kenne CDU-Leute mit (meines Erachtens) sehr vernünftigen und bodenständigen Ansichten und war bisher der Meinung, auch wenn ich die FDP nicht wähle, hat sie ihre Berechtigung (seit einiger Zeit tut deren Erste-Reihe-Personal allerdings alles, um mich vom Gegenteil zu überzeugen).
Einzig zu den Rändern der Parteienlandschaft hat es mich noch nie hingezogen, weil ich weder in der einen noch in der anderen Richtung der Einseitigkeit erkennen kann, wie eine solche Politik Wähler vereinen und Interessenausgleich betreiben kann. Ganz davon abgesehen, dass ich in der menschenverachtenden Ideologie am rechten Rand die größte Gefahr für die Gesellschaft sehe.

Mich zugunsten einer Partei einschränken zu müssen, wie ich im Einzelfall Sachverhalte bewerte und Wahlentscheidungen treffe, hat mich abgehalten. Ich habe vor ein paar Jahren mal zu meinem Mann nur halb im Scherz gesagt, ich sei eine wandelnde ganz große Koalition.
Trotzdem denke ich in der letzten Zeit wieder vermehrt darüber nach, weil ich das Gefühl habe, im wahrsten Sinn des Wortes „Partei ergreifen“ zu müssen für die Werte, die mir wichtig sind.

Das bedeutet ja nicht, an der Tür zur Parteienzugehörigkeit alles auszublenden, was besser laufen könnte in der jeweiligen Partei. Denn auch hinter einem Logo, einer Farbe, versammeln sich ganz unterschiedliche Leute mit verschiedenen Erfahrungen und Biographien, die sie im besten Fall einsetzen, um für die Gesamtheit eine breite Wissensbasis zu schaffen und viele Stimmen zu Wort kommen zu lassen.

Im schlechtesten Fall blockieren sie sich jedoch auch gegenseitig, vergessen das Gesamtbild und die hohe Kunst des Kompromisses (Ja, einen guten Kompromiss zu schließen, ist hohe Kunst!) zugunsten von Teilinteressen oder sogar widerstreitenden Zielen.

Da dieses unproduktive Vorgehen zurzeit nicht nur in Parteien und ihren Flügelkämpfen (unsägliches Wort) stattfindet, sondern sich in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen – nicht nur in Deutschland – Bahn bricht und zumindest von der Lautstärke her die Oberhand hat, bleibe ich doch noch eine Weile in der Deckung oder beobachte vom Spielfeldrand, wie sich die Lage entwickelt. Das ist zwar sicher nicht die beste Wahl, aber ich muss mit meinen mentalen Kräften haushalten und habe schon genug Themen an der Backe.
So schade und unbefriedigend es ist, im Augenblick weiß ich viel sicherer, was ich nicht will (auf gar keinen Fall!) als alles andere.

Auf der Sachebene gibt es Themen, die bearbeitet werden müssen, eher heute als morgen. Das ist auch den meisten Menschen klar.
Aber auf der Gefühlsebene stehen wir wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Und weil das Gefühl ein viel unmittelbareres Empfinden darstellt (Bauch statt Kopf), bewegen wir uns lieber überhaupt nicht als falsch.
Zuversicht geht anders.
Und ich vermute, ich bin nicht allein mit dieser Einschätzung, wenn ich die Kommentare der Menschen in den Medien sowie in meinem persönlichen Umfeld beobachte…

Ich freue mich über jede Wortmeldung, die hilft, unsere Zuversicht wiederzufinden. Wann, wenn nicht jetzt, kurz vor Ostern, dem Fest, das uns wahlweise bunte Ostereier suchen und finden lässt oder durch den alten Glaubenssatz „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ die ultimative Zuversicht schenkt.


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

11 Kommentare zu „Zwischen Baum und Borke“

  1. Ich tendiere seit einer Weile schon zu den Grauen Panthern Deutschland. Es wäre höchste Zeit, dass alte und schwerbehinderte Menschen besser in den Parlamenten und vor allem im Bundestag vertreten wären. Vor allem, weil die Zahl der alten und beeinträchtigten Bürger:innen stetig zunimmt und es allerhöchste Zeit wäre, mehr auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
    Aaaaaber – die Grauen Panther haben’s nicht so mit der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels. Von daher denke ich eher nein, was eine Parteizugehörigkeit anbelangt. 😉
    Bernhard Vogel (CDU) war neulich bei 3 nach 9 zu Gast. Und sein Schlussspruch hat mir sehr gut getan. Er meinte sinngemäß, dass unser Land schon so viele wirklich bedrohliche Schwierigkeiten überwunden hat. Und wenn uns der Mut verlässt, dann sollten wir ruhig mal ein wenig zurückschauen. Wir haben so enorm viel geschafft seit 1945, wir werden das jetzt auch gut hinkriegen. 😉

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    1. Siehst du, einen Pferdefuß haben alle Möglichkeiten. Eigentlich sollte ich sagen: dann wird es Zeit, dass jemand dazukommt, der in der Partei xyz mal dafür sorgt, dass Problem abc auch angegangen wird. Aber das braucht einen sehr langen Atem und Mitstreiter.

      Der Herr Vogel gefällt mir ebenso mit seiner Bedächtigkeit wie Herr Baum von der FDP. Ich überlege, ob es damit zusammenhängt, dass diese elder Statesmen nicht mehr darauf angewiesen sind, Wählerstimmen zu generieren und halte das für sehr wahrscheinlich. Denn die besonnenen Stimmen höre ich meist bei denen, die in zweiter oder dritter Reihe stehen.

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  2. Lustig, ich denke seit einiger Zeit auch darüber nach, in eine Partei einzutreten. Aber Farbe zu bekennen ist nicht so einfach, weil ich mich zwischen mehreren entscheiden müsste und das fällt mir richtig schwer.

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  3. Toller Beitrag! Lange nicht mehr so treffende Worte gelesen. Alle haben Schiss vor der AFD aber keiner geht mal offen in ne Diskussion mit denen. Und grade nen Artikel über die Zukunft der USA unter Trump gesehen: Spaltung mit Gewaltbegleiteten Auseinadersetzungen. So farblos und bzgl „Ich kann mich nicht erinnern“ verlogen ich den Kanzler auch finde ( wobei das MEIN Eindruck ist, er hat bestimmt auch viel Gutes was ich nur nicht kenne ), er bzw Hr Habeck versuchen oder müssen Mehrheiten „organisieren“. Und da ist es dann, das „wir gehören doch alle zusammen“. Das geht bei den ganzen Kommentaren um Gendern, Migration, Atomkraft etc. verloren. Ich bin an der Börse tätig und habe vor einiger Zeit in einem Seminar einen klugen Satz gehört: „Denk an die Konsequenzen. Du kannst alles machen, aber du musst mit den Konsequenzen leben“. Da ging es im speziellen um Zockertrades, aber das lässt sich ja auf alles andere übertragen. Daher: AFD wählen ? Vorsicht! Was passiert dann ?… Aber AFD ist natürlich nur ein plakativer Fall… Das Leben ist komplex, es gibt mehr Themen als das, was in den drei größten Überschriften einer Zeitung steht. Die eigene Gesundheit zb. Da ist D gar nicht so schlecht aufgestellt, auch wenn viel gemeckert wird. Anderswo ist besser ? Oft nur mit Geld. Die Asylanten bekommen alle kostenlos neue Zähne und „der Deutsche“ muss alles bezahlen ? Wieviele Fälle davon gibt es denn ? Schon mal nachgerechnet ? Im Verhältnis zu den Milliarden Gesamtkosten relativiert sich vieles. Aber man muss sich auch mal trauen nachzufragen und zu rechnen. Anstatt zu nicken 7nd zu sagen „ja, das ist doch wirklich eine Katastrophe, da muss man was tun“.

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    1. Na, ob ich mit so einigen AfDlern in eine offene Diskussion gehen würde, weiß ich auch nicht. Vergebens eingesetzte Lebenszeit…
      Da dürfte bei vielen Hopfen und Malz verloren sein. Wenn ich jemanden persönlich kenne und/oder das Gefühl habe, es könnte funktionieren, dann rede ich mit einzelnen Personen. Mal klappt es, immer leider nicht.
      Konsequenzen, da sagst du was. Ich schätze mal, sehr viele der Wähler machen sich die Konsequenzen nicht klar oder begreifen teilweise die Tragweite nicht. Gerade diejenigen, die denken, es geht ihnen persönlich mal wirtschaftlich besser, wenn die braune Soße an die Macht kommt. Einen Teufel wird es!
      Es ist eben schwierig, gegen diffuse Bauchgefühle anzukommen.

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    1. Waaas? Das ist ja noch mehr Arbeit😲. Außerdem ginge es in eine Richtung, die ich bei meinen freikirchlichen Glaubensgeschwistern regelmäßig kritisiere: Kaum gefällt ein paar Leuten die theologische Ausrichtung der Gemeinde nicht mehr, gründen sie eine neue.
      Nee, lass mal, Parteien gibt es genug. Zur Not mache ich vielleicht „Ene mene miste…“😅

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  4. Gerade schrieb ich dir einen sehr langen Kommentar. Als ich fertig war, las ich ihn mir mehrfach durch, verweilte, las noch einmal und löschte dann das Ganze. Weil mich politische Diskussionen mehr als anstrengen, sie rauben mir Kraft und Energie. Dennoch habe ich eine politische Haltung, die ich auch vertreten finde.

    L.G., Reiner

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    1. Lieber Reiner, volles Verständnis. Für diesen Beitrag habe ich eine Woche gebraucht, eben, weil es sehr anstrengend ist.
      Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dem breiten Spektrum nicht auf die Füße treten zu wollen. Da müssen Worte zurzeit bedacht gewählt werden.
      Liebe Grüße westwärts
      Anja

      Gefällt 1 Person

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