
Eine neue Etüdenrunde. Herausfordernd empfinde ich die Wortspende von Puzzleblume. Zur Einladung bei Christiane geht es übrigens hier.
Oje, dachte ich zunächst. Einen Biedermeier-Sekretär hat vielleicht ja noch so mancher von uns im Wohnzimmer oder zumindest auf dem Dachboden stehen, aber wie ich den mit niederträchtigem flöten in Verbindung setzen sollte, das entzog sich meiner Kenntnis. Bis mir heute der Zettel wieder ins Auge fiel, den ich auf meinem Schreibtisch vor den Monitor gelegt hatte, um immer wieder an diese drei Worte erinnert zu werden. Was weiß ich eigentlich so wirklich über diese Epoche, außer dass ich das Bild vom armen Poeten (Spitzweg) natürlich gut kenne, denn aus irgendeinem Grund bekommen Buchhändler das immer mal wieder vor die Nase gesetzt. (Ja gut, wir verdienen uns im Allgemeinen nicht so dumm und dusselig wie Herr Bezos, aber wenn man nicht zum Mond fliegen will, was soll’s, es regnet doch bei den meisten von uns nicht durch.)
Also sichtete ich erstmal den Wikipedia-Eintrag, der mir als Quelle für meinen nicht ganz ernst gemeinten Lexikon-Eintrag dient:
„Die Zeit des Biedermeier ist eine Epoche, die es nur in Deutschland, Österreich und Skandinavien gibt. Sie wird heute, ich weiß nicht recht, ist es eher niederträchtig oder nur folgerichtig, abschätzig als eine spießbürgerliche und kleinliche Zeit angesehen.
Ein Ursprung der Bezeichnung der Epoche dürfte in diesem Gedicht von Ludwig Pfau liegen:
Schau, dort spaziert Herr Biedermeier
und seine Frau, den Sohn am Arm;
sein Tritt ist sachte wie auf Eier,
sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.
Die letzte Zeile inspiriert mich kurz zu der Frage: Gibt es in Teilen unserer Gesellschaft vielleicht eine Biedermeier-Renaissance-Bewegung? Ein Schelm, wer böses dabei denkt…
Zum politischen Hintergrund: Die Völkerschlacht bei Leipzig und die Schlacht von Waterloo waren zu dem sprichwörtlich letzteren von Kaiser Napoleon geworden. Die konservativen Kräfte Europas, namentlich Franz I. von Österreich, der russische Zar Alexander I. sowie der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. wünschten sich eine Restauration. Klar, dass diese drei sich Zustände wie vor der französischen Revolution wünschten. Den Ausspruch ihres Zeitgenossen Sören Kierkegaard „Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts.“ kannten sie offensichtlich nicht, es ist nämlich sehr wahrscheinlich, dass der dänische Philosoph diesen Ausspruch noch nicht im zarten Kindesalter getätigt hatte.
Wie dem auch sei: Hoch lebte die Gemütlichkeit des heimischen Herdes, auch die Hausmusik. Wie viele Kinder mussten wohl ein Instrument erlernen, um abendlich zu flöten und damit die gestrengen Eltern zu erfreuen? Kinder und Mütter haben sich ganz bestimmt entspannt zurückgelehnt, wenn der Patriarch des Hauses zum Stammtisch ging, der ebenfalls in dieser Zeitspanne seinen Anfang nahm. Und auch das ist eine Parallele zu bestimmten Milieus heute: Die Frau war die Herrin am Herd, der Mann hatte außerhalb des Hauses das Sagen.
Positiv: Kindererziehung wurde wichtig, es gab die ersten Spielzeugfabriken, Kindermode, Kinderliteratur und der Pädagoge Fröbel gründete den ersten Kindergarten.“
300 Wörter. Puh!
Sie hatten sicherlich die Nase gestrichen voll von den über Europa ausgebreiteten Kriegshandlungen, die als „Biedermeier“ abgetanen Menschen, die froh waren, wenn überhaupt ihre Kinder und Väter nach Jahren wieder heil zurückkamen, oder nicht mehr die ständigen Requirierungen oder Einquartierungen durch Militärs bedrohlich über ihren Hausständen schwebten. Die meisten Menschen haben vom Leben der normalen Menschen während der Kaiserzeit Napoleons I. nicht allzuviel Ahnung, den Geschichtsbüchern waren sie immer zu unwichtig.
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Ganz bestimmt. Die einfachen Leute waren in der Geschichte nur zu häufig Kanonenfutter. Und trotzdem (oder auch gerade deshalb) versuchten sie der Feudalgesellschaft nachzueifern.
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Ach, wenn der Rückzug ins Private doch immer der Weisheit letzter Schluss wäre? Wer die Nase nicht aus dem eigenen Umfeld herausbewegt, kann auch am eigenen Mief ersticken … 😉 Wobei es natürlich stimmt, dass nach einer Zeit des Krieges und der Unruhe das Bedürfnis nach heiler Welt hoch (und gerechtfertigt) ist. Das Leben ist halt Wandel, leider oder zum Glück …
Philosophische Nachmittagskaffeegrüße 😁🌦️☕🍪👍
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Ich hatte gerade eine etwas längere Autofahrt, da fiel mir der Cocooning-Trend vor einigen Jahren ein. Ich schätze mal, es ist natürlich, dass wir uns ins stille Kämmerlein zurückziehen, wenn außen herum alles zu unübersichtlich wird.
Es ist Wandel, wie du schreibst, und es ist auch Wellenbewegung.
Ich entscheide jetzt ins Wartezimmer des Gelenkzentrums und verbringe dort kaffeelos die angekündigte mitgebrachte Wartezeit😃
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Na dann, möge alles so ausgehen, wie du es dir wünschst 😀 👍
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Auch wenn es nur eine Flöte war, die man spielen oder nach der man tanzen musste, so war dass doch der Zeitgeist. Und den können wir heute wohl nur noch schlecht nachempfinden, weil wir uns weiterentwickelt haben.
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Dafür haben wir heute anderen Zeitgeist und soziale Medien…
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Dafür hat uns mancher Lockdown in die eigenen vier Wände zurückgezwungen.
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Ja. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen.
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