Freiheit III

Der Blogstatistik sei Dank weiß ich, dass ich schon zwei Beiträge mit dem Titel Freiheit veröffentlicht habe. Im Januar 2022 und im Februar 2023. Heute kommt nun der dritte Artikel im März 2024. Alle 13 Monate also.
Und heute auch noch als Motz-Thema.
Obwohl, so richtig heftiges Motzen ist das vermutlich nicht, was ich heute schreiben möchte (wenn nicht gerade irgendwas mit mir durchgeht…). Eher eine kritische Bestandsaufnahme dessen, was weite Teile der Gesellschaft so sehr beschäftigt, ohne aber in irgendeiner Weise klar definiert zu sein.

Ich habe nur nachgeschaut, wann ich schon über die Freiheit geschrieben habe, ohne mir die Inhalte durchzulesen. Und so wird dieser Beitrag auch eine Überraschung für mich, wenn ich im Anschluss alles einmal lese und feststelle, ob und wie sich mein Begriff von Freiheit in den letzten Jahren gewandelt hat. Allerdings wage ich die Prognose, dass sich meine Grundeinstellung nicht wesentlich verändert hat, aber vermutlich mit den Jahren mehr Nuancen dazukommen. Na, mal sehen.

Heute früh in der Freischreibzeit gingen mir folgende Gedanken durch den Kopf:
Freiheit ist zum Schlagwort geworden, teilweise sogar zum Kampfbegriff. Allerdings zu einem sehr schwammigen, hinter dem sich alles und nichts verbergen kann. Es etabliert sich teilweise eine Sichtweise, dass Freiheit aus der Abwesenheit von Regeln besteht, als mehr oder weniger unbegrenzte Möglichkeit, eigene Bedürfnisse über die berechtigten Interessen anderer zu stellen.

Egal, ob es sich bei den Regeln um Gesundheitsschutzmaßnahmen handelt, die primär gesundheitlich angeschlagene Menschen vor Komplikationen schützen sollen oder um Regeln, die Ausbeutung von Natur und Umwelt begrenzen, zum Nutzen zukünftiger Generationen. Um eine gerechte Aufteilung des öffentlichen Raumes für Junge und Alte, Gesunde oder Menschen mit Behinderung, unterschiedliche Vehikel nutzende Verkehrsteilnehmer, Mehrheitsgesellschaft und marginalisierte Gruppen…

Egal, ob es sich um ordnungspolitische Maßnahmen handelt, die eine Höchstgeschwindigkeit auf den Straßen definieren, leistbare Mieten für Familien, Studenten und ärmere Menschen allgemein garantieren, eine Einschränkung von gesundheitschädlicher Werbung (z.B. Zucker, Alkohol, Tabak, in der Hinsicht bin ich gespannt auf die Auswirkungen der irgendwann kommenden Cannabis-Legalisierung…) oder die schlichtweg ganz unterschiedlichen Akteuren eine Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen und ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zwischen verschiedenen Anspruchsgruppierungen schaffen soll.
Ich stelle nicht in Abrede, dass sich jemand, der gern schnell fährt und den Rausch der Geschwindigkeit liebt, gegängelt fühlt. Im Bereich der Werbung frage ich mich aber schon, ob unsere Bedürfnisse nach gewissen Waren oder „Genüssen“ nicht sowieso schon eher künstlich erzeugt waren und es uns viel mehr stört, dass wir bei Werbeeinschränkungen das Gefühl haben, uns wird ein Spiegel vorgehalten, der uns zeigt, wie fremdgesteuert unser Freiheitsbedürfnis teilweise ist?
Hat sich im Ernst jemals jemand wie ein Cowboy gefühlt, wenn er sich eine Zigarette einer bestimmten Marke anzündete? Oder ist irgendeine Frau zu einem verführerischen Vamp im roten Seidenkleid geworden, wenn der Sekt eingeschenkt wurde? Welche Frau möchte eigentlich Bier im Bauchnabel haben, egal wie es prickelt? Und Eltern sind mit ziemlicher Sicherheit nicht auf einmal tiefenentspannt, wenn sie den Kindern die süße Zwischenmahlzeit aus dem Kühlschrank weggegessen haben. Höchstens so lange, bis der Zuckerschub den nächsten Heißhunger verursacht, was übrigens für die Kinder ebenso gilt.

Freiheit wird so zum inflationären, billigen Ramschartikel.

Die vermeintliche Freiheit, für die manche Menschen, Lager oder Fraktionen so vehement votieren, führt aber sehr oft zur Ausgrenzung derer, für die sogar ein kleines bisschen persönliche Freiheit bereits Luxus bedeutet, weil sie gesellschaftlich nicht repräsentiert sind.
Freiheit, die ich mir „gönne“, führt im Gegenzug zur Freiheitseinschränkung anderer, die allerdings häufig so weit weg sind, dass ich sie nicht wahrnehme. Was kümmert es uns in Deutschland, wenn Tuvalu absäuft. Das hat doch mit unserer Art zu leben nichts zu tun…
Leute, die in anderen Zusammenhängen gern verschwörerisch raunen „Alles hat mit allem zu tun, du wirst schon sehen…!“, erkennen hier so gar nichts übergreifendes. Hauptsache, unsere Freiheit wird nicht beschnitten.

Freiheit ohne Grenzen ist gar nichts. Sie ist nur ein leerer Raum, eine menschenfeindliche Wüste. Erst durch Begrenzung bekommt die Freiheit einen Wert. Ohne Grenzen dagegen ist sie eine Selbstverständlichkeit, die man irgendwann nicht mehr zu schätzen weiß. Wenn ich es gewohnt bin, jeden Morgen Kaviar zu frühstücken, dann ist es so normal wie für Andere das Butterbrot. Den Luxus, den ich jeden Tag serviert bekomme, nehme ich dann nicht mehr wahr.

Freiheit ist mehr als die Abwesenheit von Regeln und Begrenzungen. Freiheit bedeutet auch nicht: Ich nehme mir, was ich will. Den fünften Wohnsitz, das neueste fette Auto, die Luxusyacht mitsamt Besatzung, den wöchentlichen Shopping-Trip per Learjet in die Metropolen der Welt.

Menschen in der Ukraine (aber auch in Russland, wie das „Wahl“-Wochenende deutlich gemacht hat), im Iran, in Syrien und in vielen anderen Regionen der Erde können bestätigen, dass Freiheit ein kostbares Gut ist, für das mehr getan werden muss, als wohlfeile Reden zu schwingen und durchklingen zu lassen, was man angeblich alles nicht mehr sagen darf.

Freiheit ist – wie Frieden – mehr als die Abwesenheit von Krieg, das sehen wir sehr eindrücklich im Nahen Osten. Große Teile der Bevölkerungen Israels und des Gaza-Streifens sehnen sich nach Freiheit und Frieden. Beide sind aber auch Geiseln der unheilvollen Geschichte ihrer Heimat. Sowie auch Geiseln uneinsichtiger Machtbewahrer auf beiden Seiten der Grenze/Front. Dieser Konflikt, der sehr lange mehr oder weniger vor sich hin schwelte und seit dem letzten Oktober so vernichtend zutage getreten ist, zeigt jenseits von Ursachenforschung und Schuldfragen, wie tödlich das störrische Verharren auf dem jeweils eigenen Freiheitsbegriff werden kann.

Am Ende dieses Beitrages komme ich zu dem Schluss, dass Freiheit nicht zum Kampfbegriff taugt, aber trotzdem immer wieder erkämpft werden muss.
Nicht mit Waffen, sondern mit genauem Hinsehen, sorgfältigem Abwägen, empathischen Handeln. Und manchmal auch mit dem bewussten Zurücktreten von dem, was wir gern als unser Anrecht ansehen, als etwas uns Zustehendes, koste es, was es wolle.

Ich bin jetzt schon gespannt, ob ich mich im April 2025 auch wieder auf das Thema einlassen werde. Ob wir der Freiheit näher kommen werden und wenn ja, welcher Art von Freiheit. Oder ob es ganz anders kommt…

Und ich habe mich entschlossen, die Montagsmotz-Serie für das Buchprojekt der Aufgabe Grundkurs 12 des Studiums zu benutzen. Mal gucken, wohin mich das führt.


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Autor: Annuschka

Ostwestfälisch beharrlich, meistens gut gelaunt, Buchhändlerin, Ehefrau, Mutter von drei tollen Töchtern, Hundemama, Jugendarbeiterin (in zeitlicher Reihenfolge des Auftretens). Mit vielen Interessen gesegnet oder geschlagen, je nach Sichtweise ;-)

4 Kommentare zu „Freiheit III“

  1. Der Pedant in mir möchte darauf hinweisen, dass, wenn du „Jung und Alt“ gegenüberstellst, im Folgenden dann „Gesunde“ nicht das Gegenteil von „Menschen mit Behinderung“ sind, aber der Stoiker in mir sagt, ich soll es lassen. Die anderen acht spielen gerade Tetris. 😉

    Zum Text selbst finde ich, dass das aktuelle Verständnis des Freiheitsbegriffs in im ersten kursiven Textabschnitt ausgesprochen gut zusammengefasst wurde.

    Gefällt 1 Person

    1. Da hast du natürlich vollkommen Recht, das ist verkürzt. Wenn mir dazu etwas besseres einfällt, ohne als Roman zu enden, ändere ich es auch noch. Ich stehe heute Vormittag ein wenig unter Zeitdruck und das ist nicht immer die beste Voraussetzung.
      Ich bearbeite gerade die aktuelle Aufgabe zum Studium und möchte die Rohfassung heute fertigstellen. Die Motzerei spielt in dieser Aufgabe eine herausragend Rolle, daher gibt es ein bisschen Kuddelmuddel im Kopf🙈.

      Danke für deine Einschätzung. Es tut gut, nicht allein damit dazustehen, obwohl gerade das ja auch ausgesprochen traurig stimmt. Ach, ich weiß nicht, ob das verständlich ist…

      Gefällt 1 Person

    2. Aber es ist schon so, wie sie schreibt: Den Begriff der Freiheit gibt es nur, weil es den Begriff der Grenzen und Herrschaft gibt. Das eine kann nicht ohne das andere sein. Wenn ich das mal als Taoist sagen darf 🙂

      Das hier ist sehr schön gesagt: „Freiheit ohne Grenzen ist gar nichts. Sie ist nur ein leerer Raum, eine menschenfeindliche Wüste.“

      Und diese Schlussfolgerung daraus halte ich auch für uneingeschränkt richtig: „Am Ende dieses Beitrages komme ich zu dem Schluss, dass Freiheit nicht zum Kampfbegriff taugt, aber trotzdem immer wieder erkämpft werden muss. Nicht mit Waffen, sondern mit genauem Hinsehen, sorgfältigem Abwägen, empathischen Handeln.“

      Gefällt 1 Person

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